GigiNazionale schrieb:Ok, mir ist das bei anderen Fällen im Vorfeld nie so bewusst geworden. Vielleicht will man auch die Zeit nutzen, bis das Gericht über die "Gag Order" entscheidet, was gleichzusetzen mit einem Maulkorb wäre. Mein persönliches Bild von Pflichtverteidigern wird durch diese beiden Herren nachhaltig aufgewertet. Ein vom Staat gestellter Anwalt muss nicht immer heißen, dass man schlecht vertreten wird. Die machen - unabhängig meiner Meinung zu RA - wirklich einen guten Job.
Das ist sehr richtig. Ich bin zwar kein Pflichtverteidiger, sondern ein Wahlverteidiger, aber ich kann absolut bestätigen, dass die meisten Pflichtverteidiger eine gute Arbeit leisten. Sicherlich, sie werden in der Regel nicht so gut bezahlt wie wir Wahlverteidiger, und haben oft eine höhere Arbeitsbelastung, also mehr Fälle zur gleichen Zeit, aber sie sind gute und meist erfahrene Anwälte und geben sich genauso viel Mühe wie ein Wahlverteidiger auch. Umgekehrt kann man auch mal an einen Wahlverteidiger geraten, der am Ende doch nur mittelmässige Arbeit geleistet hat. Dass Pflichtverteidiger immer nur zweite Wahl sind, ist ein unhaltbares Vorurteil.
GigiNazionale schrieb:Es gibt ein paar Theorien, die seine Anwälte ins Feld führen könnten. Aber halten die vor den kritischen Augen der Jury stand? Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit für so einen Zufall? Wenn ich @Rick_Blaine richtig verstanden habe, wird es für die Verteidigung sehr schwer werden, dem Gericht eine "glaubwürdige" Alternative zu präsentieren. Und es gibt auch nur einen Versuch, die können dann nicht sagen: "Oh, ihr glaubt uns nicht? Moment, wie wärs denn damit!?" Ich denke, die Strategie wird eher darauf ausgerichtet sein, Zweifel an der ballistischen Untersuchung geltend machen zu können. Sind die gefundenen Merkmale an der Patrone wirklich so einzigartig wie behauptet?
Ja, einmal mag jede Jury in der Regel Sachbeweise. Sie wirken meist überzeugender als Zeugenbeweise, da sie immer mit dem Anstrich der "Wissenschaftlichkeit" vorgelegt werden. Wenn da ein Sachverständiger im Zeugenstand sitzt und mit anscheinender Unparteiischkeit die Ergebnisse seiner wissenschaftlichen Analyse vorträgt, macht das in der Regel Eindruck. Freilich heisst das nie, dass diese Ergebnisse unangreifbar sind, aber das ist eben eine "uphill battle," also keine so leichte Aufgabe, eine solche Aussage zu erschüttern. Am Ende ist es oft eine Lage, in der zwei Experten, die also von der Sache weit mehr verstehen als das durchschnittliche Jury-Mitglied, zwei gegensätzliche Meinungen vertritt, und die Jury hat die etwas undankbare Aufgabe nun zu entscheiden, wer mehr Glaubwürdigkeit besitzt und wessen Argumente überzeugender sind. Und da tendieren schon viele dazu, dem Experten der Anklage irgendwie mehr zu vertrauen.
Wenn es der Anklage gelingt, eine wirklich wissenschaftliche Basis für die Behauptung, die Patrone habe sich in einer Waffe des Angeklagten befunden, vorzulegen, wird es sehr schwer für die Verteidigung werden, den logischen Schluss anzuzweifeln, dass der Waffenbesitzer auch der Mörder ist. Denn wie hier schon deutlich wurde, alle denkbaren Alternativszenarien, wie die Patrone dort hin gelangte, ohne dass der Besitzer auch der Mörder ist, sind zu diesem Zeitpunkt zumindest recht schwach.
Beim jetzigen öffentlichen Kenntnisstand ist jedenfalls diese Patrone ein starkes und das zentrale Beweismittel .