passato schrieb:Seit wann ist ein Internet Forum denn ein Gericht?
Hübsche Frage, rhetorisch gemeint, aber durchaus einer Antwort wert. Es gibt offenbar Leute, die ein Krimiforum als Stammtisch betrachten, und das Medium nutzen, um über die Verwerflichkeit des TV ihre eigene moralische Überlegenheit zu konstruieren: "Ich würde nie lügen! Pfui!" - was an Weltfremdheit wohl kaum zu überbieten ist und btw auch durch penetranteste Wiederholung nicht glaubwürdiger wird, sondern nur die Heuchelei perpetuiert.
Die sitzen dann öffentlich über den TV zu Gericht, nehmen eine Beweiswürdigung selektiv nach Gefühl vor, lassen entlastende Indizien konsequent ausser Betracht, möchten nach Gutdünken die Rechte des Angeklagten und der Verteidigung beschneiden, und die Befugnisse der Ermittler erweitern, befinden das Strafmass für zu gering, fällen ihre längst feststehenden Vor-Urteile und rechtfertigen ihre selbstgewählte Beschränktheit und ihre selbstgerechten Grenzüberschreitungen, diese
Karikatur von Gerichtsbarkeit ausgerechnet damit: man säße ja schliesslich nicht vor Gericht...
Solche Leute verwechseln dann gern und wider besseren Wissens, also absichtsvoll, die sachliche Prüfung einer Aussage damit, man würde dem TV unberechtigterweise "Glauben schenken" und ersetzen die inhaltliche Auseinandersetzung durch prolliges Heruntermachen derer, die diese geistige Verkürzung, um nicht zu sagen: Selbstkastration, nicht teilen.
Ein solches Vorgehen ist imho immerhin insoweit ehrlich, als damit die eigene moralische Notdurft öffentlich gemacht wird, d.h. dass man sowas eben iwie als Kompensation nötig hat und ansonsten an Wahrheitsfindung eher desinteressiert ist. Kann man natürlich machen.
Und es gibt in Krimiforen Leute, die an den Sachverhalten interessiert sind und denen rechtststaatliche Prinzipien auch im wahren Leben noch etwas bedeuten, unabhängig davon, ob ihnen ein TV sympathisch ist oder nicht.
Summa summarum: Ein Internet-Forum ist natürlich
kein Gericht. Aber ob man es sich deshalb als rechtsstaatsverachtende Stammtisch-Hinrichtungsstätte wünschen sollte, oder als eine Art öffentliche Bedürfnisanstalt zum Ablassen faktenfreier Urteile unter dem Deckmäntelchen der Meinungsfreiheit? Ich bin da ein wenig unsicher.
Ich vermute aber, es könnte sinnvoll sein, sich in seinen Urteilen ein klein wenig zurückzunehmen, auch wenn das hier kein Gericht ist. Das könnte btw auch dabei helfen, anderen aufmerksamer zuzuhören und so den eigenen Horizont zu erweitern, und das wäre doch immerhin schon etwas. Es könnte zumindest den Verzicht etwas versüßen.
PS: Zum Thema "Der lügt doch sowieso" hatte ich u.a. hier schon einmal etwas geäussert:
Beitrag von Trimalchio (Seite 827)Beitrag von Trimalchio (Seite 780)DEFacTo schrieb:daraus schließe ich, dass diese 'neue erklärung' zwischen dem 14.10. und dem 30.10. lag mit starker tendez zum 30.10., was aber nur meine meinung ist.
Ich kenne nur die eine nichtöffentliche Anhörung. Wenn ich es recht erinnere, wurde die 36-Seiten-Aussage Madsens seinerzeit von
@Sector7 zum 14.10. in die wiki-timeline eingefügt. Vielleicht kann er ja die Quelle dazu benennen?