abberline schrieb:Dass dann mal Käse wie die Son Of Sam Doku rauskommt, wundert nicht.
Bei "Son of Sam" hatten wir uns glaube ich mal getroffen
:DEdgarH schrieb:aber Netflix orientiert sich hier ja nicht an einer von unzähligen möglichen Theorien, sondern folgt den offiziellen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft. Das ist qualitativ schon ein Unterschied.
Das ist so aber auch nicht ganz richtig. Genau wie Hollywood das Buch von RG verfilmt hat, auf dessen Grundlage nun jeder meint, Arthur Leigh Allen sei der Zodiac gewesen , hat Netflix letztlich nur das Buch von Thomas Pettersson verfilmt, auf das offenbar zuvor auch der gerade zuständige Staatsanwalt stand und meinte, den Fall 2020 nach 34 Jahren abschließen zu können.
Zur Serie und für stille Mit-Leser vorneweg:
in dem Fall spielen drei Pettersons eine Rolle: der verdächtige Christer Pettersson, der für den Mord verurteilt und in zweiter Instanz freigesprochen wurde, der Staatsanwalt Krister (mit "K") Pettersson, der Stig Enström für den wahrscheinlichsten Täter hält und die Ermittlungen nach 34 Jahren für beendet erklärt hat und der Journalist Thomas Pettersson, dessen Recherchen mit anschließender Buchveröffentlichung diese neue Entwicklung ausgelöst hat.
Ich fange mal mit dem Positiven an: Die Serie ist unterhaltsam und atmosphärisch gelungen, was sie allerdings auch sein musste , weil sie nicht ausschließlich zur Wahrheitsfindung produziert wurde, sondern ebenso kommerzielle Interessen hat.
"fair enough" die Mitteilung noch vor dem Abspann , dass keine Beweise gegen ES vorliegen, er aber verdächtig ist.
Und zuletzt: es ist , um es mal von hinten nach vorne zu formulieren: es ist nach 36 Jahren wohl nicht mehr möglich zu beweisen, daß die Ereignisse sich
nicht so abgespielt haben .
Allerdings halte ich dieses Vorgehen, jemand Verstorbenen ohne Beweise das schwedische " Crime of the Century" unterzujubeln, für ziemlich fragwürdig.
Es könnte jetzt chronologisch ziemlich wild werden, weil ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll. Ab den ersten Minuten von "Folge Eins" tauchten Fragen und Kritikpunkte auf, so dass ich mir Stichpunkte machen musste, um bloß nix zu vergessen. Dummerweise ist der Rechner vor dem Abspeichern abgestürzt. Egal, fange trotzdem an und hoffe, daß sich das eine aus dem dem anderen ergibt!
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Als Staatsanwalt Pettersson gegen Ende der letzten Folge irgendwann zwischen 2017 und 2019 bei der Engström-Witwe anfragen lässt, ob sie die anonyme Hinweisgeberin aus dem Urlaubsort des Paares in den Tagen nach dem Mord war, verneint sie das...
Warum? Strafrechtliche Konsequenzen hatte die alte Dame nicht zu befürchten. Die einzig mögliche Antwort: sie wollte auch nach der Jahrtausendwende ihren verstorbenen Ex schützen .
Die Serie suggeriert aber von den ersten Minuten an, dass Frau E. ihren Mann von Anfang an selbst im Verdacht hatte. So bemerkt sie noch am Tatabend, als im Radio/TV erste Beschreibungen des Täters veröffentlicht werden, dass " die Beschreibungen ja auf dich passen, Stig!"
Woher will man das wissen? Wem soll sie das verraten haben? Den Polizisten unmittelbar nach dem Mord? Dem Journalisten Pettersson 2016 ? Obwohl sie ihren Ex-Mann gegenüber dem Staatsanwalt ein oder zwei Jahre weiter in Schutz nimmt?
Übrigens: Die ersten Täterbeschreibungen " Dunkle Kleidung, dreiviertel langer Mantel, 30-40 Jahre alt" passten nicht zu SE - der war zur Tatzeit nämlich schon 52 Jahre alt. Welche Frau verdächtigt ihren Mann aufgrund von Kleidung, wenn das Maximalalter des Täters zwölf Jahre jünger sein soll ? btw: die Beschreibung der Kleidung des Täters hätte sogar auf das Opfer selbst gepasst ;-)
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Zu Engströms erster Frau Anna, die er in einer mittleren Folge irgendwann zufällig mit ihrem Sohn in einem Lokal trifft: er telefoniert in der letzten Folge mit ihr und fragt " Du weißt ja, daß ich der Skandia-Mann bin " , worauf sie antwortet, daß sie nicht wisse, wer das sein soll und bei Nachfrage antwortet, daß sie den Namen nie gehört habe. Was meiner eigenen Vermutung auftrieb gibt , daß der "Skandia-Mann" doch nicht so omnipräsent , weder bei den Ermittlungen noch in den Wahrnehmung der Öffentlichkeit war, wenn noch nicht mal die Ex von besagter Person von ihm gehört hat. Die Serie stellt die 14 Jahre zwischen Tat und Suizid Engströms so dar, als sei der immer im Mittelpunkt gewesen, die Cleveren unter den Polizisten und Journalisten sofort gewusst hätten, was Sache ist, aber chronisch von den Dummen und Ignoranten ausgebremst wurden.
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Habe direkt darauf gewartet, wann die Infos zu Stigs Pause um 20 Uhr kommt. Wurde gestempelt oder meinte sich jemand zu erinnern?
Der Journalist Pettersson sagt 2016 zu seinem Kollegen "Wie der Wachmann (oder war´s die Frau?) bestätigt hat, ist Stig gegen 20 Uhr was essen gegangen". Wem und wann hat er/sie das bestätigt? Den Ermittlern 1986? Die werden sich noch nicht für die abendliche Pause der sich ständig in den Vordergrund drängenden Nervensäge Stig Engström interessiert haben. Dem Journalisten Pettersson gegenüber im Jahr 2016 ? Konnten er/sie sich nach 30 Jahren noch an die Pausen jedes Mitarbeiters erinnern, der am 28.02.1986 im Skandia-Haus gearbeitet hat?
Selbst wenn er wirklich um 20 Uhr eine Pause gemacht haben sollte: weiß jemand mit Sicherheit, wo er diese verbracht hat? Ist er auf dem Weg zur Location zwingend am "Kino Grand" vorbeigekommen , oder bleibt das nur eine Vermutung?
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Zur Betätigung des Notausgangs zwischen Stigs vermeintlicher Pause und den Schüssen: auch nach dem Genuss der Serie bin ich nicht schlauer und Frage erneut: war er mit den beiden Wachleuten (m/w) wirklich die nach 20 Uhr einzig anwesende Person im riesigen Skandiahuset? Selbst wenn, was ich nicht glauben will: besteht nicht genauso die Möglichkeit, daß sich die beiden Wachleute kurz von ihrem Arbeitsplatz entfernt haben und für einen Quickie hinter die Tür des Notausgangs zurückgezogen haben? Was niemandem aufgefallen wäre und interessiert hätte, wenn nicht dummerweise an diesem Abend der Ministerpräsident quasi vor der Haustür erschossen worden wäre?
Oder kann es nicht sein, daß sich ein Mitarbeiter der Putzkolonne, dem Rauchen während der Arbeitszeit verboten war, sich kurz hinter die Tür des NA zurückgezogen hat, um sich eine zu zischen? Geruchlich wäre das zu einer Zeit, in der Rauchen in Bürogebäuden selbstverständlich war, noch nicht einmal aufgefallen .
Ein anderer Angestellter von Skandia mit Überstunden hätte sich ebenso aus welchen Motiven auch immer kurz unerlaubt vom Arbeitsplatz entfernen können.
Es bleibt rein spekulativ, daß ES der Öffner dieser Türe war.
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Zur Waffe : habe mich von Anfang an gefragt, warum ein Grafiker nach Verlassen seines Arbeitsplatzes zufällig eine MAGNUM in der Tasche hat, als ihm der MP auf der Straße begegnet. Ziemlich stranges Szenario, oder? Die Serie erklärt das so: Engström wollte immer zur " High Society" seines Wohnorts Täby gehören und wird von der betreffenden Clique, die vollkommen anders als er selbst , auch öfters zu abendlichen Treffen/Parties eingeladen. Letztlich aber nur als Clown, der von den anderen gedisst wird. Besonders tut sich da ein Mann namens Harry Levin hervor, der als Hobby Waffen sammelt und offenbar auch eine Magnum in seinem Besitz hat, die er ES ,um anzugeben, auch bei einer Gelegenheit zeigt. Ist das authentifiziert? Hat Levin Stig später die Waffe überlassen oder geschenkt? Kaum vorstellbar, denn bei einer Gelegenheit treibt Levin Engström zur Weißglut ( Staatsanwalt: "Der Skandiamann hatte über einen Freund Zugang zu Waffen, auch zu einer Magnum") . Es wirkte nicht wirklich so, als seien Harry und Stig Freunde gewesen. Wo ist die Magnum denn nun? Ist Levin die Waffe vielleicht anderweitig abhanden gekommen? Wurde sie gestohlen und der Diebstahl angezeigt? Jedenfalls wurde nie verifiziert , daß Levins Magnum die Tatwaffe ist und sich im Besitz Engströms befand. Laut Journalist Pettersson soll SE die Waffe, von der keiner weiß, ob er sie tatsächlich hatte, in der Büroschublade aufbewahrt haben - weil er Palme öfters mal in der Stadt begegnete! Realistisch? Wenn die Waffe tatsächlich in der Schublade gewesen sein sollte, wundert mich eher, daß SE nicht längst zuvor damit im Skandiahuset Amok gelaufen ist . So dünnhäutig und mit den Kollegen zerstritten er letztlich war...
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@Höhenburg war laut eigener Aussage am Tatort. Es gibt Keinen Grund für mich, das in Zweifel zu ziehen . Im Zeitalter von google-streetview empfehle ich aber jedem mal, den Weg vom Tatort ( Gedenkstein im Boden , Sveavägen 44 ) durch die Tunnelgatan zur Treppe zu laufen. Alleine die Tunnelgatan ist länger, als sie auf den ersten Blick wirkt. Stig Engström, 52 Jahre alt Alkoholiker, (Zitat aus der Serie) "Dick" und Raucher soll in Halbschuhen auf Schnee/Eis erst die Tunnelgatan entlang gesprintet , anschliessend die 89 steilen Stufen hoch geflogen und dann um den Block wieder Richtung Skandiahuset gelaufen sein. Ich rede bewusst von " Sprint und Fliegen", weil drei Minuten nach den Schüssen schon Polizisten am Tatort waren , die kurz danach Richtung Treppe geschickt wurden. Der Täter war zu diesem Zeitpunkt bereits entkommen.
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Stig Engström soll am Tatabend den Palmes gleich dreimal begegnet sein: zum ersten mal zufällig vor dem Kino während seiner Pause , zum zweiten mal , obwohl die Beschreibung nicht zutrifft, als bereits bewaffneter "Grandmannen" nach der Vorstellung und zum dritten mal dann erneut zufällig als Geschenk des Himmels unmittelbar vor dem Skandiahuset, obwohl er zu diesem Zeitpunkt den Mordplan schon aufgegeben hatte. Als Grund präsentiert Pettersson und damit die Netflix-Serie folgendes: Petronella, die Tochter des besagten Harry Levin, die einizige Person der besagten Täby - Clique, die Stig respektierte, stand "zufällig" auch in der Nähe der Palmes vor dem Kino. Ob ES nicht dort schon geschossen hat, weil er sich vor der jungen Frau schämte oder Angst vor Identifizierung hatte, wird nicht klar. Ist überhaupt belegt, daß Petronella im Kino war? Sind gleich drei Zufälle nicht irgendwann auch wenigstens einer zuviel?
In dieser Engström-Theorie gibt es m.E. viel zu viel reine Spekulation und keinen einzigen Beweis!
Warum ein Staatsanwalt auf Grundlage dessen die Ermittlungen einfach beenden kann, ist mir schleierhaft.
Wie kürzlich hier jemand bemerkte: die "bequemste" Lösung.
Thomas Pettersson will sich nur frei zugänglicher Quellen bedient haben. 30 Jahre lang sollen die von ihm erklärten Zusammenhänge niemand anderem aufgefallen sein ?
Laut Wiki glauben nur 19% aller Schweden, daß Stig Enström Olof Palme erschossen hat!