Hercule-Poirot schrieb:In meinem Bekanntenkreis ging kürzlich ein dementer 63-jähriger verloren. Er wollte eine kleine Radtour zu einem nahen, weniger als zwei Kilometer entfernten See unternehmen und wurde erst zwei Tage später nachts (hungrig und durstig) von Mitarbeitern einer Sicherheitsfirma auf einem Firmengelände 80 km entfernt angetroffen. Die verständigte Polizei brachte ihn dann erstmal ins Krankenhaus.
Die Polizei teilte der Ehefrau bei ihrer Vermisstenanzeige mit, dass man mit Mantrailer Hunden keine Personen auf einem Fahrrad verfolgen kann und der Versuch wurde auch gar nicht erst unternommen.
Das er nicht schneller durch Einsatzkräfte (oder aufmerksame Zeugen) gefunden wurde, ist zu bedauern. Ich hoffe, der 63-jährige hat diesen "Ausflug" so gut wie möglich überstanden.
Bei dementen Personen gibt es oft Hinweise bzw. die Überzeugung, diese seien nicht mehr so fit, kämen nicht so weit. Geflügelter Gegenspruch: Demente vergessen auch, dass sie schlecht zu Fuß sind und laufen einfach weiter. Ich denke, es sollte in solchen Fällen erfragt werden, wie fit die Vermissten wirklich sind, welche Strecken sie zuletzt oder früher im Leben zurücklegten.
Warum welche Suchmassnahmen ergriffen wurden oder nicht kann ich letztlich nicht beurteilen. Aber da die vermutete Strecke eigentlich überschaubar war, wäre eine Suuche entlang des Weges zum und des Sees (je nach Gelände Helikopter, Streifen, Flächenhunde für x Meter rechts/Links des Weges) wohl schon möglich gewesen.
Bei Mantrailern bin ich bekanntermaßen generell recht skeptisch. Mantrailing bei Radfahrenden hatten wir in Theorie und Training nicht, im Einsatz habe ich so etwas auch nicht miterlebt. Mit Joggern wurde aber trainiert - warum sollte MT dann rein logisch analog betrachtet nicht auch bei Radfahrenden (außer bei sehr flotten Rennradlern) funktionieren?
Trotz der ethisch-rechtlichen Fragen, die dabei entstehen, ein allgemeiner Tipp an das Umfeld von Personen mit Demenz. Ich persönlich würde mich ernsthaft mit der Möglichkeit beschäftigen, der Person eine Fernortungsmöglichkeit zu verpassen.
Wird ein Smartphone zuverlässig mitgeführt, dann gibt es da offenbar entsprechende Apps. Ebenso gibt es offenbar bezahlbare zuverlässige Armbänder/Fußbänder, die so etwas ermöglichen. Ich schreibe das deshalb recht vage, weil ich mich damit seit Jahren nicht wirklich genauer beschäftigt habe oder beschäftigen musste (nur zwei Fälle, wo die Personen dies noch verstehen konnten und wollten und es mit Zugangsdaten für nächste Angehörigen zu den Standard-Ortungen via Betriebssystem der Smartphones getan war).
Solche Fernortungen mögen nicht ganz genau sein, auch können Akkus im unpassenden Moment leer oder kein mobiles Datennetz verfügbar sein, doch selbst in diesem dann schlechtesten Fall gibt es immerhin einen zusätzlichen und genaueren Anhaltspunkt als die letzte Sichtung am Abgangsort.
Noch etwas zu den Fragen vom Diskussionsleiter @Carletta im Ausgangsbeitrag.
Carietta schrieb am 18.11.2016:Oftmals wird in einzelnen Fällen nicht unterschieden zwischen Suchhunden, Mantrailern, Leichenspürhunden etc. Die Frage ist ja oft, was können diese Hunde leisten und was nicht. Was erschwert die Arbeit, sind es Umwelteinflüsse wie das Wetter, der Hundeführer der seinen Hund richtig "lesen" muss oder anderes.
Suchhund ist der nach meinem Verständnis der ungenaueste Begriff überhaupt. Denn ob ein Hund irgendeinen, einen speziellen, einen verstorbenen Menschen oder Drogen, Sprengstoff, unter Artenschutz stehende Dinge, Bargeld, oder Datenträgersucht, wird dadurch nicht klar - und in allen fällen sucht der Hund, ist also ein Suchhund.
Rettungshunde finde ich als Oberbegriff für all die Hunde, die zur Rettung von Menschen eingesetzt werden da schon passender. Umfasst im wesentlichen Flächen-, Trümmer-, Lawinenhunde und Mantrailer. Warum teils auch Leichenhunde unter dem Begriff laufen, das habe ich nie verstanden.
Flächenhunde
Durch Stimme und Handzeichen vom Hundeführer gesteuert suchen sie unübersichtliche Flächen (meist Wald) selbständig per Nase auf irgendeine menschliche Witterung ab und zeigen gefundene hilflose Personen auf verschiedene Arten (meist anhaltendes Verbellen, bis der Hundeführer an der Stelle ankommt) an. So wie die typische "Kundschaft" liegen, sitzen, hocken, wanken, klettern in Bäumen im Training diejenigen, die die vermisste Person darstellen.
Erscherend ist es, wenn im Suchgebiet weitere nicht hilflose nicht vermisste Personen sich aufhalten oder herumlaufen. Da aber meist tief im Wald und nicht selten in der Dunkelheit gesucht wird, hält sich dieses Problem in Grenzen.
Sehr dichter Bewuchs oder Bauten im Wald, durch die sich die menschliche Witterung nicht hindurchbewegen kann, behindern die Suche. Das und die Windrichtung muß der Hundeführer beachten, wenn er seinen Hund gezielt auf bestimmte Bereiche (vor das den "Windschatten" auslösende Objekt) steuert. Der Hundeführer, unterstützt vom ihn begleitenden Helfer, entscheidet, wann er das ihm zugeteilte Gebiet für abgesucht hält. Der Einsatzleiter überprüft dies im Gespräch und mit den Tracking-Daten von Hund, Hundeführer und Helfer.
Bei gut ausgebildeten Hunden, Hundeführern, Helfern ist dies aller Erfahrung nach eine sehr sichere Sache - wenn eine Staffel sagt, im ihr zugewiesenen Gebiet ist die vermisste Person nicht, dann ist das mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch so.
Befindet sich die vermisste Person dort im bereits verstorbenen Zustand, wird es kritisch - denn Flächenhunde werden nur auf die Witterung lebender ausgebildet, verstorbene zeigen darum nicht wie üblich an. Kann ein erfahrener Hundeführer seinen Hund sehen, hat er aber eine gute Chance zu erkennen, dass der "dumm tut", also da was sein könnte und kann dann darum selber oder vom Helfer oder von dafür herbeigefunkten anderen Kollegen den Bereich kontrollieren lassen.
Bei absoluter Windstille in einer tieferen Kuhle liegende Vermisste sind für den Fläöchenhund auch nur aus der relativen Nähe auszumachen. Aber Kuhlen sieht man im Wald am Tag ganz gut und für nachts gibt es Taschenlampen.
Sooo weit dazu.
Zu den Trümmerhunden (Einsatzfälle: Trümmerlagen nach Gebäudeeinsturz durch Erdbeben, (Gas-)Explosionen, groben Baufehlern sowie auch schon mal innerhalb intakter (Industrie-/Gewerbegebäude) schreibe ich demnächst.
Carietta schrieb am 18.11.2016:Z.B. (Ich schreibe jetzt nur Hund, da ich nicht weiß, was die vielfältigen Ausbildungsarten leisten können, da geht es ja vom Mantrailer über den Leichenspürhund bis zum Lawinensuchhund)
* Kann ein Hund eine Spur weiter verfolgen, wenn die Spur (oder das mutmaßliche Opfer) von der Straße weg in ein Auto verbracht wurde?
* Kann ein Hund riechen ob es sich um eine alte oder neue Spur handelt?
* Kann ein Hund erkennen ob die Spur in eine Richtung frischer ist, als in die andere Richtung?
* Riecht ein Hund eine Spur anhand von Hautpartikeln oder gibt es auch andere Geruchsstoffe die ein Mensch ausscheidet?
Spur in dem hier erkennbar gemeinten Sinne ist die Spur eines konkreten Menschen, also ein Fall für einen Mantrailer.
Das Mantrailing von Personen im Auto ist höchst umstritten, wie wir es hier und bei manchen Fällen schon hatten.
Ein Mantrailer kann nicht in dem Sinne ein Alter einer Spur erkennen und das dem Hundeführer mitteilen. Was er aber laut Lehrmeinung kann, ist sicher zu erkennen, welche von ggf. mehreren Spuren der konkreten Person die frischeste ist.
Dazu und zur Richtrungsfrage der evolutionäre und irgendwie einleuchten triviale Hinweis: folgt ein Hund/Wolf der Spur des zum Mittagessen vorgesehenen Wildtieres von gestern, gibt es heute kein Mittagessen. Läuft er entgegen der Laufrichtung seiner potentiellen Beute, weis er zwar sozusagen, wo diese den Tag begonnen hat, hat aber immer noch nichts zu beissen.
Wie schon hier zu lesen war, spielen neben Hautschuppen auch ausgeatmete Partikel eine Rolle bei der Duftspur.
Zur Ausbildung der MTler (wo für mich öfters der Grund liegt, warum sie eher Prüfungen bestehen als bei wirklichen Einsätzen Personen aufspüren können) ebenfalls demnächst mehr.
Stelle fest, über Rettungshundearbeit schreiben, ist wie die zu betrieben oder/und damit in den Einsatz zu gehen: Stunden schwinden da wie sonst Minuten...
Trine schrieb:Eine weitere Möglichkeit könnte auch sein, dass die Hunde den Leichengeruch durch die Thermik am Hang und die Liegedauer schon am Ansatzpunkt an der Uni wahrgenommen haben und negativ angezeigt haben. Und die Hundeführer das aber nicht erkannt haben und in Kombination mit dem Wissen über die Vermutung, wo sie lang gegangen sein müsste, den Hund unbewusst in die Richtung gedrückt haben.
Ich fürchte, da steckt ein Denkfehler drin. Dem kolportierten Wissen nach wurden dort Mantrailer eingesetzt. Denen sollte der Geruch von (hinreichend lang verstorbenen) Leichen egal sein. Ob durch die Thermik etwaiger Geruch erst den halben roten Felsen hoch und dann das doch recht lange Stück (teils wohl dichter Wald, kein durchgängiger gerade Fußweg/Trampelpfad) runter bis zum FH-Gelände gelangt sein kann (oder am roten Felsen lang und im Bereich der FH dann zum mir unbekannten genauen Ansatzpunkt der MTler), kann ich nicht beurteilen. Habe meine Erinnerung von dort gerade per Maps geprüft: es ist eine Strecke von 800-900m.
Trine schrieb:Ich hab auch mal das Video eines Trainingstrails gesehen, da wurde die zu suchende Person mit dem Auto weggefahren. Der Bloodhound hat im Training die Spur aufgenommen und auch gefunden.
Wenn sichergestellt war, dass Hundeführer, Begleiter, Videograf die Route nicht kannten und sich diese auch nicht automatisch (bspw. nur geradeaus, einzige Abbiegung an einer Stelle, wo die Straße knickt und geradeaus nur ein Feldweg/Trampelpfad ist) ergibt, dann ehrlichen Respekt für die Leistung.
Andernfalls bleibt unklar, ob die an der Suche beteiligten Menschen (unbewusst) den Hund in die richtige Richtung lenkten.
Trine schrieb:Die Polizei sieht den Einsatz von Mantrailern zumindest hier bei uns kritisch, wenn sie nicht zu Rettungsorganisationen wie Johannitern oder der Polizei selbst gehören. Das hat etwas damit zu tun, dass es keine exakte Wissenschaft ist und sich zu Beginn des Mantrailings in Deutschland viele private Hundeführer hoffnungslos überschätzt haben. Wenn dann vor Ort kein Dienstmantrailer ist oder die örtliche Rettingsstaffel keine Mantrailer hat, dann wird das rigoros abgelehnt. Ob man sich dann ne Begründing ausdenkt, die netter klingt als: "Gibt es bei uns nicht!" weiß ich nicht.
Es soll/muß in manchen Gegenden freie Mantrailer/Rettungshundestaffeln (wird hier wohl mit "privat" gemeint) geben, die mit der Polizei abgestimmte Ausbildungs-/Prüfungsregeln haben und die die Polizei anerkennt und für Realeinsätze anfordert.
frauZimt schrieb:Die Johanniter und andere Vereine haben auch keine verbeamteten Hunde.
Wenn du einen geeigneten Hund besitzt, kannst du deinen Hund dort vorstellen und wenn man euch beide für geeignet hält werden ihr dort ausgebildet. Das läuft auf der Hobbyebene, regelmäßige Treffen und mit den Hunden arbeiten. Wenn man sich für Einsätze qualifiziert hat, ist man bei tatsächlichen Suchen dabei. Dann ist man ein privater Hundehalter, der für die Johanniter (oder einen anderen Verein) arbeitet.
Hobbyebene finde ich etwas schief. Und man arbeitet nicht für diesen "Verein", sondern ist Teil davon.
Bei den rettungshundeführenden Organsiationen, den klassischen Hilfsorgansiationen (Deutsches Rotes Kreuz, Johanniter Unfallhilfe, Arbeiter Samariter Bund und Malteser Hilfsdienst) handelt es sich bei den ganzen einzelnen lokalen Gliederungen schon um Vereine. Aber nicht so Vereine wie bei den diversen Hunde(sport)vereinen, sondern Teil einer übergreifenden und professionell geführten bundesweiten Organsiation.
Nahezu wohl alle Menschen, die sich in der Rettungshundearbeit engagieren, tun dies ehrenamtlich. Sprich sie bekommen weder für Training noch für Einsätze noch für die Fahrtkosten noch für weite Teile der persönlichen Ausrüstung von irgendwem Geld.
Die jeweiligen Ausbildungs- und Prüfungsregeln ähneln sich, sind durchaus strikt, mit den Polizeibehörden abgestimmt und auch wenn die Prüfer ebenfalls Ehrenamtler aus den Organisationen sind, winken die nicht einfach durch, wenn ein Mensch-Hunde-Team es einfach noch nicht/nicht mehr kann.
Es gibt in der Theorie verpflichtende Inhalte, die jährlich zu wiederholen sind. Hat ein Hund eine Prüfung bestanden, dann hat die nur eine zeitlich begrenzte Gültigkeit. Wird die Prüfung nicht rechtzeitig erneut abgelegt, nimmt der betroffene Hund an keinem Einsatz mehr teil.
Ich halte es für völlig angemessen, Ausbildungsstand/Qualifikation in diesem Ehrenamt mit den Ehrenamtler der freiwilligen Feuerwehren und dem THW zu vergleichen. Und dort spricht wohl auch niemand von Hobbyebene.
Allerdings will ich nicht ausschließen, dass wie bei der freiwilligen Feuerwehr auch bei den Rettungshundestaffeln mancher denkt, das wäre eine bezahlte Vollzeittätigkeit (spannend wäre mal zu erheben, wie viel % der Deutschen das mit dem Unterschied von Berufs- und freiwilliger Feuerwehr wirklich richtig erklären können).