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Jura, Kriminologie und Kriminalistik

196 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Jura, Kriminologie, Kriminalistik ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

Jura, Kriminologie und Kriminalistik

05.09.2015 um 20:22
@osttimor
Zitat von osttimorosttimor schrieb:für mich liest sich das, als würde es noch komplizierter und strittiger in der praxis werden...
Ich seh da schon Verbesserungen zum status quo, gerade was die Fallgruppe der "Haustyrannenmorde" angeht. Ich hätte mir da aber auch mehr in dieser Richtung gewünscht. Wie gesagt, der große Wurf wird es nicht werden, aber komplizierter und strittiger wird es wahrscheinlich nicht. Das hängt dann ja auch immer von den konkreten Formulierungen ab. Man wird sehen. Vieles ist ja noch offen.


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05.09.2015 um 20:23
Ein großer Wurf ist es nicht (danke für den Link). "Heimtücke" halte ich auch für ein nicht sonderlich weiterführendes Merkmal. Die meisten Täter sind heimtückisch, indem sie sich ihre Opfer aussuchen. Das fängt an beim Beklauen von älteren Leuten, die sich nicht wehren können.


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05.09.2015 um 21:00
Zitat von DerGreifDerGreif schrieb:Ich verstehe nicht, was das mit der Frage der Anonymität der Zeugenaussage zu tun hat. Es gibt keine Gewährleistung dafür, dass der Angeklagte den Zeugen nicht fälschlicherweise beschuldigt.
Das hat sehr wohl was damit zu tun. Denn eure ganze Argumentation beruht ja darauf, dass der Angeklagte den Zeugen kennen muss. Dadurch würden aber auch zusätzliche Möglichkeiten geschaffen dem Zeugen was zu unterstellen, da er nun ein Gesicht hat und leichter Geschichten passend erfunden werden können. Was ein Rachemotiv des Zeugen angeht, so ist doch eine anonyme Aussage insofern für as Gericht besser, da der Angeklagte auf Anhieb die Personen mit einem Rachemotiv aufzählen muss. Ist der anonyme Zeuge aber nicht dabei, so spricht das umso mehr für seine Glaubwürdigkeit.

2) Wenn du in irgeneiner Form als Anwalt tätig bist, dann bist du ein Teil dieses Sytems, Profiteur und da brauchen wir nicht weiter reden.

3) Zum Zivilrecht. Dass man 1, 10 oder 1000 Klagen gewonnen hat steht in keinem Verhältnis zu Millionen gewonnenen Klagen auf der anderen Seite.

Im Grunde genommen verteidigst du ja eine momentan gültige Rechtsauffassung und fühlst dich logischerweise in deinen Ansichten bestätigt -aber Gestze entwickeln sich weiter bzw werden durch neue ersetzt. Sei dir also nicht so sicher, dass die jetzige Situation das Non-Plus-Ultra ist.


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05.09.2015 um 21:33
Was die anonymen Zeugen angeht, so halte ich nichts davon. Das würde dazu führen, dass "Zeugen" im Schutz der Anonymität Falschaussagen machen und den mutmaßlichen Täter belasten.
Ist ganz schlecht.


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05.09.2015 um 21:43
@Suinx
Zitat von SuinxSuinx schrieb:Das hat sehr wohl was damit zu tun. Denn eure ganze Argumentation beruht ja darauf, dass der Angeklagte den Zeugen kennen muss. Dadurch würden aber auch zusätzliche Möglichkeiten geschaffen dem Zeugen was zu unterstellen, da er nun ein Gesicht hat und leichter Geschichten passend erfunden werden können. Was ein Rachemotiv des Zeugen angeht, so ist doch eine anonyme Aussage insofern für as Gericht besser, da der Angeklagte auf Anhieb die Personen mit einem Rachemotiv aufzählen muss. Ist der anonyme Zeuge aber nicht dabei, so spricht das umso mehr für seine Glaubwürdigkeit.
Das ist alles völlig absurd. Man kann nicht erwarten, dass jeder Angeklagte in der Lage ist ohne konkrete Assoziation eine vollständige Liste von Personen zu nennen, die möglicherweise mittels Falschaussage Rache üben wollen. So funktioniert das menschliche Gedächtnis nicht. Darüber hinaus muss das Motiv für die Falschaussage auch gar nicht Rache sein. Hier kommen auch andere Motive in Betracht, zB Schutz des wahren Täters, weil der Zeuge mit diesem befreundet/verwandt ist, oder der Zeuge möchte sich nicht selbst belasten usw. Über all diese Motive könnte der Angeklagte eventuell Auskunft geben, wenn er Kenntnis von der Identität des Zeugen hätte, darum gilt diese Regel und wird auch künftig beibehalten werden. Die Ausnahmeregelung im ZSHG existiert ja für die Fälle, wo es ernsthafte Gefahren für den Zeugen gibt. Das ist ein insgesamt faires, gerechtes, rechtsstaatliches System für ein Dilemma, wo es optimale Lösungen nicht gibt.
Zitat von SuinxSuinx schrieb:2) Wenn du in irgeneiner Form als Anwalt tätig bist, dann bist du ein Teil dieses Sytems, Profiteur und da brauchen wir nicht weiter reden.
Was für ein Schwachsinn. Als Rechtsanwalt gehe ich einer ganz normalen Tätigkeit nach. Das wäre wie als ob ich mich darüber beschweren würde, dass ich mein Auto nicht selber reparieren kann, weil alles so kompliziert ist. Und dann den Autofabrikanten vorwerfen, dass sie die Autos extra so kompliziert konstruieren, damit ich sie selber nicht reparieren kann, wegen der Mechanikerlobby. Und dass der menschliche Körper so komplex ist, dass man zum Arzt gehen muss, wenn man ernsthaft krank wird, ist dann auch der Ärztelobby geschuldet, oder? Ich schlage vor, dass Du Dich mal über die Gesetzgebung und die hinter dem BGB und anderen Gesetzen stehenden Motive informierst. Dann hat man vielleicht eine Diskussionsbasis. So ist eine Diskussion völlig sinnlos.
Zitat von SuinxSuinx schrieb:3) Zum Zivilrecht. Dass man 1, 10 oder 1000 Klagen gewonnen hat steht in keinem Verhältnis zu Millionen gewonnenen Klagen auf der anderen Seite.
Ich hätte gerne einen wissenschaftlich fundierten Beleg für diese abenteuerliche Behauptung. Die BGH-Rechtsprechung ist jedenfalls äußerst verbraucherfreundlich. Dazu muss man sich nur mal die ausufernde Rechtsprechung zur deliktischen Produkthaftung anschauen. Oder zur Mängelgewährleistung beim Gebrauchtwagenkauf. Oder zu Verbraucherkrediten. Oder zum Mieterschutz. Überhaupt die Rechtsprechung zu den ganzen Generalklauseln. Und die Gesetzgebung sowohl auf EU-Ebene als auch auf nationaler Ebene haben den Verbraucherschutz stetig ausgeweitet.
Zitat von SuinxSuinx schrieb:Im Grunde genommen verteidigst du ja eine momentan gültige Rechtsauffassung und fühlst dich logischerweise in deinen Ansichten bestätigt -aber Gestze entwickeln sich weiter bzw werden durch neue ersetzt. Sei dir also nicht so sicher, dass die jetzige Situation das Non-Plus-Ultra ist.
Ich habe Dir nur versucht zu erklären, wieso bestimmte gesetzliche Regelungen so sind, wie sie eben sind. Kannst Du auch alles selbst nachlesen. Das deutsche Zivilrecht und das deutsche Strafrecht bestehen jedenfalls in ihrem Kern seit über hundert Jahren. Es hat sicherlich Veränderung gegeben. Im BGB wurde die Diskriminierung der Frau und der unehelichen Kinder abgeschafft. Man musste auf neue technologische Entwicklungen (Email, Internet, EDV) und neue Formen des Geschäftsverkehrs reagieren. Entsprechend wurde auch der Verbraucherschutz ausgebaut. Das Grundgerüst des BGB, insbesondere Allgemeiner Teil, Schuldrecht (trotz Schuldrechtsreform 2002), Sachenrecht und Erbrecht, hat sich im Wesentlichen nicht geändert. Es gibt sicherlich überall noch Optimierungspotential. Und zukünftige Entwicklungen werden auch immer wieder einmal Neuregelungen nötig machen. Aber an dem Grundgerüst des aktuellen Zivil- und Strafrechts wird sich auch in naher Zukunft nichts ändern. An dem status quo sehe ich auch nichts Verwerfliches. Ich würde mir hingegen Reformen im Bereich der Juristenausbildung wünschen und Reformen bei Prozessen über Kapitaldelikte (Stichwort 2. Tatsacheninstanz, Wortprotokollierung).

@E.A.Poe
Kurz und knackig auf den Punkt gebracht! Darüber hinaus gibt es ja auch Ausnahmeregelungen nach dem ZSHG für Fälle wo ernste Gefahr besteht.


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05.09.2015 um 22:10
@DerGreif
Danke, ich kannte das ZSHG bisher gar nicht. Glaubst du im Fall Mark Herbert hätte das ZSHG gegriffen und wenn ja, hätte man da nicht drauf hinweisen sollen?


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05.09.2015 um 22:17
Zitat von DerGreifDerGreif schrieb:Kurz und knackig auf den Punkt gebracht! Darüber hinaus gibt es ja auch Ausnahmeregelungen nach dem ZSHG für Fälle wo ernste Gefahr besteht.
Das ist aber auch nur die Ultima Ratio. Die Zeugen müssen im Ernstfall den Kontakt zur Familie komplett abbrechen - vielleicht für immer.
Im Fall von Mark Herbert wäre das möglicherweise nicht nötig. Ich glaube nicht, dass der Inhaftierte ein derartig großes Kaliber ist.


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05.09.2015 um 22:22
@E.A.Poe
Wenn das so ist, dann kommt es im Endeffekt nur auf die bereits thematisierte Courage an und wenn die nicht vorhanden ist, zählt nur der Preis.


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05.09.2015 um 22:36
Zitat von woertermordwoertermord schrieb:Wenn das so ist, dann kommt es im Endeffekt nur auf die bereits thematisierte Courage an und wenn die nicht vorhanden ist, zählt nur der Preis.
Einen Preis gibt es meistens nicht. Es gibt einen guten englischen Fernsehfilm nach einer wahren Begebenheit, der mich vor Jahren ziemlich berührt hat: "Danielle Cable: Eyewitness" (2003).
Der Freund von Frau Cable wurde auf der Autobahn erstochen, sie war Zeugin. Der Täter wurde der Mafia zugeordnet. Es galt zuerst mal sie zu schützen, bis der Prozess begann. Der Fall ist unterschiedlich zu dem von Mark Herbert, weil sie den Täter ja selber gesehen hat und den Mord meldete. Sie war bekannt. Ist also nicht so, dass sie sich als unbeteiligte Zeugin zur Verfügung stellte.
Auf jeden Fall war es so, dass sie in ein Zeugenschutzprogramm kam, ihren Namen, ihren Wohnsitz, ihren Job wechselte. Abends wenn es ihm Mietshaus Geräusche gab, glaubte sie, dass sie kommen.
War ein einfacher Fernsehfilm. Aber gut gemacht und informativ. Ihre Mutter sah sie glaube ich erst nach zwei Jahren wieder - unter Polizeischutz.


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05.09.2015 um 22:38
@woertermord
Zitat von woertermordwoertermord schrieb:Danke, ich kannte das ZSHG bisher gar nicht. Glaubst du im Fall Mark Herbert hätte das ZSHG gegriffen und wenn ja, hätte man da nicht drauf hinweisen sollen?
Ich denke nicht, dass der Täter so ein Gefahrenpotential darstellt, dass hier das ZSHG gegriffen hätte. Letztlich haben jetzt ja auch Zeugen ausgesagt.

@E.A.Poe
Zitat von E.A.PoeE.A.Poe schrieb:Das ist aber auch nur die Ultima Ratio. Die Zeugen müssen im Ernstfall den Kontakt zur Familie komplett abbrechen - vielleicht für immer.
Im Fall von Mark Herbert wäre das möglicherweise nicht nötig. Ich glaube nicht, dass der Inhaftierte ein derartig großes Kaliber ist.
Sehe ich genauso. Ich hatte das ZSHG auch nur als Beispiel für möglichen Zeugenschutz in der BRD erwähnt.


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06.09.2015 um 03:18
Ich geb's auf. Manche Leute begreifen einfach die elementarsten Dinge nicht. Dankenswerter Weise hat @DerGreif hier ja auch noch einmal sehr geduldig Stellung bezogen. Ich denke, die grosse Mehrheit hier hat begriffen, welche Pandorabüchse geöffnet würde, wenn Zeugen anonym vor Gericht aussagen könnten. Aber das Thema ist eigentlich auch erledigt, denn niemand in demokratischen Staaten erwägt auch nur irgendwo, so etwas einzuführen.

@E.A.Poe
Die Mord-Reform ist ein Thema, das mich schon seit Jahren bewegt, da ich in der Praxis eine immer grösser werdende Konfusion gerade auch unter Richtern bemerkt habe. Wie @DerGreif schon anmerkte, haben BVerfG und BGH nicht unbedingt zur Klärung beigetragen. Ich sehe den Kompromiss, so wie er in dem verlinkten Artikel dargestellt wird als kein sonderlich positives Ergebnis. Die eigentliche Konfusion wird bleiben, und Maas Vorliebe für die Einführung einer Gesinnungskriminalität ist auch sehr deutlich zu spüren. Das wird kein Meisterstück werden.


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06.09.2015 um 07:45
Zitat von DerGreifDerGreif schrieb:Die Ausnahmeregelung im ZSHG existiert ja für die Fälle, wo es ernsthafte Gefahren für den Zeugen gibt.
Wie jetzt? Ihr diskutiert die ganze Zeit wieso das rechtsstaatlich gar nicht gehen würde, Vergleiche zur Nazizeit wurden gezogen und nun relativierst du (als Jurist) mit "ernsthafte Gefahren" würde es schooon gehen? Hätten wir doch von Anfang um den Begriff "ernsthafte Gefahren" gestritten -könnte ich es ja noch verstehen, aber so..? Wie auch immer widerspricht ihr euch, wenn ihr dadurch einerseits das ganze Rechtssystem in Gefahr sieht und anderseits durch einen vage formulierten und dehnbaren Bagriff von "ernsthafte Gefahr" schon umkippt und das Gegenteil behauptet....;)
Zitat von DerGreifDerGreif schrieb:Als Rechtsanwalt gehe ich einer ganz normalen Tätigkeit nach.
Das machen wohl alle irgendwo. Der Punkt ist nur, ihr verdient an vage formulierten Gesetzen (z.B. Betrug und Betrugsversuch werden nie auf Anhieb so bei Gericht angesehen), an zweideutigen Paragrafen, an die Unsicherheit kleiner Leute, an verwirrend unterschiedliche Urteile oder generell an: "Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand". Abgesehen davon, werdet ihr nach einem willkürlich festgesetztem Tarif bezahlt hinter dem manch einer Handwerker sich auch verstecken würde und sich nicht vor Konkurrenzpreise fürchten muss.

Bei den niedergelassenen Ärzten ist doch auch so -keiner blickt durch was und wofür sie abrechnen und das Schlimmste ist, dass man als Nestbeschmutzer gilt wenn man Zweifel an den Abrechnungen äußert. Sie sind auch Teil eines Systems -das Gesundheitssystem- und zugleich auch Nutznießer und da in der Kassenärtztlichen Vereinigung als Kontrollorgan auch nur Ärzte sitzen und gewöhnlich "Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus" gilt -wird sich auch dort in absehbarer Zeit am Abrechnungssystem nichts ändern.
Zitat von DerGreifDerGreif schrieb:Die BGH-Rechtsprechung ist jedenfalls äußerst verbraucherfreundlich.
Das ist doch völliger Quatsch. Als Verbraucher zu seinem Recht zu kommen bedarf es Nerven aus Stahl, Standfestigkeit, Geld auslegen um am Ende bestenfalls vor einer 50:50 Chance zu stehen. Rechtssicherheit sieht bei mir anders aus. An allem was du genannt hast läßt sich gewaltig rütteln -da hat der kleine Mann wenig Chancen. Man nehme z.B. nur die Gewährleistung mal als Beispiel: Sie soll angeblich 2 Jahre gelten, aber bereits nach 6 Monaten ist sie für die Katz da der Verbraucher dann nachweisen muuss, dass der Mangel von Anfang an da war. Also völlig absurd! Das Mietrecht ist auch so ein Rechtsgebiet -als Sinnbild- für erfolgreiche Lobbyarbeit und wer das Sagen bei der Gesetzgebung hat. Klar kommen hier und da mal medienwirksam verkündete Grundsatzurteile zu Gunsten der Mieter, aber im Kern hat sich das Mietrecht gegenüber vor 20 Jahren dramatisch verschlechtert. Hatte damals ein Mietvetrag nur 2 Seiten so sind es heute meist über 20, eine Kaution gabs nicht bzw. war die absolute Ausnahme, man konnte noch sinnlose Modernisierungen abwehren und und und. Und heute? Heute muss man sich als Mieter sogar an Keinreparaturen beteiligen, obwohl man schon Miete zahlt und damit die Sache abgegolten ist. Die logische Schlussfolgerung wäre hier -Wenn ich als Mieter das unternehmerische Risiko prozentual mittrage, dann müßte ich doch bei den Gewinnen auch entsprechend prozentual beteiligt werden. Aber Pustekuchen!
Zitat von DerGreifDerGreif schrieb:Ich habe Dir nur versucht zu erklären, wieso bestimmte gesetzliche Regelungen so sind, wie sie eben sind.
Das was ich fordere ist ja nicht die Rechtssprechung eines afrikanischen Landes sondern durchaus erlaubt in Österreich zum Beispiel. Den Österreichern totalitäre Züge nachzusagen wäre also absurd und ihr Recht ist mindestens so alt wie das unsere.

"Bei der sogenannten anonymen Aussage bleiben Sie auch gegenüber der Kriminalpolizei, der Staatsanwaltschaft und dem Gericht anonym, da Sie ausnahmsweise Ihren Namen und andere personenbezogene Angaben nicht mitteilen müssen.
Die anonyme Aussage ist nur in Ausnahmefällen zulässig. Da dabei die Angaben zur Person ganz unterbleiben, scheinen die persönlichen Daten in keinem Akt auf."

http://justizinfo.justiz.gv.at/straf/html/index.php?id=700_4202


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06.09.2015 um 10:46
Nun, ohne die Diskussion noch endlos verlängern zu wollen, möchte ich der Vollständigkeit halber nur noch zur österreichischen oder auch niederländischen Praxis die Einschätzung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Strasbourg zur Kenntnis nehmen, der in den einschlägigen Urteilen die Praxis als Verstoss gegen die Menschenrechte unter der europäischen Charta beurteilt hat. Im Urteil "Kok gegen das Königreich der Niederlande" versucht er zwar eine eher lustige Balance herzustellen, die aber folgerichtig zum Beispiel vom obersten Bundesgericht der Schweiz kritisiert wird:
Das Bundesgericht räumt ein, dass die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in diesem Punkt an inneren Widersprüchen leidet: Einerseits wird eine anonyme Zeugenaussage ausdrücklich als Beweismittel zugelassen, anderseits darf eine solche Aussage nicht verwendet werden, wenn sie für den Schuldspruch von mittragender Bedeutung ist. Der vom Gerichtshof gesetzte Massstab führt dazu, dass anonyme Zeugenaussagen nur zugelassen werden, wenn sie für die Beweisführung letztlich überflüssig sind (BGE 132 I 127 E. 2).
Urteil 6S.59/2006 vom 2. 11. 06 - BGE-Publikation (Bundesgerichtsentscheidungen der Schweiz)

Der EGMR lehnt also, wie die Schweizer richtig feststellen, anonyme Aussagen immer dann ab, wenn das Urteil auf ihnen aufgebaut ist. Man kann den Schweizern jetzt zustimmen, dass die Europäer es daher auch anders formulieren sollten, aber die Aussage des EGMR ist klar: auf einer anonymen Aussage darf kein Schuldspruch aufgebaut werden, der nicht auch ohne diese zustande gekommen wäre.

Die entsprechendenden Urteile des EGMR sind:

Kok gegen das Königreich der Niederlande http://echr.coe.int/Documents/Reports_Recueil_2000-VI.pdf

Kostovski gegen das Königreich der Niederlande http://hudoc.echr.coe.int/eng?i=001-57615

und

Windisch gegen die Republik Österreich (dieses Urteil bezieht sich spezifisch auf Kostovski) http://hudoc.echr.coe.int/eng?i=001-57643

(Die Urteile des EGMR werden offiziell immer in Englisch und Französisch veröffentlicht, ich habe mir jetzt nicht die Mühe gemacht, deutsche Übersetzungen zu suchen, aber die wird es irgendwo sicher geben)

Auch in anderen Ländern ist man sich der Problematik der anonymen Zeugenaussagen bewusst, kommt aber zu den gleichen Ergebnissen:

so. z.B. der oberste Gerichtshof der USA in den Urteilen Smith v. Illinois, 390 US 129
https://scholar.google.com/scholar_case?case=17634522346433851790&q=smith+v+illinois&hl=en&as_sdt=806

und vor allem in Pointer v. Texas, 380 US 400, in welchem mit sehr klaren Worten dargelegt wird, warum eine anonyme Zeugenaussage gegen das Grundgebot eines fairen Strafprozesses verstösst.

https://scholar.google.com/scholar_case?case=5152623152463840925&q=Pointer+v+Texas&hl=en&as_sdt=806

Allesamt sehr lesenswerte Urteile für alle, die sich ernsthaft mit dieser schwierigen Frage auseinandersetzen wollen.


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06.09.2015 um 10:50
@Suinx
Mein Vorschlag: Schreibe an den Bundestagsabgeordneten Deines Wahlkreises, schildere ihm Dein Anliegen und fordere ihn auf, einen Gesetzesentwurf zur Änderung der gegenwärtigen Rechtslage einzubringen.


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06.09.2015 um 10:52
@Seefahrer

...sagt ausgerechnet einer, der hier als "versteckt" rumläuft.


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04.11.2015 um 00:47
@Rick_Blaine

ich hätte da wieder mal einen fall mit entsprechender frage für dich! :)

sachverhalt mit ergebnis:
Sowas ist uns auch mal passiert mit vollbesetztem Wagen, keiner hat was gemerkt, aber ein Nachbar hat wohl mitbekommen, dass mein Bekannter beim Ausparken ein anderes Fahrzeug berührt hat. Es war gar kein Schaden entstanden an den Fahrzeugen, teuer wurde der Strahlbefehl, für den sich mein Bekannter sogar vor Gericht verantworten musste. Wir haben alle als Zeugen ausgesagt, dass wir nichts gemerkt haben, zahlen musste er trotzdem einen ordentlichen Batzen.
Er hätte den Halter des anderen Wagens informieren oser selbst die Polizei rufen müssen, egal ob was dran ist oder nicht, allein das Sich-Entfernen nach Touchieren eines anderen Fahrzeugs gilt als Fahrerflucht, auch wenn kein Schaden zu sehen ist. Nicht-merken schützt vor Strafe nicht, da man so umsichtig zu fahren hat laut Straßenverkehrsordnung, dass man es merken MUSS. So hat es der Richter begründet und mein Bekannter musste einige Tagessätze Strafe zahlen wegen Fahrerflucht plus die Gerichtskosten. Der Unfallgegner bekam nichts, das war rein strafrechtlich.
mein fundstück bei wikipedia:
Unfall ist ein plötzliches Ereignis im Verkehr, das von mindestens einem Beteiligten ungewollt ist und mit den Gefahren des Straßenverkehrs in ursächlichem Zusammenhang steht, bei dem ein nicht ganz unerheblicher Personen- oder Sachschaden entsteht. Die Rechtsprechung und herrschende Meinung setzen die Wertobergrenze für den unerheblichen Sachschaden derzeit bei 25 bis 50 € an. Umstritten ist, ob ein Unfall im Straßenverkehr auch dann gegeben ist, wenn das Schadensereignis vorsätzlich herbeigeführt wurde.
stimmt das urteil (ich nehme mal an das die entscheidung per urteil ergangen ist, da der tatbestand in deutschland vom stgb erfasst wird) und wikipedia liegt falsch. oder ist der eintrag auf wikipedia richtig, es gibt ja zu den wertgrenzen sogar fussnoten, die ich aber nicht nachprüfen kann, und comtesses bekannter hätte (erfolgreich) dagegen vorgehen können? oder liegt die wahrheit in der mitte?! :D


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04.11.2015 um 07:53
Bei der Bagatellgrenze kommt es ganz darauf an, wo der "Unfall" stattfindet. Generell hat hier wikipedia Recht: Es gibt in der deutschen Rechtsprechung eine sogenannte Bagatellgrenze, unter welcher das Schutzbedürfnis des § 142 StGB als nicht gegeben angesehen wird. Das OLG Nürnberg argumentiert so:
... Wo dafür die Grenze liegt, ist nach dem Schutzzweck des § 142 StGB zu bestimmen. Abzustellen ist auf das schutzwürdige Interesse an der Geltendmachung zivilrechtlicher Ausgleichsansprüche. Dieses entfällt, wenn wegen der Geringfügigkeit des Schadens die zwischen den Beteiligten entstandenen Rechtsbeziehungen so unbedeutend sind, dass Ersatzansprüche regelmäßig nicht geltend gemacht werden. Dies kann vor allem in Betracht kommen, wenn der Geschädigte den Schaden vernünftigerweise nicht beseitigen wird, eine nennenswerte Wertminderung nicht eingetreten ist und auch die Verkehrstüchtigkeit des Fahrzeugs nicht beeinträchtigt wird. Danach ist der Schwellenwert nicht nur angesichts der allgemeinen Preissteigerung, sondern wegen der Verteuerung von Autoreparaturen in den letzten Jahren derzeit bei 50 EUR anzusiedeln.
OLG Nürnberg vom 24.01.2007

In Jena sieht man das schon etwas kritischer und setzt die Grenze bei 25 Euro an (OLG Jena 07.07.2005), der deutsche Anwaltverein argumentiert dagegen für eine Grenze von 150 Euro.

Interessanter ist dann natürlich die Frage, wie das mit dem "Nicht-Merken" so ist. Generell ist unerlaubtes Entfernen vom Unfallort ein Vorsatzdelikt.
Das Kammergericht Berlin hat das ganz gut dargestellt:
Wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort kann nach §§ 142, 15 StGB nur bestraft werden, wer vorsätzlich gehandelt hat, wobei bedingter Vorsatz genügt. Der Vorsatz nach § 142 Abs. 1 StGB muss sich auf alle Merkmale des äußeren Tatbestandes erstrecken. Dazu gehört, dass der Täter weiß, dass es zu einem Unfall i. S. d. § 142 StGB gekommen ist. Der Täter muss erkannt oder wenigstens mit der Möglichkeit gerechnet haben, dass er einen Gegenstand angefahren, überfahren, jemanden verletzt oder getötet hat bzw. dass ein nicht völlig bedeutungsloser fremder Sachschaden entstanden ist (Senat, Beschluss vom 26. Januar 2004 - (3) 1 Ss 299/03 (140/03) -; Thüringer OLG VRS 110, 15, 16/17; OLG Düsseldorf VRS 95, 254, 255; OLG Hamm VRS 93, 166). Da Fahrlässigkeit nicht ausreicht, genügt es für die tatrichterliche Überzeugungsbildung nicht, lediglich äußere Umstände festzustellen, die einem durchschnittlichen Kraftfahrer nach aller Lebenserfahrung die Vermutung aufdrängen, es sei unter seiner Mitverursachung zu einem Verkehrsunfall mit jedenfalls nicht unbeachtlichem Sachschaden gekommen. Zur sicheren Überzeugung des Tatrichters muss vielmehr feststehen und für das Revisionsgericht nachvollziehbar begründet sein, dass auch der betreffende Täter für seine Person diese Kenntnis erlangt hat (KG a.a.O.). Dabei reicht es nicht aus, dass der Angeklagte die Entstehung eines nicht unerheblichen Schadens hätte erkennen können und müssen. Damit ist kein (bedingter) Vorsatz, sondern lediglich Fahrlässigkeit erwiesen (Thüringer OLG a.a.O.; OLG Köln DAR 2002, 88).
KG Berlin 08.07.2015

Ähnlich, nur etwas verschwurbelter hatte das auch schon der Bundesgerichtshof entschieden.

Daher zweifle ich nun etwas an der Darstellung des "Sachverhalts."


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04.11.2015 um 11:52
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Daher zweifle ich nun etwas an der Darstellung des "Sachverhalts."
also lautet deine conclusio, der bekannte von @Comtesse hätte dagegen (erfolgreich) vorgehen können - laut diesem sachverhalt!

mein hausverstand hat sich nämlich gleich mal gemeldet und dann bei genauerer betrachtung hat sich auch mein juristisches wissen gegen dieses urteil gesträubt.

im prinzip ist die vorsatz/fahrlässigkeit geschichte die kompliziertere und dieser fall wäre daher "schnell" über die gerichtlich festgestellte schadenssumme von 0€ zu gunsten des bekannten ausgegangen!

danke für die ausführungen @Rick_Blaine


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13.02.2016 um 05:49
Ich finde, mein Thread über den UNABomber sollte endlich wieder freigegeben werden!


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19.02.2016 um 18:26
Wer sich noch für den Fall TANJA GRÄFF interessiert, dem sei folgendes gesagt:

Das Seminar über Vampirfilme, das sie sicher besucht hat, fand im Wintersemester (WS) 2006/07 statt.

Proseminar (PS):
Vampire im Film - Filmanalyse und Filmtext (2151)
Fr 12 - 14 Uhr, Raum B 17
Schwarz/Schwingeler

Ggf. kann man über solche Seminare, über die Listen vorlagen, Hinweise über Interessen und Freunde erhalten.


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