Trine schrieb:Ich meine mich zu erinnern, dass die Hürden wegen Abberufung aufgrund einer fehlenden wirksamen Verteidigung ziemlich hoch sind und es eigentlich nur dann möglich ist, wenn der Verteidiger aufgrund eigener Probleme (Krankheit, Sucht) nicht in der Lage ist, dem Verfahren zu folgen. Denn die Aufgabe des Verteidigers ist ja nicht, ein bestimmtes Ergebnis bezüglich des Strafmaßes zu erzielen, sondern Sicher zustellen, dass sein Mandant einen fairen Prozess unter der Beachtung der Rechtsstaatlichkeit erhält.
Genau so ist es.
Trine schrieb:Und seien wir doch mal ehrlich: wieviele Beweisanträge sind denn in der Praxis nicht en detail mit dem Mandanten abgesprochen? Wenn sich in der Verhandlung etwas ergibt, worauf umgehend mit einem Beweisantrag reagiert werden muss, wird eher selten um Unterbrechung zur Besprechung mit dem Mandanten gebeten, sondern sofort geschrieben und der Antrag samt Begründung eingereicht. Zeit für Erklärungen bleibt dann, wenn sich das Gericht zur Beratung über den Antrag zurückzieht.
Auf dem Papier, in irgendwelchen Gesetzen und Beschlüssen steht viel, aber offensichtlich hat hier kaum jemand einmal eine wirkliche Verteidigung miterlebt. Natürlich bespricht ein guter Verteidiger mit seinem Mandanten das Ziel der Verteidigung - hier muss er meistens schon mit harten Wahrheiten kommen, da viele Mandanten eine falsche Vorstellung davon haben, was geht - und die Strategie dieses Ziel zu erreichen. Ich erkläre auch, oder versuche wenigstens zu erklären, warum ich welchen Schritt tue und welche Konsequenzen möglich sind usw. Aber seien wir ehrlich: dafür habe ich nicht nur einige Jahre Jura studiert sondern aus meinen Worten sprechen auch jahrelange Erfahrung.
Mein Mandant allerdings, der kennt Justiz und Polizei, Richter und Staatsanwälte bestenfalls aus dem Fernsehen und dort wird das meiste falsch dargestellt. Er muss mir schon vertrauen, dass ich das richtige tue, aber ich würde meiner Rolle in der Praxis nicht gerecht, wenn ich mich einfach hinsetze und sage: soll ich nun den Beweisantrag stellen oder nicht? Hm, Herr Mandant, sie sind der Boss, sagen Sie es mir! Da würde er mich komisch ansehen und sagen: Sie sind der Experte, dafür habe ich Sie doch.
Das ist in der Justiz genau wie in der Medizin: mein Arzt könnte sich auch hinsetzen und mir eine Stunde lang erzählen er könnte jetzt Medikament A verschreiben oder Medikament B oder gleich zur Operation schreiten. Wenn er mir dann sagt: Nun, Patient, entscheiden Sie: dann tue ich das vielleicht, aber normal wäre wenn ich zurückfrage: "Was raten Sie mir? Sie sind der Experte."
Und so muss ich als Verteidiger jederzeit in der Lage sein meine Entscheidungen zu rechtfertigen. Es genügt nicht, zu sagen: och, der Mandant hat doch entschieden. Er hat es doch so gewollt. Der Mandant kann selten die Tragweite solcher Entscheidungen überblicken. Ich als der Verteidiger bin dazu da, das richtige zu tun, für ihn, in seinem Interesse, und nach einer möglichst guten Erklärung. Aber ich muss es verantworten.