Nev82 schrieb:Ich würde da noch ein Stück weiter gehen und sagen, dass es sich hier um einen absoluten Vernichtungswillen handelt.
Wann aus diesen Grenzüberschreitungen dieser Vernichtungswillen wurde, vermag ich nicht zu sagen
Sicher, das unterschreibe ich, was die Tat selbst angeht. Das "Zurückgewinnen" war allerdings auf die Zeit davor bezogen, daher "Grenzüberschreitung".
Nev82 schrieb:Für mich wäre es interessant, könnte man diese 90 min zwischen dem Wegschicken und der Rückkehr zum Haus näher betrachten. Ist er einem in Gedanken bereits vorgefertigtem und durchgespielten Plan gefolgt? Sind diese 90 min die reine Zeit, die er für die Rückkehr brauchte oder zögerte er noch?
Theoretisch gibt es Data Points, die bekannt wurden und die man sich tatsächlich mal näher betrachten könnte. Manko ist allerdings, dass nicht bekannt ist, wie weit sein Haus vom Wohnhaus der Opfer entfernt ist.
Gesetzt dem Fall, folgende Punkte seien tatsächlich so abgelaufen, dann haben wir hier mehrere Handlungssequenzen, die sich recht stark voneinander unterscheiden - zumindest was die Handlungsweise des Täters angeht:
(1) Streit in Kneipe - Auseinandersetzung, anscheinend auch Tätlichkeit (vmtl. hohe Affektladung - vmtl. offensive Aggression)
(2) Reaktion lt. Zeugen: Zusammenbruch/ Weinen (vmtl. hohe Affektladung - vmtl. Resignation)
(3) sofern passiert: Verfolgung des Paars - (vmtl. hohe Affektladung - Handlung wäre als irrational-aggressiv einzuordnen)
(4) Täter ist erstmals an der Tür (war er vorher nochmal zu Hause oder schloss sich das zeitnah an, nachdem er dem Paar nach Hause folgte?), Vater öffnet (Handlung wäre aus dem Kontext heraus als irrational/invasiv-aggressiv einzuordnen)
(5) Täter wird abgewiesen, er begibt sich auf den Nach-Hause-Weg (Handlung wäre an sich als situationsadäquat anzusehen, mit Wissen um den Outcome jedoch als resignative, falls er in dem Moment den Entschluss schon hatte, als passiv-aggressive Handlung einzuordnen)
(6) Täter nimmt sich 3 verschiedene Waffen aus 3 verschiedenen Räumen seines Wohnhauses (Handlung ist als rational-aggressiv, systematisch einzuordnen) - bereits die Auswahl der Waffen zeigt Voraussicht, Absicht und planvolles Handeln an
(7) Täter bricht zum Haus auf. (Handlung unterstreicht das Vorhandensein einer Absicht)
(8) Täter geht zur Tür und eröffnet (vmtl. sofort) das Feuer auf den Vater (Handlung ist als offensiv-aggressiv einzuordnen. Der gesamte weitere Ablauf ist als rational-aggressiv, systematisch und gerichtet einzuordnen).
(9) Täter dringt von außen in Einliegerwohnung ein
Wie gesagt: das sind hypothetische Annahmen, die erstmal nach Kuddelmuddel klingen, aber ersichtlich würde:
a) Es gibt mehrere Brüche in den Handlungsabläufen des Täters, von emotional (irrational) (1-4) hin zu einem durchgehend rational-systematischen Verhalten (6-8), das auch bei Tatstörungen weiter fortgesetzt wird (9)
b) Es scheinen mehrere Wechsel in seinem Handeln stattzufinden: offensiv (1) - passiv (2) - offensiv (3) - offensiv (4) - passiv bzw. passiv-aggressiv (5) - offensiv (6-8). Daran könnte man eine Zuspitzung erkennen, die jedoch bereits vor dem Kneipenabend stattgefunden haben dürfte, da er sich dort lt. unbestätigter Meldungen bereits offensiv verhielt.
c) Situation (5) scheint den Wechsel zwischen emotional und rational zu markieren
d) Der Täter nahm eine Stich-, Schlag- und Schusswaffe - und die musste er lt. nicht-verifizierten Angaben aus drei verschiedenen Räumen holen. Es stellt sich die Frage, ob 90 Minuten ausreichen um von einem überaus emotional/affektiv aufgeladenen Zustand, in dem viele impulsive Handlungen gesetzt worden sein zu scheinen, in eine cool-down-Phase zu kommen, in der man (1.) erstmals auf die "Idee" kommt, diese Familie anzugreifen, dabei (2.) überlegt, wie und womit man sie angreifen möchte (Pistole), sich (3.) ggf.noch des Codes erinnern muss, der den Safe für die Waffe öffnet, (4.) durchspielt, auf welche Hindernisse man stoßen könnte (mehrere Waffen), nachdenkt (5.), wie man diese potenziellen Hindernisse womöglich umgehen könnte (Baseballschläger) und (6.) noch in Betracht zieht, was man tut, sollte man die Pistole während der Tat verlieren (Messer-Nahkampfwaffe^^).
Sicherlich mögen 90 Minuten ausreichen, um die Waffen zusammenzusuchen und sich auf den Weg zu machen. Aber ich erachte es als unwahrscheinlich, dass in einem solchen Zeitrahmen - und das bei vorheriger hochemotionalen Verfassung - solch eine "Idee" erstmals auftritt. Wahrscheinlicher würde ich es erachten, dass es diese Idee in der Vorstellung zumindest schon mal gegeben haben dürfte und letztlich lediglich "aktuell" wurde, als seine innere Kontrolle, wenn man so möchte, in sich zusammenbrach. Die Türsituation könnte da vielleicht eine Art "point of no return" gewesen sein, aber Kontrollverluste könnte man da auch schon weit im Vorfeld erkennen.