Mord an Frauke Liebs
08.05.2017 um 15:27
Ich habe mich seit über vier Jahren mit dem Fall FL beschäftigt, wahrscheinlich so ziemlich jede Tathergangshypothese gedreht und gewendet, weil ich den Fall für den Außenbetrachter für den vielleicht mysteriösesten halte, von dem ich je gehört habe. Im Zuge der Stern Crime-Veröffentlichung, neuerer TV-Beiträge der letzten zwei Jahre und den Berichten rund um das Höxterpaar hat mich die Beschäftigung mit dem Fall FL gelehrt, wie wenig meine Hypothesen, die auf anfangs nur wenigen, bis dato erhältlichen Informationen beruhten, aufrechtzuerhalten sind, wenn neue Berichte wie die o.g. weitere Mosaiksteinchen aufscheinen lassen.
Vorweg: Ich glaube nicht, daß die Ermittler um RÖ größere Ermittlungsansätze, Indizien oder gar Beweise vorliegen haben, die bisher nicht an die Öffentlichkeit gedrungen sind. Vielmehr vermute ich, daß die Informationen rund um das Geschehen während des Verschwindens der FL und bez. ihrer späteren Auffindung sich den Ermittlern tatsächlich ähnlich spärlich darstellen wie uns als Teilnehmer in den Diskussionsforen. Desweiteren glaube ich auch nicht, daß es den einen, heißen Hauptverdächtigen im Fall FL gibt, dem man seitens der Polizei bzw. der Staatsanwaltschaft "nur" die Tat nicht nachweisen kann. M.E. fehlt den Ermittlern letztlich jeder plausible Erklärungsansatz, welche Motivation oder Motivlage hinter dem Verschwinden und der (mutmaßlichen) Tötung der FL stehen könnten.
Vor diesem Hintergrund möchte ich meine Hypothese(n) schildern, wie sich der Fall zugetragen haben könnte. Mir ist dabei klar, daß es aufgrund der verfügbaren Informationen schlichtweg unmöglich ist, ein lückenloses, schlüssiges Szenario zu entwerfen. Auch meines bleibt von daher unbefriedigend.
FL verläßt gegen 23h den Pub mit der Ankündigung, nach Hause (Borchener Str.) zu gehen. Der Fußweg ist nicht weit, sie hat kaum noch Bargeld und geht alleine. Es gibt für mich keinen plausiblen Grund, an dieser Zeugenaussage zu zweifeln. 0.49h erhält ihr wartender Mitbewohner die bekannte SMS aus Nieheim (oder Umgebung). Ob diese SMS, die man aufgrund ihres Inhaltes als freiwillig und ohne Gefahrenbewußtsein verfaßt ansehen kann (wie es offenkundig RÖ tut), wirklich aus freien Stück oder unter Zwang geschrieben wurde, ist nicht zu klären. Letztlich ist diese Frage aber von untergeordneter Bedeutung, da sie nur Mutmaßungen in die Richtung erlaubt, ob FL ihren Begleiter kannte oder nicht. Ein alleiniges "Ausfliegen" der FL in die einsame Gegend um Nieheim schließe ich übrigens aus. Die folgenden Kontaktaufnahmen per SMS und per Anruf erfolgen m.E. sicher im Beisein mindestens einer weiteren Person. [Da man im Fall FL fast nichts ausschließen kann, möchte ich betonen, daß ich nicht glaube, daß sie die Zeit während ihres Fortseins alleine war].
Unzählige Male wurde in den Foren und in den Medienberichten die Frage aufgeworfen, warum sie sich überhaupt meldete, und ich möchte nicht jede schon diskutierte Möglichkeit in Erwägung ziehen (ich glaube, ich habe sie so ziemlich alle gelesen). Für mich kommt folgendes infrage: Der Begleiter der FL wurde durch die Flyer-Aktion und die Medienberichte hellhörig, daß F. wirklich vermißt und gesucht wurde; etwas, womit der Begleiter/Entführer vorab so nicht gerechnet hatte. Aus diesem Grund und aufgrund des Zuredens der FL verfällt er auf die Idee, F. telefonieren zu lassen unter der klaren Prämisse, keine Einzelheiten zu nennen. Wie weitreichend sich diese Einzelheiten (Name des Täters, Grund/Ort des Festhaltens, weitere Gewaltanwendung etc.) für FL darstellten, bleibt spekulativ. Tatsache ist wohl, daß FL in den Kontaktaufnahmen nichts Konkretes in diese Richtung geäußert hat. Dafür hat es (mindestens) einen Grund gegeben, über den wir wiederum nur spekulieren können. Zusammenfassend läßt sich wohl nur sagen, daß FL sich durch das Mitteilen von Details keinerlei Vorteile in ihrer Situation versprochen hat.
Doch zurück zur Frage, warum "er" FL überhaupt telefonieren läßt. Meine Hypothese: Er hat, weil er dorthin irgendeinen Bezug hat (mutmaßlich stieg FL ja auch in PB zu ihm ins Auto), in PB selbst bemerkt (ich vermute durch die Plakate), welche Wellen das Verschwinden der FL (in PB) geschlagen hat. Er läßt sie nun mitteilen, sie befände sich (doch) in PB und komme bald nach Hause. Ob er mit der Möglichkeit der Handyauswertung vertraut war, die ergab, daß sie sich tatsächlich aus verschiedenen Gebieten in PB gemeldet hat, bleibt ebenfalls spekulativ; es kann tausend und einen Grund haben, daß sie sich von dort, wo sich sich meldete, gemeldet hat. Das gleiche gilt für die zwei Tage Funkstille nach dem Absenden der SMS aus Nieheim. Da sich FL am Telefon "verändert" anhörte (ob ängstlich, unter Drogen, verwaschen, müde oder was ich sonst schon als Interpretation gelesen habe, ist m.E. müßig zu diskutieren), halte ich eine Verabreichung von Sedativa (wie Diazepam) in hoher Dosis für wahrscheinlich. Diese Mittel können (wie jedes andere auch), natürlich nicht sicherstellen, daß FL am Telefon nicht doch etwas verrät, jedoch vermute ich, daß diese Wirkung vom Täter auch nicht primär erzwungen werden sollte, sondern vielmehr ein grundsätzliches Absenken der Widerstandskraft der FL.
Ob oder wie FL ermordet wurde, läßt sich - wie so vieles in dem Fall - nicht mehr sicher sagen. Auch nicht, ob es sich im juristischen Sinne um fahrlässige Tötung, Totschlag, mit Vorsatz oder ohne oder einen Mord (gar aus niederen Motiven) handelt. Für mich deutet der Ablageort aber darauf hin, daß der Ableger a) Ortskenntnis besaß und b) keine größere Mühe aufwandte, die Leiche irgendwie zu verbergen. Völlig ungeklärt bleiben muß, was mit den verschwundenen Gegenständen aus dem Besitz der FL geschehen ist. Ich leite daraus jedenfalls keine Hypothesen ab; ebensowenig aus der Tatsache, daß sie die Kleidung vom Tage des Verschwindens trug (schade, daß die Frage nach den Socken nie abschließend geklärt wurde). Kannte FL ihren Begleiter/Entführer/Mörder? Ich denke nein. Zu dieser Annahme komme ich nur aufgrund von Wahrscheinlichkeiten, die eine andere Grundlage keineswegs ausschließen: Die Polizei hat die Bekannten der FL, auch die Chatpartner, soweit möglich, überprüft: ohne Ergebnis. Die SMS aus Nieheim ist kein Beweis für eine Freiwilligkeit der F., höchstens in möglicher Hinweis. FL verrät nichts über ihre Begleitung, bis heute ist kein Täter in Sicht. Das alles deutet auf mich auf den Unbekannten hin.
Neue Zeugen, die FL gesehen haben, werden nicht mehr auftauchen, kriminal- und spurentechnisch ist der Fall abgearbeitet. Die einzige Möglichkeit, noch Licht in das mysteriöse Verschwinden und den Tod der FL zu bringen, ist m.E. der Umstand, daß es eine oder mehrere Personen gibt, die wissen, mit wem FL zusammen war in der Zeit ihres Fortseins. Hoffen wir, daß es diese Person gibt und hoffen wir, daß diese Person noch auspackt. Daß "wir" je detailliert erfahren, was genau mit FL passiert ist, glaube ich indes nicht.
PS: Man erlaube mir die Zweifachverwendung, diesen Beitrag poste ich in etwas geänderter Form bereits in einem anderen Forum.