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9-Jährige verschwindet auf Hochzeit und wird ermordet

2.376 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Frankreich, 2017, Hochzeit ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

9-Jährige verschwindet auf Hochzeit und wird ermordet

10.03.2022 um 19:42
Die Urteilsbegründung des Schwurgerichts in Auszügen:

Das Schwurgericht verurteilte Nordahl Lelandais zu lebenslanger Haft mit einer Sicherheitsfrist von 22 Jahren, überzeugt von der besonderen Schwere der Schuld. Nordahl Lelandais tötete ein achtjähriges Kind, das er nicht kannte und das er während einer Hochzeitsfeier entführte, bevor er es tötete und seinen Körper im Gebirge zurückließ, was es unmöglich machte, die genauen Todesursachen und die Antwort auf die Frage nach dem sexuellen Motiv zu ermitteln, eine Frage, die umso bedeutsamer ist, da Nordahl kurz davor die Töchter seines Cousins und seiner Cousine sexuell missbraucht hat.

Das Gericht betont, dass der Mord an Maëlys vier Monate nach Mord an Arthur Noyer nach einem fast ähnlichen Modus Operandi erfolgt: „Opfer unbekannt, beide schutzbedürftig, Arthur Noyer war zum Zeitpunkt der Tat alkoholisiert, beide wurden in seinem Audi A3 mitten in der Nacht verbracht, an beiden Tagen hatte er auf der Suche nach Sexualpartnern zuvor Textnachrichten an Freundinnen geschickt hatte, beide Opfer erfuhren extrem heftige Schläge auf den Kopf, beide Opfer wurden im Kofferraum des A3 transportiert und in den Bergen zurückgelassen, wo sie verwesten.

Außerdem sei er nach beiden Taten sofort zu seiner gewohnten Lebensweise zurückgekehrt. Er hat die Spuren seiner Verbrechen gelöscht indem er sein Fahrzeug reinigt. Diese Wiederholung des Verbrechens betont seine extreme Schwere noch mehr.
La Cour conclut ainsi sa feuille de motivations : "Tous les experts psychiatres ont conclu à une dangerosité criminologique extrêmement importante" avec "un risque de récidive statistique et clinique presque maximum. Tout en expliquant que les troubles de la personnalité étaient difficiles à faire évoluer (...) l'ensemble des experts psychiatres, estimant que Nordahl Lelandais pouvait, à très long terme, changer favorablement, ont préconisé un suivi socio-judiciaire avec injonction de soins, qui a été ordonné."
Quelle: siehe unten

Der Gerichtshof schließt seine Begründung wie folgt ab: „Alle psychiatrischen Sachverständigen sind zu dem Schluss gekommen, dass eine äußerste kriminologische Gefährlichkeit besteht“ mit „einem nahezu maximalen statistischen und klinischen Rückfallrisiko“. Alle psychiatrischen Gutachter, die glaubten, dass sich Nordahl Lelandais sehr langfristig positiv verändern könnte, befürworteten die Anordnung einer sozialgerichtliche Nachverfolgung.

https://www.francebleu.fr/infos/faits-divers-justice/proces-lelandais-les-motivations-du-verdict-de-la-cour-d-assises-de-l-isere-1645909080


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9-Jährige verschwindet auf Hochzeit und wird ermordet

10.03.2022 um 23:38
Zitat von JamesRockfordJamesRockford schrieb:Einen Kick wie beim Russisch Roulette oder Sackhüpfen über das Frankfurter Kreuz bei Nacht, wäre denkbar, aber für mich nicht nachvollziehbar.
Du bist mein Highlight des Tages!

Obwohl das Thema so furchtbar traurig und dramatisch ist, musste ich hier über herzlich lachen.


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9-Jährige verschwindet auf Hochzeit und wird ermordet

11.03.2022 um 18:36
Zitat von IvaIva schrieb:Du bist mein Highlight des Tages!
Danke :)

Nordahl wurde zu 8 Monaten Gefängnis wegen des Besitzes der Telefone im Gefängnis verurteilt. Er nahm das Urteil an. Seine Ex bekam 6 Monate auf Bewährung.

https://www.20min.ch/fr/story/nordahl-lelandais-ecope-de-8-mois-ferme-pour-recel-de-telephones-483099697329?fbclid=IwAR0YmTqUQlN5XlFAtEZTJ8CJpUq_02ujJV4o5EiE3JjVf0wb0ZGSbS-NE1I


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9-Jährige verschwindet auf Hochzeit und wird ermordet

14.03.2022 um 14:25
Auf SLATE gibt es einen sehr sachlichen 6-Teiler über die Chronoligie des Falles ab der Entführung bis zur Verurteilung. Die schwierige Arbeit der Ermittler und der Justiz, aber auch die verheerenden Auswirkungen auf die Angehörigen werden ziemlich anschaulich dargelegt.

http://www.slate.fr/societe/linquietante-etrangete-de-nordahl-lelandais/

Mit Erlaubnis der Verwaltung und Verwendung des Disclaimers werde ich die einzelnen Artikel übersetzt der Reihe nach einstellen.


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9-Jährige verschwindet auf Hochzeit und wird ermordet

14.03.2022 um 14:55
Das kleine weiße Kleid [La petite robe blanche]

Übersetzung Teil 1

Am 26. August 2017 versammelten sich fast 200 Personen zu einer Hochzeit in Pont-de-Beauvoisin in Isère. Kurz vor 3 Uhr morgens wird ein kleines Mädchen vermisst.

Nicht jeder kennt die genaue Herkunft des Namens. Für einige Linguisten hat die Stadt Pont-de-Beauvoisin ihren Namen vom lateinischen Belli Vicinus, was "Kriegsnachbar" bedeutet. Aber die Bedeutung ist: Brücke der schönen Nachbarschaft. Am 26. August 2017 feierte eine Familie eine Hochzeit. Es war eine große Familie. Dazu kam eine Gruppe von Freunden, die alle in Pont-de-Beauvoisin aufgewachsen waren. Die Hochzeit von Eddy und Anne-Laure war eine Gelegenheit, sich wieder zu sehen.

„Am Hochzeitsmorgen hofften wir auf schönes Wetter“, bemerkt ein Freund. An diesem Samstag Ende August erleuchtet der Himmel die Berge von Isère. Bei Tagesanbruch ist das Wetter ruhig. Es gibt weder Wind noch Wolken.

Eddy und Anne-Laure haben knapp 200 Leute zum Sektempfang auf dem Platz vor dem Gemeindesaal eingeladen. Er lädt Bekannte seiner Mutter, den Bruder eines seiner Zeugen und einen alten Freund ein, der ihn am Vortag anruft, um ihm zu gratulieren. Der Empfang verlängert sich etwas, niemand will wirklich gehen. Eddy lädt mehrere Gäste ein, zum Dessert gegen 1 Uhr morgens und zum Tanzen zurückzukehren. Mit seiner zukünftigen Frau haben sie alles geplant, auch den Babysitter und die Spiele für die Kinder. Eddy ist Soldat: „Ich bin jemand, der alles absichert.“

"Mama, kann ich mir die Hunde meines Freundes anschauen?"

Für David, einen der Cousins, ist es ein „großartiger Hochzeitsabend“, „einer der schönsten, die ich je erlebt habe“. Wir erzählen von alten Zeiten, lachten über Anekdoten aus der Jugend. Am Tisch sieht David Maëlys, die kleine Tochter seiner Cousine Jennifer, ankommen. Sie zeigt ihm die Tüte mit Süßigkeiten, die sie gerade bei einem Spiel gewonnen hat, David lacht: „Kann ich welche haben?“ und Maëlys lacht und schüttelt den Kopf. Sie listet die Namen derjenigen auf, die ihre Süßigkeiten teilen können, aber David nein, es gibt keine für ihn.

In seinem Auto hält sich Mickaël den Bauch. Er hat Darmkrämpfe. Er ist seit mehreren Tagen krank. Wegen der Antibiotika keinen Alkohol zu trinken ist okay. Er sitzt in seinem Auto, unfähig, wieder in den Festsaal zu der Feier zu gehen.

Jennifer steht vom Tisch auf, um in den Waschraum zu gehen. Unterwegs sieht sie ihre Tochter Maëlys barfuß aus der Kinderecke kommen: „Mama, darf ich die Hunde meines Freundes sehen?“ Jennifer versteht nicht: Niemand nimmt Hunde mit zu einer Hochzeit. Die Kleine rennt zum Hochzeitstisch. Dort sitzt ein Mann in einem blauen T-Shirt und wischt mit dem Finger über sein Handy. Hinter ihm sieht Jennifer auf einem Foto die beiden Malinois. Maëlys liebt Tiere. Im Urlaub bei den Großeltern vermisste sie ihre drei Hunde, ihre Katze und ihren Hasen. Ein Freund von Jennifer: Für Maëlys ist eine Person, die Hunde hat, „ein besserer Mensch als die anderen“. Bevor er hinzufügt: "Natürlich im Kopf eines kleinen Kindes."

In einer Woche wird Maëlys die Schule wechseln. Ihre Tasche war bereit. Sie freute sich darauf, ein neues Jahr an einer neuen Schule zu beginnen.

Maëlys schläft nirgendwo ein. Selbst bei Freunden der Familie, auf dem Sofa, kämpft sie mit aller Kraft darum, die Augen nicht zu schließen, um sicherzugehen, dass ihre Eltern nicht ohne sie gehen. Von seinem Auto aus beobachtet Mickaël die Kinder, die draußen Ball spielen. Maëlys liebt Fußball. Genau wie Playmobil und Autospiele auf der Konsole. Am selben Morgen entschied sie sich im Friseursalon für ihre Zöpfe und ihr Outfit, ein ärmelloses Kleid und weiße Sandalen. Sie weiß schon, was sie will. Später wird sie Bäuerin und Feuerwehrfrau. Sie weiß auch, was sie nicht will. Auf dem Teller ihrer Mutter kostet sie ein Stück Dessert und verzieht das Gesicht. Jennifer küsst sie und Maëlys geht, immer noch barfuß.

Auf der Tanzfläche legt der DJ den Song „Sapés comme jamais“ von Maître Gims auf. Es ist eines der Lieblingslieder von Maëlys, unter ihren Top 3. Jennifer sieht sie nicht im Zimmer. Sie muss woanders sein. Denn „alles, was von Kindern verlangt wird, ist glücklich zu sein“, sagte die Tante des kleinen Mädchens später. Um 2:45 Uhr geht die Playlist mit „Cotton Eye Joe“ weiter. Ein weiteres ihrer Lieblingslieder. Aber Maëlys kommt immer noch nicht zum Tanzen.

Es gibt ein Problem.

Jennifer sieht sich um. Sie fragt ihre Schwester Séverine, ob sie ihre Tochter gesehen hat. Beide machen sich auf die Suche nach ihr. Unterwegs fragen sie die, denen sie begegnen: "Hast du Maëlys gesehen?" Jennifer warnt Joachim. Eine Nachricht wird an den DJ übermittelt. Am Mikrofon macht er eine Durchsage: „Wir suchen ein kleines Mädchen, Maëlys.“

David schaut unter die Tische. Er hat diesen nagenden Gedanken: „Wir werden sie finden. Wir werden sie finden." David durchsucht die Betten. Die Küchen. Es sei „eine Sache von Minuten“. Maëlys muss irgendwo eingeschlafen sein.

Mickaël wacht erschrocken auf. Seine Frau klopft ans Fenster: Maëlys ist verschwunden. In den Autos sieht niemand das schlafende Kind.
Also macht der DJ eine letzte Ansage über das Mikrofon. Die Musik stoppt und mit ihr alles andere. Die Flutlichter gehen wieder an. David beginnt, sie „in Kühlräumen und Mülleimern“ zu suchen. Um ihn herum „weinen alle“. In einem Anzug und polierten Schuhen findet sich David "mit einem der Onkel auf einem Feld am Ufer eines Flusses wieder und ruft ihren Namen". Aber in der wolkenlosen Nacht ist kein Ton zu hören. "Es ist so still", sagt David. Er wiederholt: „Es ist so still.“

Um 3:57 ruft Jennifer die Gendarmen an. Um 4.25 Uhr kommen sie am Rathaus von Pont-de-Beauvoisin auf der Isère-Seite an. Die auf die Suche nach vermissten Personen spezialisierten Hunde der Rasse Saint-Hubert kommen kurz danach. Sie machen sich sofort an die Arbeit. Sie erschnüffeln die Wege der kleinen Maëlys im Gemeindesaal, ihre Rundgänge um die Tische herum, in den Gängen, der Kinderecke. Die Hunde gehen nach draußen. Auf dem Parkplatz markieren sie eine Stelle. Weiter gehen sie nicht. Sie gehen nicht durch das Tor. Die Ermittler schauen sich an. „Die wahrscheinlichste Hypothese, schreiben sie in eines der ersten Dokumente in der Akte, ist, dass das Kind in ein Fahrzeug eingestiegen ist.“

Jennifer und Joachim verstehen nicht. "Mit achteinhalb rennst du nicht weg." Und Maëlys wäre niemals mit einem Fremden gegangen. Fünfzehn Tage zuvor, als sie alle in Portugal Urlaub machten, wollte Maëlys die Enten füttern gehen. Die Eltern haben es ihr erlaubt, aber Maëlys kam alleine zurück. Sie hatte Angst. Die Eltern hatten ihr die Gefahren der Welt erklärt, von Menschen gesprochen, die man nicht kennt und die sich Kindern nähern. Maëlys war in Tränen ausgebrochen. Jedenfalls hielt sie ihre zurückhaltende Art von anderen fern.
Schnell wird ein Foto von Maëlys de Araujo in den Medien verbreitet. Das Foto stammt vom Vortag, dem Tag der Hochzeit. Eine Woche vor Schuljahresbeginn ist Frankreich in Aufruhr. Staatsanwalt Jean-Yves Coquillat. „Es ist ein bisschen trivial das so zu sagen, aber Maëlys ist ein hübsches Kind, sehr fotogen, sie hat sofort Sympathie erregt“. Und die Menschen „identifizieren sich mit der Familie“. Die Suche intensiviert sich. In den Flüssen, auf den Straßen, in der Luft.

Anne-Laure, die Braut, ist am Computer beschäftigt: Sie übernimmt die Gästeliste, die Sitzpläne, alle Reprografien der Hochzeit. Sie sucht nach Fotos und Videos von der Zeremonie und der Party, weil einige ihrer Freunde glauben, dort „jemanden“ gesehen zu haben. Sie scannt die Bilder nach einem unbekannten Gesicht, aber nichts fällt ihr auf.

Am Sonntag, dem 27. August, wurde im Rathaus von Pont-de-Beauvoisin von den Gendarmen Grenoble mit der Anhörung aller Hochzeitsgäste fortgefahren. Die Gäste hören die Rotorblätter der Helikopter über ihren Köpfen kreisen. Manche haben die ganze Nacht nicht geschlafen. Das Mädchen ist immer noch nirgends zu finden.

„Wir wissen nicht, was wir sagen sollen, wir wissen nicht, was wir tun sollen. Weil wir nichts wissen.“, beklagt David. Dann kommt der Moment, „wenn du gehen musst“. „Du verabschiedest Dich, verlässt die Stadt und gehst nach Hause. Aber wie geht Dein Leben weiter?“ Er würde so gerne eine Lösung finden, Worte finden, aber alles steckt fest in seiner Hilflosigkeit: „Es war die Hölle.“

David erinnert sich an „Hunderte von Unterstützern“ in ganz Frankreich. Aber er erinnert sich auch an andere. Auf Facebook schicken ihm „Leute, die [er] nicht einmal kennt“, Nachrichten. Später werden andere Gäste der Hochzeit wiederum Nachrichten erhalten, in denen sie gefragt werden, „was für eine Familie sie waren“, und ihnen vorgeworfen wird, „eine Familie von Drogenabhängigen zu sein, die auf ihre Kinder nicht aufpassen können, weil sie alle betrunken waren und zugekokst.

Quelle: http://www.slate.fr/societe/la-petite-robe-blanche/episode-1-proces-nordahl-lelandais-meurtre-enlevement-maelys

Die Übersetzung des Originaltextes erfolgte durch mich zusammenfassend mit Auslassungen und unter Einbeziehung sprachlicher Kreativität und auf Grundlage meiner Interpretation.


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9-Jährige verschwindet auf Hochzeit und wird ermordet

14.03.2022 um 18:19
Die Frage, ob Nordahl L. ein Serienmörder ist, kam in dem Thread mehrfach auf, aber auch per PN.

Herr Jakubowitz war die Feststellung, dass er kein Serienmörder ist sehr wichtig, denn ein Serienmörder sei man erst nach der 3. Tat. In den englischen Presse wird Nordahl L. allerdings als Serial Killer bezeichnet. Warum eine Serie erst ab 3 Ereignissen gleicher Art vorliegt, leuchtet mir nicht so wirklich ein, denn die Serie ist per Definition die Abfloge gleicher Ereignisse.

Das FBI definiert den Serienmord so:
The Federal Bureau of Investigation (FBI) defines serial killing as "a series of two or more murders, committed as separate events, usually, but not always, by one offender acting alone"
Die Ansichten über die Anzahl der Taten, um als Serienmörder klassifiziert werden zu können, sind allerdings unterschiedlich:
A serial killer is typically a person who murders three or more people,[1] usually in service of abnormal psychological gratification, with the murders taking place over more than a month and including a significant period of time between them.[1][2] While most authorities set a threshold of three murders,[1] others extend it to four or lessen it to two.[3]
Quelle: Wikipedia: Serial killer


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9-Jährige verschwindet auf Hochzeit und wird ermordet

15.03.2022 um 06:26
Das kleine weiße Kleid [La petite robe blanche]

Übersetzung Teil 2 (1/2)

«Er hat mein Kind genommen, und wird es mir nicht zurückgeben »

Es gibt Dinge, die krank machen. Während in der Nacht des 26. August 2017 alle Hochzeitsgäste mit der Suche nach Maëlys beschäftigt waren, schloss sich Nordahl Lelandais in der Toilette ein. Zwei Tage später schnüffeln die Polizeihunde in seinem Auto nach menschlichen Gerüchen und Erbrochenem.

Die Nummer, die auf Eddys Handy erscheint, sagt ihm nichts. Er geht einfach nicht dran. Außerdem heiratet er morgen, er hat andere Dinge zu tun. Eine SMS: "Hallo, Du Schwuchtel, nimmst du ab?" Dann eine zweite: "Antworte, hier ist Nono." Eddy hatte es bereits bei der ersten Nachricht erraten. Nordahl Lelandais. Es ist fünf Jahre her, seit sie sich aus den Augen verloren haben. Er erinnert sich. Nordahl will ihm zu seiner Hochzeit mit Anne-Laure gratulieren. Er erfuhr es von dem Zeugen Ludovic, dem er am vergangenen Samstag beim Umzug geholfen hatte. Eddie lächelt. Nono hat sich nicht verändert. Er blieb dieser angenehme, lustige Typ, immer der Erste, der half und nie der Letzte, der feierte. „Komm‘ zum Sektempfang!“ Nordahl stimmt zu. Er hat es nicht zugegeben, aber tief im Inneren war er ein wenig verärgert, dass er nicht eingeladen wurde.

2017 ist Nordahl Lelandais auch für etwas anderes bekannt. Beim Empfang fragen ihn Ludovic und Nelson, Eddys Zeugen, ob er Kokain hat. „Es ist allgemein bekannt, dass er kokst.“, kommentiert Nelson. Nordahl bejaht dies. Das Essen beginnt bald. Eddy bietet unter anderem Nordahl an, zum Dessert wiederzukommen.

In der Zwischenzeit geht Nordahl zu einer Geburtstagsfeier. In dieser Gegend, in der jeder jeden kennt, gibt es viele Möglichkeiten: Man kauft eine Flasche Whisky im Supermarkt, man trifft einen Freund, man lädt ihn ein. Bei der Ankunft begrüßt Nordahl das Geburtstagskind. Er fragt sie, ob sie tatsächlich Cinthia’s* Mutter sei. So wie er seinen Vornamen ausspricht, wird Cinthias Mutter "sofort" hellhörig. Sie weiß nicht warum. Es gefällt ihr nicht, dass er sich an den Vornamen ihrer Kleinen erinnert. Auch nicht, dass er ihr sagt, dass sie "hübsch, nett und höflich" ist. Er kennt sie nicht.

Zurück bei der Hochzeitsfeier, gegen halb eins, geht Nordahl zu Ludovic und Nelson hinüber. Sie gehen zu den Toiletten im Gemeindehaus. Nordahl bereitet auf seinem Telefon drei Reihen Koks vor, für jeden eine. Dann setzt er sich an die Hochzeitstafel. Er schaltet den Bildschirm seines Handys ein, um die Zeit abzulesen. Hinter ihm bleibt ein dunkelhaariges kleines Mädchen stehen: „Sind das deine Hunde?“ Er antwortet ja, fragt sie, ob sie auch welche hat.

Während die Gäste feiern, denkt Nordahl an seine Freundin Anouchka. Die Hochzeit war „nichts Besonderes“, das Kokain zeigte seine Wirkung. Er würde lieber den Abend mit ihr verbringen. Im Moment eine on-off-Beziehung. Sie ist unsterblich in ihn verliebt, aber er weiß nicht, was er will. Er hat keinen Job, muss morgens keinen Wecker stellen. Die Angaben auf den Auszügen der Pensionskasse lauten: Weinlesehelfer, Elektriker, Staplerfahrer, Verkäufer, Krankenwagenfahrer, selbstständiger Hundetrainer. Sobald es möglich ist, der Rücken verspannt oder er müde ist, geht er in den Krankenstand. Morgens Kokain zum Frühstück, jeden zweiten Tag ein Gramm. Seine Freunde nannten ihn "Dolce Vita" [Belle vie], weil er immer Zeit hatte für einen Kaffee, oder um zum Lac de Aiguebelette zu fahren, während sie arbeiteten und sich um die Kinder kümmern mussten. Das macht Nordahl wütend. Er hat kein gutes oder schlechtes Leben, er hat einfach „kein Leben“. Er spielt herum. Seine Ex-Partnerin Céline ist zurückgekehrt und er macht an einem oder zwei Abenden sexuelle Begegnungen mit Männern, Frauen, Paaren. Auf dem Parkplatz des Gemeindehauses von Pont-de-Beauvoisin raucht Nordahl mit seinen Freunden eine Zigarette. Um 1:38 Uhr schrieb er Anouchka eine SMS: „Schläfst du?“ Sie antwortet ihm nicht.

„Nordahl übergibt sich“

Eddy fragt Ludovic, seinen Zeugen, ob er Nordahl gesehen hat. Ludovic schüttelt den Kopf. Am einfachsten ist es, ihn anzurufen. Er versucht es dreimal, zwischen 3:15 und 3:18. Die Mailbox geht direkt an. Ludovic vergisst die vergeblichen Anrufe. Er hilft bei der Suche nach der kleinen Maëlys verwickelt. Jeder rennt durch die Gegend, nichts ist organisiert, erinnert sich Nelson, Eddys anderer Zeuge.
Jennifer eilt nach draußen. Endlich findet sie den Mann im blauen T-Shirt, der mit Maëlys über seine Hunde sprach. Auf dem Parkplatz zündet er sich eine Zigarette an. Sie fragt ihn: "Haben Sie meine Tochter gesehen?" Nordahl Lelandais atmet Zigarettenrauch in die Nachtluft und antwortet: „Nein.“ Jennifer findet ihn abgestumpft. Sie geht wieder auf die Suche.

In ihrem Hochzeitskleid rennt Anne-Laure durch die Räume des Gemeindehauses, und trifft auf Nordahl. "Aber welches Kind suchen wir?", fragt er. Anne-Laure beschreibt Maëlys und ihr kleines weißes Kleid. Es fällt ihm ein: „Ah ja, das ist der, mit dem ich über die Hunde gesprochen habe.“

Plötzlich fühlt sich Nordahl nicht wohl. Er bittet Ludovic, ihn zu den Toiletten zu begleiten, und schließt sich in einer Kabine ein. Ludovic hört, wie er sich übergibt. Er kann das nicht ertragen und lässt Nordahl alleine.

Draußen warten die Gäste. Jennifer kontaktierte die Polizei. Ludovic warnt Eddy: „Nordahl übergibt sich auf der Toilette.“ Eddy findet es merkwürdig: Er habe ihn kurz zuvor gesehen, es ging ihm gut. Wenige Minuten später fährt ein Audi A3 durch das Tor des Gemeindehauses heraus. Eddys Freunde beruhigen ihn: Nordahl hat sicher Drogen in seinem Auto. Vielleicht will er nicht auffliegen.
Das blaue Polizeifahrzeug parkt auf dem Parkplatz. Eine Beschreibung des Kindes des Kindes wird abgegeben. Die Namen der Anwesenden werden genannt. Eddy nennt einem Polizisten gegenüber den Namen Nordahl Lelandais. Er sagt: "Es ist komisch, bevor Sie angekommen bist, ist er gegangen, das passt nicht zu ihm." Beim zweiten Nachdenken sah es wirklich nicht nach ihm aus. Also erklärt Eddy dem Gendarmen: Nordahl wohnt in Domessin, fünf Minuten entfernt. Er kann die genaue Adresse nicht nennen, er kann aber zeigen, wo er wohnt. Aber die Priorität der Polizei war, die Hochzeitsgäste zu identifizieren.

Quelle: http://www.slate.fr/societe/la-petite-robe-blanche/episode-2-proces-nordahl-lelandais-meurtre-enlevement-maelys

Die Übersetzung des Originaltextes erfolgte durch mich zusammenfassend mit Auslassungen und unter Einbeziehung sprachlicher Kreativität und auf Grundlage meiner Interpretation.


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9-Jährige verschwindet auf Hochzeit und wird ermordet

15.03.2022 um 06:28
000 zr7d01bis

Polizisten und forensische Experten durchsuchen am 14. Februar 2018 im Zusammenhang mit dem Verschwinden von Maëlys de Araujo im August 2017 einen Gartenschuppen entlang einer Straße in der Nähe des Hauses von Nordahl Lelandais in Domessin (Savoie). Der Schuppen ist ca. 300 Meter von seinem Elternhaus entfernt

Quelle: http://www.slate.fr/societe/la-petite-robe-blanche/episode-2-proces-nordahl-lelandais-meurtre-enlevement-maelys


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9-Jährige verschwindet auf Hochzeit und wird ermordet

15.03.2022 um 06:32
Das kleine weiße Kleid [La tetite robe blanche]

Übersetzung 2. Teil (2/2)

"Ah, aber habt Ihr die Kleine nicht gefunden?"

Am nächsten Tag treffen sich alle im Rathaus von Pont-de-Beauvoisin auf der Isère-Seite, um von den Gendarmen befragt zu werden. Eddy sieht sich um und wendet sich an den Bruder seines Zeugen: "Wo ist Nordahl?" Der Bruder des Zeugen greift nach seinem Handy. Er ruft sie an: „Nono, wir warten auf dich, du musst vorbeikommen.“ Am anderen Ende der Leitung wundert sich Nordahl: „Ah, aber habt Ihr die Kleine nicht gefunden?“ Als er ankommt, hat Mickaël gerade seine Aussage beendet. Um 16.25 Uhr wird Nordahl Lelandais gehört.

Mickaël wird seine Kinder abholen und nach Lyon zurückkehren. Zum Glück, überlegte er, hatte seine Frau sie kurz vor der Party zum Großvater mitgenommen. Er schaut auf seine Tankanzeige. Du musst tanken. Mickaël hält am E.Leclerc-Zentrum in Pont-de-Beauvoisin. In der Autowaschanlage erkennt er die Silhouette von Nordahl, der sein Auto ohne Hemd poliert. Er begrüßt ihn. Nordahl fragt Mickaël, ob er etwas zu trinken hat, er verdurste. Mickaël holt ein zuckerhaltiges Getränk aus seinem Kofferraum.

Die nächsten Stunden verbrachten die Gäste alle am Telefon. „Wir haben versucht, Kontakt aufzunehmen, um herauszufinden, ob jemand etwas mehr wusste als der andere“, sagt ein Cousin. So wusste Mickaël: Im Rathaus erzählte Nordahl den Gendarmen, dass er den Abend über nicht mit der kleinen Maëlys gesprochen hatte.

Aber er hat sie doch gesprochen! Beim Versuch, das Gemeindehaus zu erreichen, bevor er wegen seiner Darmkrämpfe aufgab, sah Mickaël, wie Maëlys Nordahl folgte, und hörte den Mann zu dem Kind sagen: „Du gehst da durch, ich geh da durch“, wobei er auf den Haupteingang und die Tür des DJ deutete, wo all die Stromkabel waren. Mickaël spürt, wie die Schuld ihn überfällt. Nordahl ist ein Freund. Er will ihn nicht in Schwierigkeiten bringen. Aber warum hat er seinen A3 weniger als fünfzehn Stunden nach Maëlys' Verschwinden gewaschen? Warum ist er der Einzige, der Eddy und Anne-Laure nicht nach Neuigkeiten fragt?

Am Montag, den 28. August 2017, bat Mickaël deshalb um eine erneute Aussage. Er erzählt alles, das mit den Ausgängen und das mit der Waschanlage. Was er noch nicht weiß: Nordahl Lelandais ist bereits im Visier der Ermittler. Seit der Veröffentlichung des Fotos von Maëlys in den Medien haben sie Informationen aus ganz Frankreich erhalten – der Beginn einer langen Reihe von Briefen, E-Mails, Nachrichten von Medien. Sie sind verpflichtet, diese entgegenzunehmen, aufzulisten und aufzubewahren. Aber sie haben bereits mehrere potenzielle Verdächtige auf dem Schirm.

Unter den Personen, die sich zum Zeitpunkt des Verschwindens in der Gegend aufhielten, waren das ein „Großonkel“ [von wem geht auch aus dem Kontet nicht hervor], der für Handlungen an Minderjährigen bekannt ist, ein Mann, der gerade aus dem Gefängnis entlassen wurde, und Nordahl Lelandais“. Letzterer hat sie angelogen als er sagte, dass er sich daran erinnern würde, wenn er mit Maëlys gesprochen hätte. Sie wussten, dass dies nicht wahr war, weil drei Zeugen, darunter seine Mutter Jennifer, gesehen und gehört hatten, wie er mit dem Kind sprach. Niemand hatte ihn dagegen an der Suche teilnehmen sehen, obwohl er behauptete, dies getan zu haben. Der Bräutigam selbst hatte bei seiner Anhörung im Rathaus seine Überraschung wiederholt: Nordahl Lelandais sei kurz vor dem Eintreffen der Polizei „ohne ein Wort“, „ohne sich zu verabschieden oder sonst etwas“ gegangen.

"Im Moment keine Zeit, aber mach‘ Dir keine Sorgen"

Als die Ermittler auf der Route du Genin in Domessin ankommen, putzt Nordahl Lelandais immer noch sein Auto in der Einfahrt. Die Saint-Huberts, diese auf die Suche nach vermissten Personen spezialisierten Hunde, haben Mühe, in das Auto zu gelangen. Die Ermittler arbeiten mit Nachdruck, sie wollen, dass sie das Innere des Fahrzeugs erschnüffeln. Menschliche Gerüche verblassen nach zweiundsiebzig Stunden. Wenn Maëlys de Araujo in dem Auto war, werden die Hunde es wissen. Beim Öffnen der Tür des Audi A3 steigt den Polizisten der Geruch von Reinigungsmitteln in die Nase. Hunde können nichts machen. Ihr Geruchssinn ist 200 mal stärker als der eines Menschen. Sie beginnen sich zu übergeben. Ein Tierarzt musste sie untersuchen.

An diesem Montag, dem 28. August, um 18 Uhr wird Nordahl Lelandais erneut als Zeuge vernommen. Er erklärt: Er muss sein Auto an einen Freund verkaufen. Er ist sehr akribisch und möchte es in einwandfreiem Zustand hinterlassen. Er hat sie auf der E.Leclerc-Station dreißig Minuten lang gründlich gewaschen. Ein Arzt untersucht ihn und macht ein Foto von ihm: Seine linke Schulter, seine linke Hand, sein Knie und sein Wadenrücken weisen Kratzer auf. Nordahl Lelandais gibt zu, dass ein kleines Mädchen ihm von ihren Hunden erzählen konnte. Er weiß nicht, ob es Maëlys war. Am Ende seiner Anhörung sagte er: „Bitte glauben Sie, dass ich mit dem Verschwinden der Kleinen nichts zu tun habe.“ Am nächsten Tag bekommt er sein Auto zurück und ist frei.

Nach Überprüfung entspricht die Telefonnummer, die Nordahl Lelandais den Ermittlern gegeben hat, nicht der während der Eheschließung verwendeten Leitung. In dieser Nacht hatte er ein zweites Telefon. Sein Haupttelefon. Am 28. August, dem Tag seiner Aussage, kündigt er diesen Vertrag online.

Die Ermittler glauben, dass er nicht alles gesagt hat.

Zwei Tage später erhält er eine Nachricht von einer jungen Frau, die er einige Monate zuvor auf Tinder kennengelernt hat. Sie will ihn sehen. Obwohl sie sich bewusst ist, dass ihre Beziehung nur eine körperliche ist, hängt sie an ihm. Er muss nur "Zeit in einer Stunde?" schreiben, damit sie ihr Auto nimmt und mitten in der Nacht 85 Kilometer von Lyon nach Pont-de-Beauvoisin fährt. In ihrem Telefon hat sie ihn als "Jordan" gespeichert, weil er ihr diesen Namen genannt hat. An diesem 30. August 2017 bietet sie ihm ein Treffen an. Nordahl-Jordan antwortet: „Im Moment keine Zeit, aber mach‘ Dir keine Sorgen.“

Noël Gravier, Polizist in der Forschungsabteilung von Grenoble, ist für die Begleitung der Eltern von Maëlys de Araujo verantwortlich. „Die Praxis besteht eher darin, die Informationen aufzuteilen, weil die Familie oft die erste Hypothese ist …“, erklärt er. Der Fall erfährt ein außerordentliches Medienecho. „Journalisten machen ihren Job als Journalisten sehr gut: Sie schaffen es, überall Verbindungen herzustellen.“ Noël Gravier ist also dafür verantwortlich, Veröffentlichungen in der Presse vorwegzunehmen. Das Ziel ist nicht, etwas zu verhindern; Sie haben weder die Mittel noch die Macht. Aber sie können dafür sorgen, dass Jennifer und Joachim de Araujo den Fortgang der Ermittlungen nicht aus der Presse, sondern aus ihrem Mund erfahren. Von AFP werden die Gendarmen einen Tag vor der Veröffentlichung der Artikel gewarnt.

„Wenn wir schlafen gehen, fühlen wir uns schuldig“

Die Überwachungskameras in der Autowaschanlage von E.Leclerc zeigen deutlich, wie Nordahl Lelandais damit beschäftigt ist, sein Auto zu reinigen. Er verbrachte dort nicht dreißig Minuten, wie er behauptete, sondern fast zwei Stunden – von 17.23 Uhr bis 19.16 Uhr. Der Betrieb seiner Haupttelefonleitung, die am Abend der Hochzeit verwendet wurde, zeigt, dass sein Handy von 2:46 bis 3:25 Uhr ausgeschaltet ist. Dann wieder von 3:57 Uhr, als er das Gemeindehaus verließ, bis 7:06 Uhr.

Als die Gendarmen bei ihm zu Hause ankommen, um ihn zu verhaften, fragen sie ihn, wo seine weißen Shorts sind. Auf allen Fotos und Videos von der Hochzeit trägt er weiße Shorts, nicht die schwarze kurze Hose, von der er ihnen sagte, dass er sie an diesem Abend trug. Nordahl Lelandais ist es peinlich. Er antwortet: „Ich habe mich übergeben, bin nach Hause gegangen, um mich umzuziehen, und habe meine Shorts in den Müllcontainer am Ende der Straße geworfen.“ Der Container wurde zwei Tage zuvor geleert, wie jeden Dienstag.
Die Ermittler meinen: Nordahl Lelandais lügt nicht nur, er verwischt seine Spuren.

In dieser Woche schlief der Polizist Noël Gravier nur ein bis zwei Stunden pro Nacht. „Und wenn wir schlafen gehen, fühlen wir uns schuldig“, gesteht er. Wie der Staatsanwalt Jean-Yves Coquillat betont, Ermittlungen wegen Entführung, „ist die einzige Art von Ermittlungen, bei der ein Richter Fehler mit tragischen Folgen machen kann. Die Affäre Marc Dutroux hinterließ einen bleibenden Eindruck: Damals hätten die Gendarmen die beiden kleinen Mädchen aus dem Haus des Hauptverdächtigen retten können. Sie waren während der Suche noch am Leben.

Als Oberstleutnant Emmanuel Pham-Hoai im Kriminalforschungsinstitut der Nationalen Gendarmerie (IRCGN) den A3 in Empfang nimmt, versteht er die Dringlichkeit. Er und sein Team arbeiten daran, Proben von Sitzen, Sicherheitsgurten, Griffen, Spiegeln, Lenkrad und Kofferraumteppich zu nehmen.

In Polizeigewahrsam gibt Nordahl Lelandais die weißen Shorts, das Kokain und die Kratzer zu. Die Shorts wurden gewechselt, weil er sie beschmutzt hatte. Dokumentierte Bewegungen seines Handys lagen daran, dass er zu seiner Mutter nach Hause gegangen war und Kokain besorgt hatte. Die Kratzer sind bei der Gartenarbeit entstanden.

Die Ermittler meinen: Nordahl Lelandais passt sich dem an, was ihm präsentiert wird.

„In einer Akte steht, was wir denken, und was wir finden“, sagt Staatsanwalt Coquillat. Zwar erzählte Anouchka, die bei der Festnahme von Nordahl dabei war und in dem Prozess gehört wurde, den Ermittlern, eines Tages auf dem Schreibtisch ihres Freundes einen Zettel mit dem Namen einer Website gefunden zu haben. Als sie diese konsultierte, stellte sie fest, dass es sich um eine Kinderpornografieseite handelte. Nordahl wurde wütend, sagte ihr, es sei Unsinn, sie sei „verrückt“.

Die Ermittler halten Anouchka nicht für verrückt. Aber sie haben noch nicht genug Indizien.

Was, wenn sie nicht genug Indizien habne, weil Nordahl Lelandais nichts getan hat? Niemand will einen Unschuldigen beschuldigen. Und niemand möchte jemanden ohne überzeugende Beweise beschuldigen.

Also entscheidet die Staatsanwaltschaft. Die vorläufige Festnahme wird nicht verlängert. Schließlich ist es nicht Nordahl Lelandais, der ihnen weiterhelfen wird. Und die IRCGN-Forensiker brauchen mehr Zeit, um den Beifahrersitz und den Kofferraum seines Autos zu analysieren. In diesem Job muss man sowohl Stratege als auch Taktiker sein. Für den Staatsanwalt ist das Motto das gleiche wie der hippokratische Eid für Ärzte: Primum non nocere. "Erstens nicht schaden." Vielleicht lebt Maëlys de Araujo noch, und wir dürfen sie in diesem Fall nicht in Gefahr bringen. Außerdem, „wenn er draußen ist, kann er für den Rest der Ermittlungen interessantere Dinge tun“, sagt sich Staatsanwalt Coquillat.

Aber das Foto von Nordahl Lelandais kursiert bereits auf allen Nachrichtenkanälen.

Zur gleichen Zeit telefonieren Jennifer und ihre beste Freundin. Das Gespräch geht in eine Endlosschleife. Am Telefon wiederholt Jennifer immer wieder: „Carole, es ist schrecklich. Carole, er hat es mir abgenommen. Er hat mir mein Baby genommen und er wird sie mir nicht zurückgeben."

* Name geändert

http://www.slate.fr/societe/la-petite-robe-blanche/episode-2-proces-nordahl-lelandais-meurtre-enlevement-maelys
Zitat von JamesRockfordJamesRockford schrieb:Die Übersetzung des Originaltextes erfolgte durch mich zusammenfassend mit Auslassungen und unter Einbeziehung sprachlicher Kreativität und auf Grundlage meiner Interpretation.



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9-Jährige verschwindet auf Hochzeit und wird ermordet

16.03.2022 um 05:46
Das kleine weiße Kleid [La petite robe blanche]


Übersetzung Teil 3 (1/2):

„Wir hatten diese vielleicht naive Hoffnung, Maëlys lebend zu finden“

Mitte Februar 2018 wird die Entdeckung eines roten Flecks im Auto von Nordahl Lelandais zu einem kleinen weißen Kleid in den Bergen führen. An den Mikrofonen der Journalisten muss die Staatsanwaltschaft verkünden: Das Warten hat ein Ende.

In Chambéry fällt ein leichter Nieselregen auf die Berge, als Yacin einen Anruf erhält. Nordahls Auto wurde von der Polizei beschlagnahmt, er weiß nicht, wie er nach Hause kommen soll. Yacin antwortet: "Ich bin fertig mit Essen und ich komme." Es ist Samstag, der 2. September 2017, seit einer Woche wird Maëlys de Araujo vermisst.

Vor der Gendarmerie von Grenoble umarmt Nordahl Lelandais Yacin. Er hat die Gesichtsfarbe von denen, die aus sechsunddreißig Stunden Polizeigewahrsam kommen. Nordahl versichert seinem Freund: Er sei dort völlig fehl am Platz. Hinter dem Steuer stimmt Yacin zu. Nordahl fragt: „Wurde die Kleine gefunden?“ Yacin schüttelt den Kopf. Der Rest der Fahrt verläuft schweigend. Sie gehen zu ein einem befreundeten Pärchen, Fabien und Coralie.

Aber zuerst machen sie Halt. Am Lac du Bourget macht Nordahl etwas Seltsames. Yacin vergaß es bei seiner ersten Aussage zu erwähnen. Bei seiner zweiten Aussage war es auch nicht präsent. Trotzdem wusste er, „es war vielleicht wichtig“. Coralie hatte es ihm gesagt, aber er war zu gestresst. Also ging er zurück zur Polizei. Seine dritte Aussage: Am Lac du Bourget holte Nordahl ein Handy heraus und fing an, mit einem Stein darauf zu schlagen. „Er hat immer wieder mit seinem Stein darauf geschlagen, nur der Telefonrahmen war übrig.“ Genervt nahm Yacin ihn und warf ihn ins Wasser: "Ist schon okay, vom Telefon ist nichts mehr übrig!" Nordahl wurde seinerseits wütend: "Warum hast du es nicht weggeworfen?" Yacin wird den Gendarmen den genauen Standort zeigen. Im Wasser fand niemand das Telefon oder was davon übrig war.

Nach dem Durchgang zum See finden sie sich im Wohnzimmer von Fabien und Coralie wieder. Nordahl schaut nicht auf den Fernsehbildschirm. Auf seinem Handy deaktiviert er sein Facebook-Konto. BFMTV hat bereits seinen Namen, sein Foto, das seines Elternhauses in Domessin gesendet. Fabien denkt laut: "Es wird schwer für dich, wenn sie die Kleine nicht finden..." Der Name Nordahl Lelandais ist ein Name, an den wir uns erinnern. Für Fabien, wenn ihn die Gendarmen aus dem Polizeigewahrsam entlassen, "weil er es nicht ist".

Coralie lässt Nordahl nicht aus den Augen. Sie gibt ihm, in ihren eigenen Worten, „ein Vorsprechen“. Warum wurde er in Gewahrsam genommen? Was hat er in dieser Nacht gemacht? Kann er ihnen seine Kratzer zeigen? Im Fernsehen nimmt das Foto der kleinen Maëlys den gesamten Bildschirm ein. Nordahl sieht immer noch nicht auf. Die Journalistin erzählt die Geschichte des Hochzeitsabends. Sie erzählt, dass der DJ die Musik stoppt, um das Verschwinden des Kindes mitzuteilen. Coralie fragt Nordahl: Was hast du damals gemacht? Nordahl antwortet: „Ich habe eine Zigarette geraucht.“

Coralie kennt Nordahl seit zwölf Jahren. Er erzählt oft Geschichten. Auch auf frischer Tat ertappt, rührt er sich nicht, „er hält an seiner Linie fest“, sagt sie. Jeder kennt diese Charaktereigenschaft bei Nordahl. Wie damals, als seine Freundin Anouchka einen Beutel Kokain in seiner Tasche fand und er ihr versicherte, dass es Doliprane sei. Bei jeder Lüge hat er „diesen Ton“, monoton und ruhig. Aber wenn Nordahl ein Lügner sein kann, ist er nicht nur das. Er sei auch „nett, lustig und beschützend“. Fabien selbst bemerkt: „Es kann jedem passieren, dass er einen weniger legitimen Freund in der Gruppe hat und die Augen davor schließt.“

Dafür sind auch die jahrelangen Freundschaften da. Um die Stirnfalten, eine Modulation in der Stimme oder einen Nervenkitzel zu entziffern. An diesem Samstag, dem 2. September 2017, beobachtet Coralie, wie Nordahl auf ihrem Sofa sitzt. Sie sieht nichts, aber nichts ist viel. Und etwas stimmt nicht. Nordahl hat diesen Reflex, „auf die Kinder zu achten“. Er trainierte seine Hunde Tyron und Câline auf die Suche nach Betäubungsmitteln, „insbesondere Cannabisharz“. Coralie, die Nordahl kennt, denkt, dass er, als der DJ die Musik stoppte, zu Tyron und Câline hätte gehen sollen, um bei der Suche nach dem Kind zu helfen. Er wäre sehr stolz gewesen, diese Seite von sich zu zeigen.

Nordahl verlässt ihr Zuhause und wendet sich an Fabien: „Wenn es etwas aus den Fugen gerät, kannst du deine Mutter um einen Anwalt bitten?“ Fabiens Mutter arbeitet mit Leuten vom Gerichtshof von Chambéry zusammen.

„Spontan wird er dir nicht die Wahrheit sagen“

In Pontoise arbeiten Kriminaltechniker des IRCGN Tag und Nacht am Audi A3 von Nordahl Lelandais. Sie schneiden den Schaum vom Beifahrersitz und vom Kofferraum in sehr kleine Stücke, bevor sie sie in Reagenzgläser füllen. Es folgt eine Untersuchung von elf Haarelementen, vier rötlichen Spuren und acht Abstrichen. Ein genetisches Profil entsteht nicht. Die Geruchsproben zeigen, dass das Auto mit leistungsstarken Produkten auf Basis von Pyrazin und Ethanol gewaschen wurde. Doch in der Nacht von Samstag auf Sonntag, den 3. September, um 4 Uhr morgens, gibt es ein Ergebnis.

Auf dem Zündknopf des Audi A3 wird eine Mischung aus zwei DNA entdeckt: die von Nordahl Lelandais und Maëlys de Araujo.

Um 7:25 Uhr stehen die Gendarmen vor der Tür von Nordahl Lelandais.

In Polizeigewahrsam behauptet er: Maëlys' DNA sei in seinem Auto nicht zu finden. Es ist unmöglich. Doch die Ermittler sind nicht sein Freundeskreis. Sie wiederholen die Frage. Wie kommt die DNA von Maëlys in seinen A3? Daraus entwickeln sich die Aussagen von Nordahl Lelandais: Am Abend der Hochzeit stiegen Maëlys und ein kleiner blonder Junge in sein Auto, um zu schauen, ob seine Hunde drin sind.

Staatsanwalt Jean-Yves Coquillat verdreht die Augen: "Nordahl Lelandais ist ein Lügner, ein Prahler, ein Verheimlicher, jemand, der sehr organisiert und sehr anpassungsfähig ist." Er resümiert: "Wenn man ihn befragt, wird er einem spontan nicht die Wahrheit sagen."
Fabien weiß, dass sein Freund Nono „die Geschichten auf seine Weise arrangieren kann“ … Aber die Entführung eines Kindes? In seinem Umfeld glaubt es niemand. Es ist absolut „unmöglich“. Manche sprechen das Wort so aus, „un-mög-lich“ [im-pos-si-ble], weil alle „vollkommenes Vertrauen zu ihm“ haben. Wenn sie in Schwierigkeiten sind, mit dem Auto liegengeblieben sind, ist Nordahl derjenige, den wir um 2 Uhr morgens anrufen. Als Davids Tochter geboren wurde, war Nordahl auf der Entbindungsstation. Sein Cousin Timothée* hat ihn als Patenonkel für seine älteste Tochter ausgesucht, weil er sein „Lieblingscousin“ ist. Das ist das Maß an Vertrauen, das sie ihm entgegenbringen. „Für mich ist er in dieser Affäre ein Fremder“, versichert Fabien den Ermittlern.

Keinen seiner Verwandten, mit Ausnahme seiner Familie im Besuchszimmer, wird Nordahl wiedersehen.

"Wie ist sie in diesem Auto gelandet?"

Warum sie das glaubten, können die Ermittler nicht sagen. „Wir hatten diese vielleicht naive Hoffnung, Maëlys lebend zu finden“, erzählt der Untersuchungsleiter Olivier Doudet. Aber als die Hoffnung schwand, trat etwas anderes an ihre Stelle: Kampfbereitschaft. „Das Fehlen einer Leiche ist meiner Erfahrung nach das schlimmste Szenario“, sagte Noël Gravier.

Am 17. Oktober 2017 überprüften die Ermittler Überwachungskameras in der Gegend. Die Aufgabe ist kolossal. Auf den Bildern des Rathauses von Pont-de-Beauvoisin sehen sie in der Nacht vom 26. auf den 27. August um 2:47 Uhr morgens ein graues Fahrzeug vorbeifahren. Ein Audi A3 mit den gleichen Merkmalen wie der von Nordahl Lelandais: gleicher Aufkleber auf der rechten Heckscheibe, fehlende Antenne, gleiche Felgen, gleiche defekte hintere Seitenverkleidung. Kamera 3, Kamera 2, Kamera 1. Beim Passieren der Bremsschwelle kurz nach der Brücke zeigt das Bild das Innere des Autos. Im Schatten ein Mann am Steuer und neben ihm auf dem Beifahrersitz eine weiße Gestalt. Zehn Soldaten schauen sich das Video stundenlang an. Zoom x10, erhöhte Leuchtkraft, Bereinigung der Auflösung. Die weiße Form ist eine kindliche Figur. Sie lehnt mit der rechten Seite an der Tür.

Noël Gravier, zuständig für die Verbindung zur Familie De Araujo, ruft Jennifer an. Sie geht mit Joachim in die Kanzlei ihres Anwalts Rajon, um sich das Video anzusehen. Es besteht kein Zweifel: Dies sind die letzten Bilder ihrer Tochter Maëlys. Der Sicherheitsgurt ist nicht angelegt. Maëlys hängt die ganze Zeit an ihm. Und diese Art, sich an die Tür zu drücken: Sie hat Angst. „Wie ist sie in diesem Auto gelandet?“, denkt Jennifer nach.

Aufzeichnungen des Videos werden kontinuierlich auf den Nachrichtenkanälen ausgestrahlt. Am Set von BFMTV argumentiert der Anwalt von Nordahl Lelandais, Me Alain Jakubowicz: „Es ist nicht wahr, dass wir ein Kind erkennen können“, dann: „Diese Silhouette ist nicht die eines kleinen Mädchens mit einem Kleid mit Rundhalsausschnitt, aber die eines Kleides mit eckigem Ausschnitt einer erwachsenen Frau. Am 20. Oktober 2017 erstattete er Anzeige wegen Verletzung der Geheimhaltungspflicht.

In diesem Punkt folgt der Staatsanwalt Jean-Yves Coquillat Herrn Jakubowicz. Er schaltete sofort die Polizei ein. In seinem Büro warnt ihn der Generaldirektor der nationalen Gendarmerie: "Sind Sie sich damit bewusst, dass Sie einen Atomkrieg beginnen?" Ja, Staatsanwalt Coquillat ist sich dessen durchaus bewusst. Er wird nicht nach den Schwachstellen fragen, um herauszufinden, wer von der Gendarmerie mit den Journalisten in Kontakt steht. "Es war ziemlich teuer für Philippe Courroye", sagte er. Er wird die Geheimhaltung journalistischer Quellen nicht gefährden und er wird keine Beweise haben, aber egal. Ein paar Anhörungen werden ihm genügen, um den Leaks in der Presse ein Ende zu bereiten.

Die Leaks haben aber bereits die Aufmerksamkeit der richtigen Personen erregt. Auch die Ermittler von Chambéry, weniger als eine Autostunde von Grenoble entfernt, verfolgen den Fall in der Presse. Ein Detail forderte sie heraus: der graue A3 von Nordahl Lelandais. Sie arbeiten an dem Verschwinden von Arthur Noyer, einem 23-jährigen Soldaten, einige Monate zuvor. Also gehen sie die Bilder von Überwachungskameras in der Innenstadt von Chambéry am Tag des Verschwindens von Arthur Noyer durch, in der Nacht vom 11. auf den 12. April 2017.

Auf diesen fällt ihnen ein grauer Audi A3 auf. Mit genau den gleichen Merkmalen wie der vom IRCGN beschlagnahmte Wagen. Nach der Überprüfung von Mobiltelefonen machten die Chambery-Ermittler eine Entdeckung: Das Telefon von Nordahl Lelandais befand sich zur gleichen Zeit am selben Ort wie das von Arthur Noyer. Nordahl Lelandais wurde kurz vor Weihnachten 2017 in Polizeigewahrsam vernommen und reagierte nicht auf die Vorwürfe.

Quelle: http://www.slate.fr/societe/la-petite-robe-blanche/episode-3-proces-nordahl-lelandais-meurtre-enlevement-maelys
Zitat von JamesRockfordJamesRockford schrieb:Die Übersetzung des Originaltextes erfolgte durch mich zusammenfassend mit Auslassungen und unter Einbeziehung sprachlicher Kreativität und auf Grundlage meiner Interpretation.



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9-Jährige verschwindet auf Hochzeit und wird ermordet

16.03.2022 um 15:35
@JamesRockford
Danke für die Übersetzung, sehr interessant und für nicht Französischsprachige gut zu lesen.
Finde ich toll das du dir die Mühe machst


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9-Jährige verschwindet auf Hochzeit und wird ermordet

17.03.2022 um 06:38
Das kleine weiße Kleid [La petite robe blanche]

Übersetzung Teil 3 (2/2)

"Es ist das erste Weihnachten ohne Maëlys", sagt Jennifer de Araujo. Ein Freund von Joachim „versucht ihnen die Hilfe zu leisten, die man von seinen Freunden erwarten kann“. Als er sie besucht, stellt er fest, dass Jennifer, Joachim und Colleen „alle drei in einem Zimmer“ leben. Dort schlafen sie zusammen. In diesem großen Haus hat sich das Leben auf vier Wände reduziert.

Zu diesem Zeitpunkt „wird ein Ereignis stattfinden“, sagt Oberstleutnant Emmanuel Pham-Hoai vom IRCGN.

Ende Januar 2018 sah sich Gaëlle Bardosse in ihrem Büro in Grenoble erneut Videos an. Auf dem Bildschirm beobachtet sie, wie Nordahl Lelandais sein Auto putzt. Die CCTV-Bilder wurden vor mehr als vier Monaten in der Waschstation von E.Leclerc in Pont-de-Beauvoisin aufgenommen. Der Untersuchungsrichter hat sie bereits gesichtet und weiß, dass Nordahl Lelandais am Tag nach dem Verschwinden von Maëlys de Araujo eine Stunde und vierundvierzig Minuten damit verbracht hat, seinen A3 zu schrubben.

Major Yannick Lefeur zitiert gerne diesen Satz von Edmond Locard: "Niemand kann mit der Intensität handeln, die kriminelles Handeln erfordert, ohne mehrere Spuren zu hinterlassen."Wie oft hat der Vater von drei Kindern an die Familie De Araujo gedacht? Er und die anderen Ermittler sind überzeugt: Nordahl Lelandais hat zwangsläufig etwas hinterlassen. Sie müssen alles versuchen.

Am 23. Januar 2018 griff die Untersuchungsrichterin Gaëlle Bardosse zu ihrem Handy. Sie sagt: „Er hat viel Wert auf die Vordertür, die Beifahrerseite und den Kofferraum gelegt.“ Nordahl Lelandais verbrachte, um genau zu sein, siebenundvierzig Minuten damit, den Kofferraum zu reinigen, und fünfundzwanzig Minuten für die Beifahrerseite mit Tüchern, Staubsauger, Spraydose, Spray und Bürste. „Sie ist die Dirigentin“, sagt Oberstleutnant Emmanuel Pham-Hoai vom IRCGN. Die Untersuchungsrichterin fordert weitere Analysen zum Audi. Du musst es entbeinen. Innerhalb des Teams hat bereits ein Gendarm im Automobilbereich gearbeitet. Er findet heraus, wie man das Fahrzeug fachgerecht zerlegt, ohne die Spuren zu zerstören.

Die forensischen Identifizierungstechniker teilen den Kofferraum dann in vier Abschnitte. Als sie die Spur finden, ist Emmanuel Pham-Hoai anwesend. Auf einem kleinen Metallteil, unter der Verkleidung auf der rechten Seite: ein roter Fleck. Winzig, mit bloßem Auge kaum sichtbar, wie eine Nadel im Heuhaufen. Es könnte verblasst oder unbemerkt geblieben sein. Aber der Mikroblutfleck trotzte der Zeit. Und er stammt von Maëlys de Araujo.

„Dieses arme kleine Mädchen, ich habe sie aus Versehen getötet“

An den Freunden von Nordahl Lelandais nagt allmählich der Zweifel. „Vielleicht, denkt Fabien, war es ein Unfall. Dass er auf der Party getrunken hatte, Drogen genommen hatte … Er hat sein Auto zurückgefahren und ist in Panik davongefahren und hat den Kleinen verschwinden lassen.

Am 13. Februar 2018 rief RA Jakubowicz die Ermittlungsrichterin Gaëlle Bardosse an. Ihre Sekretärin sagt ihm, dass sie im Urlaub ist. Der Anwalt von Nordahl Lelandais schüttelt den Kopf: „Dann soll sie zurückkommen. Und zwar sofort." Am nächsten Tag, dem Valentinstag, sitzt der Anwalt neben seinem Mandanten in dem kleinen Nebenzimmer des Richterbüros. Alain Jakubowicz wendet sich dann an Nordahl Lelandais.
– Erinnerst du dich, was du gestern zu mir gesagt hast? Wirst du reden?
– Ja, versichert Nordahl.

Vor dem Untersuchungsrichter erzählt Nordahl Lelandais unter Tränen: "Dieses arme kleine Mädchen, ich habe sie aus Versehen getötet." Er ist jetzt bereit zu helfen. Er wird ihnen sagen, wo die Leiche ist. An den genauen Ort kann er sich nicht mehr erinnern. Er erinnert sich an ein Haus links, einen Picknicktisch und ein Tor. Nordahl hatte einen kleinen Pfad genommen, der in den Wald führte, und dort hatte er die Leiche abgelegt. Sofort wird der Transport zum Einsatzort organisiert. Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer.
Colleen, die große Schwester von Maëlys, erfährt, dass alle auf dem Weg in das Chartreuse-Massiv sind, und schließt sich im Badezimmer ein.

Auf den Höhen der Kleinstadt Attignat-Oncin warten Journalisten im Schnee. Einige kamen aus Paris, sie haben kein richtiges Schuhwerk. Hinter der Absperrung der Gendarmerie sehen sie den Schneepflug rollen. Stunden vergehen und nichts passiert. Die Spürhunde kommen.

Staatsanwalt Jean-Yves Coquillat fährt im Geländewagen der Gendarmerie nach Pont-de-Beauvoisin. Die Presse soll sich an einem warmen Ort versammeln, sagte er. Sie warteten den ganzen Tag im Schnee. In der Dunkelheit des Berges hört Jean-Yves Coquillat sein Telefon klingeln. Am anderen Ende der Leitung sagt ihm eine Stimme, dass es vorbei ist. Wie soll man sich in so einem Moment fühlen? Der Staatsanwalt kann nicht sagen, dass er zufrieden ist, nein. Aber irgendwo ist es "eine Form der Erleichterung".

Im Badezimmer ist Colleen immer noch eingesperrt. Sie will nicht ausgehen. Wenn sie rausgeht, muss sie es hören. Schließlich öffnet sie die Tür. Sie hört: „Wir haben sie gefunden!“ und Colleen kann nicht anders, als „diese verrückte Hoffnung“ zu haben. Sie fragt: „Lebend?“
Als ihn das Polizeiauto vor dem Rathaus absetzt, wird Jean-Yves Coquillat vom Bürgermeister von Pont-de-Beauvoisin empfangen. Er lässt sie wissen: „Ich muss mich für ein paar Momente konzentrieren.“ Der Bürgermeister stellt ihm sein Büro zur Verfügung. Jean-Yves Coquillat bittet darum, allein zu sein. Er fühlt sich „von Emotionen überwältigt“ und will das nicht zeigen. Einen Moment lang versucht er, seine Gedanken zu sammeln. Er wirft ein paar Sätze auf das Papier. Dann steht er auf und geht zur Tür hinaus.

Im provisorischen Presseraum warten Journalisten mit nassen Füßen. Jean-Yves Coquillat glaubt, jemanden weinen zu sehen. Es herrscht Totenstille. Angesichts des Schwarms von Mikrofonen auf dem Tisch beginnt der Staatsanwalt von Grenoble:
"Meine Damen und Herren. Meine ersten Worte heute Abend werden für Maëlys' Eltern sein. Bis heute Nacht waren sie in der schlimmsten Situation. Unwissend, was aus ihrem Kind geworden war. Und heute Nacht sind sie nicht länger in Unwissenheit. Heute Nacht wissen sie, dass ihre Tochter tot ist. Dass sie getötet wurde."

„Sechs Monate Folter“

Bei Einbruch der Dunkelheit fanden die Hunde unterhalb des Pissoire-Wasserfalls das kleine weiße Kleid von Maëlys de Araujo. Dort, 756 Meter über dem Meeresspiegel und 17 Kilometer vom Rathaus von Pont-de-Beauvoisin entfernt, sind die Knochen des Kindes in einer kleinen Felshöhle in Erde und Eis eingefroren. Nicht weit vom Körper liegt eine Sommersandale im Schnee.

Sechs Wochen später, am 29. März 2018, gestand Nordahl Lelandais, auch Arthur Noyer „fahrlässig“ getötet zu haben. Lange habe Fabien an „eine Faktenkette glauben wollen, in der sich [Nordahl] verheddert hat“. Bis zum Geständnis des Mordes an Arthur Noyer. „Es verändert alles“, gibt Fabien zu.

Die These vom Unfall brach zusammen. Darüber hinaus waren die Ähnlichkeiten zwischen den beiden Fällen zahlreich: der Zeitpunkt der Ereignisse (3 Uhr morgens), der durch Schläge ins Gesicht verursachte Tod, die im Kofferraum blutenden Opfer, das Telefon in den Flugzeugmodus versetzt und die Leichen, die in den Berge, mitten in der Natur, verbracht wurden.

Vor dem Schwurgericht Isère tritt Colleen de Araujo in den Zeugenstand. Da keine Aussage jemals lang genug sein wird, um zu sagen, was es heißt, „die Schwester der kleinen Maëlys“ zu sein, ist ihre Rede trocken und schnell. Colleen erzählt Kindheitsgeschichten, Sommer, in denen sie Eltern davon überzeugte, Vögel zu kaufen, und von Weihnachten. Sie erzählt von den sechs Monaten des Wartens, bevor sie die Leiche ihrer kleinen Schwester fand, „sechs Monate der Folter“, in der eine Trauer unmöglich war. Sie hat so viele Fragen, es sind alles nur Fragen. Was waren die letzten Worte von Maëlys, bevor sie diese Erde verließ, und was ist mit dem Mut der Menschen? Sie sagt einfach: „Ich fühle mich allein. Wirklich allein."

Aber in dieser Nacht, fast auf den Tag genau vier Jahre nach dem Öffnen der Badezimmertür, ist Colleen nicht ganz allein. Die Öffentlichkeit, Anwälte und Journalisten stehen hinter ihr. Sie blickt kurz ins Schwurgericht: "Darf ich Sie etwas fragen, Frau Präsidentin?" Sie wartet nicht wirklich auf die Antwort, denn es ist nicht die Antwort, die sie interessiert. Sie möchte Nordahl Lelandais nur eine Frage stellen. Auf der Anklagebank steht er auf. Als 16 ½-jähriges Mädchen schaut ihm Colleen de Araujo in die Augen und fragt: "Haben Sie meine Schwester vergewaltigt?"

Quelle: http://www.slate.fr/societe/la-petite-robe-blanche/episode-3-proces-nordahl-lelandais-meurtre-enlevement-maelys


Die Übersetzung des Originaltextes erfolgte durch mich zusammenfassend mit Auslassungen und unter Einbeziehung sprachlicher Kreativität und auf Grundlage meiner Interpretation.


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9-Jährige verschwindet auf Hochzeit und wird ermordet

18.03.2022 um 06:54
Das kleine weiße Kleid [La petite robe blanche]

Übersetzung Teil 4


„Da haben sie uns gesagt, dass es ein zweites Video gibt“

[Folge 4] Im Februar 2018 gesteht Nordahl Lelandais den Mord an der kleinen Maëlys. Einige Monate später erhalten sein Cousin und seine Cousine Anrufe und erfahren, wer der Pate und Onkel ihrer Kinder wirklich war.

Im Untersuchungsgefängnis Saint-Quentin-Fallavier nimmt Nordahl Lelandais seinen Kopf in die Hände. Der erfahrene Psychiater François Danet sieht ihn schweigend an. "Armes kleines Kind, das nichts getan hat", haucht Nordahl. Und er fährt fort: „Es kann kein normaler Typ sein, der so etwas tut. Ich bin es nicht. Ich liebe Kinder und Tiere, Menschen und Natur."

Niemand will ihm einen Orden verleihen, aber zunächst einmal stimmt, dass Nordahl Lelandais wusste, wie man mit Kindern umgeht. Die Großcousinen riefen ständig „Tonton! Onkel!" sobald er durch die Tür kam. Und jedes Mal stand Nordahl auf, um mit ihnen zu spielen. „Es gab nie ein Nein.“, gibt Lucille* zu. Lucille* ist die Lebensgefährtin von Timothée*. Mütterlicherseits hat Nordahl Lelandais viele Cousins, aber Timothée und dessen Schwester Clara* stehen ihm besonders nahe. Insgesamt haben sie fünf Kinder. Als Nordahl im Februar 2018 den Mord an Maëlys gestand, glaubten Clara und Timothée es nicht. "Es ist nicht möglich. Das kann nicht sein." Natürlich hatten Timothée und Clara die Explosion gehört, aber die Schockwelle kam erst danach.

Vier Monate später, im Juni 2018, gab es einen Anruf.

Dem Untersuchungsrichter und den Ermittlern der Forschungsabteilung von Grenoble war es gelungen, ein Geständnis von Nordahl Lelandais zu erwirken und die Leiche von Maëlys De Araujo zu finden. Der Tod des Kindes hatte einen anderen Fall gelöst, den von Arthur Noyer. Die Gendarmen hatten deshalb die Ariane-Ermittlungskommission geschaffen, in der sieben Beamte hunderte von ungelösten Akten auf mögliche Verbindungen zu Nordahl Lelandais überprüfen. Sechs Monate lang war dies mehr als nur ein Job. Und es ist noch lange nicht vorbei. Bei der Untersuchung der Fakten über Maëlys De Araujo war eine Frage offen: "Warum?" Nun mussten sie das Motiv herausfinden.

Wenn er sich dazu erklären sollte, hatte Nordahl Lelandais diese Antwort: „Ich werde mich später äußern.“ Es war ein Refrain geworden. Er berief sich seinerseits auf seine Ängste, seinen Krankenhausaufenthalt in der Psychiatrie kurz nach seinem Geständnis, sein Recht zu schweigen und die exzessive Medienberichterstattung, die auf den Fernsehern jeder Haftzelle widerhallte. „In diesem Fall kann man nach spontanen Aussagen suchen, es gab keine“, sagte Staatsanwalt Jean-Yves Coquillat.

„Teenager“, „Junge Teenager“, „Kleines Mädchen“

Einen Monat nach der Entdeckung von Maëlys' Leiche war Nordahl Lelandais bereit zu sprechen. Seine Version beschränkte sich auf wenige Zeilen: Am 26. August 2017, während des Hochzeitsabends, bat Maëlys ihn, zu seinen Hunden zu gehen. Sie sagte ihm, dass ihre Mutter zustimmte. Deshalb ließ er sie in seinen Audi A3 steigen und steuerte sein Haus in Domessin an. Er stellte sein Telefon auf Flugmodus, weil er beabsichtigte, diese Fahrt zu nutzen, um Kokain zu besorgen. Damals drehte sich sein Leben stark um Alkohol und Kokain. Kurz nach ihrer Abfahrt vom Parkplatz des Gemeindehauses habe die Kleine angefangen zu „wimmern“, er habe nicht verstanden, warum. Dann hatte er Arthur Noyers Gesicht gesehen.

Er bekam Angst und schlug ihr ins Gesicht, um sie zum Schweigen zu bringen. Er hatte dem Kind den Puls gemessen. Sie war tot. Er hatte ihren Leichnam in einem Schuppen deponiert, bevor er zur Hochzeit zurückkehrte. Später in dieser Nacht holte er die Leiche, fuhr dann "benommen" ohne bestimmtes Ziel und landete in einem Wald. Im Schein seiner Autoscheinwerfer hatte er das kleine Mädchen unter einen Weg gelegt.

Staatsanwalt Jean-Yves Coquillat hatte an bemerkenswerten Fällen gearbeitet: der Fall Romand und der Fall der kleinen Fiona gehören dazu. Aber das hier ist wieder was anderes. „Menschen, die das Offensichtliche leugnen, das passiert, es ist nicht außergewöhnlich. Aber wenn man jahrelang mit dem Leid einer Familie konfrontiert ist, muss es schrecklich sein, wenn man einen Tod auf dem Gewissen hat“, sagte er, bevor er hinzufügte: „Man muss ein Gewissen haben.“ Nordahl Lelandais hatte alles getan, um die Entdeckung der kleinen Maëlys hinauszuzögern. Er hatte die Jahreszeiten, den Regen und die Tiere vorbeiziehen lassen. „Es ist offensichtlich, dass wir wenig Chancen hatten, interessante Dinge zu finden, wenn wir die Leiche Monate später finden“, bemerkt Jean-Yves Coquillat. Aus seiner Sicht seien „der Angeklagte und sein Anwalt hervorragende Pokerspieler“.

Wir mussten verstehen, warum. Am Ende, wenn wir die Tausende von Seiten mit Protokollen, Telefonabhörungen, Computerauswertungen, toxikologischem und anthropomorphologischem Fachwissen entfernen, sind die Fakten in wenigen Worten zu finden. Als Fabien gefragt wird, warum er glaubt, dass sein Freund Nordahl Lelandais lügt, was sein Beweis ist, antwortet er: «Man nimmt kein kleines Mädchen um 3 Uhr morgens von einer Hochzeit mit, um ihr die Hunde zu zeigen, ohne es den Eltern zu sagen.» Niemand kann es glauben. „Er hat weder Kopf noch Schwanz“, ärgert sich Staatsanwalt Coquillat.

Die Ermittler hatten bei ihrer Durchsuchung der Wohnung von Nordahl Lelandais alles beschlagnahmt: Kleidung, Computer und Handys. Forensische Ermittlungen sind immer noch der beste Weg, um in die Gedanken einer Person einzudringen. So wussten sie dank der Nutzung des Telefons von Nordahl Lelandais, dass er um 17:39 Uhr bei der Hochzeitsfeier eingetroffen war und um 17:40 Uhr eine pornografische Seite konsultiert hatte. Tatsächlich verbrachte er mehrere Stunden am Tag damit, pornografische Seiten zu durchstöbern, am frühen Morgen und mitten in der Nacht. Durch Notieren der Metadaten seiner Geräte wird die Liste der Schlüsselwörter angezeigt. Mehrere meldeten sich zurück: „Teen“, „Young Teens“, „Little Girl“, sogar am Sonntag, den 27. August 2017. Die Ermittler waren auch sein Instagram-Account durchgegangen: Nordahl Lelandais hatte einundvierzig Profile von „jungen Mädchen“ abonniert. Knappe Sportklamotten, Bikinis, anzügliche Posen. Einige von ihnen waren vorpubertäre Kinder.

Nordahl Lelandais verwendete eine App auf seinen iPhones, um Fotos, Videos und Dokumente zu verstecken und zu verschlüsseln. Fast alle Dateien waren "pornografisch". Ein Foto wurde in der Interpol-Datenbank als kinderpornografisches Bild gelistet. Vor allem aber hatten die Ermittler etwas herausgefunden: Nordahl Lelandais hatte in der Nacht des Verschwindens von Maëlys De Araujo Hunderte von Fotos und Videos gelöscht, die zwischen Juni und August 2017 aufgenommen wurden.

„Wir haben getan, was getan werden musste“

Im Juni 2018 waren Clara und ihr Ehepartner die ersten, die angerufen wurden. Vorladung zur Polizei. Sie wurden zunächst getrennt gehört. Dann zeigten man ihnen Fotos. Dort erkannten sie den Slip, den rosa Frottee-Pyjama und die Laken mit der Schneekönigin. Bilder, die niemals verblassen. Clara hat sie „immer noch im Kopf“. Marie* war damals 6 Jahre alt. Das Video wurde am 20. August 2017 um 1:59 Uhr mit dem iPhone 6s von Nordahl Lelandais gedreht, bevor es auf sein iPhone 4S per WhatsApp gesendet wurde. Es dauerte zwei Minuten und fünfundfünfzig Sekunden. Clara weint: „Ich hätte sie so gerne beschützt. Das hätte nicht passieren dürfen. Ich war da. Zwei Meter entfernt."

Eine Woche vor dem Verschwinden von Maëlys hatte Clara ihre Tante besucht. Christiane Lelandais hatte sie, ihren Ehepartner und ihre drei Kinder eingeladen, im August eine Woche zu kommen. Die Einladung sei willkommen gewesen, „weil es finanziell eng war“. Im Urlaub hatten sie die Höhle des Bärenmuseums besucht, Spaziergänge gemacht und Fondue gegessen, die Abende unter dem Sternenhimmel auf der Terrasse verbracht, wenn die Kinder im Bett waren. Nordahl brachte zu diesem Anlass gerne eine seiner Flaschen mit Rum heraus. Außer am letzten Tag. Am 20. August waren sie „notwendigerweise früh“ ins Bett gegangen: Es lagen mehrere Stunden Fahrt im ihrem alten x10 vor ihnen, und dies vorwiegend auf Nationalstraßen.

Clara und ihr Mann hatten weder etwas gesehen noch gehört. Der Kleine war nicht aufgewacht. „Wir haben getan, was getan werden musste. Wir gingen zu Psychologen“, erklärt Claras Ehepartner. Marie, sie erinnert sich an nichts.

Nordahl Lelandais gestand seiner Mutter Christiane, die ihn im Besuchszimmer besuchte, alles. Ja, das hat er. Während sie alle auf der Terrasse waren, war Clara kalt geworden, und Christiane hatte Nordahl gesagt, er solle ihr eine Jacke von oben holen, erinnerte sie sich daran? Ja, es stimmt, „es war kalt, selbst im August sind die Abende kühl“. Nordahl war ins Schlafzimmer gegangen, um das Kleidungsstück zu holen. Er hatte das schlafende Kind gesehen. Er hatte tatsächlich gefilmt. Er wollte sie nicht verletzen. Sie hat geschlafen. „Das kann ich einem wachen kleinen Mädchen nicht antun“, schwor er später.

Im Oktober 2018 gab es den zweiten Aufruf. Lucille und Timothée wussten natürlich von dem Video. Timothée und Clara sind Zwillinge, sie standen sich sehr nahe, sie hatten alle miteinander darüber gesprochen. Aus Sicherheitsgründen waren sie mit ihren eigenen Töchtern zu Psychologen gegangen. Bei den Kleinen gab es nichts zu berichten. Es war nichts passiert, es ging ihnen gut. Auch wenn ihr Alltag mit kleinen Lügen übersät war. Ihre Tochter Émilie* war die Patentochter von Nordahl Lelandais, „sie hatte nur Augen für ihn“. Er kümmerte sich um sie, manchmal den ganzen Nachmittag. Wenn er zu Besuch war, holte er sie von der Schule ab. Seit seiner Inhaftierung wiederholte Émilie immer wieder: „Ich möchte meinen Patenonkel sehen, ich vermisse ihn.“ Aber wie erklärt man das alles einem Kind? Lucille hat also gelogen. Der Pate hat sein Leben verändert, der Pate ist ins Ausland gegangen. Nein, er hat keine Telefonnummer hinterlassen.

Als Lucille an diesem Herbstabend von der Arbeit nach Hause kommt, wird sie von einem Polizisten auf ihrem Handy kontaktiert. „Da haben sie uns gesagt, dass es ein zweites Video gibt“, sagte sie.

„Aber warum hat er mir das angetan? Ich liebe ihn."

In seinem Büro lässt ihnen der Gendarm die Wahl zwischen Video oder Fotos. Lucille und Timothée lehnen das Video ab. Sie wissen genau, was es enthält. „Das ist der Körper unseres Kindes…“, haucht Lucille. Nordahl kam im Juli 2017 zu ihnen. Er schlief die erste Nacht auf einer Luftmatratze in Emilies Zimmer, seiner Patentochter. Am nächsten Tag ging Emilies große Schwester in ein Pfadfinderlager und hatte ihm deshalb ihr Zimmer überlassen. Das Video datiert von der Nacht vom 10. auf den 11. Juli um 00:11 Uhr. Es dauerte fünfundfünfzig Sekunden. Auf den Bildern erkennen Lucille und Timothée das orangefarbene Höschen. Emily war 4 Jahre alt.
Die Präsidentin des Schwurgerichts von Isère, Valérie Blain, wendet sich plötzlich der Box des Angeklagten zu:

– Waren Sie zum Zeitpunkt der Ereignisse der gute Onkel?
– Frau Präsidentin, es gibt mich nur einmal. Das bin ich, antwortet Nordahl Lelandais hinter der Glaswand.
– Gibt es ein anderes Ich, ein verstecktes Ich?
- Ich glaube schon.

Dann gab es noch die gynäkologischen Untersuchungen. Lucille ließ ihre Tochter Émilie glauben, dass jeder solche Untersuchungen machen lassen muss. „Sie hat mich mit ihren großen Augen angeschaut, weil sie nicht verstanden hat …“, sagt Lucille mit zugeschnürter Kehle. An der Bar bricht sie in Tränen aus: "Wir sind Experten darin geworden, unser Kind anzulügen."

Woher kommt das berühmte „Du hast das Recht zu schweigen“?

Drei Wochen vor dem Prozess beschloss Lucille, Émilie die Wahrheit zu sagen. Sie war jetzt größer, aber tief im Inneren sind manche Dinge mit 8 nicht besser verständlich als mit 4. Lucille erklärte ihr, dass er bestimmte Teile ihres Körpers gefilmt, Teile ihres Körpers berührt hatte und dass es verboten war. „Aber warum hat er mir das angetan? Ich liebe ihn. Ich möchte ihn ein letztes Mal sehen“, bat Émilie. Es ist besser, ihn zu vergessen, antwortete seine Mutter. Er wird nicht zurückkommen. Sie hatte in ihren Augen gesehen, dass sie begriff.

Clara sprach eine Woche vor dem Prozess vor dem Schwurgericht Isère mit ihrer Tochter Marie darüber: „Wir gehen nach Grenoble, weißt Du warum?“ Marie weinte nicht. Sie sagte einfach nichts. Ihre Mutter bestand darauf, „Wenn du mit mir oder Papa darüber reden willst, wenn du irgendwelche Fragen hast …“, und Marie verschränkte die Arme. "Nein. Ich will nicht mehr darüber reden." Bevor sie ihrer besorgten Mutter erklärt: „Weißt du, es ist peinlich in meinem Alter…“ Marie hat gerade ihren 11. Geburtstag gefeiert.

„Ich bin schon lange krank“

So schmerzhaft es auch war, ihre Familie wusste, was mit der Tochter passiert war. Dies war bei der Familie von Maëlys nicht der Fall. „Wir kennen die Wahrheit, aber sie nicht“, bemerkt Lucille.

Im Untersuchungsgefängnis Saint-Quentin-Fallavier wird Nordahl Lelandais in seiner Zelle isoliert. Er hat nicht mehr viele Leute, die er anrufen kann. Nur seine Mutter Christiane geht ans Telefon.

- Mama, denkst du, ich bin krank? Glaubst Du, was die Psychiater sagen?
– Ja, du bist krank, antwortet Christiane. Aber seit wann?
– Naja, Mama, schon lange... Ich bin schon lange krank.

An der Leitung hört ein Gendarm aufmerksam dem Gespräch zu und schreibt mit.

*Namen wurden geändert.

http://www.slate.fr/societe/la-petite-robe-blanche/episode-4-proces-nordahl-lelandais-meurtre-enlevement-maelys

Die Übersetzung des Originaltextes erfolgte durch mich zusammenfassend mit Auslassungen und unter Einbeziehung sprachlicher Kreativität und auf Grundlage meiner Interpretation.


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9-Jährige verschwindet auf Hochzeit und wird ermordet

19.03.2022 um 13:12
Das kleine weiße Kleid [La petite robe blanche]

Übersetzung Teil 5: «Du vergewaltigst nicht aus Versehen. Es ist klar, dass er uns nicht alles sagt.“
[Épisode 5] Vor dem Gericht scheinen einige Tränen von Nordahl Lelandais aufrichtig zu sein. Aber für die Experten besteht kein Zweifel daran, dass Nordahl ein Psychopath ist. Er sei sogar „ein Archetyp“.

Während der Untersuchung wurden alle Nachrichten aus dem Umfeld von Nordahl Lelandais abgehört. Hunderte Stunden Telefongespräche wurden analysiert und anschließend protokolliert. Telefonabhörung vom 16. Oktober 2017 zwischen Nordahl Lelandais und seiner Partnerin Anouchka:
– Du zweifelst nicht an mir, Süße?, fragt Nordahl.
– Nun, ich weiß nicht mehr, was ich denken soll, seufzt Anouchka.
– Ich auch, sie machen mich wahnsinnig mit diesen Geschichten! Es ist absurd. Es ist verrückt. Es ist total krank! Du kannst dir nicht vorstellen, in welchem Zustand mein Gehirn ist … Sie müssen weitermachen, Lösungen finden oder die Kleine finden.

In Nordahls Stimme lag ein Ton der Aufrichtigkeit, der selbst die Überzeugtesten an seiner Schuld zweifeln ließ. Der frühere Staatsanwalt Jean-Yves Coquillat – jetzt im Ruhestand – erinnert sich an den Tag, als ihm ein Journalist von Le Monde sagte: „Ich habe Zweifel.“ Er verwendete sogar den Begriff „Alarm“: „Ich wurde von einem Journalisten von Le Monde alarmiert.“ Die von Nordahl Lelandais entwickelten Nebelwände begannen zu wirken. Und die Meinung der Journalisten lief früher oder später Gefahr, die der öffentlichen Meinung zu werden. Aber „wir waren von Anfang an sicher“, sagt Jean-Yves Coquillat. „Was die Staatsanwaltschaft dachte, und was ich immer noch denke, dass Nordahl Lelandais Maëlys entführt hat, um sie zu vergewaltigen und zu töten.“
Was Männer tun und was sie sind.

Jean-Yves Coquillat präzisiert: „Zumal der Angeklagte ein Pädophiler ist. Denn wenn wir uns dabei filmen, wie wir das Geschlecht sehr kleiner Kinder berühren, sind wir Pädophile. Nordahl Lelandais behauptete lange Zeit, dass er sich „zum Sex“, anatomisch, und nicht „für kleine Mädchen“ hingezogen fühlte. Vor dem Untersuchungsrichter hatte er sich wörtlich so geäußert: „Ich habe damals viel Alkohol und Drogen konsumiert und dabei nicht wirklich zwischen Frau und Kind unterschieden …“

Die Untersuchungen zeigten tendenziell das Gegenteil, und in der zweiten Verhandlungswoche beschloss das Gericht, die Videos der sexuellen Übergriffe von Nordahl Lelandais auf seine Großcousinen Marie* und Émilie* auf die große Leinwand zu projizieren. . Geschworene, Fachleute und Mitglieder der Öffentlichkeit würden erkennen, dass „Kriminalität kein Konzept ist“, wie es Generalanwalt Jacques Dallest ausdrückte. Keine Nebelwand konnte der Ausstrahlung dieser fünfundfünfzig Sekunden und zwei Minuten langen Videos widerstehen. Auf die Frage von RA Crespin, dem Anwalt von Kinderschutzverbänden: "Geben Sie zu, dass Sie pädophile Neigungen hatten?", stimmt Nordahl Lelandais zu. "Jawohl."

„Alles, was er beschreibt, hat keinen psychiatrischen Zusammenhang“

Staatsanwalt Coquillat fährt mit seiner Präsentation fort. Lelandais wegen Mordes – also wegen vorsätzlichen Mordes – und/oder wegen Vergewaltigung strafrechtlich zu verfolgen, ist möglich, aber nicht einfach: „Wir hätten die größten Schwierigkeiten gehabt, es zu etablieren und aufrechtzuerhalten. Wenn wir Teilfreisprüche haben, schwächen wir den ganzen Fall.“ Keine Geständnisse, ein Körper, von dem nur noch Knochen übrig waren, und sehr beschädigte Kleidung: Die Vergewaltigung, falls sie stattgefunden hatte, konnte nicht nachgewiesen werden. Kurz gesagt: „Es ist einfacher, etwas zu verfolgen, das bereits fest steht.“

Als das forensische Gutachten 2018 in die Akte aufgenommen wurde, hat Nordahl Lelandais einen Brief an den Ermittlungsrichter geschrieben. Die Untersuchung der Knochen von Maëlys ergaben einen Bruch der der Nase und der linken Augenhöhle sowie zwei Brüche des Unterkiefers. Die Todesursache konnte nur hypothetisch sein: Das Opfer war entweder einem Schädel- oder Wirbelsäulentrauma oder einer Blutung oder einer Erstickung nach einer „Verstopfung der Atemwege infolge der Knochenläsionen“ erlegen, was bedeutet, dass sie erstickt ist. Die Version des Angeklagten sei mit den Erkenntnissen der Gutachter „nicht kompatibel“ oder zumindest „unwahrscheinlich“. Mit Schreiben vom 6. September 2018 wollte Nordahl Lelandais daher seine Aussagen überdenken. Er hatte der Kleinen keine einzige Ohrfeige versetzt, sondern drei, vier Schläge, schrieb er. Er hatte sie vor der Rückkehr zur Hochzeit auch nicht in einem Schuppen abgesetzt, sondern in der Nähe eines Eisenbahngleises.

Ansonsten behauptete er: Im Auto hätten sie über die Hunde gesprochen und über sein Auto. Es folgte ein „langes Schweigen“. Dann hatte Maëlys angefangen zu "wimmern". Als er sich ihr zuwandte, habe er das Gesicht von Corporal Arthur Noyer gesehen, den er einige Monate zuvor getötet hatte. „Sobald wir einen Menschen getötet haben, aus welchen Gründen auch immer, leben wir nicht mehr wie zuvor“, wird er später versichern. Dann erschrak er und schlug dem Kind heftig ins Gesicht. Die Schläge seien «auf Höhe des Hyper U» erfolgt, also nach Berechnungen der Untersuchung drei Minuten nach Verlassen des Parkplatzes des Gemeindehauses von Pont-de-Beauvoisin. Was folgte, sei eine Welle der Panik gewesen. Als er dem Mädchen den Puls gemessen habe, als er herumgefahren, sei und nach einem Ort gesucht habe, an dem er die Leiche ablegen konnte, als er sein Handy ausgeschaltet habe, als er allein in den Festsaal zurückgekehrt sei. Eine "anhaltende Panik", in einer Art "unwirklichen Zustand".

„Alles, was er beschreibt, hat keinen psychiatrischen Zusammenhang“, warnt der Psychiater Paul Bensussan. Vor Gericht erklärt der Arzt: Das psychotische Verbrechen existiert, genau wie Angst, Schläge und Panik, aber "eine Person, die so gehandelt hätte, wäre ausgezehrt, niedergeschlagen". Ein dissoziativer Zustand, fügt Arzt Patrick Blachère hinzu, „wenn es einem passiert, ist man verloren. Das Gehirn hat eine Fehlfunktion“. Bei Nordahl Lelandais ruft nichts Panik hervor: „Wir beobachten eine perfekte Anpassung des Verhaltens kurz vor und kurz nach der Tat.“

„Seine Gesprächsthemen waren Hunde, Hunde, Hunde“

Als er am 3. September 2017 in Haft kam, sagte Nordahl Lelandais, er sei zwischen „Leugnung, Scham und Lügen“ gefangen gewesen. Es war kompliziert. Er konnte es sich nicht erklären. Vor dem Schwurgericht Isère atmet er oft kurz durch, bevor er die Fragen mit einer weiteren Frage beantwortet: "Wie soll ich das erklären?" Kein Wort scheint einfach genug zu sein, um zu beschreiben, was ihn bewegt und was ihn umgibt.

In Wirklichkeit sagt Nordahl Lelandais „nichts über Auslöser aus“. Ob es seine Kindheit, die Auswirkungen von Kokain oder die Erkrankung seines Vaters mit Fibromyalgie ist, der in seinem Krankenbett im Erdgeschoss des Hauses in Domessin leidet, Nordahl Lelandais spricht in außergewöhnlicher Weise nicht über die Auswirkungen auf seine Geschichte“, stellt der erfahrene Psychiater François Danet fest. Außer über seine Hunde zu sprechen. Über Hunde im Allgemeinen und seine Malinois im Besonderen kann er stundenlang reden.

In seiner Aussage wies sein Freund David die Ermittler darauf hin, dass „seine Gesprächsthemen Hunde, Hunde, Hunde“ waren. Die erfahrene Psychologin Magali Ravit sieht im Malinois „einen großen Hund, sehr phallisch, mächtiger als Jean-Paul Belmondos Hundchen“. Aber bei Nordahl Lelandais geht die Liebe zu Hunden über die Männlichkeit hinaus. Er findet sie „intelligenter als ein Mensch“ und hebt im Laufe des Gesprächs Gemeinsamkeiten mit dem Tier hervor. „Ich habe Orientierungssinn, einen sehr guten Instinkt und einen sehr guten Geruchssinn“, versichert er dem Psychologen Raphaël Loiselot. Aber während Hunde dich „die ganze Zeit bedingungslos lieben“, beobachtet der Experte, „ist das eine Stärke, die er nicht hat.“

Nordahl Lelandais ist untypisch.

Was es in den Augen von Experten und Ermittlern untypisch macht, ist nicht die Zahl der Opfer oder der Horror der Fakten, denn „es gibt immer Schlimmeres“. Es ist auch nicht die Freude, die er gehabt haben könnte, Leid zu verursachen, weil „wir davon nichts wissen“. Nein, was ihn so besonders macht, ist seine „erstaunliche Anpassungsfähigkeit“. Seine „Fähigkeit, auf seinen Füßen zu landen“. Diese "außergewöhnliche Fähigkeit, seine Emotionen in Echtzeit zu verbergen, die nur Psychopathie auf extremem Niveau zulässt".
'Mangel an Empathie'

Es war der 3. Mai 2009. Zusammen mit seinem Freund David waren sie in den Col de Chailles in Saint-Béron hinabgestiegen. Der Bereich war schwer zugänglich. Unten waren sie auf Knochen gefallen. Nordahl schnappte sich einen, so lang wie ein Oberschenkelknochen, und scherzte: „Das ist ein Dinosaurierknochen!“ David verstand sofort. "Das sind Menschenknochen!" Nordahl hatte plötzlich den Oberschenkelknochen losgelassen, und sie hatten die Gendarmen gerufen. In der Nähe der Leiche wurde eine Tasche mit zwei Computern gefunden. Die Knochen waren die eines Einbrechers, der seit vier Jahren vermisst wurde. David war davon beunruhigt. Nachts dachte er darüber nach. Als er sich Nordahl anvertraute, hatte dieser „Ach ja, ich auch“ gesagt. David hatte den Eindruck, dass das nicht stimmte. Aber als er zu den Gendarmen zurückgegangen war, um mit ihnen über diese Erinnerung zu sprechen, dann nur, um ihnen kurz danach von Nordahls Reaktion zu erzählen. "Wenn wir eine Leiche loswerden wollen, werfen wir sie hierher, niemand findet sie!"

Für sein Gutachten hat der Psychiater Paul Bensussan viele Dokumente in der Akte. In einer der allerersten Minuten von Nordahl Lelandais fällt ihm eines auf: seine Beschreibung von der Suche nach Maëlys in der Nacht vom 26. auf den 27. August 2017. Während alle panisch den Namen des kleinen Mädchens schreien, und Nordahl Leute mit Taschenlampen sieht, sagt er, er nehme die wachsende Sorge der Hochzeitsgäste nicht wahr. "Hysterie" habe er nicht gesehen. Über die Vernehmungen der Angeklagten in der Haft vermerken alle Gutachterkollegien nacheinander in ihrem Bericht: "Mangelnde Empathie".

Dabei hat Nordahl Gefühle. Im College-Internat erinnert sich ein ehemaliger Kumpel, dass er eine Reihe von Emotionen in ihm gesehen hat, von Lachen bis Wut. Er erinnert sich auch daran, ihn nachts unter seiner Bettdecke weinen gehört zu haben. Nordahl erinnert sich nicht. Er fand das Internat sogar „schön“. Doch auch als Erwachsener haben ihn schon andere weinen sehen: seine Freunde, mit denen er von einer Liebesbeziehung sprach, seine Ex-Freundin nach einem Streit und die psychiatrischen Experten oder bei dem Verlust seines Hundes Tyron. Er kann jedoch „[die Emotionen] in anderen nicht erkennen“, bemerkt Doktor Blachère. Und „dieser Mann sagt nichts als das, was der Gesprächspartner hören möchte“, präzisiert der Psychologe Raphaël Loiselot. Wie sonst wäre seine Rückkehr ins Gemeindehaus von Pont-de-Beauvoisin zu erklären, als ob nichts gewesen wäre, mit „überraschender Souveränität und Selbstsicherheit“, und sein Reflex, sein Handy auszuschalten? Wie sonst wäre die akribische Reinigung seines Autos zu erklären, wenn sich der von ihm selbst als traumatisch bezeichnete Sachverhalt im Inneren abspielte? Wie ist schließlich seine Unempfindlichkeit gegenüber den Bitten der Familie De Araujo zu erklären, die ihn fragten, wo die Leiche sei?

Dr. Blachère fährt fort: „Manchmal sagen Leute, sie seien erleichtert, über die Tat gesprochen zu haben. Das passiert bei Nordahl Lelandais nie. Er sagt nie, dass er erleichtert ist. „Weil er ein Psychopath ist.“

"Ich dachte, ich sei im Film, das war gespielt, und ich war nicht der einzige"

Der Psychiater-Experte Paul Bensussan listet „widerlegbare, identifizierbare und überprüfbare“ Kriterien für die Diagnose einer Psychopathie auf: „1) Missachtung sozialer Normen, 2) Täuschung und wiederholte Lügen, Verwendung von Pseudonymen, 3) Impulsivität, 4) Reizbarkeit und Aggressivität, 5) Missachtung eigene Sicherheit und die anderer, 6) anhaltende Verantwortungslosigkeit und 7) Fehlen von Reue. Von den sieben Kriterien, von denen drei ausreichen, um eine psychopathische Person zu erklären, kreuzt Nordahl Lelandais sechs an. Um die Wahrheit zu sagen, verrät Dr. Bensussan: „Nordahl Lelandais ist ein Archetyp eines Psychopathen.“
Während seiner Gespräche versuchte er, sich als verrückt auszugeben. Nordahl Lelandais sprach mit Dr. François Danet über „Halluzinationen“, als er das Kind schlug, und über das Gesicht von Corporal Arthur Noyer, das plötzlich anstelle der kleinen Maëlys auftauchte: „Es war eine Simulation eines wahnsinnigen Zustands. Psychotiker sagen übrigens nie „Halluzinationen“.

Tatsächlich spielte Nordahl Lelandais vor dem Schwurgericht manchmal Trauer und Bedauern vor, auch wenn einige seiner Tränen auf der Anklagebank aufrichtig erscheinen. Seufzer, lange Pausen und abgewandte Blicke. Aber seine Augen sind trocken. Die Züge seines Gesichts, ohne emotionalen Ausdruck. Der Ex-Staatsanwalt Jean-Yves Coquillat erinnert sich an diesen Moment im Schnee, am 14. Februar 2018. Gendarmen, Anwälte und Richter waren im Auftrag von Nordahl Lelandais damit beschäftigt, die Leiche des Kleinen zu finden: „Die Nacht würde hereinbrechen. Nordahl Lelandais sprach mit seinem Anwalt, er kehrte zum Rand des Feldes zurück und kniete nieder, weinte und bat Maëlys um Vergebung. Ich dachte, ich sei im Film, das war alles gespielt, und ich war nicht der einzige! Im Strafraum ärgert sich Nordahl Lelandais: „Sogar meine Gefühle werden verspottet.“ Und dann: "Egal was ich sage, Sie werden mir nicht glauben."

"Was eigentlich interessiert Sie an mir?"

Dr. Bensussan weist darauf hin: „Der Psychopath ist in den Augen der Öffentlichkeit ein Geisteskranker. Aber es ist keine Geisteskrankheit. Es handelt sich um eine Persönlichkeitsstörung, die bei Herrn Lelandais eine sehr schwere Form aufweist. Es gibt kein Heilmittel, keine Heilung: "Der Psychopath ändert sich nicht."

Seine ehemaligen Lehrer erinnerten sich an seinen Namen: Nordahl Lelandais ist ein ungewöhnlicher Name. Und sie erinnerten sich, wer er war. So erinnert sich sein Französischlehrer an ein Kind, das „heimtückisch, mit starkem Selbstbewusstsein“ war. Selbst auf frischer Tat ertappt, hatte er immer eine Ausrede.

Telefonmitschnitt vom 6. März 2018 zwischen Nordahl Lelandais und Anouchka, zwanzig Tage nach den Geständnissen der Tat in Bezug auf Maëlys De Araujo:
- Willst du mich heiraten?
– Ja, du hast recht, ja…, witzelt Anouchka.
(langes Schweigen)
– Ist es unfreiwillig? Anouchka wagt es.
„Nun ja“, seufzt Nordahl. „Darüber möchte ich nicht am Telefon sprechen… Ich rufe Dich am Sonntag zurück. Soll ich Dich zurückrufen?
– Nun, in der Tat, Du wirst mir niemals eine Antwort geben …
– Du willst nur Antworten! Interessierst du dich eigentlich für mich?

Nordahl Lelandais ist nicht wirklich im Gefängnis. Er ist weggesperrt, in einer „sehr kleinen Zelle“. Der Isolationsbereich, in dem er sich befindet, liegt sich direkt neben dem Hauptgefängnis. Die schlimmste Strafe ist Leere. „Wer ins Gefängnis kommt, hat einen Fernseher: Nordahl Lelandais. Es ist eine Leidenschaft der Gefangenen.“ Tag und Nacht regnen Fluten von Beleidigungen auf seine Zelle. Der Promenadenhof im Isolationsviertel ist "zwischen 20 und 25 Quadratmeter groß", vier Betonmauern, wo der Himmel mit Stacheldraht abgeschirmt ist.

Sein letzter Haftbericht, datiert vom 15.12.2021, steht über ihn: „Korrektes Verhalten“ und weist jedoch auf den kürzlichen Fund eines Mobiltelefons in seiner Zelle hin. Im Inneren bemerkte die Gefängnisverwaltung die Online-Konsultation einer Rechtschreibprüfung, eine Website, auf der ausgestopfte Tiere verkauft wurden, und pornografische Websites. Im November 2021 enthielten angesehene Videos die Begriffe „Teenager-Stiefschwester“, „Teenager“ und „heiße Junge“.

Sind alle „Psychopathen“ Monster?

Bis Dezember 2021, einen Monat vor dem Prozess, hatte Nordahl Lelandais zwei Besuche im Besuchszimmer: seine Mutter und seine Partnerin Elisabeth. Der 50-Jährige hatte ihm während seiner Haft mehrere Briefe geschickt, der Untersuchungsrichter hatte ihm den Besuch im Besuchszimmer genehmigt. Insgesamt verzeichnete der Anstaltsbericht achtzig Besuche im Besuchszimmer mit Elisabeth, darunter einen in einer Familieneinheit – „ein Fehler der Anstaltsverwaltung“, stellt der Präsident des Schwurgerichts fest. Familienwohneinheiten sind möblierte Wohnungen, die dazu bestimmt sind, den Familienzusammenhalt zu pflegen, und Nordahl Lelandais war gerade erst mit Elisabeth liiert. Aber im Dezember 2021 hatte er ihre Beziehung beendet. Alles, was ihm geblieben war, war seine Mutter.

Telefonische Abhörung eines Anrufs von Christiane Lelandais an Alexandra, Halbschwester von Nordahl Lelandais, Datum unbekannt:
„Ach so, jetzt bin ich mir sicher! Das geht mir nicht aus dem Kopf! Deshalb musste er sie töten. Sie musste kämpfen… ein Kind von fast 10 Jahren! [...] Ein Mord aus Versehen… Aber man vergewaltigt nicht aus Versehen! [...] Es ist sicher, es sagt uns nicht alles.
Ein Pädophiler "lebt in absoluter Einsamkeit", sagt der Psychiater Paul Bensussan, "weil er mit niemandem darüber reden kann." Und um hinzuzufügen: „Und wenn ich alleine bin, bin ich viel gefährlicher, als wenn ich darüber reden kann.“
*Namen geändert.

http://www.slate.fr/societe/la-petite-robe-blanche/episode-5-proces-nordahl-lelandais-meurtre-enlevement-maelys (Archiv-Version vom 17.03.2022)

Die Übersetzung des Originaltextes erfolgte durch mich zusammenfassend mit Auslassungen und unter Einbeziehung sprachlicher Kreativität und auf Grundlage meiner Interpretation.


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9-Jährige verschwindet auf Hochzeit und wird ermordet

20.03.2022 um 10:42
Das kleine weiße Kleid [La petite robe blanche]


Übersetzung Teil 6:
«Wir wollen es nur wissen. Weil wir Maëlys lieben»

[Épisode 6] Seine Verwandten, die als Zeugen ins Gericht kamen, bestätigen dies: Nordahl Lelandais war sehr beliebt. Für sie, wie für das Umfeld der kleinen Maëlys, ist ihre ganze Beziehung zum Umfeld zerstört.

Die Tausende von geschwärzten Seiten mit Daten, Zeiten und Fakten in der Prozessakte. Die sechs Anwälte vor dem Glaskasten. Live im Fernsehen, Radio und online. All das ändert nichts an Eddys Hochzeit: „Ich habe nicht genug aufgepasst“, bedauert Jennifer vor dem Schwurgericht von Isère. "Das haben viele Leute gesagt, also ... wir glauben, dass sie Recht haben könnten." Am Ende ist die Schuld der Mütter immer stärker.

„Weißt du, wenn dir so etwas auf den Kopf fällt, weißt du nichts mehr… Es gab Zeiten, da war ich total verloren. Und ich bin es immer noch." Christiane Lelandais hielt ihren Sohn für sehr begabt. Als Kind gelang ihm alles, was er anfasste. Sie hatte es so oft und so überzeugend wiederholt, dass der Psychologe Raphaël Loiselot es überprüfen wollte. „Tatsächlich ist Nordahl Lelandais weder über- noch unterdurchschnittlich“, sagt der Experte im Gericht.

Ein Freund von ihm weist darauf hin, dass Nordahl vor allem "clever war, wenn es um Bullshit ging". Während seiner viereinhalbjährigen Haft erhielt Nordahl Lelandais sein Bac. Christiane Lelandais gibt zu, dass sie nicht die einzige berufstätige Mutter mit drei Kindern war, aber sie sagt kopfschüttelnd: „Ich glaube, ich habe sie nicht genug arbeiten lassen. Irgendwann ist mir etwas aus den Händen geglitten. Bevor sie hinzufügte: „Für mich waren Drogen und Alkohol der Grund für den Wechsel, ich sehe nichts anderes …“

„Es gab viele Ausreden“
Oktober 2017. Anouchka erhält einen Anruf von Nordahl. Er ruft sie von seinem Handy aus an: „Ich habe dir abends eine Nachricht geschickt …“ Anouchka erinnert sich nicht. „Es stimmt“, versichert ihr Nordahl, „ich war auf der Hochzeit." Tatsächlich hatten die Ermittler die SMS gefunden, die in der Nacht vom 26. auf den 27. August 2017 um 1:38 Uhr an Anouchka gesendet wurde. So wie die Ermittler, die für das Verschwinden von Arthur Noyer in Chambéry verantwortlich waren, die SMS gefunden hatten, die in der Nacht vom 11. Auf den 12. April 2017 gesendet wurde. An diesem Abend hatte Nordahl Lelandais eindringliche Nachrichten an eine seiner Sexualpartnerinnen geschrieben. Die junge Frau hatte sich mehrmals geweigert. Am Ende antwortete sie ihm: „Beruhige deinen Trieb.“ Ein paar Stunden später verschwand Arthur Noyer. Am Telefon mit Anouchka bemerkte Nordahl Lelandais: „Wenn Du mir geantwortet hättest, wäre ich zu Dir gekommen. Alles wäre anders gewesen."

Eddy, der Bräutigam, macht sich Vorwürfe, "den Wolf in den Schafstall gebracht" zu haben. Er, der Nordahl Lelandais einlud, dachte, er wäre nur ein weiterer Freund auf seiner Hochzeitsfeier. „Ich bin wütend auf diese Person, die ich nicht kenne“, sagte er auf vor Gericht. Doch Wut nimmt manchmal Umwege, und in Wirklichkeit ist Eddy wütend auf sich selbst – „meine Familie, meine Freunde haben mir vertraut“, klagt er. Er ist wütend auf diesen Freund, nicht rechtzeitig gewarnt worden zu sein, und gegen seine beiden Zeugen Ludovic und Nelson.

Eddys Hände klammern sich an den Zeugenstand, bis sie weiß werden. „In den Medien wurde unsere Hochzeit wie eine Hochzeit hingestellt, bei der wir Kokain mitgebracht haben“, sagt er. Während der Feier nahmen Ludovic und Nelson beide eine Kokainschiene mit Nordahl. Und diese Nähe zum Hauptverdächtigen, hatte Folgen gehabt. In der ersten Woche der Ermittlungen wurde Ludovic in Polizeigewahrsam genommen: Während die Gäste in der Nacht nach dem Kind suchten, hatte er dreimal Nordahl Lelandais angerufen. Sobald er aus Polizeigewahrsam entlassen wurde, kontaktierte Ludovic Eddy.

Kaum hatte dieser den Hörer abgenommen, brach Ludovic in Tränen aus. „Es gab viele Ausreden“, gibt Eddy zu. Und am Anfang gab es auch viel Nachsicht: „Lasst uns nicht den falschen Kampf kämpfen. Der Kampf besteht darin, Maëlys zu finden“, antwortete er Ludovic. Aber es gab das Gewicht der Medienberichterstattung und die verleumderischen Botschaften, in sozialen Netzwerken. Seitdem sei seinetwegen „die Familie dreckig“. Mit zusammengepresstem Kiefer erklärt Eddy: „Das war ein Schlag ins Gesicht, weil ich meine Zeugen als meine Brüder betrachtet habe.“ Er stellt klar: „Wir reden nicht mehr miteinander.“ Sein zweiter Zeuge, Nelson, kontaktierte ihn nie wieder. Er könne sich jedenfalls nicht „selbstmitleiden“, wo „für Jennifer, Joachim und Colleen es viel schlimmer war“.

„Er hat alles zerstört“, seufzt Jennifer Cleyet-Marrel. Vor dem 27. August 2017 hatten die vier ein "großartiges Leben".

„Ihr Kleidchen, ihren Ball …“

2011 entschied sich Jennifer für die Krankenpflegeprüfung. Sie hatte Gelegenheitsjobs satt, sie wollte, dass ihre Töchter stolz auf sie sind. Ihre Rückkehr in die Krankenpflegeschule hatte im folgenden Jahr stattgefunden, zur gleichen Zeit wie Colleen in die Grundschule kam, und Maëlys in den Kindergarten. 2015 hatte Jennifer eine Stelle als Krankenschwester im Krankenhaus Pontarlier in Haut-Doubs gefunden.

Nach der Entführung von Maëlys gab es sehr viel Unterstützung des Krankenhauses von Pontarlier und der Kollegen. Es gab dort mehr als zwei Jahre eine RTT (Réduction du temps de travail = Arbeitszeitverkürzung).

Am 22. Juni 2018 konnten Jennifer, Joachim und Colleen De Araujo Maëlys in La Tour-du-Pin beerdigen. Jennifer erinnert sich an den „kleinen Sarg“, in den sie alles legte, was ihre Tochter liebte: „Ihr Kleidchen, ihren Ball …“ Bei der Beerdigung waren Didier und Cécile, die Eltern von Arthur Noyer, anwesend: „Wir sind Eltern, die Eltern begleiten, die in der gleichen Lage wie wir sind“, sagte Arthur Noyers Vater vor Fernsehkameras.

Jennifer und Joachim versuchten sich zu stützen. Sie haben es wirklich versucht. Doch die Trauer überwältigte sie: „Ich bin ein Vater, der sich in den Wellen auf dem Meer verirrt, erklärt Joachim vor Gericht, ohne Ziel. Ihr großes Haus war voller guter Erinnerungen. Jennifer und Joachim trennten sich.

Als Jennifer zur regulären Arbeit im Krankenhaus zurückkehrte, kam Covid. „Ein Herr ist gestorben“, sagt sie. Er war ganz allein. Es erinnerte mich an Maëlys. Die letzte Person, die er sehen wird, sind wir. Nicht seine Familie, nicht seine Freunde. Er ging so, als hätte er nie gezählt. Jennifer ist erschöpft. „Ich habe das Gefühl, den Tod anzuziehen. Den Tod immer um mich herum. 2021 ließ sie sich als freie Krankenschwester nieder. Aber die Angst blieb. Nachts hört Jennifer, wie Maëlys sie anschreit: „Er hat mich vergewaltigt. Er hat mich vergewaltigt, Mama“, sieht sie den Körper ihres Kindes in die Wildnis geworfen, und als sie die Augen öffnet, spürt sie, wie ihr Kissen von Tränen durchtränkt ist. Auch wach endet der Albtraum nie. Jennifer hat immer Angst um Colleen, ihre älteste Tochter. Sie wollte zunächst gar nicht mehr, dass Colleen zu ihren Freundinnen geht: „Ich habe nur noch sie. Wenn ihr etwas passiert, werde ich nicht überleben können“, sagte sie.

„Unsere Angst quält sie“

Joachim konnte nie wieder arbeiten. Er ist 40% schwerbehindert und verlor 25 kg, „das Gewicht seiner Tochter“, sagte sein Anwalt Me Boguet. Sein alter Freund Romeo: "Du verbringst einen Tag mit ihm, du musst nicht dreißig Jahre sein Freund sein, um zu sehen, dass es ihm nicht gut geht." Er weist darauf hin, dass „Joachim ein sehr guter Mensch ist“, und präzisiert zum Beispiel: „Auch wenn er bis 5 Uhr morgens gearbeitet hat, ging er nicht nach Hause, sondern zu seiner kranken Mutter, um ihr die Insulinspritze zu geben.“

Joachim De Araujo hatte so viel Güte in sich, dass er nicht einmal die Dunkelheit der Seelen sehen konnte. Als seine Tochter Maëlys verschwand, dachte er zuerst an „eine Familie mit unerfülltem Kinderwunsch.“ Heute sei Joachim „physisch da, aber er hat Ausfälle“.
Maria, Joachims Schwester, wollte nicht in dem Prozess aussagen. Im Jahr nach Maëlys' Verschwinden besuchte sie Jennifer, Joachim und Colleen nicht. Ihr Schmerz war so groß, dass sie damit nicht umgehen konnte. Wie hätte Maria in diesem Moment ihr eigenes Leiden ausdrücken können? "Für sie ist es schrecklich", dachte sie. Joachim selbst erkennt das: Schmerz isoliert den menschen. Die anderen wissen nicht, was sie sagen sollen. „Sie fühlen sich hilflos. Unsere Angst quält sie“, sagt er. Der leiseste Moment der Freude verwandelt sich in Melancholie, und der leiseste Schritt im Haus wird „unerträglich“. Als Maria endlich ihren Bruder besuchen ging, prägte sie das sofort. „In seinen Augen war kein Glanz mehr.“ Wenn ihre Eltern noch gelebt hätten, sagt sie, „hätte es meine Mutter umgebracht. Daran habe ich als erstes gedacht." Eine Woche vor dem Prozess erklärte sich Maria als Zivilbeteiligte bereit, Joachim zu begleiten. Sie wird jeden Tag da sein.

Im Gericht sagt Coralie: „Mein Gehirn kann es nicht verarbeiten“, sagte sie und starrte Nordahl hinter ihrer Glaswand an. „Ein bisschen töten … Was hat das kleine Mädchen getan? Sie war da, sie hatte Spaß …“ Coralie besteht darauf: „Was ist in deinem Kopf passiert, als sie ins Auto gestiegen ist? Sag‘ es: Es war Dein Sexualtrieb. Du wolltest ihr die Hunde nicht zeigen. Du weißt, dass du lügst, und du weißt, dass ich es weiß. Schau, was du getan hast ... Ich glaube nicht, dass du es merkst." Müde seufzt sie: „Weißt du, die Leute, sie sehen dich schon als Monster."

Fünf Gründe, warum Psychopathen nicht die sind, für die man sie hält

Nazim, sein ehemaliger bester Freund, blickt auf die Geschworenen des Schwurgerichts Isère: „Heute sollte Nordahl erkennen, dass er nur EINE Chance hat. Verurteilt und verstanden werden. Ich denke, verurteilt und missverstanden zu werden, wäre das Schlimmste.“ Wie schaut sein tägliches Leben aus? Jeden Tag an die kleine Maëlys denken, ein Kind, das er nie kannte, und ständig die gleiche Frage in seinem Kopf. „Warum hat mein Kumpel getan, was er getan hat?“ Und ohne eine Antwort zu bekommen. „Eigentlich ist alles unwirklich“, sagt Nazim.

Aber eines scheint ihm wichtig: „Bevor er der Mörder von Maëlys und Arthur wurde, war er ein einfacher Bürger, unser Freund für uns. Nein. Es war nicht Nordahl Lelandais. Den Anderen, fügt er hastig hinzu, „den kenne ich nicht“. Aber er weiß, dass er da ist. Nicht weil er diesen Anderen kennen will, will er Nordahl zum Reden anstacheln: „Verurteilt wirst du werden, das ist keine Frage. Jeder kennt das Ende dieses Stücks“, erinnert er. Nein, wenn er endlich spricht, rät Nazim Nordahl, dann „aus Respekt vor der Familie der Opfer. Aber vor allem aus Respekt vor sich selbst.

„Er war wohlwollend und plötzlich haben wir ihn nicht mehr verstanden“

Die Präsidentin des Schwurgerichts, Valérie Blain, könnte Zeugen daran hindern, direkt mit dem Angeklagten zu sprechen, wie es die Strafprozessordnung vorschreibt. Aber sie tut es nicht. Und im Gerichtssaal versteht jeder, dass das Beste an Nordahl Lelandais seine alten Freunde sind.

Diese letzten vier Jahre hatten deren Beziehung zur Welt zerstört. „Wie konnte mein Kumpel das tun? Er war wohlwollend und plötzlich haben wir es nicht mehr verstanden“, bedauert Nazim. Coralie selbst wiederholt: „Ich verstehe es nicht, ich verstehe es nicht …“ Während Colleen, die große Schwester von Maëlys, fleht: „Wir werden nicht urteilen. Wir wollen es nur wissen. Weil wir Maëlys lieben.“
Der Polizist Noël Gravier, verantwortlich für die Unterstützung der Familie De Araujo während der Ermittlungen, erinnert sich, dass es ihn beeindruckt hatte. Keiner von ihnen hat jemals negativ über "Herrn Lelandais" gesprochen. Alles, was ihnen wichtig sei, betont er, sei Maëlys. „Sie konzentrierten sich auf Maëlys.“

Aber Nordahl Lelandais sagt nichts mehr.

Er sagt nichts über seine wahren Absichten, als er Maëlys De Araujo in seinem Auto mitnahm, er erklärt nicht den 14-Kilogramm-Stein, der auf dem Körper des Mädchens gefunden wurde, auch nicht ihren Zopf, der mit „einer Schere, einem Messer oder irgendetwas anderem abgeschnitten wurde“, so der IRCGN-Experte, der präzisieren wird, dass „dies kein Tier gemacht haben kann“.

"Wer glaubt Ihnen, Monsieur Lelandais?"

„Ich glaube nicht, dass wir hier in dieses Prozess eine dramatische Veränderung erleben werden“, sagt der erfahrene Psychiater Paul Bensussan am letzten Verhandlungstag. „Er ist in einer komplizierten Haltung verspannt, aus der er nicht herauskommt.“

„Entweder er hat alles gesagt, oder er hat nichts gesagt“, denkt Joachim De Araujo laut. Wenn Nordahl Lelandais alles gesagt hat, dann ist er kriminalistisch noch gefährlicher, als er scheint. Wenn er statt Maëlys De Araujo das Gesicht von Arthur Noyer gesehen habe, „dann kann das jederzeit wieder passieren“, stellen die Experten fest. Wenn er nichts gesagt hat, liegt das daran, dass sein Motiv sexuell ist, und daher ist „die Wahl eines unbekannten Kindes in Bezug auf die Prognose viel gefährlicher als die Wahl eines bekannten Kindes“.

Im Zeugenstand versichert Jennifer: „Maëlys wäre niemals mitten in der Nacht in ein Auto gestiegen, um Hunde anzuschauen. Wir haben drei zu Hause. Sie interessiert sich nicht dafür, die Hunde anderer Leute zu sehen." Ihr Anwalt, Herr Rajon, schwenkt die schriftliche Niederschrift von Christiane Lelandais' Telefonabhörung vor den Glaskasten: „Wer glaubt Ihnen, Herr Lelandais? Wer soll Ihnen glauben?"
Alle seine Verwandten, die kamen, um auszusagen, bestätigen dies, Nordahl Lelandais wurde sehr geschätzt. „Er kann verführen. Es ist Teil seiner Persönlichkeit“, erkennt Dr. Bensussan an. Diese narzisstische Komponente der Persönlichkeit und „die Tatsache, sehr geliebt zu werden“, sagt der Experte Patrick Blachère, „erlauben es ihm, sich selbst nicht in Frage zu stellen“. Es gäbe auch, wie die Psychologin Loiselot betont: „Eine Form der Aufhebung des Verbrechens. Ich habe es nicht getan, und da ich es sage, habe ich es nicht getan. Doch angesichts der Beweise, der Videos auf seinem Handy und des Blutflecks steckt Nordahl Lelandais fest. „Wir drängen ihn. Es ist der Zusammenbruch, fährt Raphaël Loiselot fort, das Monster ist da.

Der Begriff stammt nicht vom Fachmann. Im Februar 2018, kurz nach seinem Geständnis, klagte Nordahl Lelandais während eines Interviews: „Ich möchte, dass der andere mich in Ruhe lässt. Nicht ich habe das getan, es ist ein Monster. Ich hätte ihn wirklich gerne vor mir, um ihn zu verprügeln." Über Maëlys De Araujo sagte er immer wieder diesen Satz: „Ich habe sie versteckt.“ Der Psychologe erinnerte ihn daran, dass er sie getötet hatte, und Nordahl Lelandais konnte nicht anders, als zu wiederholen: „Ich habe sie versteckt.“
Der Psychiater François Danet erwähnt: „Herr Lelandais verbirgt sich hauptsächlich, um nicht zusammenzubrechen und sich vor einer erheblichen depressiven Bedrohung zu schützen.“ Hätte man ihn nach seinem Geständnis am 14. Februar 2018 nicht in die Psychiatrie Vinatier einweisen müssen? „Wir haben uns große Sorgen gemacht. Wir haben es gesagt“, erinnert sich der Psychiater.

"Wie kann man ein Monster lieben?"

Im Dezember 2018, kurz vor Weihnachten, musste auch sein Cousin Timothée* versorgt werden. Seit "das Video" von den Ermittlern gefunden worden war, häuften sich Angstattacken. Timothée ging zwei oder drei Stunden zu Fuß und versuchte, sich zu beruhigen, indem er allein „starken Alkohol“ trank. Aber an diesem Tag hatten er mit seiner Partnerin Lucile* den Tag damit verbracht, mit ihrer Anwältin Me Caroline Remond über die Fakten zu sprechen. "Ich habe mein Selbstvertrauen verloren", sagte er nüchtern.

Krankenhausaufenthalt wegen schwerer Depression. Schwere medikamentöse Behandlung. Heute nennt Timothée Nordahl nicht mehr "seinen Cousin", er spricht nicht einmal mehr seinen Vornamen aus, er begnügt sich mit "N.L." um ihn auf ein Minimum zu reduzieren. Alle Fotos von der Taufe ihrer Tochter Émilie*, deren Pate Nordahl war, wurden verbrannt. Émilie hat sich einen anderen Paten ausgesucht: „Wir werden eine zweite Taufe machen“, erklärt Lucile.

„Über all das, betont Lucile, reden Timothée und ich, aber wir können einander nicht helfen."

Im Zeugenstand hat Clara*, die Zwillingsschwester von Timothée, einen Kloß im Hals. Das Video ihrer Tochter Marie* war das erste, das auf der Festplatte von Nordahl Lelandais gefunden wurde. „Es hat alles verändert, sagt ihr Ehepartner an. Bei meiner Freundin läuft es nicht so gut. Ich vertraue niemandem mehr. Ich kann niemandem mehr vertrauen." Maries Vater lässt seine Töchter nicht mehr ins Zeltlager gehen oder gar bei Freundinnen schlafen. „Für mich ist das ein Dauerstress“, sagt er. „Ich möchte keine Frau mehr sein, ich möchte eine 100-prozentige Mutter sein“, schluchzt Clara. „Wir werden alles Notwendige tun, um all dies zu überwinden, aber… ich glaube nicht wirklich daran, dass es uns gelingen wird.“

Das Dilemma hinterbliebener Eltern

Timothée und Clara sprechen nicht mehr mit ihrer Tante Christiane Lelandais. Clara zischt: „Bei allen, die ihn tatsächlich verteidigen. Alle, die nein sagen, „aber wir lieben ihn“... Wie kann man ein Monster lieben? Für mich ist sie wie er. Beide sind sind Monster."

Am ersten Prozesstag ihres Sohnes riet Christiane Lelandais: „Ich kann nicht mehr einkaufen. Ich kann nicht mehr ins Kino gehen. Ich darf nicht lächeln. Ich habe kein Recht mehr zu leben. Ich habe nur das Recht zu sterben.

„Das ist eine sehr komplizierte Situation“, erklärte wiederum Alexandra, Nordahls Schwester. Wir sind meine Mutter und ich gegen die Welt. Was ihr Bruder getan habe, „entsetze“ sie, schwört sie, und sie habe „Wut und Hass auf meinen Bruder und auf uns“. Sie hat es geschworen. Auch sie habe sich alle möglichen und unvorstellbaren Fragen gestellt und sei in die Vergangenheit zurückgekehrt, bis hin zu „dem Leiden, sich zu sagen ‚wenn ich es gewusst hätte‘ oder ‚wenn ich gekonnt hätte‘“. Es war „so“. Nazim selbst wird darauf hinweisen: "Wenn in einer Gesellschaft einer aus den Fugen gerät, dann deshalb, weil wir alle unseren Teil der Verantwortung tragen."

Aber wie ihre Mutter konnte Alexandra nicht alle Rollen spielen. Nordahl war ihr Bruder, und sie hatte akzeptiert, dass ihr Leben so sein würde. Sie hat den Eindruck, dass es ihm genauso geht: „Er weiß, was ihn erwartet. Dass sein Leben im Gefängnis ist.“

„Es sind nicht nur Alkohol und Drogen. Da ich bin."

War das genug? "Ich glaube nicht an Gerechtigkeit in Frankreich", erklärte Eddy, der Bräutigam, weil er niemals die Schmerzen haben wird, von den er meiner Meinung nach haben sollte." Der Psychiater Paul Bensussan verkündet derweil: "Was mich an der Todesstrafe schockiert, ist die Annahme, dass wir uns nicht ändern könnten." Er würde diesen Job nicht machen, sagt er, wenn er nicht glaubte, dass wir uns ändern könnten. Für ihn kann sich Nordahl Lelandais weiterentwickeln, „ein anderer Mensch werden“. Zugegeben, Psychopathie kann nicht geheilt werden, aber „Impulsivität und Agieren“ können geheilt werden.

Bei seinem Prozess räumte Nordahl Lelandais schließlich ein: „Es geht nicht nur um Alkohol und Drogen. Da ich bin. Es hat eine enthemmende Wirkung. Da ich bin. Ich bin verantwortlich." Und zu seinen Cousins Timothée und Clara zu sagen: „Es tut mir leid, [die Eltern] sind überhaupt nicht verantwortlich. Die Kleinen auch nicht.

"Von Herrn Lelandais erwarte ich überhaupt nichts", sagte Joachim De Araujo am Ruder. Er mauerte sich in seine Lügen ein. Manchmal habe ich ein Gefühl von Mitleid.“

Am Freitag, dem 18. Februar 2022, wurde Nordahl Lelandais zu einer lebenslangen Haftstrafe von 22 Jahren Sicherheitsstrafe verurteilt. An diesem Tag feierte er seinen 39. Geburtstag.

*Namen wurden geändert.

http://www.slate.fr/societe/la-petite-robe-blanche/episode-6-proces-nordahl-lelandais-meurtre-enlevement-maelys

Die Übersetzung des Originaltextes erfolgte durch mich zusammenfassend mit Auslassungen und unter Einbeziehung sprachlicher Kreativität und auf Grundlage meiner Interpretation.


Das war der 6. und letzte Teil der Serie auf SLATE.


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9-Jährige verschwindet auf Hochzeit und wird ermordet

20.03.2022 um 11:05
Zitat von itfcitfc schrieb am 16.03.2022:Danke für die Übersetzung, sehr interessant und für nicht Französischsprachige gut zu lesen.
Gerne. Ich fand den 6-Teiler ziemlich interessant gemacht. Es ist eine gute Zusammenfassung, die schwierige Arbeit von Polizei und Justiz wurde anschaulich dargelegt, und auch die verheerenden Auswirklungen auf alle Beteiligte kam sehr gut rüber. Ich kannte SLATE vorher gar nicht. Es gab auch einen 6-Teiler über Arthur Noyer, wie ich jetzt gesehen habe: Die beunruhigende Fremdheit von Nordahl Lelandais. http://www.slate.fr/societe/linquietante-etrangete-de-nordahl-lelandais/episode-3-proces-meurtre-arthur-noyer-cour-assises-savoie


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9-Jährige verschwindet auf Hochzeit und wird ermordet

20.03.2022 um 11:57
Unterm Strich kann man sagen, dass man über den Tathergang weiterhin nur spekulieren kann. Wenn Nordahl nichts gesagt hätte, wäre das auch nicht anders gewesen, aber durch seine Darstellungen wurde die Gefahr, die von ihm ausgeht, vielleicht viel deutlicher.

Eine Minute nach der Ankunft zum Sektempfang hat er (vom Auto aus?) Pornoseiten aufgerufen. Es ist nicht bekannt, dass er auf der Hochzeit Kontakt zu einer Frau im einigermaßen passenden Alter gesucht hätte. Bei 200 Gästen wird es auch die ein oder andere alleinstehende Frau gegeben haben. Aber er baute den Kontakt zu Maëlys auf und aus. Für mich ist es die geplante Tat eines Menschen ohne Gewissen, der danach ohne mit der Wimper zu zucken zurückkommt, sich noch einen Zeugen für sein Erbrechen sucht. "Der mechanische Mörder", nannte ihn Le Monde.

Wenn ich über diesen ganzen Tag nachdenke, der Freund aus Lyon, der Sektempfang auf der Hochzeit, der Besuch bei der Schwester des Freundes, die Kenntnis des Namens ihrer Tochter, obwohl er sie gar nicht gekannt haben konnte, die Rückkehr zur Hochzeit, die gezielte Kontaktaufnahme zu Maëlys, ist das eigentlich schon ziemlich eindeutig. Ich frage mich allerdings auch, wer denn in der Zwischenzeit die geliebten Hunde versorgt hat. Es ging um einen Zeitraum von nachmittags bis zum nächsten Morgen um 7. Und in dem Zusammenhang stellt sich mir die Frage nach Sven und der Mutter. Nordahl kam nach 7 Uhr nach Hause. Es hatte sich wie ein Lauffeuer rumgesprochen, dass ein Kind vermisst wird. Seine Familie hat gewusst, dass er auf dieser Hochzeit war. Für eine Beteiligung an der Suche wären seine Hunde sicherlich hilfreich gewesen. Diese Fragen müssen sich doch Sven und die Mutter gestellt haben.

Dass die beiden in Sippenhaft genommen wurden und werden, hängt meiner Meinung nach von ihrem Verhalten ab. Das Video mit Sven in dem er behauptet, die ganze Gesellschaft habe seinen Bruder nur als Drogenlieferanten missbraucht, geistert noch immer durchs Netz. Es kam niemals eine Klarstellung, kein Wort der tiefen Bestürzung, sondern man hat nur Gejammer gehört, dass Sven keine Arbeit findet, und die beiden überall nur beleidigt werden.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass man ein Kind zu einem Mörder erziehen kann, aber ich bin ein großer Anhänger von Grenzen, die man setzen muss. Es ist auffällig, dass Lehrer, Ausbilder, Vorgesetzte und Arbeitgeber sehr negativ von ihm sprechen (arbeitsscheu, verlogen, verschlagen, lügt, klaut, ...), während alle anderen nur den lieben Nono kannten, den sie zwar für stinkendfaul halten, den sie aber liebevoll erlebten.

Jean-Christophe Morin, der Mann, der seit dem Besuch des Elements Festival vermisst wird, war Aussteiger. Er arbeitete in der Landwirtschaft, war sehr genügsam und lebte in einem Wohnwagen. Es gibt diese Lebensentwürfe, und sie sind für mich auch vollkommen in Ordnung. Mit einer Einstellung, nichts arbeiten zu wollen, ein gutes Leben zu führen, nebenbei Drogen zu verkaufen, und wenn das Geld nicht reicht, einfach zu stehlen, komme ich allerdings gar nicht klar.

Nun kenne ich die Familie nicht, aber weder Haus noch Garten machen den Eindruck, als würden sich die erwachsenen Söhne um irgendetwas kümmern. Es gibt in dieser Gegend auch für Ungelernte Arbeit, und wenn die beiden nur ab und an mal Gelegenheitsjobs übernehmen, müssen sie zu Hause helfen. Ein Haus macht Arbeit.

Es gibt diesen "Laissez-faire" Begriff, der seinen Ursprung in den Wirtschaftswissenschaften hat, aber der auch in der Pädagogik zu finden wird. Mir kommt es so vor, als sei dieses Prinzip bei den beiden Söhnen viel zu oft angewandt wurde. Einem Sven, der im Supermarkt einer Kassiererin anzügliche Fotomontagen von ihr unter die Nase hält und sie belästigt, müsste ein Marktleiter sagen: "Guter Mann, ich erkläre sie hiermit zur Persona non grata. Wir machen von unserem Hausrecht gebrauch. Ihre Einkäufe dürfen sie künftig gerne bei der Konkurrenz erledigen. Und wenn sie hier nochmals im Laden auftauchen oder auf dem Parkplatz rumlungern, gibt es ganz gewaltig Zunder." Das würde ich von einem Arbeitgeber erwarten. Und es wäre vielleicht eine Sprache, die er verstehen würde. Es kann ja nicht angehen, dass sich die arme Frau auch noch einen neuen Job suchen muss.

Ich kann nicht sagen, dass es mich betrübt hat, dass Nordahl im Gefängnis rund um die Uhr in aller Deutlichkeit gesagt bekommt, was andere über ihn denken. Meine Gedanken sind bei den Opferfamilien und allen anderen Secondary Victims. Für alle wird das Leben nie wieder so sein, wie es vorher war.


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9-Jährige verschwindet auf Hochzeit und wird ermordet

20.03.2022 um 13:30
Ich verfolge den Fall seit 2017, kurz nachdem die kleine Maëlys verschwunden ist, mit sehr langen Pausen dazwischen, weil mich der ganze Sachverhalt so sprach- und fassungslos zurückgelassen hat.
Vielen Dank an @JamesRockford und einigen anderen, für die Aufarbeitung und die penible Übersetzung. Ich möchte eigentlich nicht mehr zu sehr auf diesen „Mann“ eingehen, der soviel Leid und Verderben über soviele Familien gebracht hat, ich bin einfach froh, dass er jetzt für sehr lange Zeit weggesperrt ist und hoffe, dass das auch über die 17,5 Jahre hinausgeht.
Ich hoffe einfach, dass die Familien irgendwann mit dem Schmerz leben können und nicht einfach nur überleben können.
Darüber hinwegkommen wird man wahrscheinlich nie. Es ist bemerkenswert, mit wieviel Selbstbeherrschung und Würde die Opferfamilien den Prozess beigewohnt haben, trotz der teilweise so respektlosen Reaktionen des Verurteilten.
Stellenweise hat sich mir als „Nicht Betroffene“ der Magen umgedreht.

Ich bin gespannt, ob und wann sich der Verurteilte einen weiteren Prozess stellen muss, es würde mich sehr überraschen, wenn es dabei bleibt.

Eines ist sicher, auch wenn er jetzt mit einer,imho zu milden Strafe davon gekommen ist, irgendwann wird er sich einem höheren Gericht stellen müssen….

Bis dahin sollte man ihm keinerlei Beachtung mehr schenken und den Opfern gedenken. Für mich wird die kleine Maëlys und auch Arthur niemals vergessen werden


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9-Jährige verschwindet auf Hochzeit und wird ermordet

20.03.2022 um 20:47
Erstmal vielen Dank @JamesRockford für die Übersetzungen. Das ging wirklich unter die Haut, gerade wenn man die Opferfamilien sieht. Schrecklich.
Zitat von JamesRockfordJamesRockford schrieb:Wenn ich über diesen ganzen Tag nachdenke, der Freund aus Lyon, der Sektempfang auf der Hochzeit, der Besuch bei der Schwester des Freundes, die Kenntnis des Namens ihrer Tochter, obwohl er sie gar nicht gekannt haben konnte, die Rückkehr zur Hochzeit, die gezielte Kontaktaufnahme zu Maëlys, ist das eigentlich schon ziemlich eindeutig. Ich frage mich allerdings auch, wer denn in der Zwischenzeit die geliebten Hunde versorgt hat. Es ging um einen Zeitraum von nachmittags bis zum nächsten Morgen um 7. Und in dem Zusammenhang stellt sich mir die Frage nach Sven und der Mutter. Nordahl kam nach 7 Uhr nach Hause. Es hatte sich wie ein Lauffeuer rumgesprochen, dass ein Kind vermisst wird. Seine Familie hat gewusst, dass er auf dieser Hochzeit war. Für eine Beteiligung an der Suche wären seine Hunde sicherlich hilfreich gewesen. Diese Fragen müssen sich doch Sven und die Mutter gestellt haben.
Meines Erachtens hatte er gezielt gesucht und nur deshalb die Freundin kurz vor der Entführung kontaktiert, um sich selbst ein gutes Gewissen einzureden. Hat halt die Freundin Schuld, an dem, was er danach tat, weil sie nicht antwortete.

Zu den Hunden. Hieß es nicht, dass er sie oft vernachlässigte und sie auf dem Balkon ihr Geschäft verrichteten? Oder verwechsle ich das?
Zitat von JamesRockfordJamesRockford schrieb:Ich kann mir nicht vorstellen, dass man ein Kind zu einem Mörder erziehen kann, aber ich bin ein großer Anhänger von Grenzen, die man setzen muss. Es ist auffällig, dass Lehrer, Ausbilder, Vorgesetzte und Arbeitgeber sehr negativ von ihm sprechen (arbeitsscheu, verlogen, verschlagen, lügt, klaut, ...), während alle anderen nur den lieben Nono kannten, den sie zwar für stinkendfaul halten, den sie aber liebevoll erlebten.
Sehe ich genauso. Ich sehe es als Faulheit, Verantwortungslosigkeit an, wenn Kindern keine Grenzen gesetzt werden, Strukturen angeboten werden. Da rede ich nicht von Gewalt o.ä. Ich rede von verständnisvoller Erziehung mit für das Kind nachvollziehbarer Konsequenz. Das ist halt manchmal auch anstrengend, stringent am Ball zu bleiben, zum wiederholten Male zu erklären (sehr wichtig für das Kind, egal wie klein es noch ist)
Es ist natürlich allemal leichter, ein Kind einfach machen zu lassen. Ich selbst nenne das Verwahrlosung.


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9-Jährige verschwindet auf Hochzeit und wird ermordet

20.03.2022 um 21:45
Zitat von JamesRockfordJamesRockford schrieb:Joachim konnte nie wieder arbeiten. Er ist 40% schwerbehindert und verlor 25 kg, „das Gewicht seiner Tochter“, sagte sein Anwalt Me Boguet.
Mir blieb das Herz stehen, bei diesem Satz!
Es ist unfassbar welches Leid dieser Typ verursacht hat...
Zitat von Miss_MarpleeeMiss_Marpleee schrieb:Bis dahin sollte man ihm keinerlei Beachtung mehr schenken und den Opfern gedenken. Für mich wird die kleine Maëlys und auch Arthur niemals vergessen werden
Sehe ich genauso, wobei ich mir tatsächlich vorstellen könnte, dass von ihm nochmal kleine "Informationsfetzen" (a la Chris Watts) kommen könnten.

Und ich hoffe inständig, dass Ariane alle Fälle nochmal vollumfänglich durcharbeitet. Denn für mich ist klar, dass dies nicht seine einzigen Morde gewesen sind.


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