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Eine Wende des Strafrechts: Der Fall F. von Möhlmann

678 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Mord, Celle, Strafrecht ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

Eine Wende des Strafrechts: Der Fall F. von Möhlmann

26.05.2023 um 08:34
Zitat von PalioPalio schrieb:Dabei mag es der Anwaltschaft zum Teil um die Verteidigung eines Rechtsstaatsprinzips gehen, aber sicherlich auch um die Gefahr, dass die Früchte einer mühsamen Verteidigungsarbeit im Nachhinein verderben könnten, wenn der Täter doch noch verurteilt wird, den man im Prozess so grandios rausgehauen hat. ;)
Üble Unterstellung.

Nein, denen geht es hauptsächlich um die Verlässlichkeit des Staates. Du siehst das eher mit den Augen eines Menschen, der glaubt, dass Anwälte nur dazu da sind "Täter grandios aus Anklagen rauszuhauen". Dabei erfüllen Verteidiger eine ganz andere Aufgabe, sie sollen dem Gericht eine andere Blickweise eröffnen. Manchmal geht das selbst dann schief, wenn die Wahrheit fast schon offensichtlich ist.

Ja, es gibt auch Menschen, die unschuldig sind und trotzdem angeklagt werden und manchmal sogar auch verurteilt werden.
Zitat von PalioPalio schrieb:Durch die Nr. 5 haben bestimmte Täter (in Fällen von Mord, Völkermord, Kriegsverbrechen) keinen Vertrauensschutz mehr. Sie müssen weiter bangen, dass man sie doch noch überführt.
Ich denke, Menschen (erst recht Unschuldige) die in eine solche Lage gekommen sind, werden nicht mehr eine allzu hohe Meinung von diesem Staat haben. Und @Juris019 hat schon Recht, wenn das schon einmal so danebengegangen ist, warum soll man nicht annehmen, dass das nicht nochmal erfolgen kann? Es werden eben auch Unschuldige weiter bangen müssen, das wird eben von Befürwortern des Gesetzes gerne ausgeklammert.

Es ist und bleibt ein Dammbruch


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26.05.2023 um 09:02
Zitat von LentoLento schrieb:Üble Unterstellung.
Zitat von LentoLento schrieb:Du siehst das eher mit den Augen eines Menschen, der glaubt, dass Anwälte nur dazu da sind "Täter grandios aus Anklagen rauszuhauen
Das würde ich mir von meinem Anwalt erhoffen und es ist auch in Ordnung, dass ein Anwalt mit sich zufrieden ist, wenn er für seinen Mandanten das Beste herauszuholen vermag. Es ist naheliegend, dass die Zufriedenheit getrübt wird, wenn dem Staat ergänzende Mittel zur Verfügung stehen, um diesen Erfolg zunichte zu machen.
Zitat von LentoLento schrieb:Es werden eben auch Unschuldige weiter bangen müssen
Nicht bei der Konstellation der Nr. 5, da sind die wahren Täter betroffen. Nimm deinen Lieblingsfall Manfred Genditzki: Wenn dieser freigesprochen worden wäre und bei ihm im Nachhinein das von ihm vergrabene Geld des Opfers gefunden worden wäre mit seiner und ihrer DNA und mit Fingerabdrücken. Das wäre so ein Fall der potenzierten Beweislage. Oder eben der Mordfall Frederike von Möhlmann.


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Eine Wende des Strafrechts: Der Fall F. von Möhlmann

26.05.2023 um 09:19
In Frankreich verjährt Mord nach 10, in Belgien, Portugal nach 15 in Spanien nach 20, Griechenland nach 25 in Japan und der Schweiz (nicht Völkermord) nach 30 Jahren. Vielleicht sollte man in Deutschland auch wieder über eine Verjährungsfrist nachdenken.
...
Dabei gibt es gute Gründe für die strafrechtliche Verjährung. Mit zunehmender Dauer lässt sich ein Sachverhalt kaum mehr rekonstruieren. Das erschwert nicht nur ein Strafverfahren nach rechtsstaatlichen Grundsätzen, wonach nur unzweifelhaft nachgewiesene Schuld des Angeklagten zur Verurteilung führen darf. Der Fall Jegge lässt auch erahnen, wie gross der Aufwand für die Strafverfolgungsbehörden wäre – ohne dass damit eine Verurteilung wirklich in Griffweite gelangen würde. Die Verjährung stellt deshalb auch eine Entlastung für Polizei und Justiz dar, die ihre knappen Ressourcen nicht nur in grosse Fälle stecken dürfen. Paradoxerweise können fehlende Verjährungsfristen sogar dazu führen, dass der Druck abnimmt, in unspektakulären Angelegenheiten entschieden zu ermitteln.
...
Der Hauptgrund für die Verjährung ist aber in der Natur des Strafrechtes zu suchen: Auch die härteste Strafe kann Unrecht nicht ungeschehen machen. Sie stellt höchstens einen Ausgleich zu schuldhaftem Verhalten dar. Mit der Verjährung bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass dieses gesellschaftliche Bedürfnis nach staatlichem Ausgleich und Strafe mit der Zeit nachlässt. Jeder, der in einer längst vergilbten Zeitung alte Berichte über ein Jahre zurückliegendes Verbrechen liest, kennt diesen Effekt des abnehmenden Sühne-Bedürfnisses. Wohl lässt sich weiter über die Dauer von Verjährungsfristen streiten, doch man sollte die Macht des Strafrechtes nicht überschätzen: Wer sich – wie die Urheberin des Tweets – Gerechtigkeit für alle Zeit nur durch den strafenden Staat erhofft, bleibt enttäuscht.
Quelle: https://www.nzz.ch/meinung/der-richter-heilt-nicht-alle-wunden-ld.1321408


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Eine Wende des Strafrechts: Der Fall F. von Möhlmann

26.05.2023 um 09:42
Zitat von PalioPalio schrieb:Nicht bei der Konstellation der Nr. 5, da sind die wahren Täter betroffen. Nimm deinen Lieblingsfall Manfred Genditzki: Wenn dieser freigesprochen worden wäre und bei ihm im Nachhinein das von ihm vergrabene Geld des Opfers gefunden worden wäre mit seiner und ihrer DNA und mit Fingerabdrücken..
Alles nur konjunktiv, weil Du glaubst, dass G der Täter ist, war er es, weißt Du es?

Ich habe schon gesagt, Befürworter klammern gerne aus, dass auch Unschuldige nach Gesetzesänderung bangen müssen, dass sie erneut zumindest angeklagt werden.

Wenn Du hier aber wieder Beispiele bringst, wo Du glaubst, dass nur ein Täter freigesprochen wurde, dann bestätigst Du genau meine Behauptung. Dass Unschuldige hier weiter bangen müssen, werden von Befürwortern des Gesetzes ausgeklammert.


Und da Du den Fall G ansprichst, Gerade dieser Fall ist ein gutes Beispiel. G dürfte höchstwahrscheinlich unschuldig sein, das war in Wirklichkeit spätestens seit dem 2. Verfahren äußerst naheliegend gewesen.

Ich hatte mir vor ein paar Wochen nochmal die Sache mit der Schlüsselvereinbarung angesehen, weil ich nie verstanden habe, dass das Opfer öfter die Wohnungstür nur angelehnt hatte. Aber zur Wohnung gelangt man eben erst über 3 abschließbare Türen und daher war es bei den gegeben Umständen so gut wie kein Sicherheitsverlust, wenn die Tür angelehnt war. Sie hätte in Wirklichkeit auch weit aufstehen können. Entsprechend war die Schlüsselvereinbarung auch vollkommen sinnvoll und erfüllte 100%ig ihren von G behaupteten Zweck. Als mir das klar wurde, kam ich mir vom Gericht definitiv vera*t vor.

Auch bzgl. der DNA-Spuren hat das Gericht den Gutachter nicht befragt, ob man bei den DNA-Spuren wirklich nur von einem „Berühren“ überhaupt ausgehen durfte, schließlich sprach das erste Gericht noch von einer Nutzung, wusste jedoch nicht welche und wann. Das 2. Gericht hatte das Gutachten nur verlesen lassen!

Seit mir das klar wurde ist das Vertrauen in die deutsche Justiz stark gesunken.

So und jetzt kannst Du Dich mal auch versuchen in die Lage eines freigesprochenen und mutmaßlich unschuldigen G setzen. Ich denke, er wird Zeit seines Lebens bangen, erneut angeklagt und verurteilt zu werden. So etwas hinterlässt Spuren bei den Betroffenen.


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26.05.2023 um 09:49
Zitat von AndanteAndante schrieb:Und wenn man bedenkt, wie viel entgegen landläufiger Meinung dazu gehört, bis man in U-Haft kommt, müssen die vom Staatsanwalt vorgebrachten Gründe für eine Wiederaufnahme des Verfahrens schon ziemlich Hand und Fuß haben.
Die Gründe sind mir sehr gut bekannt. Dennoch kommt es immer wieder vor, dass Menschen fälschlicherweise in U-Haft kommen. Es ist also auch bei einem Unschuldigen möglich, dringende Gründe zu finden. Und darum ging es mir.
Zitat von AndanteAndante schrieb:Nein, die Frage bleibt nicht offen, das ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien. Es sind nicht Freisprüche gemeint, denen ein angeklagtes verjährbares Tötungsdelikt wie Totschlag, Körperverletzung mit Todesfolge, erpresserischer Menschenraub mit Todesfolge, fahrlässige Tötung zugrunde liegt.
Bis auf Totschlag handelt es sich in keinem Fall um eine vorsätzliche Tötung. Von daher ist klar, dass diese Taten definitiv nicht darunter fallen. Und nur, weil in den Gesetzesmaterialien nach dem Willen des Gesetzgebers nur ein Freispruch wegen Mordes wieder aufgenommen werden können sollte, muss sich das nicht in der Realität widerspiegeln. Neue Beweise könnten die Annahme eines Mordes überhaupt erst möglich machen, weil erst durch sie ein Mordmerkmal nachgewiesen werden kann. Und für solche Fälle stellt das Gesetz (und allein das wird angewendet, nicht die Grüne des Gesetzgebers) eben keine Regelung bereit.
Zitat von Sherlock_HSherlock_H schrieb:Da ist es natürlich anders! Ein fehlerhafter Steuerbescheid z. B. kann jederzeit von der Steuerbehörde zuungunsten des Bürgers geändert werden, wenn neue Erkenntnisse vorliegen.
Du kannst doch nicht ernsthaft einen Steuerbescheid mit einer lebenslangen Haftstrafe vergleichen? Und genau diese steht bei einer erneuten Anklage im Raum. Dass hat auch auf einen Angeklagten enorme Auswirkungen. Es geht dabei um Rechtssicherheit und die ist im Strafrecht, was den schwerwiegendsten Eingriff in Grundrechte bedeuten kann, nun einmal von herausragender Bedeutung. Wem nützt es denn, jemanden immer wieder vor Gericht zerren zu können?. Dann sollten die Behörden im ersten Verfahren ihre Arbeit gewissenhaft und gut machen und schon stellt sich die Frage nach einer Wiederaufnahme gar nicht.
Zitat von PalioPalio schrieb:Nicht bei der Konstellation der Nr. 5, da sind die wahren Täter betroffen.
Woher nimmst du die Gewissheit, dass nur die wahren Täter betroffen sind? Es sind Freigesprochene betroffen, bei denen weitere Beweise nach dem Freispruch auftauchen. Auch Unschuldige landen vor Gericht, weil es Beweise für ihre Schuld gibt. zumindest aus Sicht von StA und Gericht. Wieso also sollten solche vermeintlichen Beweise für die Schuld nach einem Freispruch nur noch beim zu Lasten des wahren Täters gefunden werden? Die Regelung ist nämlich gerade nicht nur für den Fall von Möhlmann gedacht, sondern kann bei jedem Freispruch wegen Mordes genutzt werden. Auch wenn dieser richtig war.


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Eine Wende des Strafrechts: Der Fall F. von Möhlmann

26.05.2023 um 09:57
Zitat von LentoLento schrieb:Üble Unterstellung.

Nein, denen geht es hauptsächlich um die Verlässlichkeit des Staates. Du siehst das eher mit den Augen eines Menschen, der glaubt, dass Anwälte nur dazu da sind "Täter grandios aus Anklagen rauszuhauen". Dabei erfüllen Verteidiger eine ganz andere Aufgabe, sie sollen dem Gericht eine andere Blickweise eröffnen. Manchmal geht das selbst dann schief, wenn die Wahrheit fast schon offensichtlich ist.

Ja, es gibt auch Menschen, die unschuldig sind und trotzdem angeklagt werden und manchmal sogar auch verurteilt werden.
Ja, das ist eine üble, allerdings auch nicht gerade seltene Unterstellung, die wohl von zuviel Fernsehkonsum kommt. Ich denke, die meisten meiner Strafverteidigerkollegen werden mir zustimmen, dass so ein Gedanke fern liegt. Die Aufgabe der Verteidigung ist es, die Rechtstaatlichkeit des Verfahrens sicherzustellen, oder anders gesagt, sicherzustellen, dass der Angeklagte ein faires Verfahren bekommt und vor allem, dass der Grundsatz unbedingt eingehalten wird, dass die Beweislast ganz allein beim Staat liegt. Dazu fordere ich als Verteidiger den Staat heraus: die Schuld glasklar zu beweisen.

Kann er das, habe ich kein Problem mit dem Urteil. Die Unterstellung, Verteidigern geht es nur um den eigenen Erfolg ist Quatsch. Ein bestialischer Mörder, der trotz meiner Verteidigung verurteilt wird, weil der Staat eben die Schuld beweisen kann - mit dem habe auch ich keinerlei Mitleid. Aber ich will eben sehen, dass der Staat keine Abkürzung oder Hintertür benutzt, sondern seiner Beweispflicht nachkommt.

Ginge es nur darum, einen Mörder eben trotz erfolgtem Freispruch nun endlich doch noch zu verurteilen, weil jetzt eben die Beweise ausreichen - das hätte meinen Segen. Der tatsächliche Mörder Frederikes zum Beispiel soll, wenn es nach mir geht, in der Hölle verrotten.

Aber es geht eben gar nicht darum. Es geht um diejenigen, die eben doch zu Recht freigesprochen wurden. Dass diese sich darauf verlassen können, dass der Staat das Ergebnis akzeptiert.

Damit tangiert man das Thema, das @JosephConrad hier anspricht, wenn es auch ein separates Thema ist. Da stimme ich dem Artikel auch nicht unbedingt zu. Verjährung hat eine andere Aufgabe: den Beschuldigten zu schützen, wenn nach Ablauf vieler Jahre oder Jahrzehnte eben keine Beweismittel mehr vorhanden sind, die seine Unschuld beweisen könnten. Beispiele dafür habe ich anderer Stelle schon mehrfach beschrieben.

Da treffen sich die beiden Themen. Es ist ja nicht nur der Staat, der Indizien sammeln muss, um sie in einem Verfahren vorzubringen. Trotz der klaren Beweislast, ist es meist so, dass eben auch der Angeklagte sehr darauf angewiesen sein kann, auch Indizien seiner Unschuld vorbringen zu müssen - und die sind schwerer zu finden, je mehr Zeit vergangen ist.

Aber das wurde hier auch alles schon umfassend diskutiert. Am Ende bleibt es wohl bei der Wahl, was einem und der Gesellschaft wichtiger ist: lieber einen Schuldigen bestrafen zu können, auch wenn dabei ab und zu mal ein Unschuldiger unter die Räder kommt, oder lieber einen Schuldigen laufen zu lassen, wenn dafür die wirklich Unschuldigen geschützt werden.

So sehr das Manche vielleicht überrascht, die offemsichtlich der deutschen Justiz immer Perfektion unterstellen: es gibt unter den Menschen keine perfekte Gerechtigkeit, kein perfektes Justizsystem. Es gibt nur den Versuch, entweder die eine oder die andere der eben genannten Alternativen zu betonen.

Als man im Mittelalter Frauen unter dem Verdacht der Hexerei gefesselt in einen Fluss warf, und dann feststellte: schwimmt sie, hilft ihr der Teufel, also ist sie eine Hexe - geht sie unter, dann ist sie eben keine, Pech gehabt, dass sie nun dabei ertrinkt", dachte man das Problem lösen zu können und nannte das dann auch noch frech "Gottesurteil." Glücklicherweise ist man da heute doch etwas weiter.


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Eine Wende des Strafrechts: Der Fall F. von Möhlmann

26.05.2023 um 11:03
Zitat von Juris019Juris019 schrieb:Die Gründe sind mir sehr gut bekannt. Dennoch kommt es immer wieder vor, dass Menschen fälschlicherweise in U-Haft kommen. Es ist also auch bei einem Unschuldigen möglich, dringende Gründe zu finden. Und darum ging es mir.
Die dringenden Gründe werden doch erst einmal für die Frage gebraucht, ob der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens überhaupt zulässig und begründet ist. Verneint das Gericht dies bereits in diesem Stadium, kommt es erst gar nicht zu einer neuen Hauptverhandlung.

Ist der Wiederaufnahmeantrag erfolgreich, gibt es eine neue Hauptverhandlung, und da werden die alten und neuen Beweise geprüft. Reicht das Ergebnis nicht für eine Verurteilung, erfolgt ein neuer Freispruch, genau wie eine U-Haft aufgehoben wird, wenn sich bei der Haftprüfung herausstellt, dass die Gründe nicht ausreichend bzw. weggefallen sind.

Im Thread kam die ganze Diskussion mit der Fehlvorstellung übrigens schon mal, dass angeblich die StA ganz scharf darauf wäre, bei einem Freigesprochenen nun auf Teufel komm raus neue Beweise zu finden, weil sie den Freispruch absolut nicht verknusen kann.

Dazu noch mal der Hinweis, dass gegen einen Freigesprochenen nicht erneut ermittelt werden darf. Aber wenn der Mordfall weiter untersucht wird, weil ja der wahre Mörder noch frei herumlaufen muss,, kann es im Zuge dieser weitergeführten Ermittlungen eben dazu kommen, dass sich neues belastendes Material gegen den Freigesprochenen ansammelt, wie es im Fall Möhlmann ja war. Um solche neuen Beweise und die daraus folgenden dringenden Gründe geht es.
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Am Ende bleibt es wohl bei der Wahl, was einem und der Gesellschaft wichtiger ist: lieber einen Schuldigen bestrafen zu können, auch wenn dabei ab und zu mal ein Unschuldiger unter die Räder kommt, oder lieber einen Schuldigen laufen zu lassen, wenn dafür die wirklich Unschuldigen geschützt werden.
Ja, so sieht es aus, wobei die Entscheidung der Gesellschaft hier ausschließlich Mord und Kriegsverbrecherfälle betrifft, also Schutz des Rechtsguts Leben. Bei ALLEN anderen Straftaten leibt es bei der längst getroffenen Entscheidung, dass man lieber 99 Schuldige laufen lässt als einen Unschuldigen zu verurteilen.


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26.05.2023 um 11:04
@DoctorWho
Zitat von DoctorWhoDoctorWho schrieb:Das ist so nicht ganz richtig. Rücknahme und Widerruf sind jeweils nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme des die Rücknahme oder den Widerruf begründenden Tatsachen zulässig (§§ 130, 131 AO)
@DoctorWho
Du hast leider nicht alles berücksichtigt, was ich geschrieben habe. Ich hatte geschrieben:
Zitat von Sherlock_HSherlock_H schrieb: ... kann jederzeit von der Steuerbehörde zuungunsten des Bürgers geändert werden, wenn neue Erkenntnisse vorliegen.
Die Betonung liegt auf "neue Erkenntnisse". Liegt das Erlangen von neuen Erkenntnissen länger als 1 Jahr zurück, kann man nicht mehr von "neuen Erkenntnissen" sprechen.

Insgesamt gelten natürlich die Verjährungsfristen. Ganz präzise wäre es also gewesen, wenn ich "... jederzeit innerhalt der Verjährungsfriisten ..." geschrieben hätte, aber ich denke, das muss ich nicht extra betonen.


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26.05.2023 um 11:17
Zitat von JosephConradJosephConrad schrieb:Vielleicht sollte man in Deutschland auch wieder über eine Verjährungsfrist nachdenken.
Kann der Gesetzgeber jederzeit ändern. Aber dafür muss sich im Bundestag eben eine parlamentarische Mehrheit finden. Und solange wir Wähler diese nicht wählen bzw. nicht zustandebringen, bleibt es bei der Unverjährbarkeit von Mord.

Über das Thema wurde sehr lange gestritten,

https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/293285/das-ende-der-verjaehrungsdebatte-warum-mord-nicht-verjaehrt/

momentan scheint man politisch keine große Neigung zu haben, die Frage wieder aufzugreifen. Aber man kann ja als Bürger durchaus versuchen, Druck zu machen, sich etwa an seinen Wahlkreisabgeordneten wenden, eine Online-Petition starten, Medien, auch soziale, einspannen, wenn einem das Thema wichtig ist.


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26.05.2023 um 11:34
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Ich denke, die meisten meiner Strafverteidigerkollegen werden mir zustimmen, dass so ein Gedanke fern liegt.
Na das ist doch verständlich. Wer stellt sich schon hin und sagt, dass es einem im Job vor allem um den persönlichen Erfolg geht und gar nicht so sehr um hehre übergeordnete Motive wie Gerechtigkeit, Wahrheit, Liberalismus, Rechtsstaatlichkeit.
Zitat von Juris019Juris019 schrieb:Wieso also sollten solche vermeintlichen Beweise für die Schuld nach einem Freispruch nur noch beim zu Lasten des wahren Täters gefunden werden?
Weil alles andere unwahrscheinlich ist.
Die Indizienlage hat für eine Anklage und einen Prozess bereits gereicht, aber die Verteidigung konnte so viel Zweifel wecken, dass ein Freispruch erfolgte. Später finden sich noch mehr stichhaltige Beweise, dass der ehemals Angeklagte der Täter ist.
Zitat von LentoLento schrieb:Alles nur konjunktiv, weil Du glaubst, dass G der Täter ist, war er es, weißt Du es?
Du hast das Beispiel offenbar nicht als Beispiel verstanden, weil du in dem Fall so emotional involviert bist. Natürlich weiß außer MG keiner, was wirklich passiert ist. Wenn es sich aber so zugetragen hätte, wie ich beispielhaft dargestellt habe, also nachträglich noch das verschwundene Geld bei Genditzki aufgetaucht wäre, hätte wohl keiner mehr Zweifel an seiner Schuld.

Um solche Fälle geht es: Eine potenzierte Beweislage, die jeden Zweifel ausräumt. Trotzdem kann es mit unvorstellbar viel Pech auch einen Unschuldigen treffen. Das wäre dann ein vernachlässigbar kleines Restrisiko. Das Risiko gibt es aber bei jeder Anklage.
Zitat von JosephConradJosephConrad schrieb:Vielleicht sollte man in Deutschland auch wieder über eine Verjährungsfrist nachdenken.
Wenn es für Mord eine Verjährungsfrist gäbe, würde diese auch den 362 Nr. 5 StPO entsprechend beschränken, was mMn. auch gerecht wäre. Noch nicht bestrafte Täter sollten gleichgestellt werden und gleichermaßen Vertrauensschutz genießen oder auch keinen haben, egal, ob sie schon einen Prozess durchlaufen haben, noch nie verdächtigt wurden oder die Ermittlungen eingestellt wurden.


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26.05.2023 um 11:35
Zitat von Juris019Juris019 schrieb:Du kannst doch nicht ernsthaft einen Steuerbescheid mit einer lebenslangen Haftstrafe vergleichen?
@Juris019
Ich habe nicht einen Steuerbescheid mit einer lebenslangen Haftstrafe verglichen, sondern ich habe dargelegt, dass in anderen Rechtsgebieten sehr wohl das hier von einigen so hochgehaltene Prinzip der Rechtssicherheit verletzt wird.
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Am Ende bleibt es wohl bei der Wahl, was einem und der Gesellschaft wichtiger ist: lieber einen Schuldigen bestrafen zu können, auch wenn dabei ab und zu mal ein Unschuldiger unter die Räder kommt, oder lieber einen Schuldigen laufen zu lassen, wenn dafür die wirklich Unschuldigen geschützt werden.
@Rick_Blaine
Die Wahl hat doch unsere Gesellschaft schon längst getroffen, und zwar genau die von dir genannte 1. Alternative, nämlich, dass man einen Schuldigen bestrafen kann, auch wenn dabei ab und zu mal ein Unschuldiger unter die Räder kommt, wie du es ausdrückst. So ist es nämlich im gesamten Strafrecht! Wenn man die mögliche Verurteilung eines Unschuldigen ausschließen möchte, muss man die ganze Strafverfolgung einstellen.

Also bitte nicht so tun, als ob sich die Gesellschaft jetzt prinzipiell zwischen den beiden Alternativen entscheiden müsste! Nein, es geht darum, ob man an einer Ausnahme innerhalb der ersten Alternative festhalten will. Ich finde, diese Ausnahme ist bei den genannten 5 Straftattypen nicht gerechtfertigt und sollte deshalb aufgehoben bleiben.


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26.05.2023 um 11:46
Zitat von PalioPalio schrieb:Du hast das Beispiel offenbar nicht als Beispiel verstanden, weil du in dem Fall so emotional involviert bist. Natürlich weiß außer MG keiner, was wirklich passiert ist. Wenn es sich aber so zugetragen hätte, wie ich beispielhaft dargestellt habe, also nachträglich noch das verschwundene Geld bei Genditzki aufgetaucht wäre, hätte wohl keiner mehr Zweifel an seiner Schuld.
Ich glaube, ich bin weitaus offener als Du.

Ich hatte gesagt, dass auch Unschuldige bangen müssen. Du hast diesen Fall genommen und hast G daraus zu einem Schuldigen durch einen fiktiven Fund gemacht.

Ich wiederhiole nochmal den letzten Abschitt meines Beitrages:
Zitat von LentoLento schrieb:So und jetzt kannst Du Dich mal auch versuchen in die Lage eines freigesprochenen und mutmaßlich unschuldigen G setzen. Ich denke, er wird Zeit seines Lebens bangen, erneut angeklagt und verurteilt zu werden. So etwas hinterlässt Spuren bei den Betroffenen.
Ich denke, hättest Du den gelesen, hättest Du nicht persönlich werden müssen.


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26.05.2023 um 11:52
Zitat von Juris019Juris019 schrieb:Dann sollten die Behörden im ersten Verfahren ihre Arbeit gewissenhaft und gut machen und schon stellt sich die Frage nach einer Wiederaufnahme gar nicht.
@Juris019
Ich habe mir lange überlegt, ob ich überhaupt auf so ein plumpes Argument antworte. Also nur ganz kurz: Schon mal was vpn technischem Fortschritt, von DNA-Analyse usw. gehört?


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26.05.2023 um 12:02
Zitat von LentoLento schrieb:Ich denke, Menschen (erst recht Unschuldige) die in eine solche Lage gekommen sind, werden nicht mehr eine allzu hohe Meinung von diesem Staat haben

Klar haben Menschen, die strafrechtlich verurteilt werden oder einen Zivil-, Verwaltungs- oder Sozialgerichtsprozess verlieren, vermutlich oft keine große Meinung „vom Staat“, vom Rechtssystem, von den Richtern (die natürlich unzurechungsfähig sind und nichts blicken), genausowenig wie Patienten noch eine hohe Meinung von Ärzten haben, wenn sie glauben, dass ihr Arzt Behandlungsfehler gemacht hat. Es greift aber zu kurz, nur die Meinung der einen Seite zu betrachten.

Im Strafrecht muss man folglich auch die Seite der Opferangehörigen sehen. Frederikes Vater hat gezeigt, dass er nicht hinnehmen wollte, dass der Mord an seiner Tochter trotz neu aufgetauchter sehr belastender Beweise ungesühnt bleibt. Und er hat Verständnis bei sehr vielen Menschen gefunden, die das auch so sehen und ihn unterstützt haben.

Damit kommen wir in einen Bereich, wo der Rechtsstaat auch für Opferangehörige und Bürger, die sich in deren Lage versetzen können, noch überzeugend sein und bleiben muss. Mit das Schlimmste, was ich mir vorstellen kann, wäre, dass der Rechtsstaat an Vertrauen und Akzeptanz, auch bei Angehörigen von Opfern und Sympathisanten, verliert und hierzulande zur Selbstjustiz gegriffen wird. Das kann niemand wollen, und daher halte ich eine alleinige Fokussierung darauf, was wohl einzelne angeklagte Mordverdächtige vom Rechtsstaat halten mögen, für unvollständig.
Zitat von Sherlock_HSherlock_H schrieb:Ich habe mir lange überlegt, ob ich überhaupt auf so ein plumpes Argument antworte. Also nur ganz kurz: Schon mal was vpn technischem Fortschritt, von DNA-Analyse usw. gehört?
Verstehe ich auch nicht, warum immer wieder die Platte von der nachlässigen StA kommt, die zu dumm oder zu faul war, im ersten Verfahren alle Beweise auf den Tisch zu legen und nun per Wiederaufnahme bloß nachbessern will.

Es lieg vermutlich daran, dass der Wortlaut des § 362 Nr. 5 StPO sehr ungern angeschaut wird. Dort steht deutlichst was von „neuen“ Beweisen drin, also solchen, die erst nach Abschluss des ersten Prozesses aufgetaucht sind. Aber wenn´s nicht gelesen wird……


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26.05.2023 um 12:29
Zitat von Sherlock_HSherlock_H schrieb:Ich habe mir lange überlegt, ob ich überhaupt auf so ein plumpes Argument antworte. Also nur ganz kurz: Schon mal was vpn technischem Fortschritt, von DNA-Analyse usw. gehört?
Wenn jemand angeklagt wird, dann geht die StA anhand der vorliegenden Beweise von der Schuld aus. Da ist technischer Fortschritt erstmal völlig unerheblich. Wenn die Anklage auf derart wackeligen Beinen steht, dass auch ein Freispruch dabei herauskommen kann, dann sollte man vielleicht einfach noch nicht anklagen. Darum ging es mir mit dem Argument. Die meisten Freisprüche entstehen, weil auf Seiten der EB rechtlich nicht ganz sauber gearbeitet wurde oder nur unzureichend ermittelt wurde. Diese Fehler stellen sich dann erst in der Hauptverhandlung heraus und am Ende steht wenn man Pech hat der Freispruch. Wenn aber einwandfrei gearbeitet wurde, die Anklage gut begründet und die Tat nachgewiesen werden kann, dann gibt es auch keinen Freispruch. Und genau das ist Aufgabe der StA und da ist dann technischer Fortschritt zweitrangig.
Zitat von Sherlock_HSherlock_H schrieb:Ich habe nicht einen Steuerbescheid mit einer lebenslangen Haftstrafe verglichen, sondern ich habe dargelegt, dass in anderen Rechtsgebieten sehr wohl das hier von einigen so hochgehaltene Prinzip der Rechtssicherheit verletzt wird.
Nur die Auswirkungen eines geänderten Steuerbescheids sind eben deutlich weniger gravierend als die eines erneuten Strafverfahrens wegen Mordes. Sich nur meinen einen Satz herauszupicken ist da schwierig. Ich habe nämlich darauf aufmerksam gemacht, dass eben wegen der unterschiedlich schwerwiegenden Folgen die Rechtssicherheit und der Vertrauensschutz im Strafrecht einen deutlich höheren Stellenwert besitzen als in anderen Rechtsgebieten. Für das Strafrecht ist dieser sogar grundrechtlich verankert.
Zitat von PalioPalio schrieb:Weil alles andere unwahrscheinlich ist.
Unwahrscheinlich, aber eben nicht unmöglich.


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26.05.2023 um 12:31
Zitat von Sherlock_HSherlock_H schrieb:Ich habe mir lange überlegt, ob ich überhaupt auf so ein plumpes Argument antworte. Also nur ganz kurz: Schon mal was vpn technischem Fortschritt, von DNA-Analyse usw. gehört?
Ich will hier mal auf den Coldcase Fall Claudia Otto verweisen:

https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/kriminalitaet/angeklagter-kommt-frei-wende-im-mordfall-claudia-otto-18502929.html

Ich will nicht ausschließen, dass der Angeklagte der Täter ist, aber man sieht daraus, selbst DNA ist nicht immer geeignet.


Ich habe nichts mehr finden können, ob die Verhandlung inzwischen wieder aufgenommen wurde. Die Verhandlung dürfte daher erstmal geplatzt sein. Wie das weiter geht, steht in den Steren.
Zitat von AndanteAndante schrieb:Klar haben Menschen, die strafrechtlich verurteilt werden oder einen Zivil-, Verwaltungs- oder Sozialgerichtsprozess verlieren, vermutlich oft keine große Meinung „vom Staat“, vom Rechtssystem, von den Richtern (die natürlich unzurechungsfähig sind und nichts blicken), genausowenig wie Patienten noch eine hohe Meinung von Ärzten haben, wenn sie glauben, dass ihr Arzt Behandlungsfehler gemacht hat. Es greift aber zu kurz, nur die Meinung der einen Seite zu betrachten.
Es gilt auch für Freigesprochenen. Eine Mordanklage hat meist auch U-Haft zur Folge, es ist weniger eine "Meinung" sondern eher eine Angstvorstellung. Allein eine Anklage ist die Hölle. Für mich ist es psychologische Folter, die auch bei einem Freispruch manchmal nicht vermeidbar ist (meist doch wenn Ermittler/StA vernünftig arbeiten). Auch bei einem Freispruch werden sie sich fragen, wie kann so etwas passieren.

Wenn Du Strafrecht mit Zivilrecht etc. in einen Topf wirfst, dann verharmlost Du komplett die Situation des Betroffenen.
Zitat von AndanteAndante schrieb:Im Strafrecht muss man folglich auch die Seite der Opferangehörigen sehen. Frederikes Vater hat gezeigt, dass er nicht hinnehmen wollte, dass der Mord an seiner Tochter trotz neu aufgetauchter sehr belastender Beweise ungesühnt bleibt. Und er hat Verständnis bei sehr vielen Menschen gefunden, die das auch so sehen und ihn unterstützt haben.
Es ist eine Abwägung. Es sind nur extrem wenig Fälle bekannt, wo ein Freigesprochener durch neue Methoden möglicherweise als Täter überführt werden kann. Dagen dürfte die Anzahl der Menschen weitaus höher sein, welche die Befürchtung oder gar Angstvorstellungen haben, trotz Freispruchs doch noch einmal durch die Hölle gehen zu müssen.

Ich habe auch nur gesagt, dass das von vielen Gesetzesbefürwortern einfach ignoriert wird. In Wirklichkeit ist da eine Abwägung erforderlich und dabei spielt es auch eine Rolle, wieviele so etwas befürchten müssen.


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26.05.2023 um 12:51
Zitat von Juris019Juris019 schrieb:Wenn jemand angeklagt wird, dann geht die StA anhand der vorliegenden Beweise von der Schuld aus. Da ist technischer Fortschritt erstmal völlig unerheblich.
Klar, die StA geht von dem aus, was sie im Zeitpunkt der Anklage hat. Hellsehen, ob in 5, 10 oder 15 Jahren irgendwelche neuen Beweise auftauchen und welcher Art die sein könnten, kann sie nicht.
Zitat von Juris019Juris019 schrieb:Wenn die Anklage auf derart wackeligen Beinen steht, dass auch ein Freispruch dabei herauskommen kann, dann sollte man vielleicht einfach noch nicht anklagen
Im Fall Frederike war es bekanntlich so, dass ja die erste Strafkammer den Angeklagten verurteilt hat. Auf seine Revision und Zurückverweisung der Sache ein ein anderes Landgericht hat erstmals dieses Gericht den Angeklagten freigesprochen. Die Begründung für den Freispruch lautete, dass das Gericht, anders als die erste Strafkammer, nicht hinreichend von der Schuld des Angeklagten im Sinne der Anklage überzeugt war. Die Begründung lautete nicht, dass der Angeklagte die Angeklagte die Tat materiell nicht begangen hat (sog. Freispruch wegen erwiesener Unschuld).

Gleichwohl hatte der Angeklagte nach dem Freispruch natürlich als unschuldig zu gelten, weil eben der Freispruch entscheidend ist, nicht seine Begründung, und er wurde auch so behandelt.

Durch das Auftauchen neuer Beweise könnte sich nun die materielle Rechtslage nachweisbar geändert haben. Der Gesetzgeber hat mit § 362 Nr. 5 StPO zum Ausdruck gebracht, dass er bei Mord, Völkermord und Kriegsverbrechen, aber eben nur bei diesen schwersten Straftaten, sonst nicht, der Herstellung solcher materieller Gerechtigkeit den Vorrang vor dem Rechtsfrieden und der Rechtskraft eines Freispruchs gibt.
Wenn aber einwandfrei gearbeitet wurde, die Anklage gut begründet und die Tat nachgewiesen werden kann, dann gibt es auch keinen Freispruch. Und genau das ist Aufgabe der StA und da ist dann technischer Fortschritt zweitrangig.
Das wird durch Wiederholung nicht richtiger. Es geht um neue Beweise, die objektiv zur Zeit der Anklageerhebung und während der ersten Hauptverhandlung noch nicht zur Verfügung standen.
Zitat von LentoLento schrieb:Wirklichkeit ist da eine Abwägung erforderlich und dabei spielt es auch eine Rolle, wieviele so etwas befürchten müssen.
Dann lies die Gesetzesmaterialien. Der Gesetzgeber hat eine entsprechende Abwägung vorgenommen und realistischerweise eingeschätzt, dass ein Fall Möhlmann nur sehr selten mal vorkommen wird. Aber sollte er vorkommen, hat der Gesetzgeber da aus verschiedenen Gründen halt Regelungsbedarf gesehen.


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Eine Wende des Strafrechts: Der Fall F. von Möhlmann

26.05.2023 um 12:56
Zitat von AndanteAndante schrieb:Dann lies die Gesetzesmaterialien. Der Gesetzgeber hat eine entsprechende Abwägung vorgenommen und realistischerweise eingeschätzt, dass ein Fall Möhlmann nur sehr selten mal vorkommen wird. Aber sollte er vorkommen, hat der Gesetzgeber da aus verschiedenen Gründen halt Regelungsbedarf gesehen.
Ob das "realistisch" ist oder nicht, das ist die Frage. Das ganze ist jetzt beim BVerfG. Ich sehe es fraglich an, ob sich die Politiker wirklich realistisch in die Situation der Betroffenen versetzen können. Ich kann es auch nur bedingt, aber ich versuche es wenigstens.

Ich denke, mehr als einmal darf der Staat einem nicht das Leben für die gleiche vorgeworfene Tat auf den Kopf stellen.


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Eine Wende des Strafrechts: Der Fall F. von Möhlmann

26.05.2023 um 13:19
Nüchtern betrachtet sollte es doch so sein, dass ein Unschuldiger, der freigesprochen wird, nicht befürchten muss, dass gegen ihn neue Beweise auftauchen werden, da er ja nicht der Täter war, während ein Schuldiger, der freigesprochen wird, immer damit rechnen müsste, dass gegen ihn noch neue Beweise auftauchen könnten, was ich durchaus positiv finde.


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Eine Wende des Strafrechts: Der Fall F. von Möhlmann

26.05.2023 um 13:42
Zitat von AringarosaAringarosa schrieb:Nüchtern betrachtet sollte es doch so sein, dass ein Unschuldiger, der freigesprochen wird, nicht befürchten muss, dass gegen ihn neue Beweise auftauchen werden, da er ja nicht der Täter war, während ein Schuldiger, der freigesprochen wird, immer damit rechnen müsste, dass gegen ihn noch neue Beweise auftauchen könnten, was ich durchaus positiv finde.
Dann müsstest Du erklären woher man vor einer erneuten Anklage wissen soll, wer schuldig und unschuldig ist. Bisher wird das durch den Ausgang des 1, Gerichtsverfahren festgelegt.
Besipiel: im Gerichtsverfahren vor 30 Jahrten wurdest Du freigesprochen. Jetzt wird an der Leiche gefundene DNA als die Deine identifiziert. Kann ich sagen Du bist ein Schuldiger, oder kann die DNA vor 30 Jahren auch auf die Leiche gekommen sein, als Du dich seinerzeit vom Opfer verabschiedet hast? Vor 30 Jahren war das alles noch kein Thema, Du erinnerst Dich gar nicht mehr, ob Du das Opfer zum Abschied umarmt hast, oder nicht.


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