orenoa schrieb am 12.07.2020:weil's eben im TV lief:
Habe mir den
30-minütigen SWR-Beitrag angesehen. Und einige Anmerkungen! Habe auch diesen Beitrag unter dem Aspekt, wo können Grenzen/Fehler liegen, wo wären ggf. andere Such-/Einsatzmittel auch oder gar besser geeignet, betrachtet.
Ca. 2:18
Während der Mantrailer darauf warten muß, daß der Schlüssel zum LKW gebracht wird (und dann hoffentlich ein tauglicher Geruchsartikel gefunden werden kann), hätte eine Rettungshundestaffel mit Flächenhunden schon das Umfeld des Lasters auf den möglicherweise hilflosen Fahrer absuchen können. Da der Beitrag inzwischen schon etwas älter ist (*hüstel*), hätte es sich damals ggf. weniger als heute aufgedrängt, den anscheinend nicht sehr dichten/belaubten Wald auch mit Drohnen auf die Anwesenheit des Fahrers abzusuchen.
Über Drohnen verfügten damals manche und heute gewiss sehr viele RHS. Oder auch die Feuerwehr. Und teils die Polizei selber.
Ca. 4:58 - 5:31
Es geht um die (auch aus meiner Sicht) größte Herausforderung, den Hund so gut wie gar nicht zu beeinflussen. Dazu zählen die Aspekte Vertrauen, Hund kennen. Beudeutet also gerade nicht, mit irgendwelchen Vorinformationen oder eigenen Bauch-/Plausibilitätsannahmen dazu, wo/wie weit die vermisste Person gelaufen sein könnte, zu arbeiten.
Ca 8:00
Anderer Fall, junger Mann aus Psychiatrie auf eigenen Wunsch nach Hause entlassen, dort nicht angekommen, Wanderer finden Tasche am Rand von Waldweg, gucken rein, nehmen Papiere raus.
Polizistin sucht geeignete Geruchsprobe, wählt Schuhe. Wie erläutert und nachvollziehbar werden die, anders als die sonstige Kleidung, in der Klinik eher nicht von anderen angefasst.
Die Finderin wird gebeten, noch vor Ort zu blieben, bis Hund startet, damit Hundeführerin ggf. auschließen kann, dass der Hund nicht doch den Geruch der Finderin und nicht des Vermissten aufnahm.
Soweit aus meiner Sicht vorbildliches Vorgehen.
Anders, als ich es einmal miterlebte. Person aus Einrichtung abgängig, bei Ankunft RHS liegt schon Geruchsartikel bereit. Den hätte Pfleger Herr XY vor seinem Schichtende extra schon im Plastebeutel bereit gelegt. Kollegin des Pflegers gibt auf befragen an, Pfleger habe den Geruchsartikel ganz sicher mit Handschuhen aus dem Zimmer geholt. Mantrailer startet, nach etwas über 1km relativ einfachem Weg (wenig Kreuzungen/Richtungswechsel, wenig Passantenfrequenz) kommt er an einer Haustür eines Mehrfamilienhauses an. Hundeführer funkt mit Einsatzleitung bzgl. ittels Polizei Gebäude absuchen, da der Name des Vermissten nicht auf den Klingelschildern steht. Ich merke dann doch mal an, dass auf den Klingelschildern der Name XY zu finden ist.
Fazit: nur einer im Hund-Mensch-Gespann hat gut gearbeitet.
Ca. 10:15
Bei der Suche nach dem LKW-Fahrer hat der Mantrailer die Spur verloren, zur Unterstützung wird ein Polizeihubschrauber eingesetzt. Der findet auch nichts.
Ca. 12:04-12:11
Deshalb wird zur weiteren Unterstützung nun die Reiterstaffel eingesetzt. Und eine Einsatzhundertschaft durchkämmt nochmal das Waldgebiet.
Ich habe in Einsätzen zwar schonmal Reiter gesehen, private, aber keine Polizeiliche Reiterstaffel. Und nur in der Vor-Drohnen-Zeit eine Hundertschaft, die das ans Suchgebiet im Wald angrenzende Maisfeld übernahm.
Ca. 13:48
Nachdem im Fall des psychisch erkrankten offenbar eine Spur gefunden und unter Polizeisperre auf der Straße weiterverfolgt wurde, kommt der Anruf, der Vermisste sei wieder aufgetaucht.
Ca. 14:20
Später wurde herausgefunden, dass die ausgearbeitete Spur tatsächlich dem Weg des Vermissten entsprach.
Ca. 15:05 - 15:30
Der vermisste LKW-Fahrer wird in der Nähe des Hauses des polizeilichen Mantrailers gefunden, offenbar als dieser Feierabend hatte. Das ganze etwa 20km vom Standort des LKW entfernt.
Leider wird nicht aufgelöst, ob die von dem Mantrailer-Team ausgearbeitete Spur im Wald korrekt war, sprich ist der LKW-Fahrer dort langgelauben? Oder hat der Hund seinem Führer eine Fantasie-Spur geliefert oder der Führer aus seinem Hund eine Fantasie-Spur herausgelesen?
Ca. 16:35
Zu sehen das Training, bei dem ein Polizeikollege hilft und vom Ausbildungsleiter angesagt bekommt, wo er sich ungefähr verstecken soll.
Ca. 17:30
Hundeführerin nimmt selber mit Handschuhen Geruchsartikel (Socken und Einlegesohle). Das finde ich wieder gut.
Ca. 18:10
Der Ausbildungsleiter folgt der Hundeführerin. Das finde ich etwas erstaunlich, da der Ausbildungsleiter doch angewiesen hat, wo sich die Kollege verstecken soll. Damit sind (unbewusste) Beeinflussungen nicht ausgeschlossen. Besser wäre das sog. Double-Blind-Verfahren - weder Hundeführer noch irgendeiner der Begleiter wissen, wo die zu suchende Person hin ist. Das ist natürlich anfangs bei der Ausbildung anders (dazu vielleicht irgendwann mehr), aber bei fertig ausgebildeten Mantrailern für Realeinsätze?
Ca. 21:35
Es wird auf die vom Hundeführer zur Beweissicherung im Einsatz, sprich bei der Suche, getragene Bodycam, hingewiesen. Damit ist auch klar, dass diese schon zuvor im Beitrag verwendeten Bodycam-Aufnahmen nicht extra für den Beitrag, sondern generell gemacht werden.
Der Hundeführer sucht mittels Einlegesohle und T-Shirt nun einen Senioren, der zuletzt im Wald gesehen wurde.
Ca. 22:26
Der Mantrailer-Hund läuft gerade den Weg weiter, als würde er weiter der Geruchsspur folgen. Der Hundeführer stoppt - sich und damit auch seinen Hund. Der Hundeführer hat am Wegesrand Gegenstände entdeckt, die er offenbar selber untersuchen möchte. Es zeigt sich, dass das gefundene Basecap und das Medizinteil vom Vermissten stammen könnten.
Ca 23:45
Hundeführer begibt sich vom Weg, den der Hund vorher offensichtlich geradeaus weiterlaufen wollte, links dem Abhang herunter und gibt seinem Hund am Fundort der dem Vermissten zugeordneten Gegenständen ein Such-Kommando.
Mein Eindruck: warum bricht der Hundeführer die Suche ab, wo sein Hund doch den Eindruck macht, als hätte er eine am Weg weiter geradeaus führende Spur? Warum wird nicht der Begleiter auf die entdeckten Gegenstände angesetzt oder/und Verstärkung dafür herbeigefunkt?
Nach der Logik, beim Mantrailing zeigt der Hund über die Geruchsspur den Weg zum Vermissten, ist das für mich kein Mantrailing mehr - da der Hundeführer entscheidet, den eine Spur anzeigenden Hund zu stoppen. Und nach Klärung, dass die Gegenstände vom Vermissten sein können (aber doch nicht müssen!), von dort wieder suchen lässt.
So bleibt leider offen, wie weit der Hund dem Weg (der Geruchsspur) noch gefolgt wäre und ob der Hund vielleicht dann umgekehrt und den Hundeführer zu den Gegenständen geführt hätte.
Ca. 24:09
Mit *Ah Mann* kommentiert der Hundeführer offenbar Geäst, welches ihn im dortigen Unterholz womöglich am Kopf/im Gesicht traf.
Ich kannte es bei doch einigen Einsatzkräften so, dass die bei dichter bewachsenem Gelände/Wald mit Schutzbrille oder/und Helm/Visier in die Suche gegangen sind.
Ca. 25:00
Ankunft beim Vermissten. Hund folgt der Geruchsspur bis zur Person, die, so deute ich das Video, der Hundeführer kurz zuvor schon selber gesehen/entdeckt hat.
Mein Fazit:
Generell geht es in dem Beitrag auch darum, dass die damals neue Einheit unter Erfolgsdruck steht, weil sie nach jahrelanger Ausbildung zeigen will, Mantriling funktioniert als polizeiliches Einsatzmittel.
Im Fall des LKW-Fahres bleibt es offen, ob die vom Mantrailer ausgearbeitete Spur zutraf.
Im Fall des Psychiatrie-Patienten wurde offenbar die richtige Spur gefunden.
Der Senior im Wald wurde gefunden, aber nicht wirklich durch den nur der Gerichsspur folgenden Mantrailer, da der Hundeführer offensichtlich zweimal eingriff und mit seinene igenen optischen Sichtungen sich über die Nase des Hundes hinwegsetzte.
MissMary schrieb am 16.11.2024:Was ich bei dem Thema immer wieder verwunderlich finde: Es gibt es doch immer wieder, das alte demente Leute aus Altenheimen "entkommen". Kürzlich bei uns wieder eine ältere Frau in Hausschuhen - aus einem Altenheim am Waldrand. Der Spürhund konnte die Fährte nicht aufnehmen, obwohl sie davor viele Tage die Station gar nicht verlassen hatte, es also eine frische Spur geben musste, die führte direkt in den Wald. Da war nichts zu machen. Der Hubschrauber hat sie dann entdeckt, gar nicht so weit vom Heim entfernt. Da frage ich mich immer, warum das nicht klappt.
Das kann sehr, sehr viel Gründe haben.
Nehmen wir an, der eingesetzte Mantrailer-Hund kann wirklich mantrailen. Und der Geruchsartikel wurde korrekt behandelt.
Wird der Hund dann an einer Stelle angesetzt, ohne eine Spur aufnehmen zu können, war die gesuchte Person anders als angenommen doch nicht dort. Weil bspw. eine Zeugin, die die Vermisste durch diesen Eingang entweichen sah, sich irrte.
Wird der Geruchsartikel fehlerhaft genommen - persönliche Kleidung in Einrichtungen kommt bei der Pflege/An-/Auskleiden auch mit dem Geruch der Pfleger in Kontakt - sucht sich der Hund am Gerichsartikel unter den mehreren Spuren möglicherweise eben die falsche heraus.
Werden gegen Fremdkontamination unverdächtige Gegenstände (wie im SWR-Bericht bspw. Einlegesohlen) mit unbehandschuhten Händen angefasst, taugt der Geruchsartikel auch wenig bis gar nichts.
Welche weiteren Probleme bzw. klassischen fehler bei Ausbildung und Prüfung von Manbtrailern auftreten können, so dass diese zwar im Training und auch bei Prüfungen "funktionieren", im Realeinsatz dann aber nicht mehr, würde den Rahmen dieses Beitrages sprengen. Auch, weil ich nicht nur meine eigenen Erfahrungen als Quelle nutzen, sondern weitere heranziehen möchte - und dies eine Arbeit ist, die sich für mich anders als die bisherigen Beiträge in diesem Thread und anderen Threads quasi nicht so einfach nebenher machen lässt. Soll ha am Ende etwas belastbar, nunja, tatsachentreues herauskommen.
Vorab vielleicht nur so viel: nach strenger Lehre folgen Mantrailer immer und ausschließlich sicher der frischesten Spur. Darum wäre bei entweichen aus Einrichtung doch eigentlich immer das Bett der vermissten Person der Startpunkt der Wahl, um von dort den letzten Weg auszuarbeiten (Ausnahme: es gibt eindeutig sichere Videoaifnahmen, über welche Stelle die Einrichtung verlassen wurde).
Je mehr sich ein Mantrailer-Hundeführer gegen diesen Startpunkt wehrt und mit zu viel Spuren und Überlagerung usw. "argumentiert", desto größer meine Zweifel, dass er von den Fähigkeiten des Teams aus sich und seinem Hund überzeugt ist. Gleiches gilt, wenn er Informationen über möhliche Hinwendungspunkte der vermissten Person oder Vorlieben bei Wegen usw. nur zulässt oder gar einfordert - das geht überspitzt gesagt dann in die Richtung ich spaziere mit dem Hund dahin, wo die vermisste Person wohl sein dürfte und hat nichts mehr mit "nur die der individuellen Geruchsspur der vermissten Person zuverlässigs folgende Nase des Hundes bestimmt den Weg des Mantrailer-Teams" zu tun.