Wiedergast schrieb:Dass ihr immer so sehr genau wisst, wer sich wie benimmt und was er tut und was er niemals tun würde. Woher habt ihr das?
Gibt's da allgemeingültige Regeln für Diebe/Räuber.
Sehr interessant
Es gibt gleich mehrere Indizien, die dafür sprechen, dass der Ablauf des Tatgeschehens nicht so gewesen sein kann, wie es der Vater dargestellt hat.
Bei Indizien ist "das Problem", dass es eben keine Beweise sind, sondern nur Hinweise darauf, ob etwas so stattgefunden hat oder nicht. Die Strategie der Strafverteidiger ist es dann meist, sich jedes einzelne Indiz nacheinander rauszupicken und darzulegen, dass es auch Alternativen zu der Interpretation der Ermittler bzw. des Staatsanwaltes gibt und damit darzulegen, dass es eben nicht eindeutig und sicher ist, dass die Version der Anklageseite stimmt.
Als Beispiel in diesem Fall:
Die Videoaufnahmen zeigen, dass Florian A. auf dem Weg zur Promenade einen mittelschweren, länglichen Gegenstand in dem Tragebeutel des Buggys dabei hatte. Bei der Spurensicherung am Tatort ist der Beutel leer. Am Boden liegt eine kaputte Hugo-Pink-Flasche, die das Tatwerkzeug war.
Die Ermittler fragen einen Gutachter ob es möglich ist, dass der nicht näher erkennbare Gegenstand im Beutel eine leere Hugo-Pink-Flasche ist. Der Gutachter sagt, ja das ist möglich, von der Form und dem Gewicht her kann das hinhauen.
Also schreiben die Ermittler in den Antrag auf Haftbefehl, dass der Verdacht besteht, Florian A. habe den Überfall inszeniert, ein Indiz dafür sei, dass er offensichtlich die Tatwaffe selber mitgebracht hat.
Der Anwalt sagt:
Beim Bundeskriminalamt wurde dazu eine Untersuchung beantragt. "Laut diesem Bericht kann man keinesfalls sagen, dass es sich tatsächlich um eine derartige Flasche handelt", so Stanglechner
Quelle:
https://www.news.de/panorama/856770410/nach-todesdrama-in-tirol-um-leon-vater-in-untersuchungshaft-florian-a-des-mordes-beschuldigt-es-gibt-laut-anwalt-keine-beweise/1/Und der Anwalt hat natürlich absolut Recht, es ist ja gerade kein Beweis, dass es sich bei dem Teil, was da offensichtlich in dem Beutel baumelt, um die Tatflasche handelt, sondern nur ein Indiz.
Man kann also jetzt jedes einzelne dieser Indizien auseinanderpflücken, überlegen, wie wahrscheinlich es ist, dass die Version des Vaters stimmt und mit welcher Wahrscheinlichkeit auf der anderen Seite die Version der Staatsanwaltschaft richtig ist.
In St.Johann werden eh schon kaum Straftaten verübt, und wie wahrscheinlich ist es, dass nachts um 4.00 Uhr ein Drogenjunkie ausgerechnet einen Vater mit Kleinkind im Buggy niederschlägt, um ihn auszurauben? Unwahrscheinlich, aber vielleicht hatte der Junkie gerade in der Nacht Zoff mit seiner Freundin, die ihn daraufhin um 3:30 Uhr rausgeworfen hat, er war da so richtig zornig, brauchte dringend Geld für den nächsten Schuss und auf dem Weg zu seiner eigenen Bude, der ihn über diese Uferpromenade führt, ist ihm ausgerechnet Florian A. mit seinem Sohn über den Weg gelaufen.
Der Vater kann beim Spaziergang ein bisschen mit dem Handy gedaddelt haben, und dabei aus Versehen den Schrittzähler ausgestellt haben. Es kann auch tatsächlich einen Räuber gegeben haben, dessen Hehler ihm gesagt hat, er solle ihm bloß nicht mehr mit I-Phones ankommen, die seien zu streng gesichert, deshalb auf dem Schwarzmarkt nichts wert und die könne gleich in den nächsten Müllheimer hauen, wenn ihm mal eins unterkommt. Und da der Räuber, der gerne Hugo-Pink trinkt, eh die gerade gelehrte Flasche in der Hand hatte, hat diese als Tatwaffe eingesetzt. Beim durchsuchen der Taschen von FA nach Geldbörse und Handy fiel ihm die Beule im Beutel des Buggys auf, wo er voller Freude Flasche Erdbeer-Soja-Milch entdeckte, die nach Hugo-Pink sein zweit-liebstes Getränk ist, weshalb er diese als dritten Gegenstand natürlich mitgenommen hat. Die Flasche hatte an dem Morgen eine Kundin bei Aldi aus versehen da reingesteckt, als der Wagen 5 Minuten unbeaufsichtigt im Gang stand und sie ihn mit ihrer eigenen Kinderkarre verwechselt hatte. Deshalb konnten FA und seine Frau auch gar nicht wissen, dass er in der Nacht diese Flasche dabeihatte, haben sie nicht vermisst und konnten keine Erklärung dafür liefern, als sie von den Ermittlern ins Kreuzverhör genommen wurden, die wissen wollten, welchen Gegenstand FA denn da im Beutel rumgefahren hat, der dann am Tatort plötzlich weg war.
Kein einziges der Indizien, die die Ermittler da zusammen getragen haben, ist ein Beweis für FAs Schuld. Und als Laie ruft man dann halt schnell: "Aber es gilt doch: Im Zweifel für den Angeklagten! Und das muss ja dann auch für Florian A. gelten!"
Ja muss es. Aber vor Gericht, also auch bei einer Anhörung, ob eine Untersuchungshaft verhängt wird, wird dieser Grundsatz erst ganz am Ende und IMMER in der Gesamtschau angewendet. Die Frage ist also nicht, ob jedes einzelne dieser Indizien für sich genommen Zweifel daran lässt, dass es so war, wie die Ermittler vermuten. Sondern ob, wenn man alle Indizien zusammennimmt, noch Zweifel daran bestehen, dass Florian A. die Geschichte erfunden hat und er selbst für den Tod seines Kindes verantwortlich ist.
Florian A. ist in meinen Augen nicht gerade der hellste, er hat eine ganze Reihe von kleinen Fehlern gemacht, die jeder für sich genommen eher unauffällig sind. Und mit einer zumindest kleinen Restwahrscheinlichkeit kann jeder einzelne dieser Punkte auch so gewesen sein, wie er behauptet.
Aber man muss sich eben fragen, wie wahrscheinlich ist es, dass in dieser Nacht bei 10 oder mehr völlig unabhängig zueinander stehenden Handlungen und Abläufen immer genau die unwahrscheinlichste Option eingetreten ist.
Man kann tatsächlich das große Pech haben, ausgerechnet in der Nacht, in der der Junkie frustriert und in Geldnot an der Promenade langgeht, auch genau dort zu sein. Man kann das außerordentliche Pech haben, von einem einzigen Schlag mit einer Flasche länger als 1 h ohnmächtig zu werden, auch wenn alle anderen davon nur eine Beule hätten. Man kann dem dümmsten Junkie aller Zeiten begegnen, der so doof ist, das gerade geraubte wertvolle I-Phone gleich in den allernächsten Mülleimer zu werfen. Und dann windet sich der körperlich stark eingeschränkte 6-Jährige, der ataxie-bedingt kaum in der Lage ist, alleine geradeaus zu laufen, auch noch aus seinem Buggy und schafft es ausgerechnet in der Nacht die 20 oder 30 Meter zum Wasser zurück zu legen und hineinzufallen. Erst als die Polizei einen freundlich drauf hinweist, fällt einem dann auf, dass man ausgerechnet kurz vor dem Überfall wohl aus Versehen den Schrittzähler des Handys deaktiviert hat.
Und daraus wollen dieser bösen Ermittler einem dann einen Strick drehen?! Also bitte, hier muss ja wohl "im Zweifel für den Angeklagten" gelten, oder haben die irgendeinen Beweis dafür, dass Florian A. seinen Sohn ins Wasser geworfen hat....?!