Mord an Frauke Liebs
03.05.2018 um 03:06Rotkäppchen schrieb:Was wäre, wenn es für ihn ein Reiz war, dass Frauke so rätselhaft sprechen darf um die Familie noch mehr zu quälen?Natürlich gibt es noch andere Möglichkeiten, aber ich finde es nicht abwegig, in den Kontakten ein grausames Katz- und Mausspiel mit Frauke und/oder ihren Angehörigen zu sehen.
Dass Frauke telefonieren durfte, um mit diesem Lebenszeichen die Polizei von intensiven Fahndungsmaßnahmen abzuhalten, ist plausibel. Aber legt man diese Strategie den SMS' und Telefonaten zugrunde, gibt es irritierende Widersprüche.
Zunächst mal wäre es wesentlich glaubwürdiger gewesen, wenn Frauke ihre Abwesenheit begründet hätte: z. B. es sei ihr einiges zu viel geworden, sie brauche Zeit und Ruhe, um über alles nachzudenken, und wolle mit ihren Eltern und Freunden erst darüber sprechen, wenn sie sich selber über das klar geworden sei, was sie eigentlich wolle.
Erst recht unverständlich sind ihre mehrfachen Ankündigungen, nach Hause zu kommen, in denen sie sich auf einen bestimmten Zeitpunkt festlegt.
Freitag, 23. Juni 2006, 23.04 Uhr, SMS an Mitbewohner Chris: "Ich komme heute zurück nach Hause. Bin in Paderborn Hdgdl"
Freitag, 23. Juni 2006, 23.06 Uhr, Gedächtnisprotokoll von Bruder Frank: "Frauke, was machst du, wann kommst du nach Hause?"
"Ich komme heute nach Hause, auch nicht zu spät. Ich bin in Paderborn, frag nicht, ich komme nach Hause."
Samstag, 24. Juni 2006, 14.23 Uhr, Anruf bei Mitbewohner Chris, Gedächtnisprotokoll: "Ich komme nicht so spät zurück. Komme heute Abend nach Hause."
Sonntag, 25. Juni 2006, 22.28 Uhr, Anruf bei Mitbewohner Chris, Gedächtnisprotokoll: "Komme heute nach Hause."
Selbst wenn man das "heute" in den am späten Abend geführten Telefongesprächen auf den nächsten Tag bezieht, ist die vom Täter gewonnene Frist sehr kurz, erst recht am Samstag, als Frauke um 14.23 h anruft und ihr Kommen für den Abend mitteilt. Es ist immer nur ein sehr kurzer Aufschub und das Misstrauen und die Unruhe bei Fraukes Angehörigen wachsen mit jeder Enttäuschung. Hätte der Täter Zeit gewinnen wollen, wäre doch ein konkreter Termin einige Tage (oder gar eine Woche) später sinnvoller gewesen.
In dem letzten Telefongespräch wird kein Termin mehr genannt. Es dauert länger und Frauke ist in ihrer Haltung und ihren Worten deprimierter als in den früheren Telefonaten. Es gibt zum ersten Mal emotionale Äußerungen: "Sag ihnen [den Eltern], dass ich sie ganz doll liebe."
"Ich würde gerne bei euch sein. Ich würde gerne nach Hause." Die Schwester Karen, an diesem Telefonat beteiligt, empfand das sofort als Abschied. Für ihre Familie war nun jedenfalls klar, dass Frauke gefangen gehalten wurde, es ihr sehr schlecht ging und sie sich nach ihnen sehnte - was die nun beginnende Wartezeit von Anfang an zur großen Qual werden ließ.
Selbst wenn der Täter die Absicht hatte, Frauke sehr bald umzubringen und sich dadurch weitere riskante Autofahrten mit seinem Opfer sparen konnte, wäre es doch in seinem Interesse gewesen, die Fahndung so lange wie möglich hinauszuzögern. Warum also keine weitere Terminangabe ("Mir ist etwas dazwischen gekommen, am nächsten Sonntag bin ich aber ganz bestimmt zu Hause.")?
Einige vermuten, dass der Täter die Absicht gehabt hätte, Frauke tatsächlich frei zu lassen in der Hoffnung, sie würde ihn nicht verraten. Aber wenn er diesen Plan hätte aufgeben müssen, wäre er dann nicht bei der nächsten (und erst recht bei der übernächsten) Terminnennung vorsichtiger gewesen? Für wahrscheinlicher halte ich die Vermutung, dass Frauke zunächst selbst an ihre Freilassung geglaubt hat und so besser motiviert werden konnte, mitzuspielen. Aber beim letzten Gespräch gab es diese Aussicht nicht und Frauke hat dennoch (offenkundig, weil sie musste) mitgespielt - der Täter war also nicht so sehr auf ihre Hoffnung angewiesen.
Wenn es das einzige Ziel des Täters gewesen wäre, die Polizei und Fraukes Familie so lange wie möglich hinzuhalten, hätte es doch wesentlich effektivere Mittel gegeben.