Ungelöste Mordfälle /international
22.06.2007 um 15:05
Fortsetzung:
Im Mordfall Clutter schaltet Sheriff Robinson das Kansas Bureau ofInvestigation ein. Dessen Vertreter in Garden City, der siebenundvierzigjährige AlvinAdams Dewey, ermittelt zusammen mit Harold Nye, Roy Church, Clarence Duntz und weiterenvierzehn Kriminalbeamten.
Zuerst verdächtigen sie Bobby Rupps und einen Farmer ausder Nachbarschaft, aber sie merken rasch, dass sie damit falsch liegen. Viele Menschen inHolcomb und Garden City glauben, dass der oder die Mörder aus der Gegend stammen.Misstrauen macht sich breit. Während bisher niemand auf die Idee gekommen wäre, sein Hausabzusperren, werden jetzt jede Menge Schlösser und Riegel gekauft.
Am 17. November1959 hört der wegen Diebstahls zu einer fünfjährigen Haftstrafe verurteilte Floyd Wellsin den Nachrichten von dem vierfachen Mord in Holcomb. Er schreckt hoch, denn er kenntsowohl die Mörder als auch deren Opfer. Wells hatte 1948/49 ein Jahr lang auf derRiver-Valley-Farm gearbeitet. Danach stahl er Rasenmäher aus einem Geschäft, um damiteinen Verleih aufzumachen. Aber er wurde ertappt und im Juni 1949 in die Strafanstalt desStaates Kansas in Lansing gesperrt. Dort lernte er Dick kennen. Irgendwann erzählte erDick von seinem Job auf der Farm in Holcomb und behauptete, dass da pro Woche 10 000Dollar Kosten anfielen. Daraus zog Dick den Schluss, dass der Farmer über sehr viel Geldverfügte und er fragte Floyd Wells aus, bis er über die Familienmitglieder und die Farmgenau Bescheid wusste. – Einige Tage lang überlegt Wells, was er tun soll. EinMithäftling rät ihm, den Gefängnisdirektor zu unterrichten. Der wiederum verständigt diePolizei, und so erfährt Alvin Dewey von den mutmaßlichen Mördern.
Die kehren alsAnhalter aus Mexiko zurück. Unterwegs beabsichtigen sie, einen Autofahrer zu ermorden undauszurauben, aber sie geraten zunächst nur an LKW-Fahrer, Soldaten und Boxer. Endlichnimmt ein Handlungsreisender sie mit. Dass er eine Frau und fünf Kinder zu Hause hat, wieer erzählt, bringt Dick und Perry nicht von ihrem Plan ab, ihn zu töten. Doch als er füreinen weiteren Anhalter noch einmal anhält, rettet er unwissentlich seinLeben.
Nachdem Dick in Kansas City noch einmal mit ungedeckten Schecks Geld undWaren besorgt hat, erholen sich die beiden Mörder einige Zeit in Miami Beach.
BeiTallahassee, Florida, wird am 19. Dezember die vierköpfige Familie Walker auf ihrerRinderfarm ohne erkennbares Motiv durch Kopfschüsse umgebracht. Ein Nachahmungstäter? DerFall bleibt unaufgeklärt.
Am 30. Dezember werden Dick und Perry in Las Vegas vonden Polizisten Ocie Pigford und Francis Macauley verhaftet. Alvin Dewey, Harold Nye, RoyChurch und Clarence Duntz reisen aus Kansas an, um die beiden Tatverdächtigen zuverhören. Das postlagernde Paket, das Perry unmittelbar vor der Festnahme abgeholt hatte,war von den beiden in Mexiko aufgegeben worden, weil sie beim Trampen nicht so vielGepäck hatten gebrauchen können. Für die Ermittler ist es ein entscheidender Glücksfall,dass man Dick und Perry nicht zehn Minuten früher festnahm, denn in dem Paket finden siedie Stiefel, deren Sohlen exakt zu den im Blut am Tatort gefundenen Abdrückenpassen.
In getrennten Verhören müssen Dick und Perry schließlich zugeben, nie inFort Scott gewesen zu sein und die Geschichte von Perrys Schwester nur wegen Dicks Elternerfunden zu haben. Sonst hätte er nicht über Nacht wegbleiben dürfen. Sie behaupten, eineSauftour gemacht und die Nacht mit Prostituierten verbracht zu haben.
Bei Dickszweitem Verhör stellen die Beamten alle möglichen Fragen, kommen jedoch absichtlich dreiStunden lang nicht auf den vierfachen Mord in Holcomb zu sprechen, weil sie wissen, dassgerade das Warten darauf den Delinquenten Nerven kostet. Schließlich zeigen sie ihm Fotosvon den Schuhsohlen-Abdrücken und halten sie neben seine Stiefel aus dem Paket. Daraufhinsagt er aus, Perry habe die Clusters erschossen.
Perry glaubt zunächst nicht, dassDick ihn verraten hat. Aber die Kriminalbeamten sagen ihm, sein Kumpan halte ihn füreinen kaltblütigen Mörder, der schon einmal einen Schwarzen grundlos mit einerFahrradkette erschlagen habe. Da begreift Perry, dass die Polizisten Bescheid wissen,denn die Geschichte mit dem Schwarzen konnten sie nur von Dick gehört haben: Er hatte sieerfunden, um Eindruck auf ihn zu machen.
Dick und Perry drangen nachts in dieRiver-Valley-Farm ein und suchten zunächst in Herb Clutters Büro nach einem Safe. Dannholten sie den Farmer aus dem Bett und fragten ihn, wo er sein Geld aufbewahre. SeinerBeteuerung, weder einen Safe noch eine größere Menge Geld im Haus zu haben, glaubten sienicht. Sie ließen sich von ihm zu Bonnie ins andere Schlafzimmer bringen, um auch sieauszufragen. Herb versuchte, seine ängstliche Frau zu beruhigen: "Die Leute möchten nuretwas Geld." Nachdem Perry begriffen hatte, dass auf der Farm nichts zu holen war, wollteer fort, aber Dick weigerte sich, sein Scheitern einzugestehen. Um das Gebäude gründlichdurchsuchen zu können, verlangte er von seinem Komplizen, die vier Bewohner zu fesseln.Nancy hatte wohl bereits vorher Geräusche gehört, denn es war ihr noch rechtzeitiggelungen, ihre goldene Armbanduhr in einem Schuh zu verstecken. Perry brachte HerbClutter in den Keller und legte ihm fürsorglich eine zusammengedrückteMatratzenverpackung als Unterlage auf den Betonfußboden. Die Einbrecher fanden nicht mehrals vierzig oder fünfzig Dollar in verschiedenen Geldbörsen. Als Dick die gefesselt aufihrem Bett liegende Sechzehnjährige vergewaltigen wollte, hielt Perry ihn davon ab, denndie besondere Neigung seines Kumpans für minderjährige Mädchen und dessen sexuelle Gierwaren ihm zuwider. Perry ärgerte sich über den Angeber, der ihn in diese blamable Lagegebracht hatte und wollte ihn zwingen, sich als Feigling zu zeigen. Deshalb ließ er sichvon ihm das mitgebrachte Messer geben und kniete sich neben Herb Clutter in derErwartung, Dick werde ihn davon abhalten, den Farmer zu töten. Bevor Perry ihm den Mundverklebte, fragte Herb Clutter nach seiner Frau ...
[...] und ich sagte, es gingeihr gut, sie wäre schon am Einschlafen, und ich sagte ihm, es wäre nicht mehr lange biszum Morgen, und am Morgen würde sie schon jemand finden, und dann würde das alles, ichund Dick und alles das, ihnen wie ein Traum vorkommen. Und ich meinte das auch ernst. Ichhatte nicht vor, ihm irgendwas anzutun. Ich fand, dass er ein sehr netter und gebildeterMann war. Ein stiller Mann. Das glaubte ich bis zu dem Moment, wo ich ihm die Kehledurchschnitt.
Clutter röchelte durch die zerschnittene Luftröhre und zerrte anseinen Fesseln. Da verlor Dick die Nerven und wollte aus dem Haus, aber Perry zwang ihn,dem Farmer mit der Taschenlampe ins Gesicht zu leuchten, damit er mit dem Gewehr besserzielen konnte. Danach erschoss er Kenyon, Nancy und zuletzt Bonnie.
Im Haus vonDicks Eltern findet die Polizei die Tatwaffen: das Jagdgewehr und das Messer. An der vonden Mördern angegeben Stelle stoßen sie auf die vergrabenen Geschosshülsen, den Rest desSeils und des Heftpflasters.
Weil die beiden mittellosen, einunddreißig bzw.achtundzwanzig Jahre alten Angeklagten sich keinen Rechtsbeistand leisten können,bestimmt der Vorsitzende Richter Roland H. Tate die beiden Anwälte Arthur Fleming undHarrison Smith als Pflichtverteidiger. Am 22. März 1960 beginnt die Gerichtsverhandlungin Garden City. Richard Eugene Hickock und Perry Edward Smith werden zum Tod verurteiltund in das Staatsgefängnis von Lansing gebracht.
Die eigentlich für den 13. Maiterminierte Hinrichtung wird auf Beschluss des Obersten Gerichts von Kansas verschoben,damit zunächst das Ergebnis der von den Verteidigern eingereichten Berufung abgewartetwerden kann. Everett Steerman, der Vorsitzende des Komitees für Rechtsbeistand desJuristenverbands von Kansas, bezweifelt, dass in der aufgewühlten Atmosphäre in GardenCity ein fairer Prozess möglich war und beauftragt deshalb den Rechtsanwalt Russel Shultzaus Wichita, die von Dick in einem Schreiben erhobenen Beschwerden zu prüfen. Shultzstellt einen Wiederaufnahmeantrag, und das Oberste Gericht von Kansas lässt denpensionierten Richter Walter G. Thiele eine Revisionsverhandlung durchführen. Aufgrunddes Ergebnisses wird die Berufung schließlich verworfen und der 2. Oktober 1962 als neuerHinrichtungstermin festgelegt. Nun sorgen jedoch die beiden Anwälte Joseph P. Jenkins undRobert Bingham aus Kansas City mit einer Reihe von Anträgen für einen weiteren Aufschubder Hinrichtung, zunächst bis zum 25. Oktober, dann bis zum 8. August 1963 undschließlich bis zum 18. Februar 1965. Nachdem Jenkins und Bingham dreimal damitscheiterten, den Supreme Court der USA anzurufen, verfügt das Oberste Gericht von Kansas,die Hinrichtung habe am 14. April 1965 zwischen 0.00 und 2.00 Uhr zu erfolgen. Das kurzzuvor noch eingereichte Gnadengesuch wird von William Avery, dem neugewählten Gouverneurvon Kansas, abgelehnt. Richard Eugene Hickock stirbt um 0.41 Uhr am Galgen, Perry EdwardSmith wird um 1.19 Uhr gehängt.