Magier Jan Rouven in Las Vegas: Verurteilt - das Ende einer Karriere
10.07.2017 um 06:29
OK, guys, ready for the BIG BANG? Got the popcorn? :popcorn:
Jetzt kommt der Hammer. Ich muss hier vorsichtig sein, denn ich kenne einige der involvierten Personen persönlich und habe meine eigene Meinung zu ihnen, die ich hier aber nicht vorbringen möchte.
Ich habe auch eine professionelle Meinung als Rechtsanwalt, die habe ich bisher schon nicht verborgen und sie wird leider durch das, was passiert ist, bestätigt.
Was ist passiert: Rouven hat einen Antrag auf Widerruf des Schuldanerkenntnisses gestellt.
Das ist nicht sonderlich überraschend, die eigentliche Bombe ist die Begründung, und die wiederum ist für mich keineswegs überraschend. Wie gesagt, ich kenne Beteiligte aus meiner Arbeit, und bin da etwas voreingenommen.
Nun, wie begründet Rouven bzw. seine neue Anwältin nun den Rückzug?
Ich will es mal systematisch machen. Mir liegt der Antrag vor, und er enthält viele Details, die wir bisher nicht wussten, aber die ich schon ein paar Mal aus meiner professionellen Kenntnis angesprochen hatte.
1. Rouven behauptet eine unzureichende und fehlerhafte Beratung durch seine Anwälte, so dass er die Schuldanerkenntnis NICHT AUS FREIEN STUECKEN unterschrieben hat. Und in der Ausführung dieser Begründung kommt ein Desaster zum Vorschein:
Wichtig ist, bevor wir weitermachen, dass jeder begreift, dass dies nun die Darstellung seiner neuen Anwältin ist, also seine Sicht der Dinge. Ob das alles der Wahrheit entspricht, muss die Richterin herausfinden!
Rouvens Vorwürfe sind im einzelnen:
a) Seine Anwälte sind inkompetent, waren nur hinter seinem Geld her und haben ihn ganz falsch beraten, was die Folgen seiner Schuldanerkenntnis betrifft.
b) Die Anwälte waren untereinander heillos zerstritten
c) Er hat den Inhalt der Schuldanerkenntnis erst wenige Minuten vor der Anhörung erfahren und nicht verstanden, worum es ging
d) Seine Anwälte haben ihn praktisch in die Irre geführt
Zu b: Was wir bisher nicht wussten ist, dass noch mehr als die bisher bekannten drei Anwälte involviert sind. Ich hatte ja schon immer die Frage gestellt, wie eigentlich Rouven ausgerechnet auf diese Anwälte gekommen ist, über die wir vor einem Jahr ja schon mit erstaunten Augen diskutiert haben.
Die Antwort ist, wie ich mir damals schon dachte: Rouven kannte keinen von ihnen. Er kannte und vertraute aber einem Anwalt, der in einem ganz anderen Fachgebiet praktiziert, und dieser empfahl ihm Marquese.
Von Anfang an herrschte absolutes Chaos. Rouven beauftragte Marquese mit seiner Verteidigung. Sein Ehemann Alfter hatte einen anderen Rechtsanwalt im Auge, dieser wurde nun auch mit der Verteidigung beauftragt. Er brachte einen dritten Anwalt ins Spiel, RA Sanft. Wir erinnern uns: am Anfang traten Marquese und Sanft als Team auf.
Nach den neuen Erkenntnissen arbeiteten sie aber keineswegs als Team, sondern gegeneinander. Und vor allem der dritte Anwalt, dessen Namen ich nicht nennen möchte, da ich ihn kenne, spielte laut Antrag nun eine gewichtige Rolle im Hintergrund.
Bereits drei Monate nach Beginn des Mandats versuchten die Beteiligten, so der Antrag nun, sich gegeneinander auszuspielen. Von beiden Seiten wurde Rouven erzählt, dass die jeweils andere Seite bisher nichts für seine Verteidigung getan hatte.
Erinnern wir uns? Wir alle wunderten uns, warum so gar nichts in dem Fall passierte. Keine Experten benannt wurden, keine Untersuchungen begannen usw.
Rouven sagt nun, dass ausser dem Einstreichen gewaltiger Honorarsummen (es ist die Rede von $ 200,000 für den einen Anwalt, $ 100.000 für einen anderen...) sei tatsächlich nichts passiert.
Es wurde noch schlimmer.
Rouven sass in seiner Zelle und wurde immer verzweifelter, da besuchten die Anwälte, die angeblich zusammenarbeiteten ihn einzeln und versuchten ihn davon zu überzeugen, den anderen zu feuern. Schliesslich tat Rouven genau das: Sanft und dessen Kollege wurden gefeuert. Marquese blieb und es wurde beschlossen, einen weiteren Anwalt anzustellen: Durham.
Rouven forderte $ 200,000 in gezahlten Honoraren von den beiden gefeuerten Anwälten zurück, bisher weigern diese sich aber.
Was nun passierte verschlägt selbst mir den Atem. Ihr wisst vielleicht noch, dass ich, vorsichtig ausgedrückt, von Anfang an von der "speziellen Atmosphäre" in der Justiz in Las Vegas sprach, die ich selbst bei einem Fall dort kennengelernt hatte - ausgerechnet einem Fall in dem die gleichen Namen auftauchen. Laut Rouven soll nun passiert sein, dass es nicht nur Kommunikation seitens eines der gefeuerten Anwälte gab, in der schwere Vorwürfe gegen Marquese geäussert wurden, es wurde auch - und das ist ein totales No-No in meiner Praxis und bei jedem ethisch korrekten Anwalt, den ich kenne: versprochen, dass man einen Freispruch erreichen könne, wenn Rouven nur wieder den gefeuerten Anwalt beauftragen würde.
Wie gesagt, mir stehen die Haare zu Berge. Ebenfalls ein totales No-no: der gefeuerte Anwalt soll Rouven in dieser Hinsicht auch im Gefängnis besucht haben und versucht haben, ihn weiter davon zu überzeugen.
Marquese hat Rouven dann überzeugt, lieber weiter mit ihm und Durham zu arbeiten. Man kann sich aber vorstellen, wenn das tatsächlich alles so war, wie erschüttert sein Vertrauen in die Anwälte gewesen sein muss. Inzwischen war es November 2016. Der Streit der Anwälte ging also den ganzen Sommer.
Das Desaster ging weiter: Erinnert Ihr Euch? Kurz tauchte ein weiterer Name auf: Rouven versuchte die Anwältin Craig auf Empfehlung von Marquese anzustellen, die vorher für die Bundesanwaltschaft gearbeitet hatte und gar nicht in Nevada zugelassen war. Daraufhin wehrte sich die Bundesanwaltschaft und stellte den Antrag, alle Verteidiger Rouvens von ihren Ämtern zu entbinden (im Nachhinein eine gute Idee).
So ein Chaos ist schon extrem: hier haben wir einen Angeklagten, der nach einem halben Jahr vor einem Scherbenhaufen seiner kompletten Verteidigung sitzt.
Der Antrag wurde abgelehnt, Marquese und Durham blieben die Verteidiger, aber Craig durfte nicht ins Team dazukommen. Das Honorar hat sie allerdings, laut Rouven, genommen.
Rouven hatte inzwischen grosse Zweifel an Marquese und Durham, wurde aber von jenem ersten Anwalt, der Marquese vorgeschlagen hatte, überzeugt diese zu behalten.
So. Meint Ihr, das sei nun der Höhepunkt des Desasters? Das war erst die Einführung zum 22-seitigen Antrag. Der Höhepunkt kommt jetzt erst:
Zu a, c und d:
Angeblich lief die Sache mit dem Deal so ab:
Es war inzwischen der dritte Prozesstag, als Marquese aus heiterem Himmel, so Rouven, fragte, ob Rouven einem Deal zustimmen würde. Rouven habe die ganze Zeit einen Prozess gewollt und soll komplett überrascht gewesen sein, genau wie übrigens auch die Bundesanwaltschaft.
Diese bot an, einen Anklagepunkt fallenzulassen, der allein schon eine Mindeststrafe von 15 Jahren vorgesehen hat. Und jetzt muss ich wieder auf meine zahlreichen Beiträge in der Vergangenheit verweisen, in der ich erklärt habe, was die "Sentencing Guidelines" sind, wie Mindest- und Maximalstrafen errechnet werden, und was die Verbüssung von Strafen nacheinander und gleichzeitig bedeutet.
Rouven wurde das angeblich NICHT erklärt. Ihm wurde nur gesagt, dass es eine Mindeststrafe von 5 Jahren gäbe, und dass es "vorstellbar sei, dass er dann entlassen würde." Wieder soll ihm jener Anwalt, der kein Strafverteidiger ist, geraten haben, den Deal anzunehmen.
Das Angebot der Bundesanwaltschaft kam am Abend und am nächsten Morgen sollte Rouven entscheiden. Angeblich hat sich keiner seiner Anwälte an diesem Abend mit ihm zusammengesetzt.
Völlig unberaten sei er am nächsten Morgen ins Gericht gekommen, dort erst habe dann ein Anwalt, Durham, eine halbe Stunde lang mitten im Gericht hingesetzt und versucht den Deal zu erklären. Es sei aber keine Diskussion der "Sentencing Guidelines" erfolgt.
Und nun schreibt seine Anwältin: "Mit der Warnung von einem der damals entlassenen Anwälte im Kopf, dass er verurteilt würde, entschied Rouven, dass er keine andere Chance habe, als den Deal zu akzeptieren."
Soweit so schlecht. Ich stimme dieser Einschätzung zwar immer noch zu, aber der Hammer ist was nun folgt:
Erst am folgenden Abend wurde Rouven bewusst, was er da unterschrieben hatte. Ein Mitgefangener soll ihm gesagt haben, dass der Deal extrem schlecht sei. Der Mitgefangene erklärte ihm, dass durchaus die Möglichkeit besteht, dass die Richterin ihn dazu verurteile, jede einzelne Strafe nacheinander verbüssen zu müssen und welche Maximalstrafe ihm eigentlich unter den Guidelines drohe.
Rouven fiel angeblich aus allen Wolken und hat am nächsten Morgen Marquese angerufen und gefordert, den Deal rückgängig zu machen. Der aber habe nur wieder versichert, er "könne" auch nur 5 Jahre bekommen.
Nun bekommen wir zum ersten Mal die Details des Deals genannt: Der Deal sah wohl so aus: Man einigte sich auf drei Anklagepunkte. Und man vereinbarte, dass die Strafen für die Punkte zwei und drei gleichzeitig verbüsst werden sollen, ABER NACH der Strafe für Punkt eins.
Die Strafe für 2 und 3 allein hat aber schon eine Mindeststrafe von 5 Jahren und eine Maximalstrafe von 20. (Ich habe das alles vor einem Jahr schon mal erklärt)
Und nun das Vernichtendste: Rouvens Anwältin behauptet jetzt, dass ihm nie erklärt worden sei, welche Strafe unter den Guidelines wahrscheinlich ist. Man habe immer nur gesagt, sei froh dass der Anklagepunkt mit den 15 Jahren weg ist und dass es eine Mindeststrafe von "nur" 5 Jahren gäbe.
Connelly rechnet nun vor, was ihn wirklich erwartet: Wie ich oben schon mal errechnet hatte, könnte er auf einen level 40 kommen, was eine Strafe von 25-30 Jahren bedeuten würde. Diese Strafe hielt ich für wahrscheinlich, wenn es zu keinem Deal kommt.
Connelly hat nun offengelegt, dass der presentencing report wohl weitaus schlimmer war als angenommen und sie kommt auf einen level 47. In diesem Fall droht Rouven lebenslänglich.
Die versprochenen 5 Jahre bezeichnet Connelly unter diesen Umständen, genau wie ich das vor einem Jahr getan habe, als nahezu unrealistisch. Die Richterin müsse schon ganz extrem nur das Positive in ihm sehen, wolle sie so weit von den Guidelines abweichen.
Zwar ist die Maximalstrafe für jeden Anklagepunkt 20 Jahre, aber wenn sie wollte, könne die Richterin ihn also zu 60 Jahren (3x20 nacheinander) verurteilen, was effektiv "lebenslänglich" bedeute. Und dem hat er zugestimmt.
Connelly weist weiter daraufhin, dass in Kinderporno Fällen nahezu nie vom Guidelines Mass abgewichen wird.
Damit kommt sie zu dem Schluss, dass die 5 Jahre, die Marquese und Durham Rouven in Aussicht gestellt haben "is a virtual impossibility," praktisch unmöglich sind.
Und deshalb, sagt sie, haben seine Anwälte ihn getäuscht und er habe somit seine Zustimmung nicht aus freiem, gut informiertem Willen gegeben.
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Uff. Wenn das alles so stimmt, dann kann ich dem nur beipflichten. Die Bundesanwaltschaft ist jedenfalls schon mal sauer und verlangt nun, dass Rouven alle seine Deals mit seinen Verteidigern offenlegt und diese Verschwiegenheitspflicht entbindet, so dass sie als Zeugen vernommen werden können.
Wie kann es nun weiter gehen? Es gibt drei Möglichkeiten: Die Richterin lehnt den Antrag ab und verurteilt Rouven auf der Basis des Deals. Dann wird Rouven wohl Revision einlegen.
Die Richterin kann den Antrag annehmen, den bisherigen Deal rausschmeissen. Dann liegt es an Rouven und der Bundesanwaltschaft ob es zu einem neuen Deal kommt, was ich für wahrscheinlich halte, oder zu einem Prozess.
Wer hätte gedacht, dass es noch so ein Drama gibt?