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Mordfall Charlotte Böhringer

28.687 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Mord, München, 2006 ▪ Abonnieren: Feed E-Mail
Zu diesem Thema gibt es eine von Diskussionsteilnehmern erstellte Zusammenfassung im Themen-Wiki.
Themen-Wiki: Mordfall Charlotte Böhringer

Mordfall Charlotte Böhringer

29.01.2020 um 23:29
@Andante
Das mir hier der Begriff „Revisionssicherheit“ um die Ohren fliegt, hatte ich mir schon gedacht. Aber ich kam letzte Nacht nicht mehr auf eine passende Bezeichnung,….und wollte einfach nur noch ins Bett. Grundsätzlich ist mir der Unterschied durchaus bekannt.
Es ging, wie angesprochen darum, die Urteilsbegründung so zu gestalten, dass der Verteidigung auch Jahre später keine Angriffsfläche für ein mögliches WAV gegeben wird.

Ich hatte in meiner Ausführung weder von verängstigten Richtern die bedenken hinsichtlich ihre Pensionen haben, noch über irgendwelche Horrorszenarien durch ein WAV gesprochen. Da bringst Du eine unverhältnismäßige Dramatik rein. Es geht schlicht um Ego, Ansehen und Qualität. Auch ne’n Jürgen Klopp wird sich keinen nass machen, wenn er mit Liverpool die Tage aus dem FA-Cup ausscheiden oder dann doch mal ein Premier-League-Spiel verlieren sollte. Schon gar nicht würde er sich um Geld oder Freizeit sorgen machen. Jedes Ausscheiden und jede Niederlage nagt trotzdem immer ein Stück weit an ihm.

Und zumindest der BT-Prozess hatte in der Region München schon einen besonderen Stellenwert. Ich vergleich’ das jetzt mal mit dem Champions-League Halbfinale (NSU wäre Finale ;-)).
Täglich berichteten Zeitungen, man wusste es wird eine Doku gedreht, der ein oder andere Richter-Kollege hatte vielleicht auch schon mal ne'n Auge auf den Prozess geworfen….und CB hatte ja nun auch ihre Stellung innerhalb der immer wieder mal genannten „oberen 10.000“.
Das ist dann auch für ein Gericht bzw. einen Richter eine nicht alltägliche Herausforderung, bei der man sich keinesfalls die Blöße geben möchte.


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29.01.2020 um 23:44
Zitat von BeksBeks schrieb:Das ist dann auch für ein Gericht bzw. einen Richter eine nicht alltägliche Herausforderung, bei der man sich keinesfalls die Blöße geben möchte.
Ich versichere dir, dass es durchaus Prozesse gibt, die vom Umfang und von der Schwierigkeit her hundertmal herausfordernder sind als der Böhringer-Prozess. Selbiger mag für die Öffentlichkeit wegen der Beteiligung von Angehörigen aus Münchener Schicki-Micki-Geld-Kreisen hochinteressant gewesen sein. Für das Gericht muss er es deshalb noch lange nicht gewesen sein. Das gilt sowohl fürs Tatsächliche wie fürs Juristische. Für Große Strafkammern sind Prozesse um Tötungsdelikte ja nichts Neues.

Wirklich herausfordernd war hingegen etwa der NSU-Prozess. Da kann man man das Gericht nur bewundern, wie es dieses Verfahren um viele Täter, viele Opfer, viele Verteidiger, viele Nebenkläger plus Anwälten, sehr viele Zeugen mit Beteiligung diverser Dolmetscher gestemmt hat.


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30.01.2020 um 01:30
Zitat von AndanteAndante schrieb:Für das Gericht muss er es deshalb noch lange nicht gewesen sein. Das gilt sowohl fürs Tatsächliche wie fürs Juristische. Für Große Strafkammern sind Prozesse um Tötungsdelikte ja nichts Neues.
Tja und dann dauerte der Prozess aber 1 1/2 Jahre. Der Täter wurde innerhalb von 3 Tagen gefunden, zur Urteilsfindung wurde dann aber lange Zeit gebraucht.


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30.01.2020 um 01:44
So ist das eben in Indizienprozessen. Da wird eine umfangreiche Beweisaufnahme durchgeführt, es werden viele Zeugen gehört, es muss über viele Beweisanträge der Verteidigung und der StA entschieden werden. Das zieht sich, heißt aber nicht gleichzeitig, dass die Sache immer besonders herausfordernd oder schwierig ist.

Jeder umfangreichere Prozess im Bereich der Wirtschaftskriminalität ist herausfordernder, weil es da nicht nur um Straftaten aus dem StGB geht, sondern auch um solche aus dem Steuerrecht, aus dem Bereich des Außenwirtschaftsgesetzes etc. pp. mit dazugehöriger Beweisaufnahme. Nur weil darüber wenig in den Medien kommt, weil so etwas die Leute nicht interessiert, heißt das ja umgekehrt nicht, dass medienwirksame Fälle immer besonders herausfordernd oder anspruchsvoll für ein Gericht sein müssten.


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30.01.2020 um 01:44
Zitat von SunziChrisSunziChris schrieb:Tja und dann dauerte der Prozess aber 1 1/2 Jahre. Der Täter wurde innerhalb von 3 Tagen gefunden, zur Urteilsfindung wurde dann aber lange Zeit gebraucht.
Strenggenommen wurde der Täter nach eben nach dem langen Weg zur Urteilsfindung gefunden. Wir haben es hier mit einem Indizienprozess zu tun, da sollte man eine gewisse Sorgfalt zugestehen.


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30.01.2020 um 01:47
Zitat von BoobSinclarBoobSinclar schrieb:Strenggenommen wurde der Täter nach eben nach dem langen Weg zur Urteilsfindung gefunden.
Richtig. Nicht ein Täter, sondern ein Tatverdächtiger war nach drei Tagen gefunden, der später von der StA angeklagt wurde, CB ermordet zu haben, und über diese Anklage hatte das Gericht zu befinden.


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30.01.2020 um 01:52
Zitat von AndanteAndante schrieb:Richtig. Nicht ein Täter, sondern ein Tatverdächtiger war nach drei Tagen gefunden, der später von der StA angeklagt wurde, CB ermordet zu haben, und über diese Anklage hatte das Gericht zu befinden.
Sobald ein Tatverdächtiger angeklagt wird, gibt es so gut wie keinen Freispruch mehr. Weniger als 3 % aller Angeklagten werden freigesprochen.


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30.01.2020 um 01:54
Zitat von SunziChrisSunziChris schrieb:Sobald ein Tatverdächtiger angeklagt wird, gibt es so gut wie keinen Freispruch mehr. Weniger als 3 % aller Angeklagten werden freigesprochen.
Das hat jetzt was konkret mit BT zu tun? Wenn ers war - und dafür spricht so ziemlich einiges, wenn nicht gar alles - soll man ihn der Statistik zuliebe laufenlassen?

Die Statistik kommt übrigens auch daher zustande, dass die Hürden für eine Anklagerhebung halbwegs hoch sind, denn es muss eben eine hohe Verurteilungswahrscheinlichkeit gegeben sein. Wenn nach dieser Hürde also alle freigesprochen werden müssten, dann hätte irgendjemand vorher seinen Job nicht gemacht.


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30.01.2020 um 02:01
Zitat von BoobSinclarBoobSinclar schrieb:Die Statistik kommt übrigens auch daher zustande, dass die Hürden für eine Anklagerhebung halbwegs hoch sind, denn es muss eben eine hohe Verurteilungswahrscheinlichkeit gegeben sein.
Und dann kommt der Richter nicht mehr raus aus der Geschichte, wenn er zuvor eine Verurteilungswahrscheinlichkeit befürwortet hat. Das Problem ist bei unseren Gerichten, dass es keine wirkliche Gewaltenteilung gibt.

Hier zu der Problematik ein einschlägiges Video dazu. Der Fall Genditzki ist ein Skandal-Urteil, wo man sieht, dass sich Richter nicht einmal mehr die Mühe machen, die Akten zu lesen.

https://www.youtube.com/watch?v=muzpJt4Jef0 (Video: Deutsche Justiz: Wie gefährdet ist unser Recht? | DokThema | Doku | BR)


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30.01.2020 um 02:02
Zitat von SunziChrisSunziChris schrieb:Und dann kommt der Richter nicht mehr raus aus der Geschichte, wenn er zuvor eine Verurteilungswahrscheinlichkeit befürwortet hat.
Nochmal der Versuch, konkret zu werden: Aus welcher Geschichte kommt der Richter im Fall Böhringer warum nicht mehr raus? Hast Du das Urteil gelesen?


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30.01.2020 um 02:04
Zitat von BoobSinclarBoobSinclar schrieb:Hast Du das Urteil gelesen?
Schaue dir die Doku an. Genau das ist auch im Fall Bence so, dass das Urteil in Stein gemeiselt ist. Aber es muss nicht stimmen. Wie im Fall Genditzki, wo auf einmal das Mordmotiv ausgetausch wird, einfach mal so!


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30.01.2020 um 02:06
Zitat von SunziChrisSunziChris schrieb:Schaue dir die Doku an.
Hab ich getan. Extrem emotionalisierter einseitiger Human Interest-Schmonzens. Lies das Urteil, beschäftige Dich mit dem Fall. Und Genditzki hat einen eigenen Thread. Aber auch da ist es nicht so eindeutig, wie einem das Fernsehen glauben lassen mag.


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30.01.2020 um 02:13
Zitat von BoobSinclarBoobSinclar schrieb:Aber auch da ist es nicht so eindeutig, wie einem das Fernsehen glauben lassen mag.
Die Doku vom BR zeigt eindeutig und das wollte ich damit zum Ausdruck bringen, dass so bald sich die Ermittler und Staatsanwaltschaft auf einen Täter festgelegt haben und der Richter auch noch eine hohe Täterwahrscheinlichkeit bestätigt, es kein Entrinnen mehr für den Angeklagten gibt.


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30.01.2020 um 02:18
Zitat von SunziChrisSunziChris schrieb:Die Doku vom BR zeigt eindeutig
Ja, die Doku mag in beiden Fällen gerne eindeutig sein, die Fälle sind es eben nicht. Die Doku ist kein Wahrheitsserum und auch nicht das Urteil.


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30.01.2020 um 02:22
Zitat von BoobSinclarBoobSinclar schrieb:Ja, die Doku mag in beiden Fällen gerne eindeutig sein, die Fälle sind es eben nicht
Dann müsste es In dubio pro reo lauten. Aber das scheint es nur in der Theorie zu geben, in der Praxis wird dann an den Haaren herbeigezogen was zur Verurteilung führt oder sich einfach irgendwelchen Gutachten angeschlossen. Der Richter wäscht dann seine Hände in Unschuld.


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30.01.2020 um 02:24
@SunziChris

Magst Du konkret was zum hier behandelten Mordfall sagen oder willst Du nur irgendwelchen pauschalen Verschwörungstheorien in die Gegend blasen? Das, was Du da beschreibst gilt in diesem Fall nicht. Das sieht jeder, der mal die Scheuklappen abnimmt und sich mehr als durch die Glotze informiert hat.


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30.01.2020 um 02:27
Zitat von BoobSinclarBoobSinclar schrieb:Magst Du konkret was zum hier behandelten Mordfall sagen oder willst Du nur irgendwelchen pauschalen Verschwörungstheorien in die Gegend blasen?
Das ist keine Verschwörungstheorie sondern sind nackte Tatsachen, wie die Urteilsfindung abläuft und auch wie eine Revision abläuft. Auch Bences Revisionsantrag wurde am 28.04.2009 einfach zurückgewiesen. Warum muss dazu keine Begründung abgegeben werden?


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30.01.2020 um 02:36
@SunziChris

Wie möchtest Du denn bitte wissen, wie die Urteilsfindung abläuft, wenn Du weder das Urteil noch die Ablehnung des Revisionsantrages gelesen hast?


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30.01.2020 um 06:43
Zitat von BeksBeks schrieb:Es ging, wie angesprochen darum, die Urteilsbegründung so zu gestalten, dass der Verteidigung auch Jahre später keine Angriffsfläche für ein mögliches WAV gegeben wird.
Im Prinzip geht es doch ganz einfach nur um die Vermeidung gravierender Fehler im Verfahren und in der Urteilsbegründung. Dieses Bestreben kann man Richtern ja nicht zum Vorwurf machen, eher im Gegenteil.


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30.01.2020 um 08:07
Zitat von SunziChrisSunziChris schrieb:Sobald ein Tatverdächtiger angeklagt wird, gibt es so gut wie keinen Freispruch mehr. Weniger als 3 % aller Angeklagten werden freigesprochen.
Da hätte ich gerne Belege für diese Behauptung. Das mag vielleicht bei Kapitalverbrechen so sein, insgesamt gibt es viel mehr Freisprüche (oder Verfahrenseinstellungen z.B. nach § 153a StPO).

Es gibt in Deutschland vielleicht 300 bis 400 Mordurteile im Jahr. Wenn man sich ansieht, wie viele davon in den letzten 10 Jahren kontrovers diskutiert worden sind, dann befindet sich die Zahl mutmaßlicher "Justizirrtümer" im Promillebereich. Und einige besonders spektakuläre Fälle, die auch hier intensiv diskutiert werden ("Bauer Rupp", "Peggy", "Rottach-Egern") lassen nun nicht den Rückschluss zu, dass Polizei und Justiz insgesamt miese Arbeit abliefern. Im Gegenteil: Gerade bei Mord wird kein Aufwand gescheut. Und es wird nicht ermittelt, um einen Täter dranzukriegen, sondern es wird umfassend "nach allen Richtungen" versucht, einen Sachverhalt aufzuklären. Eine intensive Ermittlung führt dazu, dass sich bei der Polizei 500 Aktenordner oder mehr stapeln, weil alles abgeklopft wird, was irgendwie fallrelevant sein könnte.

TV-Beiträge wie der verlinkte sind im Übrigen kritisch anzusehen:

"Justizopfer klagen an" - was heißt das? Dort treten Betroffene auf, die sich für Justizopfer halten. Sie (und ihre Anwälte) erzählen ihre Sicht der Dinge. Zwar werden Ermittler, Staatsanwälte und Richter immer von den Journalisten gefragt, ob sie sich auch äußern wollen, aber sie müssen das ablehnen, zumeist weil sie das aus rechtlichen Gründen nicht dürfen. So sind diese TV-Dokus von vorneherein einseitig.

Im Gegensatz zu vielen anderen hier halte ich das nicht für einen Skandal, denn die Einseitigkeit ist offenbar. Und es ist Aufgabe der Medien, Öffentlichkeit zu gewährleisten. Auch für diejenigen, die sich für Justizopfer halten. Der mündige Staatsbürger kann sich ja dann weiter informieren, z.B. indem man Medienberichte über den Prozess liest. Dort wird zumeist recht gut dargestellt, worum es im Prozess gegangen ist und wie das Urteil vom Gericht begründet wurde.

Im schriftlichen Urteil hat sich das Gericht fast immer mit den Gegenargumenten auseinandergesetzt, die in den TV-Dokus vorgebracht werden, sofern sie schon im Prozess geltend gemacht worden sind. Das ist fast immer der Fall. Meiner Ansicht nach wird da von den Gerichten nicht immer überzeugend argumentiert, aber das ändert häufig nichts am Ergebnis (Schuldspruch).


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