frauZimt schrieb:es gibt menschen, die sich brav an die anweisungen der entführer halten und es gibt leute, die sofort die polizei informieren.flucht nach vorne.gesellschaft ist der beste schutz.
Richtig. Problem ist nur: diese deine Argumentation hinkt, wenn man sie auf diesen Fall bezieht (und um nichts anderes geht es hier).
Die vermeintlichen Entführer drohten sehr explizit, was mit Jonbenet passieren würde, im Fall von Zuwiderhandlung. Sprich: Im Fall, dass die Ramseys Andere informieren. Zum Beispiel, dass sie Jonbenet köpfen würden (!) oder aber sie ihren Leichnam nie auffinden und bestatten könnten. Bei Entführungsfällen fällt es Betroffenen bereits schwer genug, die Polizei unmittelbar zu kontaktieren. Auf die Idee zu kommen, Bekannte zu informieren und sie noch bei sich zu Hause zu empfangen, obwohl gemäß ihrer Drohungen sehr wahrscheinlich ist, dass die Entführer das Haus beobachten und in Aussicht stellen, telefonischen Kontakt aufzunehmen, ist äußerst ungewöhnlich und somit ein bemerkenswerter Umstand, der zumindest Fragen aufwirft.
Flucht nach vorn? Und dann Flucht auf und davon? Inkonsistent.
Einer der ersten Gedanken, die aufkommen dürften, wenn festgestellt wird, dass das Kind im eigenen Haus, bei eigener Anwesenheit entführt wurde, dürfte das Entsetzen darüber sein, dass die Entführer dafür im Haus gewesen sein müssen. Spätestens jetzt könnte man noch verstehen, wenn sich Panik breit macht und die Familie das Haus verlassen möchte. Denn: wer weiß, ob sie sich nicht noch im Haus aufhalten? Schließlich gaben sie im Erpresserschreiben keine Uhrzeit an, wann sie ihn verfasst haben. Zumindest wäre verständlich gewesen, Bekannte zu kontaktieren, die wenigstens Burke abholen und an einen sicheren Ort bringen.
Während bereits Opfer bloßer Einbrüche intuitiv nichts mehr in der Wohnung berühren, sobald sie feststellen, dass eingebrochen wurde, laden sich die Ramseys "Zeugen" an den Tatort, die ihn durch ihre Anwesenheit komplett kontaminieren.
Und da wäre die Frage, weswegen Menschen denn überhaupt in einem solchen Fall die Polizei rufen. Richtig, damit sie das Kind finden. Patsy ruft 911 und bittet verzweifelt, dass sie schnell kommen mögen - zu ihrem Haus. Wie findet also die Polizei so ein Kind? Indem sie Fragen stellt, sich das Schreiben zeigen lässt sowie das Haus und die Zimmer, in denen die Entführer potenziell gewesen sein könnten. Man könnte Patsy unterstellen, sich dessen bewusst gewesen zu sein, denn warum sonst sollte sie die Polizei sonst rufen? Jetzt könnte man Patsy aber auch Naivität unterstellen, dass sie nicht wusste, dass es der Alptraum eines jeden Ermittlers ist, an einem Tatort einen Pulk an fremden Menschen vorzufinden.
Man könnte jedoch auch Berechnung unterstellen, wenn man bedenkt, welche Vor- und Nachteile exakt dieser Pulk in der Ermittlung haben könnte:
Vorteile:
- (Auffindungs-) Zeugen
- Erhöhung der Glaubwürdigkeit bzgl. des Unbeteiligtseins am Verschwinden/ Tod der Tochter
- Generierung einer verteidigenden Lobby (Man stelle sich den Fall vor, es seien KEINE Zeugen im Haus gewesen, sondern diese Bekannten hätten später davon erfahren, dass Jonbenet nach Ankunft der Pol tot im Keller des Hauses aufgefunden wurde. Mit Hinweisen auf sexuellen Missbrauch^^)
- Spurenvernichtung/ Spurenkontaminierung
- Verschleierung der Urheberschaft der Tat
- Erschwerung einer Überführung des/ der Täter
Nachteile:
- Gefährdung des potenziell entführten Opfers
- Spurenvernichtung/ Spurenkontaminierung
- Verschleierung der Urheberschaft der Tat
- Erschwerung einer Überführung des/ der Täter
- Erschwerung der generellen Aufklärung der Tat
Zurück zur Flucht nach vorn.
Nachdem die Ramseys also derart couragiert die "Flucht nach vorn" antraten, konnte es einen Tag später mit der "Flucht auf und davon" nicht schnell genug gehen.
Könnte man noch verstehen. Denn schließlich wollen sie von Ramsey Senior Geld erpressen. Hat nicht ganz geklappt, deswegen könnten diese Entführer ja trotzdem weiterhin auch nach seinem Leben oder das seiner restlichen Familie trachten.
So weit so gut. Sie flüchten also vor den vermeintlichen Entführern.
Aber warum um alles in der Welt flüchten sie nun auch vor der Polizei, die sie ja extra riefen und damit eine große Furcht überwinden mussten, dass exakt das ja das Leben ihrer Tochter hätte kosten können? Und: wohin flüchten sie eigentlich? In die Arme von Anwälten. Und spannenderweise nehmen sie sich nicht einen gemeinsamen Anwalt, sondern jeder einen eigenen für sich.
Da hinkt es schon wieder mit dem Ausnahmeverhalten in Ausnahmesituationen.
Während man zumindest unterstellen könnten, dass Eltern nach dem Tod ihrer Tochter ein brennendes Interesse daran haben, dass die Täter gefunden werden und alles erdenkliche tun, damit der Polizei dies gelingt, beginnen Jonbenets Eltern Bedingungen in der Ermittlung zu stellen. Ja, sie sind bereit, sich von der Pol interviewen zu lassen, aber nur, wenn sie GEMEINSAM befragt werden - nicht getrennt jeder für sich. Wird dem nicht Rechnung getragen, gibt es keine Befragung. Punkt.
Einmaliges Verhalten in einem solchen Fall - das mit nachvollziehbarem Ausnahmeverhalten kaum mehr erklärt werden kann.
Es sei denn, beide Eltern haben ein Interesse daran, dass diese Tat nicht aufgeklärt wird. Dann erscheint es schlüssig.