calligraphie schrieb:Zumindest gibts nun schon wieder ein 28 seitiges Papier von Seiten der Verteidigung. Kohberger ist nun begutachtet worden psychologisch. Er weist wohl ausgeprägte Symptome der ASD auf.
Das alles um die Todesstrafe vom Tisch zu bekommen.
Aber wenn ich das richtig interpretiere, gibt es in Idaho gar kein law was der Verteidigung eine soggn insanity Strategie erlaubt?
Es heißt, nicht mal schlimmere psychologische Beeinträchtigungen, würden dazu führen, die Todesstrafe auszuschließen.
Die von der Verteidigung vorgebrachten Symptome klingen tatsächlich sehr signifikant.
Da bleibt die Frage, wie konnte Kohberger, mit diesen Symptomen und Verhaltensweisen es bewerkstelligen, eine Lehrtätigkeit an einer Uni zu bekommen.
Hm, ich antworte hier noch einmal, aber wenn der thread jetzt in Richtung antiamerikanisches bashing geht, bin ich raus.
Man muss unterscheiden zwischen "insanity defense" und worum es in dem Antrag der Verteidigung hier geht, der Abweisung der Todesstrafe als potentielle Strafe.
In den USA gibt es generell durchaus die Möglicheit, die Schuld eines Täters zu negieren. Der Standard war und ist aber strikter als in manchem europäischen Staat. Idaho und drei andere Bundesstaaten sind in der Sache aber einen neuen Weg gegangen, der aber am Ende auf das Gleiche herauskommt. In der traditionellen Weise kann ein Täter für schuldunfähig erklärt werden und kann dann nicht bestraft werden. Er kann aber, und wird in den meisten Fällen wohl, auf grund dieser Geisteskrankheit (mental disease) in eine forensiche psychiatrische Einrichtung eingewiesen werden. In Idaho wird nun dieser Schritt im Verfahren nach hinten verlegt: nicht bei der Schuldfrage soll das eine Rolle spielen, sondern bei der Frage der Strafzumessung. Das Gericht kann und soll dann prüfen, ob anstatt einer Freiheitsstrafe in einem Gefängnis nicht die Einweisung in eine forensische Psychiatrie sinnvoller ist und ggf. das dann anordnen.
Hier aber geht es um eine andere Frage. Die Verteidigung Kohbergers hat offensichtlich keine Argumente, die auf eine schuldnegierende "mental insanity" hinweisen. Aber, der oberste Gerichtshof der USA hat in mehreren Entscheidungen die Frage beantwortet, ob die Todesstrafe ausgesprochen werden darf, wenn ein Täter zwar nicht schuldunfähig ist, aber doch seine geistigen Fähigkeiten sehr beeinträchtigt sind. Und hier hat er gesagt, nein, dann kann keine Todesstrafe verhängt werden.
Die Verteidigung möchte nun zeigen, dass Kohbergers angebliche Beeinträchtigung durch Autismus (angeblich, denn das muss ja erst vor Gericht bewiesen werden) in diese Kategorie fällt und sie führt zahlreiche Konditionen auf, die diese Ansicht unterstützen.
Wie ich schon mal sagte, RA Taylor und ihr Team versuchen wirklich alles, um den Angeklagten zu verteidigen. Das ist lobenswert.
In der Sache bin ich allerdings nicht so überzeugt, aus zwei Gründen: einmal denke ich, formaljuristisch ist das eher die Aufgabe der Jury, in der sogenannten "penalty phase," über die Strafe zu entscheiden. In einem Prozess gibt es ja immer zwei Phasen: zuerst geht es strikt nur um die Frage der Tat, ob der Angeklagte diese verübt hat. Erst wenn die Jury das bejaht, beginnt die Phase, in der eine angemessene Strafe festgesetzt werden soll.
Man kann freilich argumentieren, wie es die Verteidigung tut, dass man das Ganze als reine Rechtsfrage schon jetzt kategorisch beschliessen soll, dass die Todesstrafe nicht in Frage kommt. Das wäre dann in der Zuständigkeit des Richters. Man wird sehen, wie dieser darauf reagiert.
Zum zweiten, das ist mehr eine persönliche Meinung, erlebe ich in den letzten Jahren eine gewaltige Zunahme der Argumentation, dass Autismus vorliegt und daher sehr viele Menschen in den Genuss einer besonderen Bevorzugung geraten sollten. Da bin ich sehr skeptisch, ob das wirklich den Tatsachen entspricht und wie die Gesellschaft darauf reagieren sollte. Besonders in der Strafjustiz sehe ich da immer mehr die Tendenz, die ich auch in Deutschland beobachte, dass am Ende nicht mehr Gerichte, sondern sogenannte "Experten" die Urteile fällen. Aber das ist ein weites Thema.