@eldec Um zu ergänzen, was oben gesagt wird: man wird auch korrumpiert durch Routine und Bequemlichkeit.
Die Spurensicherer haben sicher irgendwann mal ihr Handwerk gelernt, aber in der Praxis sind sie nicht gezwungen Qualitätsarbeit abzuliefern, weil sich Polizei und Staatsanwaltschaft in erster Linie für die gesicherten Spuren gar nicht interessieren.
Erinnerst du dich an Edgardo Giobbi? Das ist der hohe Polizeibeamte, der vor laufender Kamera erklärt hat, daß die italienische Polizei in der Lage ist, einen Täter allein an seinem Verhalten zu erkennen, und daß sie sich nicht auf andere kriminaltechnischen Methoden verlassen müssen. Diese Routine hat sich derart breitgemacht, daß es Herrn Giobbi gar nicht mehr auffällt, welch einen Blödsinn er da öffentlich von sich gibt.
In der Praxis sieht das dann so aus, daß sich die Polizei im Umfeld des Opfers nach einem wahrscheinlichen Verdächtigen umschaut (was per se jetzt nicht so falsch ist, weil die meisten Morde geschehen aus dem näheren Bekanntenkreis heraus). Diese Person wird dann mit allen möglochen Miteln unter Druck gesetzt. Das bedeutet aggressive Befragungen ohne Anwalt aber mit Androhung von Gewalt und natürlich ohne Aufzeichnung, nur um ein Geständnis zu erhalten. Geständnisse sind der Hauptgewinn. Das bedeutet, es werden fadenscheinige Zeugen aufgetrieben, die alles sagen, was die Polizei von ihnen verlangt (man erinnere sich, es gab einen Zeugen, der behauptet hat, Patrick Lumumbas Bar wäre an jenem Abend geschlossen gewesen). Das bedeutet, es wird von der Spurensicherung verlangt, daß sie Spuren auftreiben, die auf den gewünschten Verdächtigen deuten. Und die Spurensicherung liefert. Plötzlich wies das Küchenmesser die DNA des Opfers aus, als man eine Mordwaffe brauchte, und plötzlich gab es einen BH-Verschluss, als man einen Beweis für Raffaele Sollecitos Anwesenheit brauchte.
Derart unter Druck gesetzte Opfer (und insbesondere die tatsächlich Schuldigen) lassen sich auf diese Weise derart einschüchten, daß sie sich auf das beschleunigte Verfahren einlassen. Das erspart ihnen immerhin ein Drittel der sicher zu erwartenden Strafe. Im Gegenzug werden die Beweise keiner genaueren Prüfung mehr unterzogen. Praktisch, wenn man annehmen darf, daß sie mehr oder weniger hingetürkt sind und einer professionellen Begutachtung nicht standhalten würden. Am Ende steht eine Verurteilung. Polizei, Staatsanwaltschaft und Richter können sich auf die Schultern klopfen. Wieder etwas getan für die Aufklärungsstatistik.
Patrizia Stefanoni dürfte äußerst unangenehm überrascht gewesens ein, daß sich weder Raffaele Sollecito noch Amanda Knox für das beschleunigte Verfahren entschieden haben. Da kam sie vor dem Hellmann-Gericht ganz schön ins Schwitzen mit den verweigerten Rohdaten und den gefälschten Kontrollläufen.