Scarlett (26) beim Wandern im Schwarzwald verschollen
08.10.2020 um 23:34
Ich kann mir mittlerweile einige Szenarien vorstellen.
Erst noch mal die Fakten: Scarlett kommt morgens nach einer Hotelübernachtung spät los (was aber eher die Regel gewesen zu sein scheint) - und läuft aber noch bei Edeka vorbei, um sich "nur" einen Smoothie zu kaufen. Eventuell hat sie im Hotel ein Vesper für die Mittagszeit eingepackt (vielleicht die Reste des Frühstücks - zwei Brötchen bekommen, aber nur eins aufgegessen, das zweite gespart). D.h, sie plant für das Abendessen im Zielgebiet zu sein (Wehr). Wir gehen davon aus, dass sie das Handy aufgeladen dabei hat.
Daher gehe ich nicht davon aus, dass sie an dem Abend wild zelten wollte (es sei denn, sie hatte noch viel Verpflegung im Rucksack). Aber ist es beim Wild zelten ja auch doof, dass man nicht duschen kann und sie wollte ja am nächsten Tag zu ihrer Freundin. Sie wollte also nach Wehr und entweder dort übernachten oder doch noch irgendwie zum Auto kommen - und dann da übernachten, da wäre sie ja räumlich flexibel gewesen. Sie scheint jedoch nicht unter Druck gewesen zu sein, einen Anschluss zu erreichen, daher gehen wir davon aus, dass sie davon ausging, den Abend in Wehr oder Umgebung zu verbringen.
Was mich etwas wundert: Geld schien ja kein maßgeblicher Faktor zu sein - warum sie alles immer mit sich rumschleppte und nicht auf einen Gepäckservice etc. zurückgriff, um nur mit Tagesrucksack unterwegs zu sein. Aber gut ... vielleicht stelle ich mir das zu einfach vor.
Wenn sie um 11 Uhr auf dem Trail war, wäre sie so gegen 17 Uhr in Wehr gewesen (ohne größere Pausen), wenn es optimal läuft (ohne verlaufen, etc.). Da bleiben 1-2 Stunden Zeit für Abstecher, bevor es dunkel wird. Unklar ist die Unterkunftsmöglichkeit, wenn da nichts arrangiert war und wild zelten eigentlich nicht geplant war, dann hätte man schon schauen müssen, dass man so gegen 18 Uhr dort eintrifft (man will ja auch wieder was essen, etc.).
Unfallszenario auf dem Trail
Möglich, aber dann müsste eine Verknüpfung mehrerer doofer Umstände passieren. Der rote Rucksack ist eigentlich ziemlich sichtbar. Der Trail sieht eher tröge aus (zumindest viele Stellen, sehr breite Wege). Selbst wenn man an einer brisanten Stelle abrutscht, müsste das so passieren, dass das am Steilhang passiert und man so doof zum Liegen kommt - oder sich noch wegbewegt, dass man nun an einer nicht einsehbaren Stelle liegt. Zudem müsste es eigentlich auch Spuren geben. Ich denke auch, dass die Bergwacht alle Stellen, auf die die Beschreibung zutrifft, abgecheckt hat.
Selfietheorie: Möglich, aber vermutlich hätte man sich nicht mit dem Rucksack an eine sehr exponierte Stelle begeben. Daher hätte der Rucksack aufgefunden werden müssen. Zudem sind die meisten spektakulären Bilder einfach besser, wenn man auf der exponierten Stelle sitzt und sie jemand anders schießt. Selfies bekommt man auch hin, ohne sich in riesige Gefahr zu begeben, v.a., weil man da fotografisch doch eingeschränkter ist.
Was zudem dagegen spricht ist, dass sie an dem Morgen wohl niemand auf dem Trail gesehen hat - und der erste Teil wirkt absolut ungefährlich. Allerdings geht die Polizei von dem Unfallszenario aus, was dafür spricht, dass sie vielleicht doch jemand gesehen hat, die Information aber nicht in die Öffentlichkeit ging. Da wäre aber die Frage: Warum? Weil man dann doch den potentiellen Unfallort eingeschränkt hätte und gezielter suchen könnte.
Fazit: Denkbar, aber (sehr) unwahrscheinlich, da ein Unfall (1) an einer gefährlichen Stelle hätte passieren müssen (2) der Absturz (mit Rucksack, der sich verhaken kann) so unglücklich hätte sein müssen, dass man komplett aus dem Sichtfeld rutscht, (3) es keine Spuren auf dem Trail gibt, (4) die Bergwacht sie nicht fand. Andererseits: Auch schon vorgekommen.
Unfallszenario abseits des Trail
Wie oben dargestellt, gab es vermutlich nicht sehr viel Spielraum für Umwege oder "Extratouren". Zudem wollte sie schon 22 km + Weg zum Edeka + Weg zur Bushaltestelle/ Hotel in Wehr zurücklegen, d.h. wenn sie erst um 11 Uhr loskam, ein ehergeiziges Unterfangen. Hätte sie eine Alternativroute geplant gehabt, dann wäre sie vermutlich früher los.
Denkbar wäre, dass sie, auch aufgrund ihrer Wandergeschwindigkeit und der doch häufigen Abzweigungen, den Trail unfreiwillig verlassen hat und -da eine gewisse Risikofreunde vorlag- vielleicht versucht hat, durch eine "Abkürzung" wieder auf den Trail zu gelangen und dabei verunfallt ist. Das würde auch erklären, warum sie noch nicht gefunden wurde - weil primär der Schluchtensteig selbst abgesucht wurde. Abseits des Trails würde es auch erst einmal keine sichtbaren Spuren geben. Daher meiner Meinung nach ein wahrscheinliches Szenario. Dagegen spricht wieder, dass sie wohl nicht gesehen wurde, zumindest nicht abseits des Trails, sonst hätte es für die Bergwacht keinen Sinn gemacht, primär auf dem Schluchtensteig zu suchen.
Denkbar wäre auch, dass sie die Route recht tröge fand und beschlossen hat, sie selbst noch etwas aufzupeppen und dabei verunfallt ist. Dagegen spricht jedoch, dass sie vermutlich den Schluchtensteig abschließen wollte (Wanderpass, Stempel) und auch das Zeitfenster spontane Extraaktionen nur in sehr geringem Maß möglich gemacht haben. Zudem wäre sie ja auch da auf einem Trail gewesen und nicht im Unterholz - da gelten die gleichen Einwände wie oben.
Möglich wäre auch, dass sie sich verlaufen hat, von der Dunkelheit überrascht wurde und dann verunfallt ist - auf einer Stelle, die bei Tageslicht "einfach" und "ungefährlich" erscheint. Das wäre theoretisch möglich, aber sie hatte ja ein Zelt dabei und hätte die Situation anders umgehen können.
Verbrechen auf dem Trail
Es ist ja bekannt, dass sie einige Wanderbekanntschaften geschlossen hat und generell aufgeschlossen war. Sie war attraktiv und fiel -auch durch den Rucksack- sicher auch vielen Mitwanderern auf. Das Gepäck zeigte -schon non-verbal- dass sie einige Tage unterwegs war. Da es vorgefertigte Etappen gibt, lief man sich vermutlich immer mal wieder über den Weg. Welche Route sie nehmen würde, lag praktisch auf der Hand. Es waren mehrere Wanderer auf dem Trail unterwegs, d.h. sie könnte schon Tage zuvor jemandem aufgefallen sein, der dann auf der letzten Etappe "zugriff".
Hierbei gibt es einige Fakten, die einen Übergriff erleichtern würden: Die Tatsache, dass sie später als die meisten Wanderer aufbrach, bedeutete auch, dass der große Pulk an Wanderen "schon durch" war, wenn sie startete, der Trail also ziemlich "leer" war - d.h. deutlich weniger potentielle Zeugen. Das Gelände ist leider auch so, dass es viele Gelegenheiten für einen Übergriff gab - und auch viele Gelegenheiten, aus dem Sichtfeld zu gelangen. Zudem ist es keine besonders populäre Etappe des Schluchtensteigs, es sind also nicht so viele Wanderer unterwegs (die 22km schrecken sicher auch ab).
Dennoch gibt es in der letzten Ferienwoche in B-W doch ein gewisses Risiko, auf der Etappe auf Zeugen zu treffen.
Außerdem spricht dagegen, dass Verbrechen dieser Art in der Gegend sehr selten sind und dass niemand an dem Tag etwas auffiel, der auf dem Trail unterwegs war.
Fazit: Nach der Unfalltheorie durchaus ein Szenario, das passiert sein könnte.
Entführung und Verbrechen außerhalb des Suchgebietes [
Es gibt einige Stellen, wo es theoretisch möglich gewesen wäre, mit dem Auto zu warten oder die Stelle hinterher mit dem Auto anzufahren. Die Frage ist, ob das Einheimischen aufgefallen wäre. Zudem ist auch die Frage, ob das Handy nicht Verbindung zu anderen Funkzellen aufgenommen hätte (vorausgesetzt, man hätte es direkt nach dem Verbrechen nicht gesucht und ausgeschaltet). Vor einigen Seiten machte jemand klar, dass das Handy nicht ausgeschaltet wurde. Denkbar wäre natürlich, dass der Täter das Handy einfach zurückgelassen hat. Da er sich aber nicht sicher sein konnte, ob das Handy keinen Empfang hat, wäre es ein Risiko gewesen, dass es zu orten ist = Handy da, Vermisste nicht ...
Daher: Meiner Meinung nach eher unwahrscheinlich, aber prinzipiell denkbar.