Mordfall Hinterkaifeck
12.03.2014 um 21:42Nun bitte wieder zum Thema diskutieren.
Mordfall Hinterkaifeckheute um 20:09Durchaus denkbar. Ob es aber gleich Flugzeuge waren, halte ich für eher unwahrscheinlich. Auch müssten Waffen- egal welcher Art - nicht auf KK gelagert worden sein; dass könnte auch irgendwo anders und auch auf mehreren Höfen gewesen sein. Und wenn dann einer mit "Hinhängen" droht?
@Kailah
Das soll bedeuten, Sie vermuten eine Verbindung zwischen einem möglichen Waffendepot und der Tat
Milano schrieb:Ich kann aber verstehen, dass nunmehr viele, mich eingeschlossen, nicht weiter diskutieren wollen.Ich verstehe Ihr Motiv; allein: ihr Wunsch wird nicht aufgehen.
Selber habe ich mich auf einen eher länger währenden Aufenthalt in dieser Diskussion vorbereitet.
Die bayerischen FälleQuelle: http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/artikel/artikel_44326
In Bayern ereigneten sich folgende sechs Verbrechen:
Am 6. Oktober 1920 wurde das 19-jährige Dienstmädchen Maria Sandmayer (geb. 1901) erdrosselt im Forstenrieder Park bei München aufgefunden. Sie wollte ein Waffenlager der Einwohnerwehr anzeigen und teilte dies versehentlich einem Mitglied der Münchner Einwohnerwehr mit.
Der ehemalige Reichswehrsoldat Hans Dobner (geb. 1899) überlebte am 20. Oktober 1920 einen während einer Autofahrt nach Landshut verübten Mordanschlag. Er hatte beabsichtigt, sein Wissen um ein Waffenlager an deutsche Behörden zu verkaufen.
Den Kellner Hans Hartung (geb. 1897) fand man am 4. März 1921 erschossen und mit Steinen beschwert in der Zusam bei Zusmarshausen. Er wollte sich sein Schweigen über Aktivitäten der Einwohnerwehr bezahlen lassen.
Der bayerische Landtagsabgeordnete der USPD, Karl Gareis (geb. 1889), starb am 9. Juni 1921, nachdem er vor seiner Haustüre in Schwabing niedergeschossen worden war. Ein Schwerpunkt seiner politischen Arbeit lag darin, über Wesen und Aktivitäten der Einwohnerwehr aufzuklären sowie für deren Auflösung zu kämpfen.
Wilhelm Hörnlein wurde am 31. Oktober 1921 in der Steiermark durch einen Kopfschuss getötet, weil er zu viele Geheimnisse der bayerischen rechtsextremen Szene kannte.
Das letzte bayerische Feme-Opfer, der Student Karl Baur (geb. 1901), wurde im Februar 1923 von Angehörigen eines rechtsradikalen Verbandes, des sog. Blücherbundes, an der Isar bei München erschossen. Baur sollte am Verrat von Putschplänen des Bundes gehindert werden.
In die Fälle Sandmayer, Dobner, Hartung und Hörnlein war die bayerische Einwohnerwehr nachweislich involviert. Die Täter entstammten einem Kreis junger Männer, die im Auftrag der so genannten Wirtschaftsstelle der Einwohnerwehr in München nach Bedarf Waffenschiebungen durchführten. Erwiesen ist, dass die Morde von den höchsten Spitzen der Landesleitung der Einwohnerwehr gedeckt wurden. Einzelne Mitglieder kümmerten sich um Fluchtfahrzeuge oder riefen zur Beseitigung von Waffenverrätern auf. Für den nicht aufgeklärten Mord an Karl Gareis ist das Motiv vermutlich ebenfalls in seinem politischen Kampf gegen die Einwohnerwehr zu suchen. Die Indizien sprechen auch in diesem Fall für einen typischen Fememord.
Die Aufarbeitung durch Justiz und Polizei
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Die für die Weimarer Zeit konstatierte Milde der Justiz zugunsten politisch rechts stehender Straftäter lässt sich auch, von Ausnahmen abgesehen, für die mit der Strafverfolgung der bayerischen Femeverbrechen beauftragten Stellen bei Justiz und Polizei nachweisen. Nicht unproblematisch war die Rolle einiger Beamten der Polizeidirektion München einschließlich ihres Präsidenten Ernst Pöhner (1870-1925). Letzterer vereitelte persönlich eine schnelle Verhaftung des Sandmayer-Mörders Hans Schweighart. Hans Dobner wurde bei seinem Versuch, die Polizei über ein Waffenlager zu informieren, von einem Beamten der Polizeidirektion München an die Einwohnerwehr weiterverwiesen.
Hinter dieser Haltung stand eine stramm nationale Gesinnung sowohl bei Beamten in Spitzenpositionen von Polizei und Justiz als auch bei den unmittelbar mit den Ermittlungen befassten Beamten. Wenn es auch Ausnahmen gab, so betrachteten doch viele Staatsdiener ein solches Kapitalverbrechen mit einer gewissen Nachsichtigkeit: Mord war nicht gleich Mord, falls er aus einem "nationalen, vaterländischen Motiv" begangen wurde.
Die Öffentlichkeit und Fememorde
(nach oben)
In Presse und Landtag spielten nur solche Femetaten eine größere Rolle, die sich öffentlichkeitswirksam oder für die politische Auseinandersetzung verwerten ließen. Dies galt zum einen für den Fall Dobner, der einen Landtagsuntersuchungsausschuss nach sich zog. Zum anderen war dies anlässlich des Attentats auf Karl Gareis der Fall, das dazu führte, dass von SPD bis KPD alle Linksparteien einschließlich der Betriebsräte und der sozialistischen Gewerkschaftsgruppen zu einem bayernweiten Generalstreik aufriefen. Allerdings stieß der Streikaufruf kaum auf Resonanz.
Mit Ausnahme linker Kreise verurteilte die bayerische Öffentlichkeit die Femeverbrechen nicht kompromisslos. Von den Parteien und Zeitungen des deutschnationalen oder völkischen Lagers wie zum Beispiel der Bayerischen Mittelpartei, des Völkischen Beobachters oder des Miesbacher Anzeigers war zu erwarten, dass sie die Femetaten mehr oder minder offen bejahten. Doch auch in bürgerlichen Kreisen wie in der regierenden Bayerischen Volkspartei, dem ihr nahe stehenden "Bayerischen Kurier" oder den bayernweit auflagestärksten "Münchner Neuesten Nachrichten" schlug man verständnisvolle Töne an. Man lehnte solche Taten zwar aus Gründen "des guten Geschmacks" mehrheitlich ab, brachte ihnen jedoch aufgrund der Zeitumstände und der "ehrenwerten nationalen Gesinnung" der Täter nicht nur wohlwollendes Verständnis entgegen, sondern plädierte dafür, auf eine juristische Aufarbeitung der Femefälle zu verzichten. Man akzeptierte damit, dass Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung in einer Demokratie unter bestimmten politischen Vorzeichen grundsätzlich Berechtigung habe. Diese Haltung einigte nationalistisch bis konservativ-bürgerlich eingestellte Kreise, für die "das Wohl des Vaterlandes" einen zentralen Wert darstellte.
Die Initiativen zum Aufbau einer landesweiten Organisation der bayerischen Einwohnerwehren 1919Quelle: http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/artikel/artikel_44542#1 (Archiv-Version vom 01.08.2014)
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Unter dem Eindruck der Radikalisierung der Revolution in Bayern hatte die SPD-geführte Staatsregierung unter Johannes Hoffmann (1867-1930) am 17. Mai 1919 einen Aufruf zur Gründung von Einwohnerwehren erlassen, um auf diese Weise die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung sicherzustellen. Diese Wehren sollten rein lokal organisiert sein und der Kontrolle der örtlichen Zivilbehörden unterliegen. Bald jedoch regten sich Stimmen zum Aufbau einer landesweiten Organisation. An die Spitze dieser Bestrebungen stellten sich die Einwohnerwehr-Führer von Isen und Rosenheim, Forstrat Georg Escherich (1870-1941) und Obergeometer Rudolf Kanzler (1873-1956), die durch den Regierungspräsidenten von Oberbayern, Gustav Ritter von Kahr (1862-1934), eine besondere Förderung erfuhren. Allen Beteiligten – den Wehrmännern, Kahr und auch der sozialdemokratischen Staatsregierung – war dabei klar, dass eine solche Organisation formell nur als privatrechtlicher Verein aufgebaut werden konnte, da jeglicher staatlichen Organisation die Entwaffnungsbestimmungen des Versailler Friedensvertrages entgegenstanden.
Nachdem im Juli 1919 Staats- und Reichsregierung ihre Zustimmung zu einer solchen überregionalen Organisation gegeben hatten, überzogen Escherich und Kanzler das gesamte rechtsrheinische Bayern mit einem Netz von Kreis- und Gauorganisationen der Einwohnerwehr. Am 30. August 1919 gab dann Innenminister Fritz Endres (1877-1963) die Zusage, die Kosten der – de jure privaten – Einwohnerwehr-Landesorganisation aus der Staatskasse zu bestreiten. Kurz darauf stellte das Innenministerium schließlich offiziell fest, dass "die Behörden der inneren Verwaltung [...] der Einwohnerwehr nicht leitend, sondern beratend und fördernd gegenüber" ständen (zitiert nach: Kanzler, Bayerns Kampf, 49). Der Grundstein für die eigenartige öffentlich finanzierte, aber formell private Wehrorganisation war gelegt.
Die Gründung des Landesverbandes als privater Verein
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Am 27. September 1919 gaben Escherich und Kanzler in München die offizielle Gründung des Landesverbandes der Einwohnerwehren Bayerns bekannt. Am 1. Oktober bestellten sie Major a. D. Hermann Kriebel (1878-1941) zum Leiter der Geschäftsstelle in der Herzog-Max-Burg. Der Vereinsvorstand, der den Namen "Landesausschuss" trug, wählte am 16. Dezember 1919 Escherich zum "Landeshauptmann" und Kanzler zu seinem Stellvertreter. Die zweite Sitzung des Landesausschusses beschloss am 10. März 1920 die Satzungen der neuen Organisation.
Bereits am 4. März 1920 war der Eintrag in das Vereinsregister als "Landesverband der Einwohnerwehren Bayerns e. V." in München erfolgt.
Organisation und Mitgliederstärke
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Der Landesverband gliederte die bayerischen Einwohnerwehren in insgesamt 156 Gaue und zehn Kreise, die im Wesentlichen den staatlichen Verwaltungssprengeln entsprachen. Offiziell sollten auf allen Ebenen die Führer demokratisch gewählt werden. Die Führer der Kreise und Städte sollten dann den Landesausschuss bilden. Die beiden Landeshauptleute sollten von einer alle drei Jahre stattfindenden allgemeinen Mitgliederversammlung, dem "Wehrtag", gewählt werden – wozu es auf Grund der Auflösung 1921 nie kam.
Als Vereinszweck nannte die Satzung in erster Linie die Sicherung von Ruhe und Ordnung, die vornehmlich durch die Ortswehren gewährleistet werden sollte. Es war jedoch das besondere Anliegen gerade Escherichs, darüber hinaus auch landesweit und sogar reichsweit einsetzbare Einheiten zu schaffen, die so genannten Land- und Reichsfahnen. Da die einfachen Wehrmänner nicht bereit waren, sich für derartige Einsätze zu verpflichten, sah sich die Landesleitung genötigt, den "Land- und Reichsfahnen" in verstärktem Maße ehemalige Freikorpskämpfer zuzuführen. So ergab sich dort eine Konzentration politisch radikaler Kräfte, also genau das, was eigentlich durch die Auflösung der betreffenden Freikorps-Formationen verhindert hatte werden sollen.
Insgesamt konnte der Landesverband dank des regen Zulaufes zu seinen lokalen Gruppierungen ein stetiges Wachstum an Mitgliedern verzeichnen. Besaß er im November 1919 ca. 200.000 Gefolgsleute, so waren es im Mai 1921, kurz vor seiner Auflösung, bereits 361.000. Der Landesverband der Einwohnerwehren Bayerns stellte damit ein bedeutendes Machtinstrument dar.
Politische Einflussnahme und Kooperation mit der Reichswehr
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Die Satzungen des Vereins hatten zwar explizit jede parteipolitische Stellungnahme ausgeschlossen. Dennoch waren Kriebel und Escherich im März 1920 zusammen mit General Arnold Ritter von Möhl (1867-1944) und Polizeipräsident Ernst Pöhner (1870-1925) mit für den Rücktritt des sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Johannes Hoffmann verantwortlich. Auf ihren politischen Druck hin wurde am 16. März 1920 Kahr zum Nachfolger Hoffmanns gewählt.
Des Weiteren sah der Landesverband eine Hauptaufgabe darin, in enger Kooperation mit dem Münchner Gruppenkommando Waffenbestände der Reichswehr in geheime Verstecke zu schaffen, um sie so dem Zugriff der Alliierten zu entziehen. Kriebel sorgte zudem dafür, dass die entscheidenden "Stabsleiterstellen" auf allen Ebenen der Organisation mit ehemaligen Offizieren besetzt wurden.
Auflösung und Nachfolgeorganisation
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Die Waffenfrage war es letztlich dann auch, an der das ganze Unternehmen scheiterte. Die Existenz der gewaltigen Bestände konnte vor der Entente trotz aller Bemühungen nicht geheim gehalten werden. Die Alliierten forderten daher seit März 1920 in einer Reihe von Ultimaten Deutschland zur Auflösung seiner paramilitärischen Organisationen auf. Kahr deckte als Ministerpräsident den bayerischen Verband über ein Jahr lang, bis auch er – nach alliierten Sanktionen und dem Sturz der Reichsregierung unter Constantin Fehrenbach (1852-1926) – im Mai 1921 nachgeben musste. Daraufhin beschloss der Landesverband der Einwohnerwehren Bayerns am 30. Mai 1921 seine Auflösung. In Wirklichkeit jedoch waren längst Vorkehrungen getroffen worden, um die Wehrarbeit fortzusetzen. Als geheime Nachfolgeorganisation des Einwohnerwehr-Landesverbands entstand die Organisation Pittinger, die sich später zum Bund Bayern und Reich umformierte.
zilch schrieb:In diesem Thread nichts zu suchenund warum glauben Sie, das bestimmen zu dürfen?
Kailah schrieb:der "Bezug" ist in der Waidhofener Bürgerwehr und ihren Mitgliedern eindeutig gegeben.Der Bezug ist doch derselbe wie z. B. bei der Waidhofener Feuerwehr oder der örtlichen Blaskapelle. Nur weil - zwangsläufig - die beteiligten Personen in der Bürgerwehr auftauchen, besteht darin doch kein kausaler Zusammenhang.
Die bayerische Feldzeugmeisterei bis zu ihrer Abwicklung 1921An "Blaskapellen" denke ich in Bezug auf solche Waffenlager eher nicht.
1916 war das Kriegsamt als eigene Abteilung des Kriegsministeriums errichtet worden. Es leitete zentral die Kriegswirtschaft Bayerns, hatte innerhalb des Ministeriums aber auch die Federführung bei der Beschaffung von Waffen, Munition und Gerät. Am 15. Mai 1919 gingen die Befugnisse der Feldzeugmeisterei auf das bisher vorgesetzte Kriegsamt über. Am 1. Juni 1920 wurde dieses zunächst in Feldzeugmeisterei-Abteilung umbenannt und am 1. Oktober 1921 ganz aufgelöst, die Restabwicklung oblag dem Landesfinanzamt München.
In der Reichswehr waren dem "Feldzeugmeisteramt" bzw. seit 1920 der "Zeugamtsabteilung" als zentralen Dienststellen in Berlin bei den beiden Gruppenkommandos in Berlin und Kassel je ein "Zeugamt" nachgeordnet. In den sieben Wehrkreisen bestanden dagegen nur noch je eine "Munitionsanstalt" (später: "Munitions- und Wehrkreiswaffenmeisterei"). Im bayerischen Wehrkreis VII, zum Gruppenkommando 2 gehörig, war diese in Ingolstadt untergebracht. Eine Feldzeugmeisterei der Reichswehr gab es in Bayern also offiziell nicht mehr.
Die geheime Feldzeugmeisterei der Reichswehr in Bayern
Nach Kriegsende 1918 war das Land voll von Waffen, Geräten und Munition. Nur ein Teil davon wurde gemäß den Bestimmungen des Versailler Vertrags abgeliefert. Einen Teil der in Bayern befindlichen Bestände kontrollierten Franz Ritter von Epp (1868-1947) als Kommandeur der Schützenbrigade 21 bzw. sein im Stab der Brigade zuständiger Offizier, Hauptmann Ernst Röhm (1887-1934). Durch die Ernennung Epps zum "Infanterieführer VII" am 1. Januar 1921 erweiterte sich die Zuständigkeit Röhms, dem Epp freie Hand ließ, auf ganz Bayern. Die Existenz von Waffenlagern in Bayern war ein offenes Geheimnis. Ihre Verwaltung durch die Bayerische Reichswehr geschah allerdings im Verborgenen. Für dieses so genannte nicht etatmäßige Kriegsgerät errichtete die bayerische Regierung eine geheim gehaltene "Feldzeugmeisterei" ("FZ"). Ihr unterstanden drei Zeugämter in München, Ingolstadt und Bamberg (zeitweise mit Fürth), bezeichnet als "Zeugamt Süd" bzw. "Mitte" und "Nord", dazu eine Anzahl Depots. Außerdem wurden Scheinfirmen errichtet, in denen Teile des Materials lagerten. Die Zeugämter wurden am 15. Juni 1921 aufgelöst.
Kooperation mit Reichswehr und paramilitärischen Verbänden
Nicht nur die Reichswehr hatte Zugriff auf die Feldzeugmeisterei, sondern auch die rechtsradikalen Kampfverbände. Sie deponierten hier Waffen "zu treuen Händen", wurden aber aus den Beständen auch beliefert.
Die schwer überschaubaren Verhältnisse kamen Röhm entgegen. Je mehr er sich als "politischer Soldat" fühlte, desto mehr machte er die Feldzeugmeisterei zu seinem Instrument. Allerdings überreizte er sein Spiel. Eine rechtsradikale "Arbeitsgemeinschaft", an deren Zustandekommen er maßgeblich beteiligt war, plante für den 1. Mai 1923 eine "nationale Demonstration", die auf einen Zusammenstoß mit demonstrierenden Marxisten, aber auch mit der Regierung hinauslaufen sollte. Doch stand die Reichswehr unmissverständlich an der Seite der Regierung. Röhms Beteiligung an der Konfrontation und die teilweise Bewaffnung der Rechtsradikalen aus den Beständen der Feldzeugmeisterei in der Nacht zum 1. Mai galt als Missachtung klarer Befehle seiner militärischen Vorgesetzten. Daher wurde er am 3. Mai seines Postens enthoben. Die Feldzeugmeisterei wurde wieder stärker in die Reichswehr eingebunden.
Vaterländische Verbände, 1918/19-1933Quelle: http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/artikel/artikel_44623 (Archiv-Version vom 05.05.2014)
Sammelbegriff für eine Vielzahl national gesinnter Wehrverbände der Weimarer Republik, die die Revolution und zumeist auch die Republik ablehnten. Ihr Ziel war es, die Wehrhaftigkeit des Deutschen Reiches entgegen den Bestimmungen des Versailler Vertrags zu erhalten. In Bayern spaltete sich die "vaterländische Bewegung" in einen gemäßigt-föderalistischen und einen völkisch-radikalen Flügel auf. Die vaterländischen Verbände spielten seit dem Verbot der Einwohnerwehren 1921, insbesondere aber im Krisenjahr 1923 eine bedeutsame politische Rolle. Zum 24. März 1933 wurden alle Wehrverbände außerhalb von SA, SS und Stahlhelm
Begriffsbestimmung
Der Begriff der "vaterländischen Verbände" in der Weimarer Republik ist insofern problematisch, als er eine Vielzahl teilweise sich feindlich gegenüber stehender Organisationen umfasst. Prinzipiell bezeichneten sich all jene national-"bodenständigen" Kräfte als "vaterländisch", die sich radikal vom Faktum der Revolution und zumeist auch von der Republik abgrenzen wollten. Revolution und Republik lasteten sie dem "internationalistischen Pazifismus" der linken und linksliberalen Parteien an, denen man vorwarf, seit 1917 systematisch und in Zusammenarbeit mit dem feindlichen Ausland die deutsche Wehrwilligkeit und Wehrfähigkeit zermürbt zu haben.
Von daher versteht sich auch die zweite Komponente im Denken der gesamten "vaterländischen Bewegung", die Betonung der Erhaltung der deutschen Wehrhaftigkeit entgegen den Bestimmungen des Versailler Vertrags als einziges Mittel, Deutschland vor der "Zersetzung" durch die internationalen Kräfte der "Hochfinanz" wie auch des "Bolschewismus" zu retten. Viele der vaterländischen Verbände sahen daher die zumeist geheime, weil illegale praktische Wehrarbeit als ihre vornehmste Pflicht an. Daneben existierten aber auch reine Schulungs- und Propagandaorganisationen, die sich auf die politische Agitations- und Lobbyarbeit konzentrierten.
Besondere Entwicklung in Bayern: Aufspaltung der vaterländischen Bewegung
Unterhalb der übergeordneten Motive "Anti-Internationalismus" und "Anti-Pazifismus" spaltete sich die vaterländische Bewegung in Bayern bald auf in einen gemäßigten, föderalistischen, "weiß-blauen" Flügel um den Bund Bayern und Reich und den Bayerischen Heimat- und Königsbund und einen zunehmend völkisch-radikalen "schwarz-weiß-roten" Flügel um NSDAP, Bund Oberland und kleinere Bünde. Insgesamt lassen sich in der Entwicklung der vaterländischen Verbände in Bayern drei Phasen unterscheiden.
Die erste Phase: Mobilisierung 1919 bis 1923/24
Die Wurzeln der vaterländischen Verbände als Organisationsform liegen in Bayern wie anderswo in der Einwohnerwehrbewegung der Jahre 1919/20. Unter deren Dach sammelten sich mit staatlicher Unterstützung alle antirevolutionären "vaterländischen" Kräfte, aber auch von Anfang an eine Reihe von Personen und Organisationen, die gezielt völkisch-radikales Gedankengut in diese Massenbewegung hineinzutragen versuchten.
Auf dem Höhepunkt seiner Macht im Frühjahr 1921 verfügte der Landesverband der Einwohnerwehren Bayerns über 361.000 Mitglieder im ganzen Land. Im Gefolge des Kapp-Putsches von März 1920 verbotene und aufgelöste Organisationen wie die Marinebrigade Ehrhardt und das wurden bereitwillig aufgenommen und als Tarnorganisationen fortgeführt. Sie brachten vielfach ihr radikal-völkisches Gedankengut in die Einwohnerwehren mit.
Die eigentliche Geschichte der vaterländischen Verbände begann mit deren eigenständigerem Agieren nach der von der Entente erzwungenen Auflösung der bayerischen Einwohnerwehren am 1. bzw. 21. Juni 1921. Als nämlich der Sanitätsrat Otto Pittinger (1878-1926) mit Billigung und im Auftrag der Staatsregierung und des Münchner Wehrkreiskommandos die Leitung der gesamten Wehrbewegung bei seiner zunächst geheimen Kommandostelle konzentrieren wollte, stieß er auf erhebliche Widerstände der Anführer der einzelnen Organisationen: Diese wie auch die allenthalben in den Führungspositionen vertretenen ehemaligen Berufsoffiziere verspürten wenig Neigung, sich dem "Zivilisten" Pittinger zu unterstellen.
Hinzu kam der politische Richtungsstreit: Pittinger vertrat mit seinem im Sommer 1922 offiziell gegründeten und bald auf 50.000 Mitglieder angewachsenen Bund Bayern und Reich den gemäßigten, monarchisch-föderalistischen "weiß-blauen" Kurs. Die Radikalen um Ernst Röhm (1887-1934) und General a.D. Erich Ludendorff (1865-1937) warfen ihm rasch vor, er wolle über eine Restauration der wittelsbachischen Monarchie unter Kronprinz Rupprecht (1869-1955) Bayern aus dem Reichsverband lösen und diesen somit schädigen. Ein letzter Versuch Pittingers, die vaterländische Wehrbewegung erneut zusammenzufassen, schlug fehl. Die von seinem Gefolgsmann Hermann Bauer (geb. 1884) am 11. November 1922 gegründete Vereinigung der Vaterländischen Verbände Bayerns konnte wichtige Glieder des "schwarz-weiß-roten" Lagers wie die Bünde Oberland und Wiking nicht zum Eintritt bewegen. Hitlers NSDAP trat bereits im Januar 1923 wieder aus. Mit der radikalen Gegengründung vom 4. Februar 1923, der Arbeitsgemeinschaft vaterländischer Kampfverbände unter der Führung Röhms, zerbrach die organisatorische Einheit der "vaterländischen Bewegung".
Diese internen Konflikte wurden ab Herbst 1923 nochmals zurückgestellt, als sich mit der Ernennung des alten Förderers der Wehrbewegung, Gustav von Kahr (1862-1934), zum Generalstaatskommissar die Möglichkeit andeutete, die "Ordnungszellenideologie" von 1920 doch noch umzusetzen. Das "Triumvirat" um Kahr, Otto von Lossow (1863-1938) und Hans von Seißer (1874-1973) plante, in Absprache mit dem Chef der Heeresleitung Hans von Seeckt (1866-1936) die nationalen Verbände um sich zu sammeln, mit ihnen und den meuternden Teilen der bayerischen Reichswehr nach Berlin zu marschieren und dort eine "nationale Diktatur" zu errichten.
Den vaterländischen Verbänden kam in diesem Plan eine zentrale Rolle zu. Auf sie sollte sich die neue Reichsregierung als Miliz wie auch als "volkstümliches" Instrument zur Mobilisierung der Bevölkerung stützen. Dabei legte Kahr besonderen Wert auf die Einbindung der militärisch schlagkräftigen Verbände der Arbeitsgemeinschaft. Als jedoch die Vorbereitungen Kahrs im November 1923 ins Stocken kamen, weil der nötige Rückhalt norddeutscher Kräfte ausblieb, entschlossen sich die radikalen Verbände der Arbeitsgemeinschaft, den Generalstaatskommissar zum Vorgehen zu zwingen. Die daraus resultierende Aktion der Radikalen ist als gescheiterter Hitlerputsch in die Geschichte eingegangen. Die vaterländische Bewegung Bayerns zerbrach nun endgültig.
Die zweite Phase: Verfall und gescheiterte Einigungsbemühungen 1924 bis 1928/29
Die am Putsch beteiligten Verbände Oberland, Reichskriegsflagge und NSDAP erklärte Kahr noch in der Nacht zum 9. November für aufgelöst. Mit mehreren Verordnungen wurde sodann bis Januar 1924 die Entwaffnung auch aller anderen Organisationen, selbst des regierungstreuen Bundes Bayern und Reich verfügt und - was nicht selbstverständlich war - im Wesentlichen auch umgesetzt. Die verbotenen radikalen Bünde organisierten sich zwar sofort in neuen Tarn- und Ersatzorganisationen, so die Oberländer im Deutschen Schützen- und Wanderbund, die NSDAP in der Großdeutschen Volksgemeinschaft. Sie waren jedoch entscheidend geschwächt. Daran änderte auch ihre offizielle Wiederzulassung im Frühjahr 1925 nichts. Die von Röhm erneut versuchte Einigung der Völkisch-Radikalen im Frontbann erwies sich ebenfalls als kurzlebig.
Aber auch der moderate Bund Bayern und Reich konnte seine Mitglieder nicht mehr in der gewohnten Weise mobilisieren. Er gab sich im Frühjahr 1924 eine neue Verfassung, in der er sich endgültig als nationalpolitische Agitations- und Schulungsinstitution und nicht mehr als Wehrverband definierte. Trotzdem verlor der Bund seit 1924/25 massiv an Mitgliedern, Beiträge gingen kaum noch ein.
In den Jahren 1925 bis 1928 kam daher die Arbeit der vaterländischen Verbände in Bayern beinahe zum Erliegen. Auch die 1924 zur Erfassung des Adels für die monarchische Idee gegründete "Bayerntreue" erwies sich als wenig attraktiv. Allein der offen monarchistische Bayerische Heimat- und Königsbund konnte seine hohe Mitgliederzahl annähernd halten - allerdings fand auch er immer weniger Rückhalt in der Bevölkerung. Die Bereitwilligkeit, für die Beseitigung der Republik zugunsten der Monarchie oder eines autoritären Regimes Opfer zu bringen, hatte auch in Bayern rapide nachgelassen.
Die dritte Phase: Neugründungen, Verschmelzungen und erneute Mobilisierung 1928/29 bis 1933
Auf Grund von Mitgliederschwund und Finanzschwäche hatte sich die Führung des immer noch größten bayerischen Verbandes Bayern und Reich im Laufe des Jahres 1927 entschlossen, Anschlussverhandlungen mit dem außerhalb Bayerns sehr erfolgreichen und vor allem finanzstarken "Stahlhelm. Bund der Frontsoldaten" aufzunehmen. Nach schwierigen Verhandlungen zwischen dem föderalistisch-monarchischen Bund und dem norddeutsch-protestantisch-städtisch geprägten Stahlhelm fand die konstituierende Sitzung des neuen Verbandes "Stahlhelm in Bayern" erst am 22. Februar 1930 statt. Die Organisationsstruktur von Bayern und Reich sollte erhalten bleiben, der Führer des Bundes erhielt einen Sitz im Stahlhelm-Vorstand. Auch andere bayerische Organisationen wie Reichsflagge und Wiking traten unter der Zusicherung der Erhaltung ihrer autonomen Bundesstrukturen in den Stahlhelm ein.
Die Fusion sollte jedoch insbesondere dem Bund Bayern und Reich nicht zum Vorteil gereichen. Viele alte Mitglieder des Bundes Bayern und Reich kehrten nach der Vereinigung mit dem "preußischen" Stahlhelm der neuen Organisation den Rücken.
Die vom Stahlhelm Enttäuschten traten großenteils in den im Dezember 1928 neu gegründeten Bayerischen Heimatschutz ein. Initiator dieser betont föderalistischen Organisation war Georg Escherich. Auf Grund der föderalistischen Ausrichtung wurde der Verband in der Folgezeit von bedeutenden Organisationen wie den Christlichen Bauernvereinen, dem Bayerischen Heimat- und Königsbund, vom katholischen Klerus, und - mit Abstrichen aufgrund der Konkurrenzsituation - auch von der Bayernwacht der BVP unterstützt. So stieg seine Mitgliederzahl auf ca. 40.000 im Jahr 1930, während der konkurrierende Stahlhelm in Bayern kontinuierliche Verluste hinnehmen musste.
Diese wurden noch verschärft, als die katholische Kirche seit Ende 1930 offiziell ihre Gläubigen vor der "Hitlerbewegung" zu warnen begann, die ja mit dem Stahlhelm ein enges Bündnis eingegangen war und im September 1930 bei den Reichstagswahlen einen "Erdrutschwahlsieg" errungen hatte. In der erneut national aufgeheizten, bürgerkriegsähnlichen Situation der Jahre 1930 bis 1933 zeigte sich daher in Bayern neben der klassischen Konfliktlinie zwischen rechts und links auch innerhalb des rechten Spektrums ein sehr deutlicher Bruch zwischen den "Unitaristen" um NSDAP und Stahlhelm und den Föderalisten um den Bayerischen Heimatschutz, der sogar zu teilweise blutigen Auseinandersetzungen führte.
Auflösung sämtlicher Wehrverbände außerhalb von SA, SS und Stahlhelm im März 1933
Während nun innerhalb Bayerns die "weiß-blaue" Bewegung eindeutig die Oberhand behielt, gelang es den Nationalsozialisten und dem Stahlhelm, sich auf Reichsebene durchzusetzen. Nach der "Machtergreifung" begann auch in Bayern die Gleichschaltung der Wehrbewegung: Der neue Staatskommissar zur besonderen Verwendung, Ernst Röhm, erlegte am 24. März 1933 "sämtlichen Wehrverbänden außerhalb der SA, der SS und des Stahlhelm" (zit. nach Nußer, Band 1, 352) die Selbstauflösung auf. Der zu Beginn der 1920er Jahre in Bayern entstandene radikale Flügel der "vaterländischen Bewegung" war auf legalen Umwegen an sein Ziel gelangt und zögerte nicht, auch seine alten föderalistisch-konservativen Konkurrenten in Bayern aus dem Wege zu räumen.
Landeskommissar für die Entwaffnung der Zivilbevölkerung, 1920/21Quelle: http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/artikel/artikel_44911 (Archiv-Version vom 20.09.2015)
Offiziell eingesetzt am 11. September 1920, um die Entwaffnung der bürgerlichen Selbstschutzorganisationen in Bayern auf Druck der Alliierten durchzuführen, erfüllte Landeskommissar Eduard Nortz (1868-1939) während seiner Tätigkeit bis zum 30. Juni 1921 in erster Linie eine Alibi-Funktion. Eine große Anzahl versteckter Waffenlager in Bayern blieb weiterhin bestehen.
Die Entwaffnung der Einwohnerwehren als Ziel der Alliierten
Der Erfolg der Einwohnerwehrbewegung in Deutschland und insbesondere in Bayern seit dem Sommer 1919 hatte noch im selben Jahr den Argwohn der Ententestaaten hervorgerufen. Die alliierte Konferenz von Spa (Belgien) legte am 9. Juli 1920 endgültig fest, dass auch die bewaffneten bürgerlichen Selbstschutzorganisationen Deutschlands als Wehr- bzw. Wehrersatzorganisationen anzusehen seien. Sie fielen daher unter die Entwaffnungsbestimmungen des Versailler Vertrags und seien bis zum 31. Januar 1921 aufzulösen. Der Reichstag sah sich gezwungen, binnen eines Monats ein entsprechendes "Reichsgesetz zur Entwaffnung der Zivilbevölkerung" zu verabschieden. Zur Durchführung der Waffenabgabe wurde am 6. August 1920 der preußische Staatssekretär Dr. Wilhelm Peters (geb. 1876) als "Reichskommissar" eingesetzt.
Ernennung eines Landeskommissars für die Entwaffnung der Zivilbevölkerung in Bayern
In Bayern lösten diese Vorgänge im gesamten bürgerlichen Lager einhellige Empörung aus, sah man sich dort doch als Vorreiter der deutschen Wehrbewegung. Immerhin wollte Ministerpräsident Gustav von Kahr (1862-1934) bei der Ernennung des im Reichs-Entwaffnungsgesetz vorgesehenen „Landeskommissars für die Entwaffnung der Zivilbevölkerung“ in Bayern zumindest scheinbar kooperieren, um den offenen Konflikt zu vermeiden. Mit der prekären Aufgabe sollte der Ministerialrat und spätere Polizeipräsident bzw. Generalstaatsanwalt Dr. Eduard Nortz (1868-1939) betraut werden. Auf Kahrs Vorschlag hin erfolgte dessen offizielle Ernennung durch Peters am 11. September 1920. Nortz stand allerdings – genau wie Kahr selbst – den Wehren äußerst wohlwollend gegenüber.
Bereits seit dem 7. September 1920 hatte Nortz damit begonnen, die gesetzlich vorgeschriebene Erhebung der Waffenbestände durchzuführen. Er ließ die schweren Waffen fristgerecht zum 1. November 1920 abliefern und legte dem Reichskommissar am 20. Dezember eine Übersicht der bayerischen Bestände vor. Andererseits wurden von Anfang an mit seiner und Kahrs Billigung Waffen der Einwohnerwehren in Kooperation mit der Reichswehr beiseite geschafft.
Endgültige Auflösung der Einwohnerwehren im Juni 1921
Als dann im Frühjahr 1921 die Hinhaltetaktik von Staats- und Reichsregierung endgültig an der Intransigenz der Entente scheiterte und auch Kahr einwilligen musste, die Wehren bis zum 30. Juni aufzulösen, herrschte trotz aller Erregung doch die Einschätzung vor, dass dieser Schritt nur formeller Natur sei. Der Landesverband der Einwohnerwehren Bayerns beschloss daher am 30. Mai, sich "freiwillig" aufzulösen. Erst nach diesem Beschluss erließ Nortz am 4. Juni den endgültigen Entwaffnungsbefehl. Die in den folgenden Wochen bis zum 30. Juni 1921 abgelieferten 207.000 Gewehre stellten dann in der Tat nur einen Teil der sehr umfangreichen bayerischen Arsenale dar. Eine ganze Anzahl versteckter Waffenlager stand auch weiterhin der von Sanitätsrat Otto Pittinger (1878-1926) aufgebauten geheimen Nachfolgeorganisation der Einwohnerwehren, dem Bund "Bayern und Reich" zur Verfügung.