@ErzsiIch will versuchen Deine Verwirrung etwas zu beseitigen, was die Nichtaufklärung des Falles und die bis heute andauernden Verdächtigungen eines Nachbarn der Opfer anbelangt.
Ich habe auch in Deinem Thread „Mayerling Mord“ gelesen und weiß, dass Du an historischen Mordfällen ernsthaft interessiert bist.
Ich fasse kurz zusammen:
Der Mord an der Familie Gruber /Gabriel und der Magd Maria Baumgartner wurde 1922 nicht aufgeklärt, weil Polizei und Staatsanwaltschaft seinerzeit versagt haben.
Die Ermittlungsbehörden sind von einem Raubmord ausgegangen, obwohl Goldgeld und Wertgegenstände im Mordhaus zurückgelassen worden sind. Es wurde das Naheliegende außer Acht gelassen, nämlich dass es sich um eine Beziehungstat gehandelt hat in der ein schwelender Konflikt zwischen den Opfern und einem der Nachbarn eine bedeutende Rolle gespielt hat.
L. Schl. , Nachbar der Opfer, ist seit Auffinden der Leichen von den übrigen Nachbarn seines Dorfes, d. h. von seinem engsten Umfeld immer wieder verdächtigt worden, die brutale Tat begangen zu haben.
Polizei und Staatsanwaltschaft haben diese Verdächtigungen jedoch ignoriert.
Beide Behörden haben vor allem kein Motiv bei Schl. erkannt.
Zum einen sie sind davon ausgegangen, dass ein Vater seinen Sohn nicht auf so bestialische Weise tötet. Dabei haben sie nicht erfasst, dass Schl. sich nicht als Vater gefühlt hat, sondern die Vaterschaft nur anerkannt hat, weil er von Viktoria, der Mutter des Kindes 5.000 Mark hierfür erhalten hat und weil er gehofft hat, dass die schöne und reiche Viktoria ihn für diesen Dienst heiraten wird. Überall im Dorf hat er herumerzählt, dass das Kind aus einer immer weiter fortbestehenden blutschänderischen Beziehung zwischen Viktoria und ihrem Vater entstanden ist.
Zum anderen spielte bei der Motivfrage damals eine entscheidende Rolle, dass die Strafverfolgungsbehörden davon ausgegangen sind, dass durch den Abschluss eines Abfindungsvertrages im Jahre 1919 keine weiteren Unterhaltsforderungen mehr auf Schl. zukommen können und dass das Kapitel uneheliches Kind somit endgültig für ihn abgeschlossen ist.
Sie haben nicht erkannt, dass sich gerade doch aus dieser Beziehung Vater –uneheliches Kind kurz vor der Tat aktueller Konfliktstoff ergeben hat wegen der unsicheren wirtschaftlichen Verhältnisse im Jahre 1921/22, die durch die Inflation bedingt waren.
Inzwischen wurde herausgefunden, dass es gerade wenige Wochen vor dem Mord ein Urteil des für die Beteiligten zuständigen Landgerichts gegeben hat, wonach uneheliche Väter trotz Abfindungsvertrag wegen der Inflation monatlich für weitere Unterhaltszahlungen in Anspruch genommen werden können und das bis zum 16. Lebensjahr des Kindes.
Später hat ein Nachbar ausgesagt, dass Viktoria ca. 14 Tage vor ihrem Tod Unterhaltsklage erheben wollte.
Es war ein tragischer Umstand, dass dem damaligen Staatsanwalt diese neue Rechtsprechung nicht bekannt war. Ansonsten hätte er das Motiv erkannt und den Fall wahrscheinlich gelöst.
Der Fall wurde damals nicht aufgeklärt und er beschäftigt heute noch die Gemüter, weil es eben sechs Opfer gegeben hat und es dem Gerechtigkeitsempfinden widerspricht, dass niemand für die Tat zur Verantwortung gezogen werden konnte.
Da Du Dich für historische Mordfälle interessierst, wirst Du aber wissen, dass es in diesen Fällen immer mehrere Tätertheorien gibt. Nicht alle sehen den Nachbarn als einzig Tatverdächtigen, wie es Hieber in seinem Film getan hat und wie es ein Teil der User hier tun. Raum für Spekulationen und Interpretationen ist natürlich immer vorhanden. Jeder muss für sich selbst entscheiden, wen er am wahrscheinlichsten für den Täter hält.