Mr.Stielz schrieb:Warum gibt der Hauptangeklagte überhaupt zu, geschossen zu haben?
Man muss sich dazu die Atmosphäre in einem deutschen Gerichtssaal vorstellen. Wir kennen ja viele Prozesse aus Darstellungen in amerikanischen Filmen, wo scharfzüngige Anwälte in gnadenlosen Kreuzverhören nicht nur Widersprüche in den Aussagen aufdecken, sondern auch die Glaubwürdigkeit von Zeugen in ziemlich hinterhältiger Weise zu erschüttern versuchen, und dem Zeugen allzuoft das Wort abschneiden oder im Munde herumdrehen. Das alles, um nicht nur den Richter, sondern auch eine Laienjury zu überzeugen.
Dagenen bei uns in Deutschland - es herrscht zumeist eine sachliche, nüchterne, ja oft im positiven Sinne leidenschaftslose Stimmung im Gerichtssaal. Man erlebt in aller Regel, dass Zeugen vernünftig behandelt werden, der Angeklagte vernünftig angesprochen wird - nur die Anwälte bringen mitunter ein wenig Schärfe hinein, was man aber auch das eine um das andere Mal als geschicktes taktisches Manöver entschlüsseln kann. Ein kleines Sparring unter Juristen, das. wohldosiert, absteckt, mit wem es die Gegenseite zu tun hat.
Das alles spielt sich so ab, weil es fair und rechtsstaatlich zugehen soll - und so lange der Angeklagte nicht verurteilt ist, ist ja auch noch keine Entscheidung über ihn gefallen. Nicht zuletzt sorgt die Beteiligung der Schöffen dafür, dass ganz gewöhnliche Bürger mit am Richtertisch sitzen und dort ihre Eindrücke, ihre Lebenserfahrung und auch ihren gesunden Menschenverstand in die Urteilsfindung einbringen.
Warum diese lange Vorrede? Denken wir an die mutmaßliche Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten. Jemand, der es geschafft hat, mehr oder minder unverhohlen der gewerbsmäßigen Jagdwilderei nachzugehen und sich das eine oder andere Mal aus der Schlinge zu winden, wird die Lücken des Zweifels, die der Rechtsstaat ganz bewusst in einem Verfahren offen lässt, ebenfalls für seine Ziele auszunutzen versuchen.
Die angesprochenen Widersprüche in den ballistischen Gutachten, die diese in meinen Augen jedoch keinesfalls in ihrer Aussage entkräften, sollen dem Angeklagten Nahrung für seine Version der Geschichte geben.
Die Anwesenheit des Mittäters, der ihm als Gehilfe zu Willen war, soll diesen auch des Mordes belasten, wo doch nicht einmal die Staatsanwaltschaft glaubt, dass dieser auch geschossen habe.
Das geradezu unverforene Leugnen der Tatvorwürfe, das Verdrehen von Täter- und Opferrolle. Das alles lässt erahnen, durch welche Schule der Hauptangeklagte gegangen sein muss, um sich in der Rolle des Angeklagten in einem Mordprozess wiederzufinden.
Man darf auch getrost davon ausgehen, dass die Anwälte ihm zum Geständnis geraten haben werden. Vermutlich werden sie ihm auch empfohlen haben, sich reuig und zerknirscht zu zeigen und die Tat als Endpunkt eines von Verweiflung und Sorge getriebenen Irrwegs darzustellen. Dass er den Tod der beiden Polizisten nicht gewollt habe, aber der Demütigung einer Kontrolle in dem Augenblick nicht anders begegnen zu können glaubte.
Das übliche, was ein Gericht hören möchte, um doch noch einen Rest von Milderung anbringen zu können.
Dass der Angeklagte stattdessen auf hanebüchene Weise versucht, die Stimmung zu seinen Gunsten zu manipulieren und eine komplette Alternativversion des Tatablaufs auf Resten von Zweifeln in der Beweisaufnahme aufzubauen, zeigt, dass der Angeklagte zweierlei ist:
Beratungsresistent und manipulativ.