jaska schrieb:Ansonsten ist das Urteil über Allen jetzt in der Welt. Das muss erst mal angegriffen werden.
Oder ist das in den USA grundlegend anders wie hier, @Rick_Blaine?
Nein, das ist im Prinzip genau wie on Deutschland. Das Urteil steht jetzt erst einmal. Interessanterweise gibt es in den USA tatsächlich noch einen Schritt, den es in Deutschland nicht gibt, aber der in diesem Fall bei dieser Richterin wohl hoffnungslos ist. Man kann einen Antrag auf Aufhebung des Urteils und neuen Prozess stellen, bei der Richterin, die dem Verfahren vorsass, mit der Begründung von Verfahrensfehlern. Aber da diese von dieser Richterin begangen wurden, ist es kaum ersichtlich, dass sie das jetzt zugibt.
Also ist der nächste Schritt das Einlegen der Revision.
equinoxx schrieb:Du hast zwar Rick Blaine angesprochen,
aber wie kommst du darauf, dass man nicht in Berufung gehen sollte/könnte?
In Deutschland kannst du so gut wie immer in Berufung gehen, sofern du begründen kannst und sich das Urteil nicht um eine Bagatelle (unter 15 Tagessätze) handelt. Dann geht das Verfahren in die nächsthöhere Instanz.
Und Jury-Urteile in USA kann man auch anfechten. Auch wenn das kompliziert ist.
equinoxx schrieb:Aber jetzt muss ich doch auch nochmal fragen. Wiederaufnahme bzw. Re-Trial käme ja ggf. nach Berufung / Revision oder wie ist das in Amerika? Gibt es das da so überhaupt?
Ich traue mich Rick Blaine garnicht schon wieder anzuschreiben, weil er ja im Urlaub ist, deswegen tagge ich ihn mal nicht, aber vielleicht liest er es ja zufällig irgendwann. :)
Leider ist mein Urlaub seit heute vorbei, also bin ich auch wieder hier.
Man muss genau zwischen den verschiedenen Rechtsmitteln unterscheiden. In den USA gibt es die gleiche Art, aber tatsächlich sogar mehr als in Deutschland:
Wie in Deutschland auch in einem solchen Fall gibt es keine "Berufung." Berufung in Deutschland bedeutet die neue Verhandlung des gesamten Sachverhalts. Die ist nach einem solchen Verfahren vor dem LG aber nicht möglich, sondern nur die Revision. In der Revision kann man nur rechtliche Fehler vorbringen.
Das ist in den USA der "appeal." Hier können nur Fehler vorgebracht werden, wo entweder klar gegen geltendes Recht verstossen wurde oder gegen Verfahrensregeln. Auch wird nicht jede Kleinigkeit zur Aufhebung des Urteils führen, sondern man muss nachweisen, dass durch den oder die Fehler im Verfahren der Angeklagte keinen fairen Prozess hatte.
Und wichtig: es können jetzt keine neuen Beweise mehr eingebracht werden. Das wäre erst wieder in einem neuen Prozess erlaubt, wenn man die Revision gewonnen hat.
In Deutschland wäre das auch bereits das Ende der Fahnenstange, nur eine Verfassungsbeschwerde beim BVerfG könnrte nach einer verworfenen Revision noch Hilfe bringen, das geschieht aber extrem selten.
In den USA gibt es noch ein paar Schritte: es handelt sich hier um einen Prozess vor einem bundesstaatlichen Gericht. Daher ist der Adressat der Revision jetzt zunächst einmal das bundesstaatliche Appellationsgericht, den Iowa Court of Appeals.
Gibt dieser der Revision statt hebt er das Urteil auf. Die Staatanwaltschaft kann dann einen neuen Prozess beantragen. Ganz selten kann er sogar ein eigenes Urteil fällen, dann kann es keinen neuen Prozess geben.
Ist man mit der Entscheidung des Court of Appeals nicht einverstanden, kann man als nächstes den obersten Gerichtshof von Iowa (Iowa Supreme Court) um eine Revision der Entscheidung des Appellationsgerichts bitten. Auch der Supreme Court kann dann wieder das Urteil aufheben usw.
Die in Deutschland nicht existierende Besonderheit ist, dass es in den USA zwei separate Justizsysteme gibt: das des Bundesstaates, und das des Bundes. Da die Bundesverfassung allen Amerikanern Rechte gibt, kann man parallel oder nacheinander auch noch eine Verletzung dieser Rechte vor einem Bundesgericht beklagen.
Das bedeutet, man könnte auch noch vor einem Bundesgericht sozusagen eine Verfassungsbeschwerde einlegen, ist hierbei aber darauf beschränkt, wirkliche Verletzungen der verfassungsmässigen Rechte nachzuweisen. Und auch hier hat man dann wieder einen Instanzenweg, der bis zum obersten Gerichtshof der USA reicht.
Daher sieht es zusammengefasst so aus: Mögliche Instanzen:
-Iowa Court of Appeals
-Iowa Supreme Court
-Federal Court
-Federal Circuit Court of Appeals
-Supreme Court of the United States
Allerdings ist es so, dass die obersten Gerichte, die supreme courts, einen Fall nur annehmen, wenn sie ihn für besonders bedeutsam halten, was in den wenigsten Fällen so ist. Und, das ist besonders wichtig, die Erfolgsrate bei Revisionen ist in den USA in etwa genauso niedrig wie in Deutschland, meist weniger als 15%.
Um das noch zu erwähnen, für ein "Wiederaufnahmeverfahren" auf grund neuer Beweise sind die Hürden hier ähnlich hoch wie in Deutschland, nur eine geringe Zahl solcher Anträge wird zugelassen und führt dann auch zum Erfolg.
Ansonsten meine Meinung: ich habe keine Ahnung, ob Allen schuldig ist oder nicht. Die Anklage hat mich nicht überzeugt, die Richterin war m.E. absolut voreingenommen und er hatte keinen fairen Prozess. Insofern wünsche ich seinen Verteidigern viel Erfolg in der Revision.
Keiner weiss, warum die Jury so entschieden hat. Aber aus meiner Erfahrung habe ich eine Vermutung: die "Geständnisse." Es gibt m.E. nur wenige Fälle, in welchen eine Jury Geständnisse, wie auch immer sie zustande kamen, ignoriert hat. Es scheint ganz deutich der Gedanke vorzuherrschen: "wer unschuldig ist, gesteht nicht."