rhapsody3004 schrieb:Beim bedingten Vorsatz genügt es doch, wenn ein Täter einen bestimmten Erfolg nur ernsthaft für möglich hält, sich aber mit diesem Risiko, also mit der Möglichkeit auf einen bestimmten Erfolg abfindet.
Das ist das Wissenselement, die eine Hälfte des Vorsatzes. Die andere Hälfte ist das Wollenselement. Das ist das "billigend in Kauf nehmen". Und da war Dein Argument, zur Erreichung des Primärziels "Rasen" würde der Tod eines Menschen akzeptiert. Ich meinte aber ursprünglich, der Raser vertraue darauf, dass dies nicht geschieht.
Einerseits, weil er subjektiv aus Hybris glaubt, er sei ein so begnadeter Fahrer, dass er jeder Unfallsituation ausweichen könne (Verkennung der objektiven Gefahr). Und andererseits den Tod von Menschen zur Erreichung seines Ziels nicht nur nicht benötigt, sondern gar nicht "billigt". Er nimmt aus seiner Sicht den Unfall nicht "in Kauf". Und billigen tut er ihn erst recht nicht, weil die Folgen ihn in gleicher Weise treffen können.
Ein Gegenbeispiel: Der Fahrer, der in Suizidabsicht als Geisterfahrer unterwegs ist. Der will nicht den Tod des anderen, sondern seinen eigenen. Dafür benötigt er aber den Unfall. Dass dabei ein Mensch zu Schaden kommt oder gar getötet wird, das will er nicht. Aber um sein eigenes Ziel zu erreichen, findet er sich mit dem Tod des anderen ab.
Aber bei den Rasern ist das anders. Die sind schon 10 oder 100mal gerast und immer ist es gut gegangen. Deshalb durften sie nicht darauf vertrauen, dass es gut geht. Aber subjektiv haben sie darauf vertraut. Das steht für mich außer Frage. Deshalb halte ich die Mordrechtsprechung bei Rasern für lebensfremd und psychologisch abwegig. Dogmatisch gefährlich ist sie zudem, weil ich bei schweren Verkehrsverstößen mit tödlichem Ausgang immer Mord prüfen und bei Vorsatz des Verstoßes bejahen müsste. Und weil das nicht passiert, bleibt eine Schaufensterrechtsprechung.
Zudem sind Mörder vom Schlage Christian F. oder Andreas D. ein ganz anderes Kaliber, als diese Verkehrsdelikte. Hier übersteuert der Rechtsstaat und reagiert auf Ärger und Betroffenheit der Öffentlichkeit über dieses Raserklientel völlig über. Dabei verrutschen die Maßstäbe, wie strafwürdiges Verhalten geahndet werden. M.E. ist der Strafrahmen von bis zu 10 Jahren bei Raserei mit Todesfolge völlig ausreichend. Das Berliner Ersturteil erging noch mit einer Rechtslage, die nur bis 5 Jahre Höchststrafe (für fahrlässige Tötung) vorsah. Das Strafbedürfnis war höher, verständlich angesichts der Schwere der Tat. Aber Mord und Lebenslang, das schärfste Schwert des Strafrechts, für Tötungen, die nicht gewollt werden, das tut kriminalpolitisch nicht gut.