Ich habe dazu ein interessantes Interview mit dem Psychiater Borwin Bandelow gefunden, der sich mit Psychopathen beschäftigt hat und anschaulich erklärt, was man hier einigen Usern versucht klarzumachen.
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-91346602.htmlAuszugsweise:
SPIEGEL: Diese Täter finden nicht nur im Nachhinein Verehrerinnen. Sie beschreiben im Buch auch die irritierende Nähe zwischen Täter und Opfer. Warum geht Natascha Kampusch zum Sarg ihres Peinigers, um Abschied zu nehmen?
Bandelow: Bei einem Kind, das in einer solchen Todesangst lebt, schraubt sich das Gehirn von einer höheren auf eine niedrigere Ebene runter. Moral spielt dann keine Rolle mehr, da geht es nur noch ums nackte Überleben. Deshalb ist in dieser Situation die Angst vor Vergewaltigung nachrangig. Es geht ums Essen. Bemerkenswerterweise haben diese Täter es immer drauf, ihre Opfer hungern zu lassen. Wenn dann doch mal Nahrung kommt, ist die Dankbarkeit der Opfer umso größer. Das Gehirn sagt deshalb unterbewusst: "Du musst diesen Menschen lieben, denn er lässt dich nicht verhungern." Es ist eine Überlebensstrategie.
SPIEGEL: Sie haben das auf makabre Weise aufgegriffen, indem Sie im Buch einen Katalog aufgestellt haben, der angibt, was alles zur perfekten Isolation gehört.
Bandelow: Nachher plagte mich mein Gewissen, ob das Nachahmer finden könnte. Aber es hat mich gegruselt, dass die Täter vom Schlage des Kampusch-Entführers Wolfgang Priklopil oder Marc Dutroux weltweit die gleichen perfiden Methoden anwenden, als gäbe es eine geheime Absprache. Sie scheinen intuitiv zu wissen, wie man sein Opfer so perfekt isoliert, dass man es sich gefügig machen kann. Sie lassen sie hungern, nehmen ihnen ihren Namen weg, ihre Kleidung und zerstören ihre Identität. Darin sind sie Sektenführern sehr ähnlich.
SPIEGEL: Sie hatten im Zuge ihrer Recherchen mit Colleen Stan Kontakt, einer Frau, die während einer über sieben Jahre andauernden Entführung schreckliche Torturen erlitten hat. Aber auch sie fühlte sich auf merkwürdige Weise zum Täter hingezogen ...
Bandelow: Ja, das ist ein ganz rätselhafter Fall. Sie ist beim Trampen von einem Mann namens Cameron Hooker mitgenommen worden. Noch im Auto hat er ihren Kopf in eine extra für diesen Zweck gefertigte Kiste geklemmt. Zu Hause sperrte er sie in eine sargähnliche Kiste, da war sie 23 Stunden drin. Für eine Stunde am Tag durfte sie raus, dann konnte sie auf die Toilette gehen, bekam ein bisschen Reis oder Hafergrütze zu essen und wurde vergewaltigt. Immer wieder wurde sie an den Handgelenken über dem Bett aufgehängt, auf dem Hooker währenddessen mit seiner Frau Sex hatte. Und das ging so über sieben Jahre. Zwischendurch gewährte Hooker Colleen mal kurzzeitig mehr Freiheiten. In dieser Zeit besuchten die beiden zusammen sogar Colleens Vater und benahmen sich dabei wie ein ganz normales Paar.
SPIEGEL: Warum hat sich Colleen ihrem Vater nicht offenbart?
Bandelow: Das habe ich sie auch gefragt. Sie glaubte, wie übrigens auch die von Marc Dutroux entführte Sabine Dardenne, dass im Hintergrund eine Geheimorganisation bestehe, die noch viel schlimmer sei. So etwas erzählen viele Täter ihren Opfern. Colleen war überzeugt, dass es die sogenannte Company rauskriegt, wenn sie ihrem Vater was erzählt.
SPIEGEL: Heißt das, dass besonders diejenigen Menschen zu Opfern werden, die leicht zu manipulieren sind?
Bandelow: Leider hat man vielen Opfern nachher vorgeworfen, sie seien zu leichtgläubig gewesen. Colleen musste einen Sklavenvertrag unterzeichnen, den Hooker sehr aufwendig gestaltet hatte. Der hat Colleen nach eigener Aussage davon überzeugt, dass sie in die Fänge einer großen, schlimmen Organisation geraten ist. Ich nehme an, dass jeder in einer solch bedrohlichen Situation leichtgläubig wird.
SPIEGEL: Wie hält ein Mensch solche Torturen über so lange Zeit aus?
Bandelow: Da sind wir wieder beim EOS. Ich denke, das Hirn schaltet seinen Bewusstseinszustand runter auf den eines Hundes. Der wird auch geprügelt und schlecht behandelt, kommt aber mit wedelndem Schwanz angelaufen, wenn sein Herrchen ruft. Das ist ein Schutzmechanismus, um nicht wahnsinnig zu werden.