Es ist ja verständlich, dass nach all dem Pressebohoo der letzten Tage viele denken, der Täter in diesem Fall ist schon gefunden: C.B. Aber, wie
@Andante hier dankenswerter Weise nicht müssig wird zu betonen, so leicht ist das nun nicht. Und glücklicherweise haben wir es hier auch mit Ermittlungsbehörden zu tun, die nicht so leichtfertig sind, wie die in Berlin.
Schauen wir also noch einmal auf die Fakten in diesem Zusammenhang:
1. Das Verschwinden von Inga kann auf einen sehr knappen Zeitraum festgelegt werden. Das ist schon mal sehr gut für die Ermittlungen und kommt leider nicht so häufig vor.
2. Der Ort des Verschwindens ist auch klar festgelegt. Und es ist ein Ort, der sehr abgelegen ist. So abgelegen, dass ich sicher bin, dass vor Ingas Verschwinden so gut wie niemand von dessen Existenz wusste. Anders als in einer Grosstadt kann man hier davon ausgehen, dass sich hier niemand, nicht einmal ein Täter, aufhält, der den Ort nicht kennt und nicht irgendeinen Bezug dahin hat. Das ist sehr wichtig, denn so kann man realistisch z.B. ausschliessen, dass ein Täter, der ziellos in der "Gegend" umherfährt, hier "ganz zufällig" das Opfer gefunden hat. Nein, ich wage zu sagen, zwar kann die Tat ungeplant und "zufällig" passiert sein - ich gehe davon aus - aber der Täter war nicht zufällig vor Ort.
So, diese beiden Umstände grenzen den Kreis potentieller Täter erheblich ein.
3. Aus Punkt 2 und der Tatsache, dass Inga nicht im Umkreis des Tatorts gefunden wurde ergibt sich für mich auch, dass der Täter ein Fahrzeug gehabt hat.
Jetzt bringen wir mal C.B. ins Spiel:
4. Wir haben einen einschlägig vorbestraften CB, der durch diese Vorstrafe und andere Äusserungen, sowie bestehenden Indizien hinsichtlich K-porno usw. zumindest ein nachvollziehbares Motiv haben könnte, ein kleines Mädel zu entführen und vermutlich auch zu ermorden.
Das aber reicht bei weitem nicht aus um einen Tatverdacht zu begründen. Daher muss man nun zu den Fakten oben zurückkehren, mit anderen Worten, CB muss in den Zusammenhang mit den Punkten 1-3 gebracht werden.
Welche Fakten sind zu CB bekannt?
5. Er besass ein Grundstück in N. und hat sich um den Tatzeitpunkt herum wohl auch dort aufgehalten. Aber: dieses Grundstück liegt fast 100 km entfernt. Es handelt sich bei CB also keineswegs um einen Nachbarn o.ä. Im Gegenteil, was ich oben zu Punkt 2 gesagt habe, trifft vermutlich auch auf die allermeisten Einwohner von N. zu: dass sie von der Existenz des Wilhelmshofs vermutlich keine Ahnung hatten.
6. CB ist, das scheinen die Ermittlungen zu ergeben, wohl im fraglichen Zeitraum entweder im Besitz eines Fahrzeugs gewesen oder hatte eines zur Verfügung. Damit steht Punkt 3. also einem Verdacht nicht entgegen.
7. Mehr noch, in grober (!) zeitlicher Nähe zur Tat hat CB Zugriff auf einen dunklen, blauen oder wie auch immer, Vito gehabt. Denn mit diesem wurde er in einen Verkehrsunfall verwickelt. Aber: dieser VU war weder am Tattag, noch in räumlicher Nähe zum Tatort. Und er geschah ca. 30km vom Wohnort entfernt, aber auch ca. 90km vom Tatort entfernt. Er geschah auch nicht auf einer direkten Verbindung zwischen Wohn- und Tatort, sondern auf einer logischen Verbindung zwischen Wohnort des CB und einem bekannten Aufenthaltsort (Braunschweig). Es ergibt sich aus dem VU also noch keinerlei Zusammenhang zum Tatort, zur Tatzeit oder zur Tat.
8. Hier kommt nun ein Gerücht ins Spiel, denn mehr kann ich es mit meiner Kenntnis noch nicht nennen, dass rund um die Tatzeit irgendjemand ein Kind gesehen haben will, das in einen dunklen Transporter verbracht wurde. Mir ist im Moment nicht bekannt, ob es dazu mehr Details gibt oder welche. Aber immerhin: wenn man alle Punkte einmal zum Nachteil des Verdächtigen wertet, dann wäre eventuell eine ganz dünne Linie zwischen ihm und einem Vorfall mit einem Kind in der Gegend.
9. Was immer noch fehlt ist eine irgendwie belegbare Verbindung des CB zum Tatort und zur Tatzeit, siehe oben Punkt 2. Diese soll nun aber eventuell bestanden haben, allerdings ebenfalls nur extrem unsubstantiell: es soll einen Kontakt zwischen einem angeblich auffälligen Mitarbeiter am Tatort gegeben haben. Aber: weder wird bisher gesagt, wie dieser Kontakt ausgesehen hat und vor allem, welches Verhältnis zwischen CB und diesem Kontakt bestand und wann es ggf. entstanden ist oder gar ob es am Tattag bereits bestand. Auch von der Art des Kontaktes ist ausser der Erwähnung eines Briefes uns gar nichts bekannt.
10. CB verschwand auffallend nah nach der Tat aus dem Ort N., vermutlich nach Portugal.
11. Und dort in Portugal ist er auf grund durchaus überzeugender Indizien ebenfalls in einem Fall verdächtig, der gewisse Parallelen aufweist, sowohl was Tatmotiv und kolportiertes Verhalten des CB angeht.
12. Die Ermittlungen haben nun ergeben, dass die zeitlich generelle Anwesenheit des CB in und um sein Grundstück zur generellen Tatzeit anzunehmen ist, oder weniger geschwurbelt: er befand sich zumindest nicht in Portugal etc. Aber:
13. Auswertungen seines Handyverhaltens ergeben keine räumliche Nähe in eher unmittelbarer Umgebung des Tatorts. Das heisst freilich nicht, dass er nicht dortgewesen sein kann, aber eben auch nicht das Gegenteil.
Und nun: das sind die uns bekannten Tatsachen. Kann man nun aus diesen Tatsachen schliessen oder gar beweisen, dass CB der Täter ist?
Ich behaupte mal, kein Ermittler würde dies tun. Bewiesen ist sicherlich schon mal gar nichts, also zweifelsfrei festgestellt. Lediglich ein gewisser Verdacht ergibt sich hier, das kann man wohl zugestehen. Daher müssen die Ermittler heute ehrlich sagen, und das haben sie getan, dass bisher noch kein juristisch tragbarer Verdacht besteht. Ich bin da ganz froh drüber, denn es gibt auch andere Fälle, wie man weiss. Daraus den Ermittlern Fehler, Versagen usw. vorzuwerfen ist einfach unredlich.
Ich bin mir auch sicher, dass sie die Sache nicht einfach abheften werden. Aber es bleibt nach wie vor, dass ein deutlicherer Bezug des Verdächtigen zu Tatort, Tatzeit und Tat hergestellt werden muss.
Um meine Gedanken nachvollziehen zu können empfehle ich einen Blick auf die Landkarte, um sich die erwähnten Orte und ihre Relation zueinander noch einmal anzuschauen.
Als interessiertem Leser frage ich derzeit vor allem nach mehr Informationen zu jenem "Kontakt" zum Wilhelmshof. Denn das ist für mich ein Punkt, bei dem ich bleibe: der Täter muss einen Bezug dorthin gehabt haben. Könnte man CB einen solchen gar nicht nachweisen, dann würde ich ihn nicht mehr als Verdächtigen betrachten.