Thordis schrieb: Ich kann deiner Argumentation nur zustimmen. Wenn sie direkt vom Camino frances kam, bedeutet das aber auch, dass sie Höhenmeter nicht gewohnt war. Teutone berichtete, dass sie das Wurfzelt vermutlich einmal im Garten zur Probe aufbaute. Besonders warm dürfte ihr Schlafsack, wenn man sich die Isomatte anschaut, auch nicht gewesen sein. Ich persönlich hätte für 'Notfälle' und in Anbetracht des Gewichts der Campingausrüstung dann eher zum Biwaksack gegriffen. Also muss sie das Zelten schon eingeplant haben.
Mit einem Zelt hast du mehr Freiheit - zur Not kannst du dich eben doch heimlich in den nahen Wald legen. Machen hier einige und wenn man es geschickt macht, passiert auch nichts. Dass das der "Notnotplan" war zeigt, dass sie in St. Blasien lieber weiterfuhr, als sich zu sagen "hier gibt es kein Zimmer, also ab in den Wald ....".
Es hätte ja durchaus geschicktere Wege gegeben, das zu organisieren, wenn Finanzen ein Problem waren. Und gerade am letzten Tag hätte sie ja auch ein Paket mit dreckiger Wäsche, Schlafsack und Zelt an sich selbst schicken können - Todtmoos hat sicher eine Post, kostet in Deutschland unter 10€ und sie wäre den unnützen Ballast losgeworden.
Es scheint sie also nicht massiv beeinträchtigt zu haben ... auch nicht auf gut frequentierten Strecken und schmalen Pfaden.
Thordis schrieb:Bei meiner ersten Hüttentour mit deutlich kleinerem Rucksack meldeten sich nachts Schultern und Rückenmuskeln. Vielleicht hatte sie nach 5 Tagen das Zeug rumtragen doch keine Lust mehr auf die letzte Etappe.
Mich wundern zwei Sachen: (1) Sie ging ja morgens nicht zielstrebig los, sondern telefonierte mit zwei Freunden - spricht man mit Freunden im Urlaub, ist es eigentlich noch eine Standardfrage: "Und, was machst du heute noch?". Das scheint nicht besprochen worden sein - klar, jedes Gespräch läuft anders, aber heute wäre es extrem hilfreich.
Die zweite ist, dass sie sicher nicht die einzige war, die auf dem Trail unterwegs war. Sie startete nur später (das haben wir ja mehrfach besprochen). Dennoch ist es doch bei solchen Mehrtagestouren so, dass man zumindest abends in der Unterkunft immer die gleichen Leute trifft - der Schwarzwald ist ja nicht New York, es gibt ja am Ende jeder Etappe eine sehr begrenzte Anzahl von Budgetunterkünften.
Auch gibt es Leute, die morgens um 7 starten und zur Mittagszeit mit der Etappe durch sind, aber genauso gibt es doch auch Leute, die nach einigen Stunde einfach eine lange Mittagspause einlegen, unterwegs fotografieren, die Aussicht genießen, ein Waldbad machen ... kurz ... es müsst eigentlich Leute geben, auf die sie an den Tagen zuvor "aufgelaufen" ist. Da findet doch ein Austausch statt oder eben in der Unterkunft, gerade, wenn sie kontaktfreudig war.
lemystere schrieb:Das Wissen darum, wie oft sie in welchen Gebirgen Deutschlands und Mitteleuropas gewandert ist - und ob überhaupt -, wäre hilfreich für eine genauere Einschätzung ihrer Wandererfahrung. Harz? Sächsische Schweiz? Alpen? Leider wissen wir das nicht.
Unfälle können -unabhängig von der Erfahrung- immer passieren und es gibt eben auch sehr verschiedene Wandertypen. Was für mich gegen ein Abweichen vom Plan spricht: sie hätte ja - hätte sie Etappe 6 weggelassen - nachdem sie ihr Auto wieder hatte, echt Zeit gehabt, noch andere Sachen im Schwarzwald anzuschauen. Der Bus nachmittags war sicher nicht der erste an dem Tag, der zurück nach Stühlingen fuhr - hätte sie da so getrödelt?
Wäre sie so genervt gewesen - wäre es dann nicht das einfachste gewesen, die Freundin anzurufen "du, keine Lust mehr, 1000 Blasen an den Füßen und Rucksack megaschwer - ist es okay, wenn ich heute schon komme?". Das ist nicht passiert.
Ich könnte mir aber vorstellen, dass ihr jemand angeboten hat, die öde Etappe etwas abzukürzen "du, auf den ersten paar Kilometern passiert nicht viel, komm, ich fahre dich nach xyz ...".
Emapeel schrieb:Die letzten Beiträge veranlassen mich da doch noch mal einzuhaken. Sehr viel Erfahrung hatte sie wohl nicht. Abstürzen kann man aber selbstverständlich mit und ohne Erfahrung. Was mich jedoch immer wieder stutzig macht ist auch nicht dass sie allein wandern wollte. Das kann ja die verschiedensten Gründe gehabt haben.
Es gibt nichts Nervigeres, als mit jemandem zu wandern, der deutlich langsamer/ schneller ist als man selbst, einen den gesamten Tag zutextet ... Gerade die Angewohnheit, morgens um 11 loszulaufen und praktisch in den Tag hineinzuleben und sich erst spät um die nächste Unterkunft zu kümmern ist schon was, was bei vielen Leuten das Stresslevel deutlich erhöhen würde.
Emapeel schrieb:Am meisten erstaunt mich dabei aber die Tatsache, dass offenbar keine/r ihrer Freunde und bis auf die Mama auch niemand aus der Familie besonders wanderaffin war. Normalerweise haben junge Leute ja recht viele Kontakte durch gemeinsame Interessen. Vielleicht fand sich aber schlicht niemand der Lust hatte mit ihr zu wandern. Und noch mehr, keiner hatte auch nur intensiveres Interesse an Details oder wie es ihr auf der Strecke ging.
Das war ja ein spontaner Entschluss. Wer weiß, ob die Freunde Zeit oder Geld hatten, mitzukommen - es war kurz vor Semesteranfang, die Sommerferien sind ja auch oft schon Monate im Voraus verplant - oder man arbeitet, um Geld für das (sehr lange) Wintersemester zu haben.
Wir wandern ja viel im Schwarzwald und haben zwei Arten von Freunden (1) Freunde, die jeden Post -egal, wie bilderbuchmäßig die Landschaft ist- ignorieren. (2) Freunde, die völlig im Detail nachfragen. Wir wohnen ja hier - jetzt kann ich mir vorstellen, dass sie wenig wanderaffine Freunde hat, die jeden Tag (war ja immerhin #6) detailiert nachfragen, v.a., wenn sie keinen Bezug zur Gegend haben.
So ungewöhnlich ist das nicht.
In meinem Studiwohnheim war einer, der ist durch die USA gewandert - eigentlich ziemlich cool, war 10 Monate weg - und als er wieder kam, wollte jeder nur die New York und Los Angeles Bilder sehen - heute, aus mehr erwachsener Perspektive, würde mich auch der Rest brennend interessieren :-).
CorvusCorax schrieb:Wobei wir dann wieder bei dem Begriff "wandererfahren" wären. Als Backpacker hatte sie diesen Rucksack dabei, der für den monatelangen Auslandsaufenthalt sicher noch sinnvoll war, den sie aber wahrscheinlich auch nicht überall und täglich mit sich geschleppt hat. Für die 6 Tage Schluchtensteig war er aber mit Sicherheit überdimensioniert und Ballast für das Mädel und bei den zu bewältigenden Höhenmetern, diesem Auf und Ab im Schwarzwald, sicher nicht das pure Vergnügen.
Das stimmt - sie war backpacking erfahren ... da geht es aber glaube ich auch ums Image und ein wenig um Inszenierung (wie bei allen jungen Leuten in dem Alter), dieses "wow, hast du echt draußen alleine gezeltet ..." oder "wow, das hast du alles geschleppt?". Bei Leuten in eher unserem Alter ist auch ein Bequemlichkeitsfaktor dabei - ich persönlich hätte alle Unterkünfte vorgebucht, Lunchpakete mitgebucht und mich ausschließlich aufs Wandern und die Erlebnisse konzentriert. Aber jeder Jeck ist da anders.