Der Mordfall Weimar
22.01.2014 um 14:39@Mao1974
dass MW lügt und gelogen hat steht wohl außer Zweifel. Die Wahrheit hat sie bis heute nicht gesagt. Ich bin auch überzeugt davon, dass die Kinder bereits in der Nacht getötet wurden. MW hätte wohl kaum frische Kleidung mit an den Tatort genommen und dann die Kinder vor Ablage noch umgezogen.
@ Aberdeen
Die Zeugenaussagen sehe ich kritischer. Ich möchte hier mal einen Auszug über die Ausführungen eines Gutachters zitieren:
"Der BGH legte großen Wert auf die Zeugen, die die Kinder noch am Vormittag gesehen haben wollen, als er der Revision des Gießener Freispruchs von Monika Böttcher stattgab. Es sei unwahrscheinlicher, dass mehrere Zeugen irren, als einer, hieß es. Warum sollen vier Erwachsene was Falsches sagen, wird gefragt. Aber die genaue Betrachtung ergibt, dass wir keine vier unabhängigen Zeugen haben und man möglicherweise einen ganz anderen Maßstab anlegen muss für den gruppendynamischen Prozess, der stattgefunden hat.
Eines der beiden Ehepaare hat zwei sich widersprechende Aussagen gemacht. Ich habe die Kinder gesehen, sagt die Frau. Ich hab sie nicht gesehen, sagt der Mann. Eine knappe Woche später sagt er dann: Ich habe die Kinder doch gesehen. Und das zweite Ehepaar kommt auch erst Tage später ins Spiel, nachdem man mehrfach miteinander telefoniert hat und nach Bekundung der Zeugen die Fotos der Kinder mehrfach im Fernsehen gesehen hat.
Außerdem hat Frau Böttcher selbst anfangs die Version vertreten, die Kinder lebten am Morgen noch. Da gibt es für unsere vier Zeugen also die Problematik der "co-witness", der Mit-Zeugen. Hier lag der Satz: Die Kinder waren noch da, sozusagen in der Luft. Weil die Kinder ja immer da waren. Das ist keine Unterstellung böser Absicht oder der Vorwurf, die Personen würden lügen. Das sind ganz normale Vorgänge, die dort stattgefunden haben können und die die Zuverlässigkeit der Zeugenaussagen um einiges reduzieren.
Wenn man sich zudem die Gesamtheit dieser Zeugenaussagen ansieht, dann wird diese Reduzierung der Zuverlässigkeit sehr erheblich. Es spielte also auch das Aufeinander-Beziehen der Zeugen eine Rolle? Ja, nehmen Sie eine andere Aussage: Ich habe gesehen, dass der Schwager wegen der Weimar-Töchter gebremst hat, sagt ein Zeuge. Der Schwager weiß aber vom Bremsen nichts und kann außerdem noch erläutern, dass man an der bezeichneten Stelle gar nicht bremsen muss. Dann kippt dieser Zeuge um, als der Richter ihn unter Druck setzt und sagt nun: Meine Frau hat es mir gesagt. Ich habe das Bremsen gar nicht gesehen. Davon weiß wiederum die Frau nichts, weder, dass ihr Schwager gebremst hat, noch, dass sie ihrem Mann davon erzählt hat. Wenn Sie dann erfahren, dass derselbe Zeuge gesagt hat, ich war gar nicht dabei, weil ich im Keller Holz gehackt habe, dann sehen Sie doch, was Sie für Aussagen vor sich haben.
Können Zeugen denn überhaupt ein so lange zurückliegendes Ereignis getreu wieder geben? Ob so etwas prinzipiell möglich ist, ist schwer zu beantworten. Natürlich werden Kernsachverhalte behalten. Nur, hier haben wir es mit einem eigentlich sehr peripheren Sachverhalt zu tun. Es geht um fremde Kinder, die man beim Vorbeifahren gesehen haben will. Bei diesen Zeugen aber war es so: sie waren unvorsichtig, sie haben nicht reflektiert, wie sich ihre Äußerungen über die Jahre veränderten.
Sie haben nicht gefragt: Erinnere ich mich jetzt an das, was damals war oder an Vernehmungen vor der Polizei oder bei den verschiedenen Prozessen? Die hohe Pseudoexaktheit und mangelnde Reflexion über die möglichen Gedächtnisveränderungen ist ein Merkmal dieser Zeugen. Gibt es Zeugen, die Sie für glaubwürdiger halten? Für mich sind ganz andere Zeugen von Bedeutung. Und zwar Kinder von 1986, die im gleichen Alter wie Melanie und Karola Weimar waren und sonst mit ihnen gespielt haben. Ein kindlicher Zeuge hat gesagt: Ich habe Melanie und Karola nicht gesehen, aber die waren da. Das weiß ich von meiner Oma. Eine bemerkenswerte Differenzierungsleistung des Jungen: Ich hab sie nicht gesehen, aber sie waren da, und gleichzeitig Benennung der Quelle Oma. Das war die Hauptzeugin.
Bedeutsam daraus ist: Ich hab sie nicht gesehen. Jetzt, nach 13 Jahren will er aber die Stimme von Karola gehört haben. Träfe das zu, hätte der Junge damals sofort den Nachsatz gemacht: Ich hab sie nicht gesehen, aber ich hab die Stimme gehört. Dass er nach 13 Jahren erstmalig die Erinnerung an diese Stimme wiedergefunden hat, ist gedächtnispsychologisch höchst unwahrscheinlich, um nicht zu sagen: unmöglich.
Es ist sehr viel wahrscheinlicher, dass die Gespräche mit den Verwandten dazu führten, dass er denkt, er habe die Stimme gehört. Noch einmal: Auch dieser Zeuge muss nicht lügen, wenn er dort etwas Falsches sagt. Das Dramatische an diesem Fall ist, dass hier so eine Häufung von Fehlermöglichkeiten vorhanden ist."
dass MW lügt und gelogen hat steht wohl außer Zweifel. Die Wahrheit hat sie bis heute nicht gesagt. Ich bin auch überzeugt davon, dass die Kinder bereits in der Nacht getötet wurden. MW hätte wohl kaum frische Kleidung mit an den Tatort genommen und dann die Kinder vor Ablage noch umgezogen.
@ Aberdeen
Die Zeugenaussagen sehe ich kritischer. Ich möchte hier mal einen Auszug über die Ausführungen eines Gutachters zitieren:
"Der BGH legte großen Wert auf die Zeugen, die die Kinder noch am Vormittag gesehen haben wollen, als er der Revision des Gießener Freispruchs von Monika Böttcher stattgab. Es sei unwahrscheinlicher, dass mehrere Zeugen irren, als einer, hieß es. Warum sollen vier Erwachsene was Falsches sagen, wird gefragt. Aber die genaue Betrachtung ergibt, dass wir keine vier unabhängigen Zeugen haben und man möglicherweise einen ganz anderen Maßstab anlegen muss für den gruppendynamischen Prozess, der stattgefunden hat.
Eines der beiden Ehepaare hat zwei sich widersprechende Aussagen gemacht. Ich habe die Kinder gesehen, sagt die Frau. Ich hab sie nicht gesehen, sagt der Mann. Eine knappe Woche später sagt er dann: Ich habe die Kinder doch gesehen. Und das zweite Ehepaar kommt auch erst Tage später ins Spiel, nachdem man mehrfach miteinander telefoniert hat und nach Bekundung der Zeugen die Fotos der Kinder mehrfach im Fernsehen gesehen hat.
Außerdem hat Frau Böttcher selbst anfangs die Version vertreten, die Kinder lebten am Morgen noch. Da gibt es für unsere vier Zeugen also die Problematik der "co-witness", der Mit-Zeugen. Hier lag der Satz: Die Kinder waren noch da, sozusagen in der Luft. Weil die Kinder ja immer da waren. Das ist keine Unterstellung böser Absicht oder der Vorwurf, die Personen würden lügen. Das sind ganz normale Vorgänge, die dort stattgefunden haben können und die die Zuverlässigkeit der Zeugenaussagen um einiges reduzieren.
Wenn man sich zudem die Gesamtheit dieser Zeugenaussagen ansieht, dann wird diese Reduzierung der Zuverlässigkeit sehr erheblich. Es spielte also auch das Aufeinander-Beziehen der Zeugen eine Rolle? Ja, nehmen Sie eine andere Aussage: Ich habe gesehen, dass der Schwager wegen der Weimar-Töchter gebremst hat, sagt ein Zeuge. Der Schwager weiß aber vom Bremsen nichts und kann außerdem noch erläutern, dass man an der bezeichneten Stelle gar nicht bremsen muss. Dann kippt dieser Zeuge um, als der Richter ihn unter Druck setzt und sagt nun: Meine Frau hat es mir gesagt. Ich habe das Bremsen gar nicht gesehen. Davon weiß wiederum die Frau nichts, weder, dass ihr Schwager gebremst hat, noch, dass sie ihrem Mann davon erzählt hat. Wenn Sie dann erfahren, dass derselbe Zeuge gesagt hat, ich war gar nicht dabei, weil ich im Keller Holz gehackt habe, dann sehen Sie doch, was Sie für Aussagen vor sich haben.
Können Zeugen denn überhaupt ein so lange zurückliegendes Ereignis getreu wieder geben? Ob so etwas prinzipiell möglich ist, ist schwer zu beantworten. Natürlich werden Kernsachverhalte behalten. Nur, hier haben wir es mit einem eigentlich sehr peripheren Sachverhalt zu tun. Es geht um fremde Kinder, die man beim Vorbeifahren gesehen haben will. Bei diesen Zeugen aber war es so: sie waren unvorsichtig, sie haben nicht reflektiert, wie sich ihre Äußerungen über die Jahre veränderten.
Sie haben nicht gefragt: Erinnere ich mich jetzt an das, was damals war oder an Vernehmungen vor der Polizei oder bei den verschiedenen Prozessen? Die hohe Pseudoexaktheit und mangelnde Reflexion über die möglichen Gedächtnisveränderungen ist ein Merkmal dieser Zeugen. Gibt es Zeugen, die Sie für glaubwürdiger halten? Für mich sind ganz andere Zeugen von Bedeutung. Und zwar Kinder von 1986, die im gleichen Alter wie Melanie und Karola Weimar waren und sonst mit ihnen gespielt haben. Ein kindlicher Zeuge hat gesagt: Ich habe Melanie und Karola nicht gesehen, aber die waren da. Das weiß ich von meiner Oma. Eine bemerkenswerte Differenzierungsleistung des Jungen: Ich hab sie nicht gesehen, aber sie waren da, und gleichzeitig Benennung der Quelle Oma. Das war die Hauptzeugin.
Bedeutsam daraus ist: Ich hab sie nicht gesehen. Jetzt, nach 13 Jahren will er aber die Stimme von Karola gehört haben. Träfe das zu, hätte der Junge damals sofort den Nachsatz gemacht: Ich hab sie nicht gesehen, aber ich hab die Stimme gehört. Dass er nach 13 Jahren erstmalig die Erinnerung an diese Stimme wiedergefunden hat, ist gedächtnispsychologisch höchst unwahrscheinlich, um nicht zu sagen: unmöglich.
Es ist sehr viel wahrscheinlicher, dass die Gespräche mit den Verwandten dazu führten, dass er denkt, er habe die Stimme gehört. Noch einmal: Auch dieser Zeuge muss nicht lügen, wenn er dort etwas Falsches sagt. Das Dramatische an diesem Fall ist, dass hier so eine Häufung von Fehlermöglichkeiten vorhanden ist."