Ein kurzes Wort zu den Medien, speziell der Rolle der Bild:
Wie bereits erwähnt bin ich auch der Meinung, dass dieser Fall
in dieser Form so nicht von den Medien hätte thematisiert werden sollen.
Aber nur auf die Bild zu schimpfen heißt meiner Meinung nach, die Augen vor den gesellschaftlichen Strukturen zu verschließen, die dieser Instanz (und dieser Begriff ist nicht werdend gemeint) zu Grunde liegt und auf der sie zugleich aufbaut.
Die Bild hält sich nicht an journalistische Standards. Die Bild zeichnet sich nicht durch tiefergehende Bearbeitung von Themen aus. Die Bild setzt nicht auf ein hohes sprachliches Niveau. Die Bild ist die auflagenstärkste Tageszeitung Deutschlands*. Das Instrument der Bild ist und war schon immer die - oftmals auch ethisch fragwürdige - Beschaffung von Informationen. Auf eine Art und Weise, wie es sich die anderen Printmedien nie anmaßen würden. Und trotzdem zitieren sie letztendlich alle in ihren Artikeln genau jene Informationen, die sie sich selbst - aus Gründen des eigenen Qualitätsstandards aber faktisch auch aufgrund des finanziellen Rückhalts (keine Zeitung in Deutschland investiert so viel in Rechtsmittel) - so nicht beschafft hätten. Das ist die Funktion der Bild: Sie ist essentielle Folie für alle Qualitätsmedien, die wir haben. Und zugleich ihre wichtigste Quelle.
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Die Bild / B.Z. Deutschland war mit rund 1,49 Millionen verkauften Exemplaren im zweiten Quartal 2019 die überregionale Tageszeitung in Deutschland mit der höchsten verkauften Auflage. Die Süddeutsche Zeitung (337.732) und die Frankfurter Allgemeine (230.312) Zeitung folgten auf Platz zwei und drei des Rankings.
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/73448/umfrage/auflage-der-ueberregionalen-tageszeitungen/Im Fall Metzelder sollte man - bei all den berechtigten moralischen Einwänden - gegen die Berichterstattung und die eingenommene Rolle, folgendes nicht außer Acht lassen:
Bitte korrigiert mich unbedingt, falls ich etwas im Ablauf falsch verstanden haben sollte.- wie berichtet wird, hatte die Empfängerin Kontakt zu Journalisten der Bild (einige User schrieben sogar, sie würde selbst bei der Bild arbeiten, ist das überhaupt korrekt?)
- einer der Journalisten hat erfahren, dass M. ihr in einem Abstand von 4 Tagen 15 besagte Bilder geschickt hätte
- der Journalist hat dies dann der Polizei gemeldet. Hier ist nicht bekannt, in welcher Situation dies passiert ist.
Sollte die Freundin diese Bilder erhalten haben, ist es nicht unwahrscheinlich, dass sie mit der Sache überfordert war. Laut der meisten Berichte war sie zum Zeitpunkt des Empfangs seit mehr als einem Jahr seine Freundin. Man kann davon ausgehen, dass sie diesen Mann geliebt hat. Bei einem ihr emotional nicht verbundenen Menschen, wäre sie vielleicht sofort selbst zur Polizei gegangen. Aber zunächst löst so etwas einen Konflikt mit sich selbst aus (Was bedeutet das? Hätte ich etwas merken müssen? Ist er überhaupt derselbe Mensch, den ich kennengelernt habe? Kann ich ihm helfen? Können wir das überwinden? Will ich das überwinden? etc.). In diesem Dilemma hat sie sich einer anderen Person anvertraut. Dieser hat reagiert, wie man als emotional unbeteiligte Person reagiert: er hat die Polizei eingeschalten. Vielleicht hat sie ihn auch darum gebeten, das für sie zu übernehmen. Weil sie wollte, dass das dagegen vorgegangen wird, aber sie diesen endgültigen Schritt aus emotionaler Verstricktheit nicht gehen konnte.
- am 13.08. (?) leitete dieser Journalist die Information an die Polizei weiter, die Ermittlungen begannen, die Frau machte ihre Aussage und händigte zu diesem Zweck ihr Handy aus
- am 03.09. waren die Behörden in ihren Ermittlungen soweit, um das LKA, eine Hausdurchsuchung und die Befragung von M. durchzuführen - was alles nicht leichtfertig geschieht. Wenn es bei einem Verdacht geblieben wäre und man keine weiteren Anhaltspunkte gefunden hätte, wäre M. wohl höchstens befragt worden und evtl. um eine freiwillige Durchsicht seiner digitalen Dateien gebeten worden. Zu diesem Zeitpunkt war die Bild vor Ort und berichtete als erstes Medium von den nun mittlerweile viel beschriebenen und besprochenen Vorkommnissen. Obwohl sie seit 13.08. davon Kenntnis hatten, Angestellte die Bilder und den augenscheinlichen Absender mit eigenen Augen gesehen hatten. Und damit möchte ich die Bild auf keinen Fall in Schutz nehmen oder ähnliches.
Mein Vertrauen in gewissenhaft geführte polizeiliche Ermittlungen - so wie ich sie tagtäglich in der Arbeitswelt und im Freundeskreis erlebe - sagt mir, dass die Maßnahmen im Fall M. nicht leichtfertig durchgeführt wurden und die eigentliche Problematik mit der man sich gesellschaftlich viel dringender auseinandersetzten sollte, nicht die Rolle der Bild ist, sondern eine ganz andere.