Endlich will ich anfangen, hier zu schreiben.
Durch meinen Ex war ich Teil einer Rettungshundestaffel. Er hat dort seinen Hund zu einem Flächenhund ausgebildet und mehrere Dutzend reale Einsätze mitgemacht. Ich bin durch ihn und kurz nach ihm da eingestiegen, habe die Helfer-Ausbildung mitgemacht. In den Einsätzen habe ich meist ihn oder andere Hundeführer begleitet/unterstützt.
Bei den Trainings, dem Theorieunterrricht und den Einsätzen habe ich neben Flächenhunden auch Trümmerhunde und Mantrailer selber direkt miterlebt - eben in der Helferrolle oder als versteckte Person im Training.
Zu welcher Hilfsorganisation die Staffel gehört und aus welchem Ort/Gebiet sie ist möchte ich nicht mitteilen. Über mitgemachte Einsätze darf ich nichts berichten, es gibt eine Verschwiegenheitspflicht. Ich vermute (sonst hoffe), dass das verständlich ist.
Aus den Gründen habe ich hier lange Jahre nur mitgelesen, auch wenn es nur zu den wenigsten meiner Einsätze hier auch Diskussionen gab.
Von Ex wie Staffel bin ich seit einiger Zeit getrennt, in einem der Fälle werden die Gründe (wenn ich so an meine Beitragsentwürfe in meinem Kopf denke...) klar werden. Vorab: es hat mit Zweifeln am Mantrailing zu tun...
Von Rettungshunden als prima Einsatz-/Hilfsmittel bin ich weiterhin überzeugt und versuche drum gerne, mit grundsätzlichem Wissen mehr oder minder exakt zu diesem Thema hier beizutragen.
Fragen sind willkommen, Antwortwille auch, aber alles werde ich nicht seriös beantworten können (was ich dann auch offen einräume).
Anfangen will ich nicht mit weiterem eigenen Text, sondern Reaktionen auf das, wozu ich bei den bisherigen Beiträgen hier etwas sagen möchte.
SCMP77 schrieb am 18.11.2016:Ein Urteil, was die gerichtliche Verwertbarkeit von Mantrailer hinterfragt, ist hier zu finden:
http://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2013-N-13022?hl=true&AspxAutoDetectCookieSupport=1
Aus diesem ergeben sich auch ein Teil der gestellten Fragen, welche Prüfungen und deren Inhalt die Hunde abzuleisten haben.
Hier auch eine Seite, die auf die Problematik der beeinflussenden Faktoren eingeht:
https://eddiesuperdog.wordpress.com/2016/03/25/forschung-menschengemacht-warum-spuerhunde-falsch-liegen-koennen/
Ein ehemaliges Mitglied, beide Links gehen nicht mehr. Weis zufällig wer mehr oder hat alternative Links?
SCMP77 schrieb am 23.11.2016:Seefahrer schrieb:
In der Praxis kann man aber einen Zeugen BEFRAGEN. Er hat bei solchen Befragungen erstmal seine Beobachtung frei zu schildern, danach werden Fragen gestellt, wie z.B. ob er das Gesicht des Täters wirklich genau gesehen hat, von wo das Licht kam, wie der Täter stand, wie Täter und Opfer gekleidet waren etc.. Man kann eine solche Zeugenaussage mit bekannten Fakten dann doch recht gut verifizieren.
Den Hund kann man jedoch nicht befragen.
Aber eben den Hundeführer und den Helfer, der ihn im Einsatz begleitet. Einem Staatsanwalt, der sich etwas in die Materie einarbeitet, traue ich schon zu, dass es ihm gelingen kann, aus so einer Befragung gute Indizien zu gewinnen, wie verlässlich das ist, was das Mensch-Hunde-Team da abgeliefert hat.
Derartige Befragungen habe ich allerdings nie erlebt, unsere Einsätze zogen nie Befragungen einzelner durch die Polizei/StA nach sich oder wurden in Strafprozessen behandelt.
Frau.N.Zimmer schrieb am 24.11.2016:@Evil-Eve
Ich habe neulich eine Doku über so ein Training im TV gesehen. Da lief die Suche wie folgt ab. Dem Hundeführer wurde gesagt, es würde ein Tatverkzeug gesucht, das sich links im Wald unter einem Reisighaufen befindet. Der Hundeführer wusste also die grobe Richtung.
Kann es sein, dass nun der Hundeführer dem Hund, unbewusst die richtige Richtung suggeriert? Ich fand das ganz schön viel Information. In einem echten Fall, kann man doch auch nicht sagen - da vorne links oder rechts?
Beim Mantrailing kann man das (leider!) schon und tut es auch - wenn dem MT-Hundeführer Vermutungen, wo der Vermisste grob hin sein könnte geschildert oder seine Gewohnheiten (zB übliche Spazierwege) genannt werden. So kann es kommen, dass die Richtung, in der der MTler "Spurende" meldet und der tatsächliche Auffindeort dann genau entgegengesetzt liegen...
Es gibt aber auch die Hundeführer, die sich ausdrücklich jede weitere Information als den letzten gesicherten Aufenthaltsort ausdrücklich verbieten und andernfalls, eben wegen der Gefahr unbewusster Beeinflussung, den Einsatz verweigern.
Seefahrer schrieb am 24.11.2016:@Evil-Eve
Eine Frage, die Du vielleicht beantworten kannst: Wird der Hundeeinsatz der Polizei eigentlich auf Video aufgenommen, um ggf. später die Arbeit von Hund und HF bewerten zu können?
Im Bereich der Rettungshundestaffeln der Hilfsorganisationen habe ich ein mitfilmen nie erlebt, auch nicht davon gehört. Das scheint es dort wenn nur zu Trainings-/Ausbildungszwecken zu geben.
Rick_Blaine schrieb am 25.11.2016:Hier im konkreten Fall hat sich aus der Diskussion ergeben, dass nicht nur die Fähigkeiten der Hunde selbst diskutiert wurden, sondern auch die Verwertbarkeit vor Gericht. Das hat m.E. sehr viel mit dem Ausgangsthema zu tun, denn wenn diese Fähigkeiten nicht juristisch akzeptiert sind, wird die Sache für die Kriminalistik uninteressant.
Jein ;-)
Eigentlich hatte ich, wie alle Rettungshundestaffeln der Hilfsorganisationen auch nichts mit Kriminalistik zu tun. Aufgabe der Ehrenamtler war es, vermisste Personen zu suchen, die hilflos sind. Also bei denen sowohl eine Notlage als auch der Wille, gefunden zu werden, angenommen werden kann.
Sprich Demente, die sich verlaufen haben, Personen die zB nach Unfall verletzt Hilfe für sich nicht mehr selber organisieren können,verirrte entkräftete Kinder usw..
Da die Ehrenamtler eben keine ausgebildeten Polizisten sind, eignen sie sich nicht für Suchen, bei denen der gesuchte gar nicht gefunden, sondern bspw. fliehen und sich verbergen will. Dadurch fallen bspw. Suchen nach Einbrechern und entflohenen Straftätern flach.
Es kann aber, teils vorher nicht als solche erkennbare, Grenzfälle geben. So können sowohl Demente als auch Personen mit bestimmten psychiatrischen Erkrankungen beim finden durchaus nicht erfreut, sondern eher aggressiv reagieren. Deshalb werden Hundeführer wie helfer entsprechend geschult/ausgebildet und sind ausnahmslos immer mindestens zu zweit sowie stets in Sicht- und Hörweite zueinander unterwegs.
Mulmig im nachhinein wurde es uns bei einem Einsatz, wo anscheinend eine ausgerissene jugendliche Person gesucht wurde. Erst Tage nach dem Einsatz zeigte sich durch Leichenfund und Untersuchung von Auffindeort und Leiche, dass es Straftaten gab und einen Töter, der die vermisste getötet hat.
Zurück zu "nützen juristisch nicht verwertbare Rettungshunde der Kriminalistik". Ich finde ja, nämlich immer dann, wenn sich ein Vermisstenfall durch auffinden der Person klärt. Vor allem durch Flächenhunde kann bei unübersichtlichen (Wald-)Gebieten schneller und effektiver als mit Hundertschaft oder Helikopter sehr sicher festgestellt werden, dass die vermisste Person zum Zeitpunkt der Sucht dort nicht war. Da Einsätze durchaus gründlich dokumentiert werden (GPS-Tracking aller Hunde und Einsatzkräfte sollte Standard sein), diese Daten aber nicht öffentlich, sondern nur der Polizei übergeben werden, kann es wohl auch schon mal sein, dass diese Daten später noch zu irgendwas nützlich sind.
Evil-Eve schrieb am 25.11.2016:@HerculePoirot
Es wäre hier interessant zu wissen, wie die drei Herren gekleidet waren. War es tatsächlich ein Mantrailer im Dienst, dann hatten die Beamten in aller Regel Dienstkleidung plus Warnweste an. Jegliche andere Bekleidungsform spricht eher für private Suchhelfer.
Evil-Eve schrieb am 26.11.2016:Danke @Liebeleben1234 für die Information. Da kann ich mir nicht wirklich einen Reim drauf machen, aber aufgrund der Waffe darf man dann von mindestens einem Beamten ausgehen. Je nach Situation vor Ort wollte man vielleicht lieber unauffällig bleiben - jedoch meiner Erfahrung nach mit einem zielstrebigen Hund plus Gefolge eher unmöglich.
Evil-Eve schrieb am 27.11.2016:Ganz sicher wird die Aussage eines Beamten im Regelfall höher eingeschätzt als die eines Zivilisten.
Was mich an der Beamtenstory stutzig macht ist der Umstand, dass eben auch dienstliche Spürhundeteams in aller Regel uniformiert sind. Und wenn nicht, dann sind Beamte in Zivil dazu angehalten, die Dienstwaffe nicht offen zu tragen.
Ich tendiere hier deshalb eher zu @Seefahrer 's Vermutung oder doch einem privaten Team. Ggf war es doch keine Schusswaffe? Oder die Waffe eines Zivilisten mit Waffenschein (was dämlich wäre - aber möglich)? Oder es ist hier einfach so, dass einiges anders ist als übluch und ich deshalb falsch liege mit meinen Ausführungen.
Wie sicher es eine Schußwaffe war und nicht doch ein anderer Gegenstand, ist eine entscheidende Frage. Manch Hundeführer hat gefühlt einen halben Zooladen und optische Technik am Gürtel oder in einer Weste dabei.
Waren es Mantrailer einer Hilfsorgansiation, wäre mindestens bei unserer durch Auflage der Versicherung eine Warnweste wie bei Autofahrern (oder gleich die Uniformjacke, die die entsprechende Norm mehr als erfüllt).
Da es "Mantrailing" auch mehr so als Hundesport in Hundevereinen gibt, könnten es auch Leute von dort gewesen sein. Ob es da Jäger gibt und ob die bei solchen Spielereien auch ihre Waffen tragen dürften oder/und es tun ist Spekulation, da weis ich nicht wirklich was zu. Waffen habe ich weder bei unseren Staffeln noch bei anderen in Einsätzen erlebten je gesehen.
brunhildeb schrieb am 13.12.2016:Und noch eine ganz andere Frage:
Ich finde es sehr erstaunlich, dass die Hunde so genau zwischen Job und Freizeit unterscheiden können. Ist das entsprechende Halsband (oder etwas ähnliches) angelegt, weiß der Hund: jetzt geht's los und ist entsprechend aufmerksam. Wird das Halsband abgelegt, ist er entspannt und schlägt auch nicht an.
Jein ;-)
Es gibt mitunter sehr gute oder/und diensteifrige Hunde, die bei Spaziergang in der Freizeit bei vornübergebeugt an einen Baum lehnenden wild keuchenden Joggern anschlagen, weil das grundsätzlich dem Bild einer vermissten hilflosen Person entspricht, was (auch) antrainiert wird. Oder schnurstracks weg vom Waldweg laufen, kurz innehalten und dann die dort bewegungslos liegenden, vom Weg nicht sichtbare alte Person anzeigen.
Aber grundsätzlich ist es wie
@brunhildeb schreibt - ansonsten wäre es ommers kaum möglich, mit einem Flächenhund an einem Badestrand langzulaufen oder an Orten, wo zwar wie auch immer berauschte in nicht wirklich hilflosen Zuständen für menschen eigentlich atypisch herumstehen/-liegen.
meermin schrieb am 14.01.2017:@Evil-Eve
ich hätte auch eine Frage an Dich: Sie betrifft den Fall Tanja Gräff. Die Studentin verschwand 2007 nach dem Besuch eines Festes und wurde erst 2015 ganz in der Nähe der Stelle an der sie zuletzt damals von Zeugen gesehen worden war tot unterhalb eines Felsens aufgefunden. Die Ermittler der Polizei gehen davon aus, dass sie den Felsen hinabstürzte und ihr Körper zunächst auf halber Höhe in einem Baum hängenblieb.2007 kamen Suchhunde zum Einsatz, die allerdings keine Spur zur später entdeckten Absturzstelle finden konnten.
meermin schrieb am 14.01.2017:@Evil-Eve
danke für deine Antwort. Es wurde damals aber mutmasslich eine Spur von den Hunden gefunden, trotz des Unwetters, nur führte diese vom Fest weg entlang einer Bundessstrasse ins Stadtgebiet, den Berg hinunter an den Fluss.
Dem leider nicht sehr sicheren Hörensagen nach wurde auch vermutet, Tanja Gräff habe vom Fest hinunter in die Stadt gewollt und dies sei den Hundeführern der Mantrailer auch bekannt gewesen - womit eine unbewusste Fehlleitung der Hunde möglich wäre.
noopel schrieb am 23.01.2017:@Apoplexia
im Fall Tanja H. , Hunde hatten eine Spur....aber leider die wo Sie am Nachmittag oder den Vortag spazieren gegangen ist. Ging mit Familie und Hunden immer dort lang...Genau andere Richtung vom Fundort.
Da sehe ich dann zwei mögliche Fehlerquellen. Entweder wurden die Hunde nicht am tatsächlich letzten sicheren bekannten Aufenthaltsort angesetzt - schließlich ist Lehrmeinung beim MT, dass die Hunde automatisch immer nur der frischesten und so meist stärksten Spur folgten. Oder die Hunde haben irgendeine andere Spur verfolgt (nach Lehrmeinung möglich, wenn der den Hunden präsentierte Geruchsgegenstand nicht nur den Geruch der Vermissten, sondern auch einer weiteren Person trug - die sich ebenfalls am Ansatzpunkt der Hunde aufgehalten und von dort wegbewegt hat.
(Werde bei Gelegenheit mit dem fortsetzen, was ich zu Rettungshunden so mitteilungswert finde.)