TatzFatal schrieb:Ich verstehe nicht die immer wiederkehrende Kritik an der Polizei.
Sie hatten kein Diktiergerät und die Polizei war nicht von einem Delikt irgendeiner Art überzeugt.
Ich kann die Kritik da auch nicht nachvollziehen.
Eine volljährige Frau kommt nicht nach Hause, schickt mehrfach SMS und ruft an, um mitzuteilen, dass sie später kommt / am gleichen Tag nach Hause kommt. Die Mutter geht am nächsten Tag zur Polizei und will die Tochter als vermisst melden. Wie bitte soll die Polizei vorgehen? Was hätte sich machen sollen? Eine öffentliche Fahndung in der Zeitung? Mit einem Suchhund den Heimweg abschnüffeln? Eine Suchmanschaft losschicken?
Wie hätte jemand darauf reagiert, der mal ein oder zwei Tage, meinetwegen auch eine Woche, eine Auszeit nehmen wollte, weil ihm die Arbeit/Ausbildung echt zuviel wurde oder sie den Mann ihres Lebens getroffen hat, dann wieder nach Hause kommt und feststellen muss, dass alle Öffentlichkeit haargenau und mehrfach über das eigene Untertauchen inkl. Adresse (die war ja das Ziel des Nachhauseweges), Ausbildungsstatus ("erschien nicht in der XY-Schule"), Beziehungsstatus ("Schickte Nachrichten an ihren Mitbewohner und Ex-Freund) und Foto ("Wer hat dieses Frau gesehen?") informiert worden wäre.
Diese Überlegung mag zynisch klingen, wenn man den Ausgang des Falls kennt. Und natürlich hat der Täter mit den Anrufen/SMS genau darauf angelegt, die Polizei in genau die Richtung eines freiwilligen Verschwindens zu täuschen
Jeden Tag werden 200 bis 300 Personen als vermisst gemeldet, und das sind nur die Personen, bei denen die Polizei tatsächlich eine Vermisstenanzeige aufnimmt. Die Anzahl der besorgten Verwandten und Bekannten, die zur Polizei kommt, und eine Anzeige aufgeben will, die aber nicht angenommen wird, weil sich eben jeder Erwachsene dort aufhalten darf, wo er will und darüber auch niemanden Rechenschaft geben muss, ist noch mal deutlich höher.
Es gibt gesetzliche Regelungen darüber, wann eine Anzeige aufgenommen wird und wann nicht. 50% der Fälle erledigen sich von selbst in den ersten Tagen, 80% innerhalb eines Monats und nach einem Jahr sind nur noch 3% der Fälle nicht erledigt. Zu diesen 3% gehört zudem noch ein gewisser Anteil an Kindesentziehungen durch ein Elternteil ins Ausland, der Anteil der tatsächlich aufgrund einer Straftat gegen Leib und Leben verschwundenen ist also wirklich gering.
Dass eine besorgte Mutter, die zur Polizei kommt, um ihre erwachsene Tochter als vermisst zu melden, beteuert, dass das gar nicht zur Tochter passt, dass sie immer absolut zuverlässig ist, dass sie ein ganz schlechtes Gefühl dabei hat, dass die SMS so gar nicht nach ihrer Tochter klingt, dass die Tochter niemals die Schule schwänzen würde ist doch für die Polizisten der Standard. Das müssen sie sich wahrscheinlich bei jeder ähnlich gelagerten Vermisstensache anhören. Auch bei denen, die nach 1 Woche oder nach einem Monat reumütig wieder auftauchten und "einfach nur mal rausmussten".
Es tut mir wirklich leid für die Angehörigen und für das Opfer, dass der Fall gelaufen ist wie er ist. Ich verstehe auch, dass die Angehörigen sich von der Polizei allein gelassen gefühlt haben. Aber die Polizei muss bei so etwas nach Regeln vorgehen, kann nicht einfach das Telefon einer erwachsenen Frau orten, die nach eigenen Worten die baldige Rückkehr plant, auch nicht das Foto dieser Frau mit Suchaufruf in der Öffentlichkeit verbreiten. Und schon gar kann sie einen Ausleihservice für Diktiergeräte anbieten, damit Leute private Gespräche aufnehmen können.