Ich versuche nun schon seit einer ganzen Weile, mir mein Bild von dem Fall zu machen, und ich denke, dass die Geschehnisse, die im Fimfall von Aktenzeichen XY dargestellt wurden, schon alle eine Bedeutung für den Fall haben. Folgendes fand ich bemerkenswert:
Frau Schneeweiß verfügte über einen Firmenwagen ihres Arbeitgebers, den sie einerseits für ihre Außeneinsätze benötigte; andererseits zeigt das in meinen Augen, dass ihre berufliche Position so schlecht nicht gewesen sein konnte. Inwiefern sie dadurch dem Marktleiter des Supermarkts, in dem sie zuletzt arbeitete, "gefährlich" werden konnte bzw. dessen "Machtausübung" als kleiner König seines Supermarktes im Wege stand, ist für mich eine offene Frage. Dass man ihr Betrug mit großer Schadensumme vorwarf, kann auch ein Zeichen dafür sein, dass man sie auf perfide Weise loswerden wollte - wer auch immer dahinter stand. Man wollte entweder ein langfristiges Kündigungsprozedere mit Abfindung etc. vermeiden - wer auch immer ein solches Vorgehen initiiert haben mag. Oder jemanden loswerden, der sich nicht so einfach beherrschen ließ wie eine gewöhnliche Angestellte bzw. Kassiererin. Die direkten Kontakt zur Zentrale hatte und dadurch auch Auge und Ohr hierarchisch höherer Stellen gewesen sein mag oder als solche empfunden wurde.
Im privaten Bereich mochten die Vorstelltungen von Macht- und Geldverteilung innerhalb einer Ehe vor 40 Jahren bei einigen Leuten noch von den Verhältnissen geprägt sein, wie sie bis 1957 (viele behaupten: bis 1977) noch rechtlich gegeben waren, dass ein Mann etwa einfach den Job seiner Ehefrau ohne deren Einverständnis kündigen konnte:
Ein Blick ins historische Gesetz zeigt: § 1358 BGB erlaubte es tatsächlich bis zum 1. Juli 1958 dem Ehemann, Dienstverträge seiner Frau zu kündigen, allerdings nur, "wenn er auf seinen Antrag von dem Vormundschaftsgerichte dazu ermächtigt worden ist". Bereits der Gesetzgeber des Jahres 1896 hatte den Ehemann also nicht in völlige selbstherrliche Verfügungsgewalt über die Arbeitskraft seiner Frau gesetzt. Diesen § 1358 BGB hob das Gleichstellungsgesetz vom 18. Juni 1957 auf, nicht erst die nächste große Eherechtsreform von 1977.
Quelle:
https://www.lto.de/recht/feuilleton/f/rechtsgeschichte-gleichberechtigungsgesetz-verfassung-familie-frauen-feminismus/2/Die Eheleute scheinen ja wirtschaftlich und beruflich "auf Augenhöhe" gelebt zu haben. Vielleicht war ES nicht bereit, ihren Beruf freiwillig aufzugeben, nachdem sie das gemeinsame Haus mit abbezahlt hatte und sich in die, möglicherweise vom Ehemann geforderte, Rolle als Hausfrau und Mutter zu fügen, für die sie mit 35 Jahren ja noch nicht zu alt war. Vielleicht stand der Ehemann mit dem Marktleiter in Verbindung, im FF behauptete er jedenfalls, ihn zu kennen.
Ungeachtet dessen, auf welche Weise ES verschwunden ist, scheint mir hier auch ein Konflikt vorgelegen zu haben, der in etwa so lautete: Wir haben jetzt das Haus abbezahlt, jetzt soll die Frau endlich ihrer "eigentlichen Aufgabe" gerecht werden, und zu Hause bleiben und Kinder bekommen und erziehen. Falls ES dazu nicht bereit oder in der Lage war, könnte dies zur beabsichtigten Trennung geführt haben, die den Eheleuten freilich die Situation erbracht hätte, das gemeinsame Haus entweder zu verkaufen oder dass der Ehemann seine Frau hätte ausbezahlen müssen.
Nicht nur im Hinblick auf das ungeklärte, womöglich tragische Ende der Elfriede Schneeweiß, scheint mir der Fall auch ein Sittengemälde unserer Gesellschaft der entsprechenden Zeit zu sein. Dass man vielleicht nach außen modern lebte, nach innen aber der Mann womöglich archaische Denkmuster aufrecht erhielt.