msbarnaby schrieb:hier wird oft gesagt, die Mutter kann nicht einverstanden gewesen sein, weil die (wie auch immer gelagerte) Lage nicht so aussichtslos gewesen sein kann, als dass man sein Kind tötet.
Eine "Argumentation" die ich aber ohnehin nicht nachvollziehen kann, denn ich verstehe beim besten Willen nicht, warum die identische Argumentation auf einmal nicht mehr verwendet wird, wenn es darum geht die Schuld des Vaters als gegeben zu betrachten.
msbarnaby schrieb:Man kann bei Suiziden, Mitnahmesuiziden oder gescheiterten Mitnahmesuiziden-und-"nur"-Kindstötungen keine normalen Maßstäbe anlege
Eben. Unter Anderem deswegen nehme ich diese Anmerkung der älteren (Halb)Schwester auch sehr ernst, denn "normale Gründe" braucht man bei sowas nicht zu suchen und zwar weder beim Vater noch bei der Mutter und die ältere Schwester hat mir immerhin voraus, dass sie die Beteiligten gut gekannt hat.
friis schrieb:Krasser Fall, der aber wie ich finde vollkommen anders gelagert und deshalb auch nur schwer zu vergleichen ist mit diesem Fall.
Da gebe ich Dir Recht.
Die Vergleichbarkeit sehe ich hier aus gleich mehreren Gründen als nicht gegeben an.
Aussagekräftig finde ich die Existenz solcher Fälle dennoch, denn wenn wir einfach mal nur die Tatsachen betrachten, dann ist einfach mal ohne jeden Zweifel klar, dass niemand Marco S. als "Mörder" bzw "Doppelmörder" bezeichnen dürfte, wenn dieser Mann noch leben würde.
Denn in unserem Rechtssystem gibt es eine Unschuldsvermutung und bisher ist mir kein einziger, echter Beweis bekannt, der die Täterschaft des Vaters nachweist.
Der einzige Grund warum hier mal eben ein Mann zum Doppelmörder abgestempelt wird liegt darin, dass die hier vorliegende Gesamtsituation die These es läge ein Mitnahmesuizid vor wahrscheinlich macht und zwar allein aus dem Grund, dass keine Hinweise, Indizien oder Beweise für andere Geschehnisse gefunden wurden.
Die Annahme, dass der Vater hier der Täter ist setzt sich aus der Kriminalstatistik zusammen, dass eben meist der Vater der Täter ist und dem Umstand, dass der Leichenfund des Vaters und die durch Zeugenaussagen rekonstruierten Abläufe nahelegen, dass der Vater das Familienmitglied ist, dass zuletzt noch lebend und agierend gesehen wurde.
Meiner Ansicht nach ist es aber äußerst fragwürdig so zu tun als wäre diese Sachlage mit einer Faktenlage, die dem Beschuldigten irgendeine der ihm nachgesagten Taten auch wirklich nachweist identisch.
friis schrieb:Aber zum einen sind die Väter in den Beiden Fällen doch so komplett verschieden, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten.
Auch das ist richtig, aber meiner Ansicht nach würde der Vergleich der beiden Väter Marco S. doch eher "entlasten", denn wir sprechen in dem anderen Fall immerhin über eine Fall in dem die Kinder gewaltsam getötet wurde obwohl die Täter als Ärzte auch Zugriff auf "sanftere Mittel" gehabt hätten.
Sich selbst haben sie betäubt und versucht durch CO-Vergiftung das Leben zu nehmen, das ist ein recht sanfter Tod.
Da stellt sich mir z.B. die Frage warum man sich für eine derart gewaltsame Tötung der Kinder entschied, statt dafür gemeinsam diesen sanften Weg zu gehen, da regt sich in mir schon beinahe der Verdacht, dass es durchaus in der Absicht der Eltern lag zu überleben, auf ein mildes Urteil und massenweise Mitleid zu hoffen und dann noch einmal neu anzufangen.
So wie Marco S. von praktisch jedem, der ihn kannte beschrieben wird, wird doch immer mehr klar, dass er, sollte er der Täter sein, mit hoher Wahrscheinlichkeit den sanftmöglichsten Weg für seine Familie gewählt und die "Komfortabstriche" nur bei sich selbst gemacht hat.
Für mich stellt er sich als Person dar bei dem mir die These "Mitnahmesuizid" tatsächlich glaubwürdiger erscheint, wenn ich von einer Mitbeteiligung seiner Frau ausgehe als anzunehmen, dass er erst seine Tochter getötet, dann seine Frau in die Falle gelockt, den Großvater am Telefon belogen und dann noch bei all dem so cool geblieben ist, dass er alles ohne Pannen und ohne Spuren akribisch durchführen konnte.
Die Vorstellung, dass es sich um einen gemeinsamen Plan gehandelt haben könnte erklärt für mich noch immer längst nicht alles, macht den Ausgang des Ganzen aber durchaus ein bisschen greifbarer und realistischer.
friis schrieb:bietet das Verhalten von Sylvia, abgesehen von der Rämung des Schulspindes überhaupt keine Anhaltspunkte (das kann aber auch ganz andere Gründe gehabt haben).
Aber es ist doch nun auch keinesfalls so, dass es bei Marco solche Anhaltspunkte gab. Nichtmal im Nachhinein gab es hier brauchbare Aussagen wie "Ach so nachträglich betrachtet war das, das, das und das merkwürdig und passt ins Bild eines vorbereiteten Mitnahmesuizides."
Warum findet die Tatsache, dass die Familie offenbar bis zuletzt nach Außen hin unauffällig blieb stets Erwähnung, wenn eine Tatbeteiligung der Mutter diskutiert wird, dass für ihren Mann aber genau das Gleiche ebenso gelten dürfte hingegen, dass fällt irgendwie permament untern Tisch.
Es wird außer dem Telefonat mit dem Großvater kein auffälliges Verhalten geschildert. Weder wurden irgendwelche Planungsaktivitäten aufgedeckt noch passt der Charakter des Vaters zu dem, was bei einem Mitnahmesuizid äußerst häufig ist.
friis schrieb:Bei dem Ärztepaar war es eine für Außenstehende nachvollziehbar schwierige Situation.
Jain.
Geldsorgen zu haben und sich nicht den Lebensstil leisten zu können den man sich wünscht oder gar zu verdienen glaubt ist ja keineswegs wenig verbreitet und auch dass Menschen über ihre Verhältnisse leben und ihnen das dann irgendwann um die Ohren fliegt ist nicht so selten.
Sowohl bei Selbstmord, Mitnahmesuizid aber auch Mord ist es doch eh im Normalfall so, dass die Wahrnehmung der Täter (sowohl die Selbstwahrnehmung als auch die ihrer Situation und ggf Mitmenschen) eher verzerrt ist und im Normalfall keineswegs ein Gesamtbild vorliegt bei dem der "Otto-Normalmensch" sagt "Ach so, alles klar, in der Lage konnte man natürlich nur noch seine ganze Familie auslöschen."
Es sind doch fast immer Situationen die bei rationaler Betrachtung durchaus auch so manch alternative Lösung zugelassen hätten.
friis schrieb:Aussage des KHK, der im Haus Anhaltspunkte dafür gefunden haben will, die nahe legen, dass sich am Tag vor dem Verschwinden eine besondere Drucksituation für die Familie ergeben hätte.
Das ist zwar korrekt und ich finde es auch völlig richtig, dass dieses "Vielleicht-Motiv" nicht öffentlich gemacht wird.
Aber aus bereits genannten Gründen muss ich davon ausgehen, dass es, egal was es ist, ebenfalls nichts ist bei dem wir uns alle sofort einig wären, dass da wirklich nur die Auslöschung der gesamten Familie bleibt.
friis schrieb:Daraus lässt sich aber schließen, dass KHK Düker Marco für den "Täter" hielt und nicht die Eheleute Schulze.
Das dürfte aber wie gesagt auch ganz banale Gründe haben wie:
"statistisch betrachtet ist der Täter üblicher Weise der Vater" und "Der Vater war Beobachtungen des Umfeldes zu Folge noch am längsten aktiv und nur seine Leiche wurde gefunden."
Ersteres ist eben eine Statistik, die muss für diesen Fall genau gar nichts bedeuten und Letztes ist bestenfalls ein Hinweis darauf, dass Marco den Plan ausgeführt hat, jedoch nicht darauf, dass er ihn auch im Alleingang geschmiedet hat.
Seine Frau war eine kleine, zierliche Person, dass er der war, der alles zum Abschluss brachte kann auch ganz einfache, praktische Gründe gehabt haben.
Wesentlich mehr Eindruck würde es auf mich persönlich machen, wenn nun verlässliche Zeugenaussagen wieder und wieder bestätigen würden, dass Marco S. durch herrisches Auftreten unangenehm auffiel, es sich abzeichnete, dass es ihm wichtig war das Sagen zu haben, er stets bemüht war als respektabler Patriarch dazustehen oder Ähnliches.
Solche Aussagen würden es mir einfacher machen in ihm einen möglichen Alleintäter zu sehen.
Aber es ist ja nicht mal so, dass es solche Aussagen "nur" nicht gibt, sondern, dass er von zahlreichen Menschen die ihn kannten als genau das Gegenteil beschrieben wird.
Von seiner Frau hingegen wird zwar auch kein Bild gezeichnet, dass nun eine herrische, rechthaberische Person zeichnet, aber den Aussagen von Familie und Bekannten nach war es wohl eher sie, die Dinge plante, die Zügel in die Hand nahm usw.
falstaff schrieb:immerhin scheint die Polizei belastbare Hinweise auf ein schwerwiegendes familiäres Ereignis kurz vor der Tat zu haben.
Das hängt mir zu sehr von der jeweiligen "Tagesform" der Darstellung ab.
Ich habe sowohl Pressemitteilungen gefunden, die dieses "Vielleichtmotiv" eher als ziemlich schwammig bezeichnen als auch solche, die dem etwas mehr Bedeutung beimessen.
Das macht mir eine Beurteilung u.A. deswegen schwer, weil ich davon ausgehe, dass auch der Presse keine tiefere Einsicht darein um was es sich denn nun handelte gewährt wurde.
Es gibt also nicht mal eine echte Aussage ob es sich um etwas gehandelt hat, dass nur Marco allein und nicht im gleichem Umfang auch seiner Frau zugeordnet werden konnte.
Darüber hinaus besteht ja keinerlei Sicherheit darüber ob es sich wirklich um etwas von nennenswerter Signifikanz gehandelt hat, oder hier einfach nur etwas geschehen ist, das so furchtbar ist und so unbegreifbar, dass manch Einer, je nach Persönlichkeit lieber alles Mögliche und Unmögliche als "mögliches Motiv" annehmen würde als zu akzeptieren, dass man so etwas niemals so erklären kann, dass eine "zufriedenstellende Aufklärung" zur Verfügung steht.
Geschehnisse wie Diese (hier ist ja noch nicht mal auch nur annähernd bekannt was wirklich geschehen ist) werden für "normale Menschen" immer unfassbar bleiben.
DieMichi schrieb:Arbeiten auf dem Reiterhof sind ja durchaus körperlich anstrengend, sowas macht man meiner Meinung nach nur, wenn es wirklich nötig ist.
Würde ich so nicht sagen.
Manche Menschen sind auch einfach pragmatisch und wenn sich ein "Eine Hand wäscht die Andere-Handel." anbietet indem man eine Arbeit verrichtet, die man gut kann und im Gegenzug entweder die Haushaltskasse entlastet wird oder die kleine Tochter ein paar Mal öfter aufs Pferd kommt als es sonst der Fall war, warum sollte man solch einen Handel dann ausschlagen?
Als ich noch zu klein war um alleine zum Reiterhof zu radeln, haben meine Eltern da auch oft hier oder da mal eine helfende Hand geliehen, er musste doch eh dort warten bis er mich wieder mitnehmen konnte (heimfahren und dann nochmal los um mich abzuholen hätte zeitlich nicht gelohnt) und wenn das dann über Kleinkram hinausging gabs mal eine Reit- oder Theoriestunde gratis.
Grade wenn einem Arbeiten an frischer Luft mit eigenen Händen liegen.
Dazu kommt, dass sich grade an kleineren Reiterhöfen häufig ziemlich gute Gemeinschaften bilden in denen es schnell selbstverständlich wird einander gegenseitig zu helfen.
Und grade im Anbetracht der Tatsache, dass Reitstunden durchaus die Tendenz haben kostspielig zu sein würde ich solch ein Arrangement bei dem der Vater ab und zu mit anpackt und es dafür dann kostenlose Reitstunden gibt nicht überbewerten.