calligraphie schrieb:Wie hält man es als Strafverteidiger wenn der Mandant nicht davon zu überzeugen ist, wie schwerwiegend die Beweise sind? Versucht man ihn zu überzeugen?
Kohberger erscheint mir als sehr souverän und sicher. Evtl verwechselt er seine Fachkenntnisse der Kriminologie, mit den Fähigkeiten eines Strafverteidigers.
Wird er beim möglichen Prozess in den Zeugenstand treten? Ich schätze ihn so ein, dass er das tun würde, auch gegen den ausdrücklichen Rat seiner Verteidigung.
Meine Praxis ist immer, dem Mandanten reinen Wein einzuschenken. Ich sage klar, was machbar ist und was nicht. Und wo die rechtlichen Grenzen liegen, z.B. dass wir als Verteidiger vor Gericht nicht die Unwahrheit sagen dürfen usw. Und dann diskutiert man, welche Optionen es gibt.
Die Entscheidung, wie der Mandant nun vorgehen will, liegt ganz bei ihm oder ihr. Eine ganz wichtige Frage ist oft, ob der Mandant aussagen will. Zwingen kann man ihn dazu nicht, und in den meisten - nicht in allen Fällen - rät man ihm davon ab. Aber auch hier hat der Mandant das Recht, allein zu entscheiden.
Das heisst, ganz salopp gesagt, der Mandant hat auch immer das Recht, sich das eigene Grab zu schaufeln.
Die meisten Mandanten allerdings, muss ich aus jahrelanger Erfahrung sagen, sehen ihre Situation schon relativ realistisch. Und es ist ja auch eine völlig falsche Vorstellung von uns Strafverteidigern, dass wir alles versuchen werden, legal oder halblegal oder gar illegal, um ihn irgendwie vor einem Schuldspruch zu schützen.
Von dem, was ich bisher sehe, kann ich Kohberger nicht einschätzen und auch nicht seine Verteidigerin, und daher nicht vorhersagen, wie sie sich im einzelnen entscheiden werden.
Eine Gefahr sehe ich aus meiner Erfahrung allerdings schon immer mal, nämlich wenn ein relativ intelligenter Mandant auf einmal meint, intelligenter als die Staatsanwälte und Ermittler und sogar seine Verteidiger zu sein. Das geht in der Regel vollkommen schief.
Ob er sich als Kriminologe anmasst, auch ein guter Jurist oder auch nur Ermittler zu sein, weiss ich nicht, es wäre aber sicherlich falsch.
Selbst unter uns Juristen gibt es den Grundsatz: "An attorney who represents himself has a fool for a client - ein Rechtsanwalt, der sich selbst vertritt, hat einen Narren als Mandanten." Das gilt um so mehr für Mandanten, die keine Erfahrung in Strafverfahren haben und den Rat erfahrener Berater ausschlagen.
Wie gesagt, die Fragen, ob er die Tat gestehen wird oder nicht und ob er vor Gericht aussagen wird oder nicht hängen ganz extrem von den Details des Falles ab, die wir hier schon gar nicht kennen, und die im vollen Umfang zu diesem Zeitpunkt nicht einmal den direkten Beteiligten bekannt sein werden.