Video: NDR veröffentlicht Vernehmungen und Geständnisse des Angeklagten Stephan E.Ich selbst bin mir noch unsicher, wie ich als „verantwortungsbewusster“ und erfahrener Medienmensch diese Veröffentlichung journalistisch beurteilen soll. Aus juristischer Sicht wage ich es nicht zu werten. Vielleicht kann sich
@Rick_Blaine dazu äußern.
Zur SacheWährend des zurzeit laufenden Verfahrens wurden vom NDR-Format „STRG_F“ wesentliche Ausschnitte aus den Vernehmungen des Stephan E. bei
youtube veröffentlicht.
Das Material sei der Redaktion „zugespielt“ worden. Es ist Bestandteil der Gerichtsakten und war zuvor während der öffentlichen Verhandlung im Gerichtssaal gezeigt worden, erklären die Macher in dem knapp dreißigminütigen Beitrag. Die Journalisten begründen ihren Entschluss zur Publikation damit, dass es ein „historisches Zeitdokument“ sei.
Darf man das?Tatsache ist, dass im NDR ein Justiziariat bei Fragen kritischer Veröffentlichungen hinzugezogen wird. Ich selbst habe hin und wieder bei kniffeligen Entscheidungen (da ging es aber nie um „Privatpersonen“, sondern um z. B. das Aufdecken fragwürdiger Machenschaften der Pharmaindustrie, gefälschter Forschungsergebnisse etc.) einen Juristen des Hauses in den Schneideraum gebeten, der mir zur Seite stand. Das macht man nicht zuletzt zur eigenen Sicherheit, um Abmahnungen oder Regress zu vermeiden, auch wenn man persönlich unter dem Schutz „der Anstalt“ steht.
Also gehe ich davon aus, dass die jetzige Veröffentlichung presserechtlich abgesegnet wurde.
Trotzdem frage ich micha) … inwieweit eine solche „Zurschaustellung“ eines Tatverdächtigen moralisch vertretbar ist. Er ist noch nicht verurteilt und seine Schuld noch nicht bewiesen. (Dazu muss ich klarstellen, dass mein Einwand aus keiner rechten Ecke kommt, ganz im Gegenteil!)
b) … ob das den Prozessverlauf (weitere Zeugenvernehmungen) beeinträchtigen kann.
c) … ob es dem Sinn der öffentlich-rechtlichen Richtlinien entspricht (die ich eigentlich gut kenne), derart populistisch und boulevardesk Öl ins Feuer einer ohnehin stattfindenden öffentlichen Vorverurteilung zu gießen. (Ich sage hier extra „dem Sinn“, denn neben der rein juristischen Auslegung gibt es auch eine ethische, die sich immer weniger Journalisten zu eigen machen.)
d) Hätte man nicht zumindest die Urteilsverkündung abwarten sollen, damit die Hoheit der Entscheidung beim Gericht verbleibt und nicht der Öffentlichkeit unterliegt?
Hier könnt ihr euch selbst ein Urteil bilden:
Exklusiv: Die Vernehmungen des Stephan Ernst | STRG_F
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