brigittsche schrieb:Ich persönlich hätte zwar mal Rücksprache mit den Eltern gehalten und mir von ihnen bestätigen lassen, das alles klar geht - und ich hätte auch erwartet, dass die Eltern ebenso mal mit dem Mann reden wollen, den ihr Sohn da besucht. Aber das hat dieser Bekannte offenbar nicht, womöglich weil er eben dachte, dass das schon alles in Ordnung geht.
Es ist in meinen Augen immer gut, wenn Menschen, die sich nahe sind, also Familienmitglieder, (Ehe-) Partner usw., miteinander über ihre Belange und auch ihre Bezüge nach außen zu anderen Menschen miteinander reden. Das schließt ein, dass man zumindest ein grobes Bild davon hat, mit welchen Menschen die anderen verkehren, was sie unternehmen oder vorhaben, wo sich die anderen Menschen aufhalten. Derartige Themen kamen in Familien traditionell u.a. bei gemeinsamen Mahlzeiten zur Sprache, wo sich Mitglieder einer Familie aufgeschlossen für die Belange der anderen zeigten.
Die moderne Lebens- und Arbeitswelt mit ihren teils unorthodoxen Arbeitszeiten, Ganztagsschulen, Krippen etc. führen aber teils dazu, dass ein solcher Austausch über das, was die anderen Mitglieder einer Gemeinschaft betrifft, nur noch begrenzt und teils überhaupt nicht mehr stattfindet. Das gemeinsame Heim ist dann zwar noch Dreh- und Angelpunkt einer Familie, aber im Grunde macht jeder mehr oder weniger seins.
Wie will ich wissen, was meine Kinder bedrückt, wenn ich sie nicht einmal mehr bei den täglichen Mahlzeiten zu Gesicht bekomme?
Dann gibt es, davon unabhängig, in der Praxis sehr viele unterschiedliche Familienmodelle. Sicher gibt es noch die sehr abgeschlossenen Familien, die sich selbst genügen und wenig tiefere Bezüge nach außen unterhalten, und es gibt offenere Modelle, wo auch Besuch von Freunden und Bekannten, deren Kindern und zahlreiche, voneinander auch unabhängige Außenbeziehungen gepflegt werden.
Es ist in diesem Zusammenhang immer die Frage, ob Beziehungen der Kinder zu Erwachsenen außerhalb der Familie überhaupt möglich, ggf. gern gesehen und von den Eltern geduldet werden. Sehr abgeschlossene Familien werden Außenbeziehungen, die nicht mit den gemeinsamen Familienunternehmungen zusammenhängen (Sport, Hobby, Freizeit) immer mit einem gewissen Widerwillen betrachten. Teils werden Verbindungen zu "fremden" Erwachsenen auch rundheraus abgelehnt.
Von den familiären Verhältnissen des Till vor seinem Verschwinden haben wir nur ein sehr bruchtstückhaftes Bild, aus dem wir kaum herauszulesen imstande sind, was vom zuvor Gesagten in seinem Fall zutreffen mag. Denkbar wäre es, dass Tills Familie eher abgeschlossen, an Beziehungen nach außen weniger interessiert gewesen ist, so dass Till vielleicht gar nicht in der Lage war, sein Verhältnis zu dem fremden Mann (Spielfreund in Norddeutschland) zu erklären und zu rechtfertigen. Möglicherweise war man elternseitig an einem Kennenlernen oder einem Austausch auch gar nicht interessiert. Wir wissen es nicht.
Es bleibt also letztlich alles Spekulation, und der Spielfreund scheint ja durch die Ermittlungen gegen ihn sowieso entlastet zu sein.