@canalesEs handelt sich nicht um einen „normalen“ Kauf des Anwesens.
Lass mich nochmals ausführen, warum die Gabriels Miterben waren und dass dieses dann im Preis berücksichtigt werden musste, auch wenn es hier schon erwähnt worden ist, alles kompliziert und langweilig ist. Es besteht immer noch Bedarf an Aufklärung.
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Am 3.7.1915 wurde Viktoria Gabriel aufgrund des Erbscheins vom 9.2.1915 als Alleineigentümerin des Anwesens Hinterkaifeck im Grundbuch eingetragen. Außerdem wurde eine Hypothek zugunsten von Cäzilia Gabriel in Höhe von 2.000 Mark eingetragen.
Der vom Amtsgericht Schrobenhausen am 9.2.1915 ausgestellte Erbschein war jedoch ungültig.
Notar Stinglwagner hat bei Abfassung des Ehe-und Erbvertrags vom 11.3.1914 die erbrechtlichen Regelungen des BGB, welches 1900 in Kraft trat nicht beachtet. Vor Inkrafttreten des BGB wurden Ehe-und Erbverträge nach Bayerischem Allgemeinen Landrecht geschlossen.
Im Mittelpunkt der Regelungen vor 1900 stand, dass der überlebende Ehegatte Alleineigentümer des Hofes wird, dass er für den Fall, dass keine Abkömmlinge vorhanden sind die Eltern bzw. Geschwister des toten Ehegatten auszuzahlen hat oder dass er ggfs. den gemeinsamen Kindern ein Vater-oder Muttergut zu zahlen hat, was in einem Vater-oder Muttergutsvertrag nach Eintritt des Erbfalls genau bestimmt wurde. Wichtig zur Fortführung des Hofes war, dass der überlebende Ehegatte Alleineigentümer des Hofes wird.
Im Ehe-und Erbvertrag von 1914 war für den Fall, dass keine Abkömmlinge vorhanden sind, auch eine solche Regelung enthalten, denn der überlebende Ehegatte sollte einen Betrag in Höhe von 2.000 Mark an die Seite des Verstorbenen ( Eltern bzw. Geschwister) zahlen.
Eine Regelung für den Fall, dass Nachkommen vorhanden waren, fehlte jedoch. Meiner Einschätzung nach hatte Stinglwagner noch die alte Regelung im Kopf, wonach der überlebende Ehegatte Alleineigentümer wird und den Abkömmlingen in einem gesonderten Vertrag ein Vater- bzw. Muttergut einräumt.
So wurde es nach dem Tod von Karl Gabriel praktisch auch analog durchgeführt. Viktoria Gabriel hat in Anlehnung an die erbvertragliche Regelung am 1.7.1915 vor Notar Stinglwagner ein Schuldbekenntnis (man kann es als Vatergut betrachten) in Höhe von 2.000 Mark zugunsten von Cäzilia abgegeben und dieses durch eine Hypothek abgesichert.
Viktoria wurde daraufhin am 3.7.1915 als Alleineigentümerin im Grundbuch eingetragen. Die Hypothek zugunsten von Cäzilia wurde als Belastung ebenfalls eingetragen.
Eine solche Verfahrensweise war jedoch wegen der erbrechtlichen Vorschriften des BGB rechtswidrig. Das Fehlen einer vertraglichen Regelung hat das Eingreifen der gesetzlichen Regelung zur Folge.
Die gesetzlichen Vorschriften des BGB sahen damals vor, dass ein Kind ein Elternteil zu ¾ beerbt, während dem Ehegatten ein Erbteil von ¼ zusteht.
Oberamtsrichter Schöntag hat daraufhin den Erbschein vom 9.2.1915 zu recht eingezogen und am 11.9.1922 einen neuen Erbschein dahingehend ausgestellt, dass der verstorbene Karl Gabriel aufgrund Gesetzes von seiner Tochter Cäzilia zu ¾ und von seiner Ehefrau Viktoria zu ¼ beerbt wurde.
Das hatte zur Folge, dass Cäzilia Gabriel nach Karl Gabriels Tod zu 3/8 Eigentümerin des Anwesens Hinterkaifeck war, während ihre Mutter Viktoria Gabriel Eigentümerin zu 5/8 war.
Cäzilia Gabriel wurde dann von ihren Großeltern beerbt. Von daher ist der günstige Kaufpreis zu verstehen.