Warum hat man ein übermäßiges Interesse an Kriminalfällen?

Mich beschäftigt die Frage warum man ein starkes Interesse an Kriminalfällen hat. Warum beschäftigt man sich extrem mit solchen destruktiven Themen ? Und unter extrem fallen für mich User die wirklich 24/7 in einem Krimi-Faden hängen und obwohl verstandesmässig klar ist dass es keine neuen Erkenntnisse -geschweige denn eine Aufklärung- zu erwarten ist und stattdessen nur seitenweise bekannte Inhalte widergekäut werden. Was ist eure Motivation ? Und ich spreche hier besonders Hardcore-User an die in bekannten Threads mit zig hunderten von Seiten schreiben. Es muss ja mehr sein wie juristisches/kriminallistisches Interesse da die Beschäftigung mit dem jeweiligen Fall teilweise durchaus zwanghaft und obsessiv anmutet. "Normalerweise" beschäftigt sich niemand freiwillig mit negativen Themen die da drüber hinaus auch noch keinen Ertrag in irgendeiner Form abwerfen.
Was macht diese starke Resonanz aus ? Was ist es was euch triggert ? Habt ihr euch diese Frage mal gestellt ?
Ist es eine wie auch immer geartete Identifikation ? Berufliches Interesse ? Um mit Gleichgesinnten einen Kontakt zu haben ? Faszination des Bösen ?

Seid ihr euch selbst schon auf die Schliche gekommen ?

Ich kann nur für mich sprechen - bei mir ist es

- Spaß an der Lösung komplexer Probleme
- Interesse an menschlichen Abgründen
- Bestätigung meiner negativen Sicht auf die Welt und den Menschen im Besonderen
- Schadenfreude
- Grusel
- Spannung

Dass die meisten dieser Punkte nicht sonderlich schmeichelhaft für mich sind, ist mir selbst bewusst. Unehrlichkeit kann mir allerdings keiner vorwerfen :-D

@user6517
Danke für deinen konkreten, sehr ehrlichen Einblick. Wenn ich etwas schätze dann ist es Ehrlichkeit ;) . Die Welt ist voll von Verleugnung u. Unehrlichkeit.

Ausser Schadenfreude kann ich die Punkte nachvollziehen wenn es auch nicht deckungsgleich meine wären.
Aber mit deiner Aussage kann ich was anfangen u. es erweitert meinen Horizont :).

falstaff schrieb:Bestätigung meiner negativen Sicht auf die Welt und den Menschen im Besonderen

Ja, aaaber gibt man damit doch der negativen Sicht Futter ? Man will doch aber eher zur anderen Seite... also zum positiven Pol ?
Aber ok, Bestätigung ist ein Argument. wo jeder Mensch nach lechzt.

Zufälle gibt’s :-)
Beschäftige mich tatsächlich z.Zt. damit, wieso ich immer wieder mal auf einen bestimmten Fall zurückkomme, ohne die Betroffenen gekannt zu haben, und auch ohne jemals selbst von einem Kriminalfall betroffen gewesen zu sein (zum Glück!).
Ich vermute für meine Person, dass schlussendlich nur die schnöde Erkenntnis bleibt, dass mein Hirn nicht "richtig zur Ruhe kommt"
weil der Fall nicht gelöst ist. Hirn möchte wohl gerne eine Lösung haben, um etwas loslassen zu können ;-)
Ist aber in diesem speziellen Fall kaum möglich, weil die Auflösung -aller Wahrscheinlichkeit nach- von einem Zufall abhängen wird.
Mit der Zeit werden die Abstände, in denen ich mich nebenbei mit dem Fall beschäftige, allerdings immer größer ... bis er für mich dann auch irgendwann in Vergessenheit gerät.

falstaff schrieb:Ich kann nur für mich sprechen - bei mir ist es- Spaß an der Lösung komplexer Probleme- Interesse an menschlichen Abgründen- Bestätigung meiner negativen Sicht auf die Welt und den Menschen im Besonderen- Schadenfreude- Grusel- Spannung

Danke dafür, so ehrlich und reflektiert würden hier wohl die wenigsten antworten :Y:

user6517 schrieb:Mich beschäftigt die Frage warum man ein starkes Interesse an Kriminalfällen hat. Warum beschäftigt man sich extrem mit solchen destruktiven Themen ? Und unter extrem fallen für mich User die wirklich 24/7 in einem Krimi-Faden hängen und obwohl verstandesmässig klar ist dass es keine neuen Erkenntnisse -geschweige denn eine Aufklärung- zu erwarten ist und stattdessen nur seitenweise bekannte Inhalte widergekäut werden. Was ist eure Motivation ?

Es gibt sicher viele Gründe.
Einer ist, dass die öffentliche Meinung in einem Kriminalfall immer sehr schnell verdächtigt- und urteilt.
Das lese ich auch hier in den Foren sehr oft- und wie Loriot, der im Wartezimmer ein schief hängendes Bild gerade hängen musste, geht mir hier auf die Nerven, wenn es "schief" wird. Wenn z.B. gemutmaßt wird, dass ein Opfer mitschuldig ist, weil der Rock zu kurz war etc. Dann muss ich das gerade rücken: Nicht das Opfer ist Schuld, sondern der Täter.
Oder wenn ein thread wie der im fall Maria L. für ausländerfeindliche Propaganda missbraucht wird. Kann man auch nicht stehen lassen.

Ein ganz persönlicher Grund hier mitzulesen und zu schreiben:
mir geht sehr nahe, wenn ein Mensch plötzlich spurlos verschwindet.

@Praline
Hmm... auch eine interessante Ansicht.
Lösung des Falls um etwas Loszulassen.
Aber was triggert einen an einem bestimmten Fall zu hängen und den dann los zu lassen? Da scheint es ja im Unterbewusstsein einen Punkt zu geben der Resonanz erzeugt.

@frauZimt
Ja du hast Recht. Es scheint mannigfache Gründe zu geben.
Gerechtigkeit, öffentl Meinung zurecht rücken, kann ich nachvollziehen aber der Grund wäre mir nicht ad hoc gekommen.

Während des Schreibens merke ich gerade dass es bei mir auch Fassungslosigkeit ist wenn zb Menschen spurlos verschwinden.

@user6517
Wieso fahren Leute darauf ab? sensationsgeilheit oder einfach mal abgesehen davon, dass Menschen Rätsel lieben. Aber mehrheitlich sensationsgeilheit...meiner Erfahrung nach

@CrvenaZvezda1
Sensationsgeilheit u. Rätsel lösen hatte ich auch auf dem Zettel.

Was fasziniert einen am Bösen ?

@user6517
Was einen daran fasziniert? Jeder Mensch hat schon mal mit „bösen“ gedanken gespielt, jemanden umgebracht....sich methoden ausgedacht, wie man eine Leiche verschwinden lässt oder wie man eine Bank ausraubt. Bei 95% der Leute bleibt es nur beim Gedanken. Wenn jemand aber eben diese verbotenen Gedanken ausführt, so hat das einen enormen Reiz...verbotene Frucht und so. Darum bekommen schwerkriminelle nach ihrem Ableben so viel positive Bewunderung und Anhänger.

Oder warum kribbelt es echt bei einem Jeden wenn er mal was verbotenes macht...egal wie schwer die „Tat“ wiegt...Stichwort: Dopamin, Belohnungszentrum des Gehirns

Lese kaum lange Kriminal-Fäden, die zigtausende Antworten haben.
Bisher verfolgte ich relativ aktuell den Fall der Berliner Jugendlichen, wo einer tot und der andere verwirrt in einem Park aufgefunden wurde. Da bin ich tatsächlich gespannt, ob die Öffentlichkeit ein Ergebnis geliefert bekommen wird.

Stunden- und tagelang rein gelesen, regelrecht verbissen, hatte ich mich damals im eigenartigen Elisa Lam-Fall - da gruselte es mich gehörig und bin auch heute nicht überzeugt, ob es wirklich Selbstmord war...
Dieser Fall war Anlass, mich hier überhaupt anzumelden, damit ich selbst meine Gedanken dazu äußern konnte.

Es gibt so viele erschreckende, schauerhafte Fälle, die einen aus unterschiedlichsten Gründen nicht oder nur schwer loslassen.

Wohl, weil ich Mutter von zwei VS-Kindern bin, berühren und schockieren mich besonders Todes- oder Vermisstenfälle von Kindern.
Und ich rätsle und mutmaße gerne in manchen Fällen mit, wenn ich mir denke, dass noch Niemand einen bestimmten Gedanken, der mir gerade einfällt, geäußert hat...

Der krasseste Grund, so manch Kriminalfall zu lesen, ist wohl der, dass ich vor Jahrzehnten selbst mal Opfer eines Raubüberfalls mit kurzer Entführung in einem Kastenwagen war... Ich kann mich tatsächlich in die Opfer hinein versetzen, ihre Verzweiflung, ihre Todesangst... :-(

@CrvenaZvezda1
Oh... du bringst Dopamin/Belohnungsz. ins Spiel. Interessanter Ansatz. Muss ich mir mal Gedanken drüber machen...

Tötungsgedanke hatte ich auch schon aber eher spontan aus Wut u. ohne dass ich das selbst Ernst genommen habe. ... so ne Std später war das vergessen ;)

@user6517
Gute Frage, bei nicht wenigen frage ich mich das auch, wieso sie hier bei allmy zu wohnen scheinen...;-)

Es ist wohl mit der gleiche Grund, weshalb man bei Katastrophen gerne man innehält und versucht, einen Blick zu erhaschen. Das ist bei Unfällen wie bei Bränden so. Solche Dinge ziehen einen nun mal an. Ob es einfach nur die Faszination an dem schrecklichen Ereignis ist oder es andere Gründe hat, können freilich nur die Experten beantworten.

ich für meinen Teil beschränke mich weitestgehend auf die Fälle, die bei mir in der Nähe passiert sind, zu denen ich somit eine gewisse "Beziehung" habe. Weil ich z.B. die Örtlichkeiten kenne, an denen Verbrechen passiert sind. Wenn dann, wie in mindestens einem Fall, auch noch eine lückenhafte Indizienkette zu einem Urteil führt, ist mein Gerechtigkeitsempfinden angestachelt...

Obwohl wir alle nur spekulieren können und die Akten nicht kennen, schwingt vielleicht doch ein klein wenig die Hoffnung/Sehnsucht mit, den Ermittlern einen kleinen Hinweis geben zu können, den sie vielleicht übersehen haben.

Solange ich denken kann, interessiere ich mich für Kriminologie/Kriminalistik und alle angrenzenden Wissenschaften/Gebiete, wie z.B. Profiling und Kriminalpsychologie. Und natürlich True Crime. Habe eine riesige, schon zu DDR- Zeiten, begonnene True- Crime- Bücher- Sammlung.
Ich analysiere gern, denke gerne, denke gerne logisch und in komplexen Zusammenhängen, liebe Details......

Ich wollte zu DDR- Zeiten zur Kripo. Durfte nicht.

Nun schule ich FK für Schutz und Sicherheit um und werde evtl. sogar in der Forensik arbeiten. zumindest im 1. Praktikum, was am Montag beginnt.
Nebenbei "studiere" ich Kriminologie bei Laudius.

user6517 schrieb:Was fasziniert einen am Bösen ?

Gegenfrage: Wieso haben Hannibal Lector und Darth Vader eine größere Bekanntheit als deren Gegenspieler Clarice Starling oder Luke Skywalker? Es ist das Böse an sich, was einen fasziniert. Brav ist uns anerzogen, sollte es zumindest sein, da tut ein wenig Bosheit schon mal ganz gut. Es ängstigt und fasziniert gleichermaßen.

CrvenaZvezda1 schrieb:Wieso fahren Leute darauf ab? sensationsgeilheit oder einfach der menschlichemal abgesehen davon, dass Menschen Rätsel lieben. Aber mehrheitlich sensationsgeilheit...meiner Erfahrung nach

Ich hab mir neulich eine ähnliche Frage gestellt
Man eine Veränderung im Fernsehprogramm. Ich bin mit Daktarie und Flipper aufgewachsen. Ich rede also von einem langen Zeitraum.
Kriminalfilme und-serien haben in den letzten Jahren extrem zugenommen.
Das fängt bei simplen, einfach nur unterhaltsamen Geschichten an: Kommissar Rex, Rosenheim Cops, Mord mit Aussicht etc.
Da gibt es so vieles. Auch Zuseher mit schwachen Nerven werden mit Krimistoffen bedient- und nach oben gibt es praktisch keine Grenze.
Ich würde sagen, dass das Krimigenre im TV mittlerweile die meisten Unterhaltungs-Programmplätze besetzt.

@Skorpiusa
Identifikation (bzw wenn man selbst mal Opfer war) ist ja absolut nachvollziehbar :(.

Thorhardt schrieb:Brav ist uns anerzogen, sollte es zumindest sein, da tut ein wenig Bosheit schon mal ganz gut. Es ängstigt und fasziniert gleichermaßen.

Auch eine berechtigte Erklärung wie ich finde.
Und wenn man zu sehr in einem Pol (brav sein) verhaftet ist, sucht man nach Ausgleich.