OpLibelle schrieb:Ich hätte noch drei weitere Fragen an Dich, wenn ich Dich damit so überfallen darf:
1.)
Besteht bei seiner Verhandlung Anwaltszwang oder könnte und dürfte er sich auch selbst verteidigen?
2.)
ich habe gelesen, in Idahao könne man nicht auf Schuldunfähigkeit aus psychischen / psychiatrischen Gründen plädieren. Kannst Du dazu etwas mehr ausführen, bitte. Kennt das Gesetz da überhaupt keine Schuldunfähigkeit, egal wie durch jemand im Kopf ist?
3.)
Und schließlich: Welche beruflichen Möglichkeiten hätten sich ihm erschlossen, wenn er seinen Dr.-Titel in criminal justce gemacht hätte? Kann man damit Strafverteidiger werden oder landet man irgendwo in der Justiz-/Gefängnisverwaltung oder wozu sonst ist so ein Abschluss gut?
Vielen Dank
OK, ich hab nicht so viel Zeit heute morgen, daher nur kurz. Ich fange mal bei 3) an:
Das Studium der Kriminologie darf man nicht mit einem Jurastudium verwechseln. In der Kriminologie geht es um wissenschaftliche Analyse des Phänomens "Verbrechen." Praktisch wird es meist umgesetzt im Verwaltungsapparat der Polizei oder eben akademisch. Es hat sich ein wenig zum "in"-Studium in den letzten Jahren entwickelt, aber die Beschäftigungsmöglichkeiten sind, zumindest mit einem PhD dann doch eher eingeschränkt. Die meisten Absolventen gehen wohl zur Polizei.
Zu 1)
In den USA besteht kein "Anwaltszwang." Jeder Beschuldigte hat das Recht auf einen Anwalt, und wenn er diesen nicht bezahlen kann, dann stellt der Staat adäquate Pflichtverteidiger.
Allerdings hat ein Beschuldigter das Recht, auf einen Anwalt zu verzichten und sich selbst zu verteidigen, auch wenn man kein Jurist ist. Dass es eine extrem dumme Entscheidung ist, das zu tun, ist offensichtlich. Viele Gerichte ordnen einem Angeklagten, der sich selbst verteidigen will, dann "zwangsweise" einen Anwalt als "juristischen Berater" zu, wobei der nicht viel machen kann, wenn der Angeklagte partout nicht mit ihm kommunizieren will.
Zu 2) Der Komplex der Unzurechnungsfähigkeit ist tatsächlich ein Gebiet, auf dem sich die amerikanische Rechtsprechung und die deutsche unterscheiden.
In beiden Ländern gilt, dass ein Angeklagter nur verurteilt werden kann, wenn neben dem objektiven Tatbestand, also dass er das Verbrechen begangen hat, auch seine "Schuld" festgestellt wird. Schuld ist ein subjektiver Tatbestand und die Definition ist nicht ganz einfach, da sie etwas mit Moral, Emotionen und so weiter zu tun hat.
In den USA gilt in den meisten Bundesstaaten die M'Naghten Regel, die sagt, dass Schuld dann nicht vorliegt, wenn mindestens ein von zwei Kriterien vorliegt:
Der Täter hat auf grund einer psychischen Erkrankung entweder:
1. nicht erkannt, dass sein Verhalten gegen das Gesetz verstossen hat oder
2. das zwar erkannt, aber sein Verhalten nicht entsprechend beeinflussen können.
Beispiele:
1. Alois ermordet den Hausmeister seines Wohnblocks. Alois ist psychisch schwer krank und der festen Überzeugung, dass fremde Wesen vom Mars die Erde angreifen und alles Leben ausrotten wollen. Sie sind daran zu erkennen, dass sie graue Kittel tragen. Alois ist der festen Überzeugung, sich gegen diese Wesen verteidigen zu müssen, indem man sie umbringt, weil sonst die Menschheit nicht überlebt.
Alois erkennt nicht, dass es gegen das Gesetz ist, den Hausmeister umzubringen.
2. Sepp ist der Meinung, dass die Welt jeden Tag weiter verkommt und beklagt das. Eines Tages meldet sich ein guter Geist bei ihm und flüstert ihm ein, dass er etwas dagegen tun kann: die Ursache allen Übels in der Welt sind die Hausmeister, welche die Bevölkerung unterjochen. Die Stimme dieses Geistes meldet sich immer öfter und drängt Sepp dazu, den Hausmeister seines Wohnblocks umzubringen. Sepp weiss, dass das ein Mord ist und nicht erlaubt ist, aber er fühlt sich der Stimme des "Geistes" ausgeliefert und dass er unbedingt gehorchen muss. Daher bringt er den Hausmeister um.
So. Nur wenn eines dieser beiden Merkmale vorliegt, ist man in den USA mit einer "insanity defense" erfolgreich. Der Täter hat zwar die Tat begangen, aber ist nicht "Schuld daran."
In der Regel wird man dann vom Gericht auf unbestimmte Zeit, bis zu einer Heilung, falls möglich, in die forensische Psychiatrie eingewiesen, was genau wie in Deutschland dann nicht als Strafe, sondern als "Massregelvollzug" gilt.
In Idaho ist man nun neuerdings einen anderen Weg gegangen: man sagt, egal wie psychisch krank der Täter ist, es bleibt bei der Tatsache, dass er die Tat begangen hat und auch schuldig ist. Er kann und muss daher bestraft werden. Ob das der Weisheit letzter Schluss ist, will ich jetzt nicht diskutieren.
Das Ergebnis ist aber nicht unbedingt anders als in den anderen Bundesstaaten: denn auch in Idaho kann der Angeklagte bzw. die Verteidigung freilich geltend machen, dass die psychische Erkrankung existiert und welche Folgen sie hat. Der Unterschied ist nun, dass nicht mehr die Jury entscheidet, welcher Schluss daraus zu ziehen ist, sondern der Richter, im Rahmen der Strafmasszurechnung.
Der Richter kann nämlich das Strafmass mildern oder, und das ist meist die Regel, eben anstatt den Verurteilten ins Gefängnis zu senden, ihn in die forensische Psychiatrie einweisen.
Daher sollte man aus dieser Besonderheit des Gesetzes in Idaho zunächst nicht so sonderlich viel machen. Es steht keineswegs im Raum, dass ein Täter freigelassen wird, oder aber ein psychisch vollkommen kranker am Ende hingerichtet werden wird.