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Ungeklärter Mordfall in Fulda 1983 an Gabriele Schmidt (5 Jahre alt)

2.577 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Mord, Kind, Hessen ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

Ungeklärter Mordfall in Fulda 1983 an Gabriele Schmidt (5 Jahre alt)

15.04.2022 um 18:24
Zitat von KreuzbergerinKreuzbergerin schrieb:Aber wenn du dann in der Zeitung lesen würdest, dass ein brutaler Kindermord in deiner Gegend stattfand und vermutet wird, dass der Täter durch die Tat verdreckt wurde und Blessuren davontrug
Es wurde in den Zeitungen damals sehr wenig über den Mord berichtet. In der Fuldaer Zeitung erschienen ganze vier Artikel zu der Tat. Im Fernsehn gab es damals drei Programme und nicht alle Haushalte hatten überhaupt einen Fernseher.

Ich erinnere mich dunkel an ein Tötungsdelikt in meiner Heimatstadt (Kleinstadt in NRW, 10.000 Einwohner). Das muss auch während der 80er-Jahre gewesen sein. Ein kleines Mädchen wurde tot in einem Stacheldrahtzaun hängend gefunden. Es war klar, dass es sich um ein Tötungsdelikt handelt, also kein Unfall.
Der Fall ist bis heute ungeklärt, das habe ich aus einer Randnotiz in einem Artikel aus dem Jahr 2009 erfahren.

Ich erinnere mich kaum an den Fall, obwohl ich damals Jugendlich war. Auch meine Eltern haben mich nur fragend angeschaut, als ich sie gefragt habe, ob sie sich daran erinnern. Dabei war das wirklich nur wenige Straßen weiter, weniger als 450 m Luftlinie entfernt.
Aber es war eine komplett andere Wohngegend und ein anderer Kulturkreis. Wir wohnten in einer relativ neuen Einfamilienhaussiedlung, dort waren eher runtergekommene Mehrfamilienhäuser. Vielleicht deshalb hat man sich wenig damit identifiziert und das auch nicht mit viel Interesse verfolgt. Heute wäre das sicher anderes und so ein Fall wäre wahrscheinlich sogar Deutschlandweit ziemlich intensiv in der Presse.

Insofern muss auch damals der Mord an der kleinen Gabriele nicht unbedingt bei allen Fuldaern Top-of-Mind gewesen sein.


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Ungeklärter Mordfall in Fulda 1983 an Gabriele Schmidt (5 Jahre alt)

15.04.2022 um 18:26
Zitat von cododerdrittecododerdritte schrieb:Insofern muss auch damals der Mord an der kleinen Gabriele nicht unbedingt bei allen Fuldaern Top-of-Mind gewesen sein.
Ich kann mir das gut vorstellen.

Nur nimmt man hier an, der Täter kam aus der Nachbarschaft-und in der Nachbarschaft wurde bestimmt
sehr oft über den Fall gesprochen.


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Ungeklärter Mordfall in Fulda 1983 an Gabriele Schmidt (5 Jahre alt)

15.04.2022 um 19:08
Zitat von frauZimtfrauZimt schrieb:Nur nimmt man hier an, der Täter kam aus der Nachbarschaft-und in der Nachbarschaft wurde bestimmt
sehr oft über den Fall gesprochen.
Das Verbrechen hat sich 1983 zugetragen. Deutschland war und ist, weniger als vielleicht z.B. England, aber mehr als die Länder Skandinaviens, ein Land, in dem sich das Leben sehr stark innerhalb bestimmter Schichten der Gesellschaft abspielt in dem Sinne, dass viele Bereiche exklusiv, das heißt, nur für den entsprechenden Bevölkerungskreis, zugänglich sind.

Das familiäre und wohnliche Umfeld des kleinen Mädchens scheint typisches Arbeitermilieu gewesen zu sein, die Kleingartenanlage, das Mehrfamilenhaus in Bahnhofsnähe mit Innenhof, die berufliche Tätigkeit des Vaters usw. deuten darauf hin.

Es ist durchaus denkbar, dass die Tat bzw. der Täter Bezüge in ein völlig anderes gesellschaftliches Umfeld aufweist und keine oder kaum Bezüge zu dem realen Leben der Opferfamilie hatten und haben.

Die wenigen schichtübergreifenden Institutionen damals und teilweise noch heute sind Kirche, Kindergarten und Grundschule; danach trennten sich die biografischen Wege vieler Menschen hierzulande unwiderbringlich, bei evangelischen Christen führte vielleicht noch der Konfirmandenunterricht die Jugendlichen zusammen, deren weiteren Wege sich bereits längst getrennt hatten.

Von in Deutschland lebenden Ausländern wird mir diese Situation immer wieder als befremdlich dargestellt, da sie eng an formale Bildung, erreichten Schulabschluss und sozioökonomischen Status geknüpft ist; darüber hinaus haben heute Institutionen wie die Kirche längst ihre integrierende Funktion in den nicht-akademischen Teil der Bevölkerung verloren und sind gesellschaftlich und politisch eher auf globale Problemlagen hin orientiert.

Wer bis hierhin gelesen hat: Der Täter kann aus der Nähe kommen (räumlich), aber von der Opferfamilie (gesellschaftlich) meilenweit entfernt gewesen sein, so dass man bei der Tätersuche keinen Bezug herstellen konnte und kann. Das spielte möglicherweise dem Täter entscheidend in die Karten, bislang unentdeckt zu bleiben.


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Ungeklärter Mordfall in Fulda 1983 an Gabriele Schmidt (5 Jahre alt)

15.04.2022 um 19:37
Zitat von sallomaeandersallomaeander schrieb:Wer bis hierhin gelesen hat: Der Täter kann aus der Nähe kommen (räumlich), aber von der Opferfamilie (gesellschaftlich) meilenweit entfernt gewesen sein, so dass man bei der Tätersuche keinen Bezug herstellen konnte und kann. Das spielte möglicherweise dem Täter entscheidend in die Karten, bislang unentdeckt zu bleiben.
Daran habe ich auch schon gedacht. Irgendein Söhnchen aus reicher Familie, die über so einen Verdacht erhaben war. Aber was würde so einer in dieser ärmlichen Gegend machen. Er muss irgendwie rund ums Haus geschlichen sein ohne aufzufallen.


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Ungeklärter Mordfall in Fulda 1983 an Gabriele Schmidt (5 Jahre alt)

15.04.2022 um 20:10
Zitat von sallomaeandersallomaeander schrieb:Der Täter kann aus der Nähe kommen (räumlich), aber von der Opferfamilie (gesellschaftlich) meilenweit entfernt gewesen sein, so dass man bei der Tätersuche keinen Bezug herstellen konnte und kann. Das spielte möglicherweise dem Täter entscheidend in die Karten, bislang unentdeckt zu bleiben.
Interessanter Gedanke. Man müsste wirklich mal überlegen, was so einen Täter dann in die Gegend geführt haben könnte.
Zitat von sallomaeandersallomaeander schrieb:darüber hinaus haben heute Institutionen wie die Kirche längst ihre integrierende Funktion in den nicht-akademischen Teil der Bevölkerung verloren und sind gesellschaftlich und politisch eher auf globale Problemlagen hin orientiert.
Allerdings war es auch früher schon so, dass viele Pfarreien (ich spreche jetzt von der katholischen Kirche, wie es bei den Protestanten war, kann ich nicht aus eigener Anschauung sagen, würde aber vermuten dass es gleich gewesen ist) in etwa deckungsgleich mit Wohngebieten waren. D. h. dass z. B. eine Pfarrei ein typisches Arbeiterviertel umfasst hat und eine andere eher das Neubaugebiet mit den wohlhabenden Schichten.

Das hatte nichts damit zu tun, dass man bewusst nur eine Klientel haben wollte, sondern es war dann eben so, dass man beim Bau eines Stadtviertels dann auch eine Kirche mit zugehöriger Pfarrei eingerichtet hat.

Da ist es heute, wo viele Pfarreien zusammengeschlossen werden, sogar eher so, dass die verschiedenen sozialen Schichten (sofern sie denn überhaupt noch etwas mit Kirche zu tun haben) in der Kirche zusammentreffen während man früher "unter sich" blieb.

Aber wie jetzt die Situation 1983 konkret in dem betreffenden Viertel in Fulda gewesen ist, kann ich nicht sagen. Da müsste man Zeitzeugen befragen....


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Ungeklärter Mordfall in Fulda 1983 an Gabriele Schmidt (5 Jahre alt)

15.04.2022 um 20:19
Zitat von sallomaeandersallomaeander schrieb:Der Täter kann aus der Nähe kommen (räumlich), aber von der Opferfamilie (gesellschaftlich) meilenweit entfernt gewesen sein, so dass man bei der Tätersuche keinen Bezug herstellen konnte und kann.
Die These, dass die Ermittler einen Täter übersehen haben könnten, nur weil er einer anderen sozialen Schicht als das Opfer entstammte, finde ich schon etwas gewagt.


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Ungeklärter Mordfall in Fulda 1983 an Gabriele Schmidt (5 Jahre alt)

15.04.2022 um 20:26
Zitat von FritzPhantomFritzPhantom schrieb:Aber was würde so einer in dieser ärmlichen Gegend machen.
Zitat von brigittschebrigittsche schrieb:Interessanter Gedanke. Man müsste wirklich mal überlegen, was so einen Täter dann in die Gegend geführt haben könnte.
Na ja, rumstromern, ohne erkannt zu werden, weil einen in der Ecke der Stadt niemand kennt und ohne Gefahr, Mitgliedern der eigenen sozialen Gruppe über den Weg zu laufen.

Hier wurde schon öfter der Gedanke genannt, dass es eine von einem jungen Menschen geplante Missbrauchstat war, die dann aufgrund von "überraschender" Gegenwehr (überraschend, weil in dem naiven Täterhirn nicht eingeplant) aus dem Ruder gelaufen ist.
Jemand schüchternem, verklemmten "aus gutem Hause" fällt es vielleicht leichter, ein kleines Mädchen aus der einfacheren Arbeiterschicht anzusprechen, weil er sich da doppelt überlegen fühlen kann: einmal ist er deutlich älter und zum zweiten sozial deutlich besser gestellt.
Da könnten auch die 20 DM drauf hindeuten. Wie oben beschrieben, hätte es ein glänzendes 50Pfennig-Stück oder ein paar Süßigkeiten als Lockmittel vielleicht auch getan. Das Kind war 5 Jahre alt und hatte wahrscheinlich noch keinen realistischen Bezug zum Wert von Geldstücken und -scheinen.
Aber ein 20DM-Schein kann auch eine großspurige Geste sein, durch die man das Gefühl der eigenen Überlegenheit steigert und meint, das Kind noch mehr beeindrucken zu können.

Und wenn es eine geplante Tat war, dann könnte die Gegend auch gezielt ausspioniert und gerade diese Stelle mit den Gartengrundstücken, dem dahinter verlaufenden Fußweg ohne direkte Anwohner und das versteckte Rohr dabei als geeigneter Tatort identifiziert worden sein.
Zitat von KreuzbergerinKreuzbergerin schrieb:Die These, dass die Ermittler einen Täter übersehen haben könnten, nur weil er einer anderen sozialen Schicht als das Opfer entstammte, finde ich schon etwas gewagt.
Nicht nur einer anderen sozialen Schicht, sondern damit eben auch nicht aus der direkten Nachbarschaft und dem direkten Bekanntenkreis der Familie.


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Ungeklärter Mordfall in Fulda 1983 an Gabriele Schmidt (5 Jahre alt)

15.04.2022 um 20:32
Zitat von cododerdrittecododerdritte schrieb:Nicht nur einer anderen sozialen Schicht, sondern damit eben auch nicht aus der direkten Nachbarschaft und dem direkten Bekanntenkreis der Familie.
Es hieß gerade
Zitat von sallomaeandersallomaeander schrieb:Der Täter kann aus der Nähe kommen (räumlich), aber von der Opferfamilie (gesellschaftlich) meilenweit entfernt gewesen sein, so dass man bei der Tätersuche keinen Bezug herstellen konnte und kann
(Farbliche Hervorhebung durch mich)

Also wurde ausdrücklich die Möglichkeit eines Übersehens des Täters aufgrund der Herkunft aus einer verschiedenen sozialen Schicht von Täter und Opfer TROTZ möglicher räumlicher Nähe in Betracht gezogen.

Das halte ich, wie schon geschrieben, für gewagt.


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Ungeklärter Mordfall in Fulda 1983 an Gabriele Schmidt (5 Jahre alt)

15.04.2022 um 20:36
Zitat von brigittschebrigittsche schrieb:Allerdings war es auch früher schon so, dass viele Pfarreien (ich spreche jetzt von der katholischen Kirche, wie es bei den Protestanten war, kann ich nicht aus eigener Anschauung sagen, würde aber vermuten dass es gleich gewesen ist) in etwa deckungsgleich mit Wohngebieten waren. D. h. dass z. B. eine Pfarrei ein typisches Arbeiterviertel umfasst hat und eine andere eher das Neubaugebiet mit den wohlhabenden Schichten.
Das hängt eben auch damit zusammen, ob die betreffende Konfession in der fraglichen Gegend bzw. im Einzugsbereich der Gemeinde zur "Mehrheit" oder zur "Diaspora" gehört.

Osthessen und auch Fulda sind überwiegend römisch-katholisch, so dass ich 1983 schon für denkbar halte, dass die (wenigen) Evangelischen innerhalb ihrer Kirchen- und auch Kindergartengemeinde ein relativ breites Schichtenspektrum ansprachen, zumal damals noch der weit überwiegende Teil der Deutschen im Westen konfessionell gebunden war.

Ich würde mir z.B. als EB die Mitkonfirmanden der Eltern ganz genau anschauen, desgleichen andere Kindergarten-Eltern und so weiter.

Ich selbst, als Zugezogener in eine vor dem Krieg rein katholischen Gemeinde, hatte durch den Konfirmandenunterricht seinerzeit Kontakt mit Jugendlichen, die mir in Schule und anderwo möglicherweise nie begegnet wären.
Zitat von KreuzbergerinKreuzbergerin schrieb:Also wurde ausdrücklich die Möglichkeit eines Übersehens des Täters aufgrund der Herkunft aus einer verschiedenen sozialen Schicht von Täter und Opfer TROTZ möglicher räumlicher Nähe in Betracht gezogen.
Aber das würde ja den Kreis erheblich einengen. Der Sohn des Konditors, der in der Innenstadt lebt, obwohl die Eltern wohlhabend sind. Und eine höhere Schule besucht. Nur so, als hypothetisches Beispiel.


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Ungeklärter Mordfall in Fulda 1983 an Gabriele Schmidt (5 Jahre alt)

15.04.2022 um 20:40
Zitat von KreuzbergerinKreuzbergerin schrieb:Also wurde ausdrücklich die Möglichkeit eines Übersehens des Täters aufgrund der Herkunft aus einer verschiedenen sozialen Schicht von Täter und Opfer TROTZ möglicher räumlicher Nähe in Betracht gezogen.
Na ja, es kommt drauf an, was denn überhaupt die Kriterien für einen Verdächtigen waren. Es wurde ja kein Massen DNA test an jungen Männern des Viertels gemacht. Ich bin überzeugt, dass es jemand war, der dort wohnt, denn nur so jemand konnte sich da unauffällig dem Kind nähern. Man hat ja nicht viele Informationen über Verdächtige, es gab ein paar, die später als es DNA Tests gab, abgeglichen wurden. Da ruschte sicher so mancher durch, der mittlerweile weggezogen war oder nur manchmal den geschiedenen Elternteil besuchte. Also nicht nur der Arztsohn.


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Ungeklärter Mordfall in Fulda 1983 an Gabriele Schmidt (5 Jahre alt)

15.04.2022 um 20:44
Zitat von FritzPhantomFritzPhantom schrieb:Da ruschte sicher so mancher durch, der mittlerweile weggezogen war oder nur manchmal den geschiedenen Elternteil besuchte. Also nicht nur der Arztsohn.
Das halte ich für gut möglich. Nur fürs Protokoll: Ich habe mich rein deskriptiv über gesellschaftliche Realitäten in Deutschland geäußert, ohne Wertung und ohne bewusste Arroganz.

Ich möchte niemanden kränken oder zu nahe treten. Aber auch die Polizei ist nicht frei von Vorannahmen, die mitunter dem Fahndungserfolg entgegen stehen. Um so wichtiger, dass man heute mit Operativer Fallanalyse (OFA) arbeitet, um solchen Blindheiten und Unschärfen der Wahrnehmung zu begegnen.


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Ungeklärter Mordfall in Fulda 1983 an Gabriele Schmidt (5 Jahre alt)

15.04.2022 um 20:49
Zitat von sallomaeandersallomaeander schrieb:Aber auch die Polizei ist nicht frei von Vorannahmen, die mitunter dem Fahndungserfolg entgegen stehen
Aber gleich in den Raum zu stellen, dass die Ermittler eventuell einen Tatverdächtigen übersehen könnten, nur weil er einer anderen sozialen Schicht als das Opfer entstammt, ist schon eine Hausnummer.

Das mag vielleicht im neunzehnten oder im frühen zwanzigsten Jahrhundert der Fall gewesen sein, dass Standesdünkel einen Ermittlungserfolg verhinderte.


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Ungeklärter Mordfall in Fulda 1983 an Gabriele Schmidt (5 Jahre alt)

15.04.2022 um 20:49
Zitat von KreuzbergerinKreuzbergerin schrieb:TROTZ möglicher räumlicher Nähe
Aber was würdest Du denn noch als "räumliche Nähe" bezeichnen, also welchen Radius?

Gerade in im Innenstadtbereich einer etwas größeren Stadt braucht es keine große räumliche Entfernung um in ein komplett anderes soziales Gefüge zu gelangen. In unmittelbarer Nähe befindet sich z.B. ein Siedlungsgebiet in dem die Straßen Baumnamen tragen. Das sind alles 1 oder 2-Familienhäuser mit größeren Grundstücken die in den 1970er-Jahren gebaut zu sein scheinen. Ich kann mir vorstellen dass das zum Tatzeitpunkt eine recht moderne und gehobenere Wohngegend sein kann.

Fulda ist ziemlich eng, durch die nicht bebaubaren Fuldauen sind die Ausbreitungsmöglichkeiten begrenzt. Ein krasses Beispiel für eng zusammen liegende, komplett gegensätzliche Schichten ist der Aschenberg. Am Fuß und am Hang des Berges größere, teure Einfamilienhäuser, oben drauf der absolute soziale Brennpunkt in einer Hochhaussiedlung.


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15.04.2022 um 20:51
Zitat von cododerdrittecododerdritte schrieb:Aber was würdest Du denn noch als "räumliche Nähe" bezeichnen, also welchen Radius?
Ich habe @sallomaeander zitiert, also musst du die Frage an ihn richten, wie er räumliche Nähe definiert.


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Ungeklärter Mordfall in Fulda 1983 an Gabriele Schmidt (5 Jahre alt)

15.04.2022 um 20:56
Zitat von KreuzbergerinKreuzbergerin schrieb:Aber gleich in den Raum zu stellen, dass die Ermittler eventuell einen Tatverdächtigen übersehen könnten, nur weil er einer anderen sozialen Schicht als das Opfer entstammt, ist schon eine Hausnummer.
Aber das ist ja genau das Problem: Dass EB oft Delinquenz vorwiegend in weniger privilegierten Schichten vermuten. Das mag vielleicht für Eigentumsdelikte teilweise zutreffen (weil der Wohlhabendere es schlicht nicht nötig hat, zu stehlen), aber gerade bei Sexualdelikten rekrutiert sich die Täterschaft aus allen Schichten.
Zitat von KreuzbergerinKreuzbergerin schrieb:Ich habe @sallomaeander zitiert, also musst du die Frage an ihn richten, wie er räumliche Nähe definiert.
Ebenfalls "Innenstadt", würde ich sagen. Und, wie hier richtig gesagt wurde, das soziale Milieu kann sich in einer Innenstadt von Straße zu Straße schon unterscheiden.

Im übrigen möchte ich betonen, dass die soziale Durchmischung vor 40 Jahren mit Sicherheit eher gewährleistet war als heute. Mit dem Verschenken städtischen Wohneigentums an "Investoren", dem Herausfall vieler Wohnungen aus der Sozialbindung, der Einführung von Fehlbelegungsabgaben sowie vermehrter Zuwanderung haben sich städtische Wohnlagen heute sozial entmischt. Das war vor 40 Jahren vielfältiger, sowohl in der Innenstadt als auch in Trabantenstädten und Neubauvierteln der Nachkriegszeit.


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Ungeklärter Mordfall in Fulda 1983 an Gabriele Schmidt (5 Jahre alt)

15.04.2022 um 21:05
Zitat von sallomaeandersallomaeander schrieb:Wer bis hierhin gelesen hat: Der Täter kann aus der Nähe kommen (räumlich), aber von der Opferfamilie (gesellschaftlich) meilenweit entfernt gewesen sein, so dass man bei der Tätersuche keinen Bezug herstellen konnte und kann. Das spielte möglicherweise dem Täter entscheidend in die Karten, bislang unentdeckt zu bleiben.
@sallomaeander
Ich habe bis hierhin gelesen und finde deinen Beitrag sehr durchdacht.
Könnte sein, dass der Täter und sein Umfeld in einer anderen Realität lebten.
Dass ihm das Kind aufgefallen ist und er Kontakt geknüpft hat, - seine Familie von der
Existenz u. späteren Ermordung des Mädchens aber nichts erfuhr, bzw. sich mit dem Fall nicht befasst hat.

Aber das würde auch bedeuten, dass der Täter etwas weiter weg gewohnt hätte?
Es gab heute einen Beitrag mit einem Beispiel (auch ein bis heute ungelöster Fall)
aus einer anderen Gegend. War der auch von dir?


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Ungeklärter Mordfall in Fulda 1983 an Gabriele Schmidt (5 Jahre alt)

15.04.2022 um 21:09
Zitat von frauZimtfrauZimt schrieb:Es gab heute einen Beitrag mit einem Beispiel (auch ein bis heute ungelöster Fall)
aus einer anderen Gegend. War der auch von dir?
Nein, ich weiß jetzt nicht, auf welchen Fall du anspielst. Ich schreibe außer hier noch im Fall Simone Langer, ansonsten aktuell bei keinem anderen Fall.
Zitat von frauZimtfrauZimt schrieb:Aber das würde auch bedeuten, dass der Täter etwas weiter weg gewohnt hätte?
In der Innenstadt von deutschen Großstädten differieren exakte Entfernung und gefühlter sozialer Abstand teilweise.

Wie hier schon jemand schrieb, ein paar Straßen weiter, und man findet sich in einer völlig anderen Umwelt wieder, obwohl die reine kilometermäßige Entfernung nicht so groß ist.


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15.04.2022 um 21:20
@sallomaeander
Schau mal hier. Deine Gedanken:
Zitat von cododerdrittecododerdritte schrieb:Ich erinnere mich dunkel an ein Tötungsdelikt in meiner Heimatstadt (Kleinstadt in NRW, 10.000 Einwohner). Das muss auch während der 80er-Jahre gewesen sein. Ein kleines Mädchen wurde tot in einem Stacheldrahtzaun hängend gefunden. Es war klar, dass es sich um ein Tötungsdelikt handelt, also kein Unfall.
Der Fall ist bis heute ungeklärt, das habe ich aus einer Randnotiz in einem Artikel aus dem Jahr 2009 erfahren.

Ich erinnere mich kaum an den Fall, obwohl ich damals Jugendlich war. Auch meine Eltern haben mich nur fragend angeschaut, als ich sie gefragt habe, ob sie sich daran erinnern. Dabei war das wirklich nur wenige Straßen weiter, weniger als 450 m Luftlinie entfernt.
Aber es war eine komplett andere Wohngegend und ein anderer Kulturkreis. Wir wohnten in einer relativ neuen Einfamilienhaussiedlung, dort waren eher runtergekommene Mehrfamilienhäuser. Vielleicht deshalb hat man sich wenig damit identifiziert und das auch nicht mit viel Interesse verfolgt. Heute wäre das sicher anderes und so ein Fall wäre wahrscheinlich sogar Deutschlandweit ziemlich intensiv in der Presse.

Insofern muss auch damals der Mord an der kleinen Gabriele nicht unbedingt bei allen Fuldaern Top-of-Mind gewesen sein.
Ich muss sagen, dass ich mich zunächst gegen diesen Gedanken gesperrt habe.
Ich hab ein Gedankenexperiment gemacht und muss euch zustimmen.

Ich habe mir einen großen Wohnkomplex vorgestellt, in dem nur Menschen mit wenig Geld und größtenteils niedriger Bildung wohnen.
Ein Migrantenmädchen wurde ermordet. Die Menschen aus ihrem Kulturkreis sind sehr aufgeregt. Die Mieter, die der Mehrheitskultur angehören, erfahren von dem Fall eher nichts. Die Nachricht scheint mit ihnen auch nichts zu tun zu haben, da für sie automatisch klar ist, dass der Täter aus der fremden Kultur kommt. Ihre Töchter sehen sie nicht in Gefahr.

Klingt sehr zynisch, aber ich denke so ungefähr wäre es.

Natürlich gäbe es Überschneidungen. Bei meinem Beispiel geht es darum auch nur um die Behauptung, dass bei weitem nicht JEDER von dem Fall erfährt und nicht JEDER besorgt um seine eigenen Kinder ist.


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Ungeklärter Mordfall in Fulda 1983 an Gabriele Schmidt (5 Jahre alt)

15.04.2022 um 21:21
Zitat von frauZimtfrauZimt schrieb:Es gab heute einen Beitrag mit einem Beispiel (auch ein bis heute ungelöster Fall)
aus einer anderen Gegend. War der auch von dir?
Der Beitrag stammte von mir und bezog sich auf eine Kleinstadt mit ca. 10.000 Einwohnern. Das Beispiel war, dass schon dort nur 3 Straßen weiter ein ganz anderes soziales Milieu leben kann.
In einer größeren Stadt wie Fulda ist das denke ich noch extremer. Gabriele Schmidt lebte in sehr einfachen, eher etwas heruntergekommenen Mehrfamilienhäusern im Arbeitermilieu.
Aber von dort muss man eigentlich nur unter den Gleisen durch und steht fast direkt im Barockviertel mit Stadtschloss, Schlosspark und etwas weiter dem Dom.
Ich halte es für wahrscheinlicher, dass der Täter von einer gehobenen Wohngegend aus 450 m zum Tatort gelaufen ist als dass er nach der Tat 450 m durch eine Röhre mit 1 Meter Durchmesser gekrochen ist (was hier von vielen als realistisches Szenario angesehen wird).


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Ungeklärter Mordfall in Fulda 1983 an Gabriele Schmidt (5 Jahre alt)

15.04.2022 um 21:23
Zitat von cododerdrittecododerdritte schrieb:Der Beitrag stammte von mir und bezog sich auf eine Kleinstadt mit ca. 10.000 Einwohnern. Das Beispiel war, dass schon dort nur 3 Straßen weiter ein ganz anderes soziales Milieu leben kann.
ich hab deinen Beitrag gerade gefunden. Ich habe als Suchwort Stacheldrahtzaun eingegeben, weil ich mir das gemerkt hatte.

Auch in Berlin (meine Heimatstadt) ändern sich die Milieus oft nach wenige Metern.


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