@Quiron Ist das denn so? Im Bericht von Umberto Giordano vom Obersten Gerichtshofes (der dazu ja wohl das letzte Wort hat) zu Rudy Guedes Verfahren steht ausdrücklich:
"In the meantime it is now necessary to escape the attempt, pursued by the overall setting of the defence, but out of place in the context of this decision, to involve the Court in supporting the thesis of the responsibility of others, namely Raffaele Sollecito and Amanda Knox, for the murder aggravated by the sexual assault of Meredith Kercher. The decision to which this court is called concerns uniquely the responsibility of Guede regarding the deed with which he is charged, ..."
Ich denke schon. Giordano lehnt im Endeffekt nur Guedes letzten Revisionsantrag ab und bestätigt damit das von
Borsini und Belardi gefällte Urteil und ganz gleich wie vorsichtig Giordano auch um den heißen Brei herumredet, Borsini und Belardi lassen sich recht umfangreich auch zur Schuld von Knox und Sollecito aus.
On this point, the defense’s assumption does not seem reasonable, that Rudi did not act in participation with the other two co-defendants, whether for the considerations described above, or for the fact that as said, the prosecution’s theory did not contemplate premeditation and a pre-arrangement, leaving space for the idea that the criminal intent evolved only after the three entered into the apartment and realized that Meredith was at home alone.
After all, it is proven that Amanda knew Rudi, as was quietly admitted by the latter and it is of no importance whether or not the defendant knew Sollecito, with it being understood that it was Amanda and not Meredith to facilitate his entrance into the apartment on via della Pergola; the unreliability of the witness Kokomani, who testified to have seen them all together, with it being unsure if it was the evening of 31st October or 1st November, who made fanciful statements that were rightly discredited by the first judge, is certainly not enough to reduce the likelihood of this fact.
Und dann, als es um die mildernden Umstände geht:
Then, apart from the attempt to staunch the flow of blood from the wound and the proof that it was not he that held the knife that was compatible with the worst of the lesions, it should also be remembered that Guede was the only one, even if in a somewhat fanciful reconstruction of events, to indicate the perpetrators.
Das Problem ist wohl, dass Guedes Urteil zu einem Großteil auf der Präsentation der Staatsanwaltschaft von 2008 basiert, die ja von vorneherein Knox und Sollecito als die Hauptschuldigen präsentiert hat. Dieses Bild ist von Micheli und Massei durchgewunken worden und ich denke auch, dass Borsini und Belardi Masseis Urteilsbegründung kannten als sie ihre verfasst haben. Masseis wurde am 4.3.2010 veröffentlicht, Borsini und Bellardis am 22.3.2010 und mit Massei im Rücken kann man offensichtlich auch schon mal was durchgehen lassen.
Giordano hat dieses Bild dann quasi in Stein gemeißelt, bevor später in der Hellmann Berufung klar wurde, dass "die Steine, aus denen die Staatsanwaltschaft ihr Haus gebaut hat nicht existieren".
Quiron schrieb:Rudy Guede hat das sogenannte "Beschleunigte Verfahren" gewählt, was ihm von Vorneherein den Erlass eines Drittels der letztendlich verhängten Strafe gewährt. Dafür verzichtet er auf eine Prüfung der gegen ihn vorgebrachten Beweise. Wenn es jetzt zu einem neuen Verfahren kommt, und dort diese Beweisaufnahme dennoch durchgeführt wird, muss er dann nicht seines Rechts auf Strafminderung verlustig gehen, falls er wieder für schuldig befunden wird? Er hält ja seinen Teil der Abmachung nicht ein. Faktisch IST er ja zu 24 Jahren verurteilt, es wäre also formal keine Erhöhung des eigentlichen Strafmaßes. Da könnte ja sonst jeder kommen. Erst das Beschleunigte Verfahren wählen, und dann allen eine lange Nase drehen.
Das ist so nicht ganz richtig. Soweit ich weiß wird im "beschleunigten Verfahren" zwar zu einem großen Teil "nach Aktenlage" entschieden, das hindert aber die Verteidigung nicht daran eigene Beweisanträge vorzubringen oder Zeugen vorladen zu lassen (Bei Borsini wird ein Zeuge erwähnt, den Guedes Verteidigung erst in der Berufung vorladen lassen wollte). Es ist wohl nur so, dass diese Anträge mit einer hohen Wahrscheinlichkeit abgelehnt werden, das liegt aber im Ermessen des Richters.
Ich werde mir die
Paragraphen für das Revisione Verfahren (Archiv-Version vom 13.05.2016) noch mal genauer ansehen, aber so wie ich das sehe geht es nicht darum, dass der Fall "neu aufgerollt" wird - es wird also keinen neuen Prozess geben - die Richter müssen "nur" entscheiden, ob die Urteile gegen Knox und Sollecito auf der einen und das Urteil gegen Guede auf der anderen Seite mit einander vereinbar sind, auf der Basis dessen, was Guede vorgebracht hat.
@SCMP77 @GuardianAngel7 Und hier sind wir wieder im Reich der Logik angekommen und nach Massei, Chieffi und Nencini, könnte es durchaus sein, dass Guede sein "Alles oder Nichts" Spiel gewinnt und an einen Richter gerät der seiner bizarren Logik folgt. Dazu kommt, dass dieser Antrag nicht von vorneherein mit einem: "Du wurdest als Mittäter verurteilt, weil das so in der Anklage stand und es Mitangeklagte gab, dass diese Mitangeklagten in einem regulären Verfahren freigesprochen wurden, ändert nichts an den Beweisen gegen dich." abgewiesen wurde und es eine Anhörung geben soll.
Auf der anderen Seite muss man bedenken, dass indiesem Fall seit 2010 von der italienischen Justiz nur noch Schadensbegrenzung betrieben wird. Ein kurzer Blick auf die
Fotos und Videos vom Tatort (Archiv-Version vom 29.03.2016) dürften jedem klarmachen, dass die forensischen Beweise gegen Knox und Sollecito nicht zu halten sind.
Hellmann hat noch versucht die "Fußsoldaten" für die Schlampereien und mit der Bestätigung der Calunnia Knox selbst für ihre Verhaftung verantwortlich zu machen und damit Stefanoni, Mignini, Napoleoni und Co. vorerst aus der Schußlinie genommen. Chieffi und Nencini haben versucht die Ehre der Ermittler mit der Brechstange wiederherzustellen (Chieffis Urteilsbegründung ist wohl das bizzarste, was ich je gelesen habe).
Am Ende hat aber wohl so was wie die Vernunft gesiegt als Bruno und Marasca auch wieder den Fußsoldaten und Knox selbst die Verantwortung zugechoben haben. Ich möchte nicht wissen, wie die Sache ausgegangen wäre, hätte Knox den Fehler gemacht zur Nencini Berufung nach Florenz zu kommen.
Wenn man dann auch noch bedenkt, dass sich die Verfahren gegen Knoxs Eltern und diverse Journalisten totgelaufen haben, und dass das zweite Calunnia Verfahren gegen Knox mit einem unangefochtenen Freispruch endete, scheint es ganz so, als hätte die italienische Justiz genug von diesem blamablen Fall.
Einen weiteren Freispruch "aus Mangel an Beweisen" und damit das Eingeständnis auf voller Linie versagt zu haben, dürfte dort niemand wollen, weil dann - speziell in England - die Frage aufkommen dürfte, warum "Italien" nicht in der Lage ist den, oder die Mörder von Meredith Kercher zur Rechenschaft zu ziehen.
Wie dem auch sei, ich denke Guedes Chancen stehen 50/50...