Je länger ich über die XY-Sätze nachdenke, umso mehr Zweifel beschleichen mich. Der leitende Ermittler Michael Hoffmann (Primärquelle) sagte in der XY am 6.3. gleich zu Beginn wörtlich:
Wir gehen inzwischen fest davon aus, dass es sich um ein Tötungsdelikt handelt. Und der Tatverdacht gegen den 27-jährigen Schwager hat sich insofern erhärtet, dass ein Haftbefehl wegen dringenden Tatverdachts erwirkt werden konnte. (...)
Rudi Cerne bittet ihn dann, "etwas konkreter" zu werden "in Bezug auf diese Verdachtsmomente". Darauf antwortet Hoffmann wörtlich:
Wenn wir die allgemeinen Ermittlungen übereinanderlegen, hierbei auch das Telefonverhalten von Rebecca beachten und die Routerdaten aus dem Haus des Schwagers, kommen wir zu dem Schluss, dass Rebecca das Haus nicht verlassen haben dürfte. Wenn wir dies voraussetzen, dann war der Schwager mit ihr allein zur fraglichen Tatzeit in diesem Haus.
Eigentlich müsste es doch so sein, dass zuerst eindeutige Spuren im Haus der Schwester gefunden worden sein müssten, die auf eine Tötung oder zumindest eine Betäubung der Vermissten schließen lassen. Erst auf dieser Basis könnte man "zu dem Schluß kommen", dass RR das Haus nicht (selbständig) verlassen habe. Und erst aufgrund dieser Spuren im Haus könnte dann ein Tatverdacht gegen einen Hausbewohner begründet werden. Also erst Tat- bzw. Tötungsspuren, dann darauf aufbauende Schlüsse!
Diese digitalen Spuren im Router oder das "Telefonverhalten von Rebecca" taugen als in XY gelieferte Begründungen kaum, denn diese Spuren sagen für sich genommen erstmal gar nichts über Leben oder Tod eines Menschen, sondern lediglich etwas über das Login oder Logout eines Handys. Alles andere ist reine Interpretationssache. Ob digitale Daten überhaupt einen Ausschlussgrund liefern können, dass ein bestimmter Mensch den WLAN-Bereich lebend, gefesselt, betäubt, tot oder zur Zeit des letzten Logout überhaupt verlassen haben soll, erscheint mir zutiefst fraglich.
Wenn allerdings wirklich eindeutige Spuren eines Tötungsdeliktes
im Haus gefunden worden wären, warum sollte der Ermittler dies nicht ganz allgemein, aber klar erwähnen? Dann wäre der Hinweis auf Routerdaten oder das Telefonverhalten von Rebecca aber überhaupt nicht mehr relevant und somit in XY im Detail auch nicht mehr erwähnenswert. Die Polizei ist nicht verpflichtet, die Öffentlichkeit über irgendwelche Ermittlungsdetails zu informieren. Weglassen ist also ausdrücklich erlaubt! Allerdings muss alles, was von offizieller Seite bekanntgegeben wird, auch der Wahrheit entsprechen. Wenn also schon Details, dann dürfen sie nicht wissentlich wahrheitswidrig sein. Deshalb hoffe ich im Vertrauen auf die Ermittler stark, dass neben diesen elektronischen Spuren auch "handfeste" Tat- oder Tötungsspuren zur Begründung des Haftbefehls aufgeführt wurden. Allerdings wären diese Spuren dann auch der Anwältin des TV bekannt und dürften der treu zum TV stehenden Familie - zumindest nach Abschluss der Hausdurchsuchung - eigentlich nicht vorenthalten worden sein.
Kurz gesagt: wenn beweisbar feststeht, dass Rebecca das Haus nicht mehr lebend verlassen haben kann, dann wäre der dringende Tatverdacht gut begründbar, sogar so gut, dass bei Familie Reusch interview-dämpfende Zweifel entstehen dürften. Wenn aber genau diese eindeutigen Beweise fehlen und der Verdacht "nur" auf interpretierten Schlüssen aufgrund von elektronischen Daten ruht, dann verstehe ich die Haltung von Familie Reusch - aber nunmehr wieder nicht den Haftrichter. Das ist für mich die Crux, weil eine von beiden Annahmen betreffend Tatspuren im Haus kann ja nur richtig sein.