Hallo, das ist mein erster Beitrag hier. Ich wünsche allen Angehörigen von Frauke, dass sie bald Frieden und Aufklärung finden.
Ich bitte um Nachsicht für Wiederholungen, habe aber auch schon einiges gelesen, worunter viele wirklich interessante Beobachtungen und Details waren.
Der Fall ist so ungewöhnlich. Es ist äußerst schwer, eine Theorie aufstellen, ohne irgendwo auf Widersprüche oder Unwahrscheinlichkeiten zu stoßen. Ich perönlich glaube, man kann sich der Sache als Außenstehender nur nähern, wenn man die wenigen Dinge, die man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit annehmen kann, als Ausgangspunkt nimmt und sich frei von allen subjektiven Vermutungen und "Sympathien" für bestimmte Szenarien oder Personen freimacht. Man braucht einen "Grundstock" klarer Annahmen und muss daraus die Schlussfolgerungen und Möglichkeiten entwickeln, um sich nicht zu verirren.
1. Meiner Meinung nach wird beispielsweise ein Umstand zu oft in Frage gestellt, der in meinen Augen als praktisch sicher eingestuft werden kann, und zwar die erste SMS von Frauke nach dem Verschwinden vom 21. Juni 2006, 0.49 Uhr. Hier noch mal im Wortlaut:
"Komme später. Das Spiel war lustig nicht gegen England Hdgdl bis später" (mit Smiley)
http://www.stern.de/panorama/stern-crime/paderborn---das-mysterioese-verschwinden-von-frauke-liebs-6832006.htmlDiese SMS kann beim Verfassen eigentlich a) nur freiwillig und b) ohne Hilferuf abgesendet worden sein. Alles andere halte ich für abwegig.
Denn die Bemerkung "nicht gegen England" war eine Anspielung auf das vorherige Scherzen mit ihrem Exfreund und Mitbewohner Chris, die Hauptsache wäre, Deutschland spiele im Achtelfinale nicht gegen England. In der Tat wurde das ja durch das Ergebnis des abendlichen Schweden-England-Spiels sichergestellt.
Niemals hätte sie diese Bemerkung einstreuen müssen oder hätte das getan, wäre sie vom irgendeinem Täter/Entführer gezwungen worden, eine "Alles ist gut"-SMS an den nächsten Vertrauten zu schicken. Sie wäre zum Scherzen wohl auch sicher in keiner Stimmung gewesen. Wäre sie in einer Notsituation gewesen, hätte sie ebenfalls nicht so eine SMS geschickt. Eine andere Person als Schreiber hätte in der Summe nicht diese Treffsicherheit (Empfänger, SMS-Stil, Scherzanspielung) haben können.
Wenn also sowohl unmöglich scheint, dass sie unter Zwang geschrieben hat, noch in einer Notsituation, scheiden jegliche Szenarien von einer plötzlichen Entführung kurz nach Verlassen des Pubs, einem Überfall, einer Drohung etc. in der Nacht des Verschwindens aus.
Ich denke daher, dass man von dieser Annahme der "initialen Freiwilligkeit" ausgehen muss, die Nacht zu verlängern. Wohlgemerkt schien um 00:49 noch kein nahes Ende absehbar (sonst hätte sie wahrscheinlich geschrieben "komme gleich" oder "komme in einer halben Stunde" etc.)
Die Userin Sonnenlicht333 hat am 16.11.2015 um 16:07 schon einmal ähnliche Gedanken gepostet. Sie hält als Schlussfolgerung auch für möglich, dass Frauke irgendetwas Verbotenes, Inoffizielles vorhatte oder dazu verleitet wurde und die Situation dann eskalierte.
In jedem Fall muss Frauke L. mit einen PKW oder LKW etc. unterwegs gewesen sein, wegen der Ortungsangaben der SMS. Und das ebenfalls freiwillig. (Kleine Einschränkung nur: Technisch gesehen halte ich es für möglich, wenn auch unwahrscheinlich, dass die SMS schon vorher mit absolutem Restakku geschrieben wurde, etwa in Pub-Nähe, das Handy genau beim Senden ausging, und als es erneut geladen und angeschaltet wurde, die SMS aus dem Postausgang gesendet wurde.)
2. Es ist bekannt, dass Frauke eine Beziehung hatte, die kurz vor dem Tag ihres Verschwinden endete, sie also Single war. Ebenfalls ist bekannt, dass sie ausgiebig im Internet in dieser Zeit chattete. Dann, und das ist ein Umstand, der in meinen Augen hier ebenfalls wenig berücksichtigt wird, simste sie an dem Abend nicht nur ausführlich mit ihrer neuen "Flirtbekanntschaft" Niels, sondern fragte ihn auch, ob er nicht in den Pub kommen wollte. Sie war also bereit, spontan einen Mann spätabends an einem Dienstag zum Pubtreffen dazuzuholen. Sie wäre wohl selbst davon ausgegangen, dass sie dann nicht so früh zu Hause gewesen wäre, wie sie es eigentlich Chris gegenüber vermittelt hatte. Man trifft sich doch nicht mit einem Wunschdate und rechnet damit, nach kurzer Zeit wieder zu gehen, sondern schließt einen längeren Abend (und sei es nur zum Plaudern) nicht unbedingt aus. (Wobei nicht bekannt ist, wann genau sie Niels fragte, ob er vorbeikommen will.)
Sie war also nach dem Essen bereits spontan gegen 21 Uhr in den Pub zu ihrer Freundin bekommen und bastelte jetzt an der Planung, sich mit einer neuen Bekanntschaft ebenfalls spontan zu treffen. Entscheidend ist dabei wohl nicht die Bekanntschaft als solche, sondern ihr Gemütszustand bzw. ihre Bereitschaft, spontane Entscheidungen zu treffen bzw. spontan etwas zu unternehmen. Sie hatte es an dem Tag einmal getan und war einmal Weiteres mal dazu bereit. Es wurde auch viel gelacht laut dem Sternbericht, sie war also in bester Stimmung.
Müdigkeit hin oder her, wenn man erstmal an die frische Luft geht, ist das kein Ausschlusskriterium für weitere Aktivitäten. Daher halte ich es für nicht unwahrscheinlich, dass Frauke nach der "Absage" von Niels nach dem Verlassen der Kneipe ebenfalls etwas spontan unternommen hat oder etwas in der "Hinterhand" hatte. Es gibt ein Video auf Youtube, bei dem ein User den möglichen Nachhauseweg vom Pub zu ihrer WG filmt. Gleich nach Überqueren der ersten Straße ist links ein Lokal mit Außenplätzen zu sehen. Wie voll es an dem Tag war, weiß ich nicht, aber dass sie z.B. dort oder in der Nähe spontan angesprochen wurde und mit irgendjemandem ins Gespräch kam, mit dem sie dann weiterfuhr, halte ich für ein plausibles Szenario. Immerhin waren nach dem England-Schweden-Spiel sicher viele Menschen auf den Straßen, in Aufbruchsstimmung etc.
Die These bzw. Vermutung von Sonnenlicht33, dass es irgendetwas Verbotenes, Inoffizielles wäre, was eine Rolle spielt, wäre ebenfalls nicht auszuschließen, auch wenn sie gegenüber ihrer Freundin im Pub noch ausdrücklich betonte, müde zu sein und nicht zu spät zu Chris zu gehen: In so einem Fall würde sie sicher nichts verraten oder andere beunruhigen. Menschen haben Geheimnisse. Auch Aussagen z.B. durch die Mutter, dass Frauke sehr zuverlässig sei, halte ich nicht für einen Gegenbeweis. Weder bekommen Eltern alles mit, noch heißt es zwingend, dass ein zuverlässiges, erwartetes Auftreten gegenüber den Eltern nicht weitergeführt wird, obwohl das Leben an anderer Stelle evtl. unstet geworden ist. Immerhin lebte Frauke erst wenige Monate in Paderborn und wollte dort ein neues Leben beginnen. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass Frauke in ihrer offenbar schlimmen Situation nie ihre Mutter oder ihren Vater versucht hat anzurufen.
Ausgehend von diesen Überlegungen würden sich auch die erstmal sinnlos erscheinenden Dialoge bei den Telefonaten erklären. Angenommen wird unisono, die Freiwilligkeit endete irgendwann. Aber ist das zu 100% so? Wohl fast alle gehen davon aus, dass Frauke zurückwollte, wie angekündigt und verstehen nicht, warum Frauke, die die Möglichkeit besaß, mehrmals mit Chris und ihrer Schwester zu telefonieren, nicht irgendeinen konkreteren Hinweis oder Hilferuf absetzte.
Aber vielleicht, siehe Annahmen oben, wollte sie selbst gar nicht zu jedem Zeitpunkt nach Hause. Vielleicht wollte sie nicht, dass jemand weiß, wo genau sie sich aufhält. Hatte sie vielleicht "Mist gebaut", hatte sie selbst Drogen genommen mit einem anderen oder anderen, war sie Augenzeuge von etwas Schlimmem geworden, in etwas reingeschliddert etc. - ich weiß es nicht. Aber ich glaube, dass man das nicht ausschließen darf. Zumindest würde dies den Widerspruch aus "Kann nicht sagen, wo ich bin" und "Wäre gerne bei Euch" erklären und der Tatsache, dass sie bei einem weiteren Gespräch mit Chris spontan entscheiden konnte, auch noch mit ihrer Schwester zu reden. Auf die Tatsache, dass sich ein klassischer Entführer enormen Risiken aussetzt, sein Opfer immer wieder durch die Gegend zu fahren und es mehrmals mit Vertrauten telefonieren zu lassen, wurde ja bereits hingewiesen.