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Germanwings-Maschine mit 150 Menschen in Südfrankreich abgestürzt

17.073 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Suizid, Frankreich, 2015 ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

Germanwings-Maschine mit 150 Menschen in Südfrankreich abgestürzt

14.06.2015 um 19:53
Die Einschätzung auf Dienstfähigkeit wird mitunter gerade bei solchen Stellen recht lapidar gesehen. Ein Beispiel von der Bundeswehr. Mein Mann, letztes Jahr wg. Depressionen in stationärer psychiatrischer Behandlung. Er wurde unmittelbar nach dem Aufenthalt mit weiterhin anhaltenden Krankheitssymptomen voll dienstfähig geschrieben. Er hätte jetzt Behandlung gehabt, dass ganze somit abgeschlossen. Das er mit Waffen arbeitet brauch ich nicht zu erwähnen.
Es ging um eine psychische Erkrankung, dass wird schon nicht so schlimm sein. So zumindest beim Bund.


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Germanwings-Maschine mit 150 Menschen in Südfrankreich abgestürzt

14.06.2015 um 19:57
Zitat von lavielavie schrieb:Warum ihm vollständige Genesung attestiert wurde? Weil es wohl so gewesen ist. Depressionen können episodisch auftreten und entweder nach einer Phase komplett abklingen oder aber wiederkehren. Die Wahrscheinlichkeit nach einer abgeklungen Episode wieder zu erkranken ist zwar erhöht, der Patient aber zunächst gesund. Bei guter Sozialprognose und erfolgreicher Psychotherapie kann es durchaus bei einer Erkrankungsphase im Leben bleiben.
Hinzu kommt, dass ihm das Fliegen unheimlich wichtig war und er daher garantiert gerade bei den Untersuchungen, die seiner Dienstfähigkeit dienten, sicher alles gegeben hat, um diese zu bestehen. So eine Untersuchung dauert ja nicht tagelang, für ein paar Stunden kann sich auch ein Depressiver zusammenreißen und verstellen, wenn er nicht gerade einen akuten Schub hat. Diese Menschen sind Meister im Verstellen vor anderen Menschen, eben weil Depressionen von vielen nicht ernst genommen und verstanden werden... Allerdings ist es sehr schwer, sich dauerhaft zu verstellen. Vor Ärzten und Kollegen mag das zeitweise funktionieren, aber vor dem Partner oder der Familie wird es schon schwer, das zu verheimlichen.


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Germanwings-Maschine mit 150 Menschen in Südfrankreich abgestürzt

14.06.2015 um 19:58
Zitat von lavielavie schrieb:Die Einschätzung auf Dienstfähigkeit wird mitunter gerade bei solchen Stellen recht lapidar gesehen.
Zitat von lavielavie schrieb:Es ging um eine psychische Erkrankung, dass wird schon nicht so schlimm sein.
nicht so schlimm - genau.. und wozu kostspielige Untersuchungen veranlassen.


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Germanwings-Maschine mit 150 Menschen in Südfrankreich abgestürzt

14.06.2015 um 19:59
@FadingScreams
Zitat von FadingScreamsFadingScreams schrieb:7 Ärzte im vergangenen Monat vor dem Absturz - dann hat er eben in den letzten 3 Monaten vor dem Absturz den Rest abgearbeitet - warum nur schreiben dann alle von den letzten 5 Jahren? Seit 2008 sind immerhin 7 Jahre vergangen.
vermutl.weil der Vorwurf im Raum steht (oder die unngerechtfertigte Annahme) er könne seit 2008 psychisch krank gewesen sein und es sei (wegen Schlamperei, Desinteresse oder mangelnder Untersuchen oder Untersuchungsqualität) nicht aufgefallen.

Man spricht aber bei Depressionen im Allg.von depressiven Episoden um dem Krankheitsbild annähernd gerecht zu werden : Depression kann in einmaliger Episode auftreten oder sich wiederholen. Auch chronifizierte Verläufe sind möglich.

aber nicht selten bleibt es bei einer einzigen depressiven Episode im Laufe eines Lebens. sehr häufig sind diese Formen durch einmalige, besonders belastende einschneidende Lebenssituationen bedingt


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Germanwings-Maschine mit 150 Menschen in Südfrankreich abgestürzt

14.06.2015 um 20:00
Zitat von ComtesseComtesse schrieb:Vor Ärzten und Kollegen mag das zeitweise funktionieren, aber vor dem Partner oder der Familie wird es schon schwer, das zu verheimlichen.
genau, von irgendjemandem müssen die Ermittler ja nun wissen, dass AL bereits seine Dosis verdoppelt hatte..


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Germanwings-Maschine mit 150 Menschen in Südfrankreich abgestürzt

14.06.2015 um 20:11
@FadingScreams
kann man rausfinden bei Ermittlungen.
Da wurden doch wenn ich mich richtig erinnere, Kartonweise Sachen aus der Wohnung gebracht?

dann kann man anhand der Medikamentenrestbestände und der verordneten Mengen (Rezepte in bestimmten Abständen ausgestellt) leicht rausfinden, ab wann er mehr Tabletten konsumierte.

auch völlig ohne das (Mit)Wissen von Angehörigen.


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Germanwings-Maschine mit 150 Menschen in Südfrankreich abgestürzt

14.06.2015 um 20:21
Zitat von lawinelawine schrieb:kann man rausfinden bei Ermittlungen.
Da wurden doch wenn ich mich richtig erinnere, Kartonweise Sachen aus der Wohnung gebracht?

dann kann man anhand der Medikamentenrestbestände und der verordneten Mengen (Rezepte in bestimmten Abständen ausgestellt) leicht rausfinden, ab wann er mehr Tabletten konsumierte.

auch völlig ohne das (Mit)Wissen von Angehörigen.
und Abfluss und Mülleimer werden hochgerechnet.. da muss ich mich wohl geschlagen geben :D


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Germanwings-Maschine mit 150 Menschen in Südfrankreich abgestürzt

14.06.2015 um 20:25
Krankheit vor anderen verbergen, zu einigen/mehreren Ärzten gehen (womögl heimlich) REzepte und Medis abfassen in immer größeren Mengen, um sie in den Kanal zu spülen?

kann ich mir dann doch nicht vorstellen bei seinem subjektiven Leidensdruck


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Germanwings-Maschine mit 150 Menschen in Südfrankreich abgestürzt

15.06.2015 um 06:20
@lawine
das Wissen um die doppelte Dosis der Medikamente stammt wohl aus einer Mail, die Lupitz an seinen Arzt schrieb..

http://guardianlv.com/2015/06/germanwings-co-pilot-was-taking-dangerous-antidepressant/


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Germanwings-Maschine mit 150 Menschen in Südfrankreich abgestürzt

15.06.2015 um 07:30
Das belegt dann wohl doch, dass AL nicht "arm, krank und bemitleidenswert" war, sondern einfach ein Riesenarschloch.

Man setzt ja wohl nicht wegen Schlaflosigkeit in Eigeninitiative die Dosierung eines Antidepressivums hoch, bei dem deutliche Warnhinweise zur psychischen Stabilität als Nebenwirkung bekannt sind.

Und wenn er eine Antidepressivum verschrieben bekommen hat, kann er wohl kaum "nur" wegen seines Augenleidens bzw wegen seiner psychosomatischen Augenleidens in medikamentöser Behandlung gewesen sein.

Und der Mediziner an den die E Mail mit der Dosierungserhöhung ging, sollte sich auch mal fragen, ob er guten Gewissens weiter praktizieren will...


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Germanwings-Maschine mit 150 Menschen in Südfrankreich abgestürzt

15.06.2015 um 09:18
@john-erik
Du glaubst gar nicht, was du in psychischen Ausnahmezuständen alles machst damit es dir irgendwie besser geht.
Evtl. hätte der Psychiater die Medikation auch selbst hochgesetzt. Könnte sein das er das bei einem vorangegangenen Termin schon besprochen hatte und AL das einfach nur vorgezogen hat. Kam bei mir auch schon vor.
Ich weiß nicht,wo du in dieser Info ein Problem siehst.


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15.06.2015 um 10:30
@john-erik
Zitat von john-erikjohn-erik schrieb:Man setzt ja wohl nicht wegen Schlaflosigkeit in Eigeninitiative die Dosierung eines Antidepressivums hoch, bei dem deutliche Warnhinweise zur psychischen Stabilität als Nebenwirkung bekannt sind.
weißt du,was Arzt und Patient besprochen haben? kannst du ausschließen, dass es eine Absprache zw Arzt und AL gab, mit dem Inhalt dass er x Tage lang Dosis A einnehmen muss, und ab Tag N die Dosis anpassen /erhöhen soll auf Dosis B?
richtig ist, dass die Dosis zu Beginn der Behandlung schrittweise erhöht und das Behandlungsschema dem Krankheitsbild, dem Behandlungserfolg und der Symptomatik angepasst wird. (am Behandlungsende wird schrittweise abgesetzt/ausgeschlichen)


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Germanwings-Maschine mit 150 Menschen in Südfrankreich abgestürzt

15.06.2015 um 13:37
Bericht aus der SZ:

Blind vor Angst Ermittler haben die letzten Tage des Piloten Andreas Lubitz rekonstruiert. Es entsteht das Bild eines Verzweifelten, der bis zuletzt unentschlossen wirkt
Von H. Leyendecker, G. Mascolo und B. Obermayer Den Tag vor der Katastrophe beginnt Andreas Lubitz früh. An diesem 23. März, einem Montag, ist er als Copilot für einen Überführungsflug eingeteilt. Er bringt gemeinsam mit einem Kollegen eine leere Passagiermaschine von Düsseldorf nach Berlin-Tegel. Abflug 4.57 Uhr. Ankunft: 5.56 Uhr. Als Passagier kehrt er am Vormittag zurück nach Düsseldorf.
Zu Hause surft er mit seinem Tablet-Computer, einem Apple-iPad, im Internet, und als später seine Lebensgefährtin, eine Lehrerin, nach Hause kommt, erledigen die beiden noch die Wocheneinkäufe. Später kocht er für sie. Am nächsten Tag muss er wieder früh raus, er ist für die Route Düsseldorf-Barcelona-Düsseldorf als Copilot eingeteilt, und das Flugzeug mit dem Kennzeichen D-AIPX soll um 6.01 Uhr starten.
Als seine Freundin am nächsten Tag aufwacht, es ist der 24. März 2015, ist er schon weg.

Er wird nicht wiederkommen. Eines der letzten Wörter, die Andreas Lubitz am Nachmittag des 23. März, um 14.44 Uhr, auf seinem iPad googelt, lautet: "Patientenverfügung". Aus der Ergebnisliste sucht er sich den Eintrag der Hamburger Ärztekammer heraus, auf deren Webseite schaut er sich ein Formular an. Die Patientenverfügung regelt, wie weit Ärzte im Grenzfall gehen sollen, wenn ein Mensch noch nicht tot, aber auch nicht mehr so recht am Leben ist.
Lubitz ist 27 Jahre alt, er läuft Halbmarathon und ist körperlich, soweit man das sagen kann, gesund. Er hat, könnte man glauben, sein Leben noch vor sich. Warum beschäftigt er sich mit der Frage, ob er im Falle eines Falles künstlich ernährt werden will? Ob er an Schläuche angeschlossen werden will? Wer eine Patientenverfügung ausfüllt, so kann man es vielleicht verkürzen, will sichergehen, dass er am Ende nicht jämmerlich dahinsiecht. Lubitz hat an diesem Tag auf seinem iPad auch noch die Suchwörter eingegeben: "Patientenverfügung: Leiden. Krankenhaus, Sterben".

Die Auswertung seines iPads zeigt: Er hat bis kurz vor der Tat überlegt, sich alleine zu töten
Wer genau weiß, wer plant, dass er einen Tag später ein Flugzeug aus zehntausend Metern Höhe gegen ein Bergmassiv steuern will, braucht keine Patientenverfügung. Er wird nicht als Pflegefall enden. Von ihm bleibt praktisch nichts.
Nach der Auswertung des iPads ist nach Informationen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR klar: Andreas Lubitz, der zum Suizid entschlossen war, hat bis zuletzt überlegt, sich allein umzubringen. Und er hatte offenbar Angst, dass der Suizid misslingen könnte, dass man ihn etwa frühzeitig finden und erfolgreich wiederbeleben könnte - und er als schwerer Pflegefall überlebt. Nur so lässt sich die Patientenverfügung erklären.
Allerdings passt all das nicht in das Bild, das die Welt sich von dem jungen Piloten gemacht hat, der am 24. März 2015 150 Menschen in den Tod flog. Es passt nicht in das Bild des Massenmörders, der angeblich lange schon entschlossen war, so viele Menschenleben mit seinem zu vernichten.
Es passt zu einem verzweifelten jungen Mann, der sein Leben beenden wollte, der lange verschiedene Möglichkeiten hin und her wendete und am Ende, offenbar erst kurz vor seiner Tat, eine furchtbare Entscheidung traf.
Die bloßen Fakten waren schon kurz nach dem Absturz geklärt: Auf dem Rückflug aus Barcelona verlässt der Pilot das Cockpit, Lubitz übernimmt das Kommando der Germanwings-Maschine D-AIPX. Nur 29 Sekunden später verändert er die eingestellte Flughöhe von 38 000 auf 100 Fuß. Er reagiert nicht auf die besorgten Nachfragen der Fluglotsen, warum die Maschine in den Sinkflug geht. Er öffnet dem Piloten die Cockpit-Tür nicht, als dieser klopft und hämmert. Stattdessen erhöht Andreas Lubitz sechs Mal die Geschwindigkeit des Flugzeugs, bis das Maximum erreicht ist. So prallt die Maschine auf.

Ungeklärt aber ist bis heute die große, die alles überdeckende Frage: Warum mussten die anderen Menschen sterben?
Warum dieser Wahnsinn?
Jede Erklärung kann eine kleine Hilfe sein für die Angehörigen der Opfer und ihren Schmerz. Ihnen wurden gerade erst am Mittwoch die Särge mit den Überresten der Toten übergeben, am Donnerstag waren sie eingeladen nach Paris, wo die dortige Staatsanwaltschaft ihnen den Stand ihrer Ermittlungen erklärte. Solche Informationen und die Rekonstruktion der Tat, so erklären es Psychologen, geben ihnen die Möglichkeit, die verlorenen Menschen so weit wie möglich zu begleiten. Also bis in den Tod, bis in den Vormittag des 24. März.
Parallel zu den französischen Kollegen haben auch die Düsseldorfer Ermittler der "BAO Alpen" - BAO steht für "Besondere Aufbauorganisation" - in monatelanger Detailarbeit versucht, sich der monumentalen Frage anzunähern. Die Staatsanwaltschaft in Düsseldorf hat unmittelbar nach dem Absturz die Ermittlungen übernommen, unter dem Aktenzeichen 10 UJs 906/15. Es ist ein "Todesermittlungsverfahren", wie immer, wenn "jemand eines nicht natürlichen Todes gestorben" ist. Die Kriminalbeamten haben Lubitz' Wohnung in Düsseldorf durchsucht und sein Zimmer im Elternhaus in Montabaur. Sie haben eine ganze Reihe von Medizinern befragt und bei insgesamt 46 Ärzten Unterlagen sichergestellt. Sie haben mit Lubitz' Freundin und seinen Eltern gesprochen und alle materiellen Dinge begutachtet, die Lubitz zurückgelassen hat. Nur: Es war nicht sonderlich viel. Andreas Lubitz hat keinen Abschiedsbrief hinterlassen, kein Testament. Er begründet nirgends, was er tat.
Also setzen die Ermittler Puzzleteile zusammen, und wer sich mit ihrer unheimlich akribischen Arbeit vertraut macht, sieht einen zerrissenen, verzweifelten jungen Mann vor sich, der offenbar zu Unrecht fürchtete, an sich eine schwere Augenkrankheit entdeckt zu haben - und so eine krankhafte Angst entwickelte zu erblinden, und damit das Fliegen zu verlieren, seinen Beruf, seine große Leidenschaft. Diese Angst, so scheint es, trieb ihn in den Tod.
Die Ergebnisse der Ermittler zeigen aber auch, dass vieles von dem falsch war, was weltweit über Lubitz verbreitet wurde. Tatsächlich meldete er sich keineswegs mit dem martialischen Benutzernamen "Skydevil" an seinem Computer an. Von einer angeblichen Freundin, die sich in der Presse meldete und angeblich mit ihm auf Langstrecken unterwegs gewesen sein will, fehlt jede Spur. Die Ermittler sind sich sicher: Lubitz hat keine Langstreckenflüge gemacht. Und auch der Absturzort in den Alpen war offenbar keineswegs bewusst gewählt, jedenfalls hat weder Lubitz' Familie dort - wie immer wieder berichtet - Urlaub gemacht, noch war Andreas Lubitz selbst zum Segelfliegen da gewesen. Diese Liste der erfundenen Geschichten, der Irrtümer, der Fehldeutungen ist noch länger: Seine Lebensgefährtin war nicht schwanger, er hatte offenbar keinen Liebeskummer, und die angebliche bipolare Störung, über die oft berichtet wurde, hat kein Arzt bei ihm diagnostiziert.
Es fanden sich auch in seiner Wohnung keine Bücher oder Geschichten über Flugzeugabstürze. In seiner Düsseldorfer Wohnung lag lediglich ein Lufthansa-Magazin mit einer Geschichte über Beinahe-Zusammenstöße unter dem Wohnzimmertisch.

Die tatsächliche Geschichte der Tragödie des Germanwings-Fluges 4U 9525 beginnt offenbar mit einer Beobachtung, die Andreas Lubitz Ende 2014 macht: Er glaubt, er habe ein schweres Problem mit seinen Augen. Am 23. Dezember besucht er einen Augenarzt in Düsseldorf. Der Mediziner hört sich die Beschwerden des Patienten an und trägt vorläufig ein: "Mouches volantes". Der Begriff stammt aus dem Französischen, der deutsche Ausdruck lautet "fliegende Mücken": Fachterminus für kleine schwarze Punkte oder Flecken, die vor den Augen Betroffener tanzen. Viele Menschen haben solche Beschwerden, meist klingen sie rasch wieder ab. Lubitz wird aber offenbar nervös, am 29. Dezember geht er erneut zum Augenarzt. Der will abklären, ob es die Drusen sind: Ablagerungen von extrazellulärem Material unterhalb der Netzhaut, die möglicherweise auf eine Krankheit deuten, die zur Erblindung führen kann.
Seine Augen sind in Ordnung. Er aber schreibt: "Wenn die Augen nicht wären, wäre alles gut."
Wichtig ist: Die Abklärung dient eher dem Versuch, diese Krankheit auszuschließen. Es ist keine Diagnose. Trotzdem muss Lubitz panisch geworden sein, und klar - er könnte nicht mehr fliegen. Der Arzt notiert: Patient ist sehr ängstlich. Den nächsten Termin hat Lubitz schon am nächsten Tag, und es wird nichts gefunden: Die Linse ist klar, die Makula unauffällig. Eigentlich: alles gut.
Die Augen sind in Ordnung, keine Gefahr für den Pilotenschein, der Arzt verschreibt noch Augentropfen. Aber entweder hört Andreas Lubitz nicht zu oder er traut der Entwarnung nicht. Jedenfalls beginnt er eine Ärzte-Odyssee, die für Außenstehende kaum nachzuvollziehen ist. Er stellt sich in der Uni-Klinik Düsseldorf vor, geht in die Uni-Klinik Bonn, zu einem Augenheilkundler, zu einem anderen Augenarzt. Und alle kommen zum selben Ergebnis: Seine Augen sind gesund.

Die Botschaft erreicht Lubitz nicht. "Wenn die Augen nicht wären", schreibt er einem Mediziner, dem er vertraut, "wäre alles gut."
Welche Tragik. Es war ja alles gut.
Andreas Lubitz weiht seine Vertrauten zumindest teilweise ein in seine Angst, etwas an den Augen zu haben. Seiner Freundin etwa, die jedoch feststellt, dass sie abends beim Lesen die Lampe anmachen müsse, wenn er noch ohne Lampe auskomme. Aber wenn er wirklich erblinden würde, soll sie gesagt haben, bleibe sie bei ihm. Der Vater wird den Ermittlern später sagen, er habe schon mitbekommen, dass der Junge über Augenprobleme geklagt habe, und bei verschiedenen Ärzten gewesen sei. Aber er, der Vater, habe gesehen, wie der Sohn problemlos die kleine Schrift im Handy lesen konnte. Die Mutter empfiehlt ihm, zum Psychiater zu gehen, und begleitet ihn sogar Mitte März, als er ihrem Rat folgt. Aber was soll der Psychiater machen? Lubitz spricht offenbar nur über die Augenstörung - die er nicht hat. Wegen der Augen könne er nachts nicht schlafen - sonst sei alles in Ordnung. Die Neurologen, zu denen er auch geht, tippen auf eine "Angststörung", etwa die panische Angst zu erblinden.
Da hat einer ein Problem, das in Wahrheit nicht existiert, und keiner kann helfen. Weil Andreas Lubitz offenbar niemandem klarmacht, wie sehr ihn diese Angst belastet. Nach den bisherigen Ermittlungen gibt er niemandem eine Chance, ihm wirklich zu helfen.
Eine Erklärung dafür könnte sein, dass er nicht wieder zurück wollte in psychiatrische Behandlung. 2009 musste er die Pilotenschule in Bremen nach knapp zwei Monaten Ausbildung abbrechen, wegen Depressionen. Zuvor hatte er das Auswahlverfahren für den Grundkurs der Piloten bei der Lufthansa durchlaufen, und ein Tauglichkeitszeugnis der Klasse 1 ohne Einschränkungen bekommen. Nach neun Monaten nahm er die Ausbildung wieder auf und bestand im Juni 2014 die Befähigungsüberprüfung. Er wurde zum Copiloten ernannt. Sein professionelles Können wurde von Instruktoren und Prüfern immer wieder als "überdurchschnittlich" bewertet.

Aber nochmals von einem Psychiater in die Seele schauen lassen? Ein paar Monate vor der Katastrophe soll er einem Arzt gesagt haben, dass er nicht noch mal in Behandlung wolle: Er halte Fragen wie die nach dem Alter seiner Mutter bei seiner Geburt nicht für zielführend. Außerdem: Er habe es ja nur an den Augen.
Zwei Wochen vor dem Absturz der Germanwings-Maschine verbrachte die Familie ein Wochenende in Berlin. Es soll harmonisch gewesen sein, sagen sie den Ermittlern. Auch das gehört zum Wesen von schier unfassbaren Taten: dass kurz davor alles ganz friedlich scheinen kann.
Wenige Zeit später eskaliert Andreas Lubitz' Gefühlswelt, das rekonstruieren die Ermittler aus dem Schlüsselasservat dieses Falls: seinem iPad. Die Suchfunktion im Internetbrowser, das wissen auch Marketingfirmen, sagt viel mehr über ihre Benutzer, als den meisten bewusst ist. Im Falle des Piloten Andreas Lubitz erklärt es - in Abwesenheit eines Abschiedsbriefes - mehr als alles andere, was danach kam.
Das iPad, das in seiner Wohnung gefunden und von Ermittlern des Kriminalkommissariats umfänglich ausgewertet worden ist, zeigt 302 Such-Einträge von Lubitz. Anfangs benutzte auch seine Freundin den Computer, später dann, glauben die Ermittler, aber nicht mehr. Die Einträge beginnen im August 2014 und sind anfangs harmlos: Kinoprogramm, Amazon, Ausflugsziele, Maniküre. Alltag. Von Mitte September bis März ist eine Lücke, und es ist unklar, wie diese zu erklären ist. Möglicherweise benutzte Andreas Lubitz das Gerät schlicht nicht in dieser Zeit.
Von Mitte März 2015 an aber zeigen die Sucheinträge eine dramatische Zuspitzung. Hinter Lubitz liegt eine Odyssee durch die Praxen all der Ärzte, Psychiater und Neurologen, und keiner konnte ihm helfen. Er hat sich krankschreiben lassen, zwischen dem 13. und dem 22. März steuert er kein Flugzeug. Gleich von drei Ärzten hat er sich Atteste besorgt: Einer diagnostiziert einen "psychosomatischen Beschwerdekomplex". Dieses Attest gibt Lubitz erst gar nicht bei seinem Arbeitgeber ab. Auch ein zweites Attest behält er für sich. Die Krankschreibung, die er bei Germanwings einreicht, ist allgemein gehalten: "Anhaltende Sehstörung, unklare Genese".

Andreas Lubitz ist also zu Hause, und man meint dem iPad entnehmen zu können, wie sich sein Seelenzustand verschlechtert. Wie im Wahn sucht er im Internet nach einem Weg aus der Misere, und dieser Weg, die Lösung seiner Probleme, sieht er zunehmend im Tod.
Im Internet sucht er nach Giften, tödlichen Medikamenten. Aber auch nach Therapiemöglichkeiten
Allein für den 18. März, also sechs Tage vor der Katastrophe, gibt es 67 Such-Einträge, er tippt: "Die schnellen Tode" und "wie viel kostet Zyankali und woher kriegt man das " oder "was passiert, wenn man zu viel Schlaftabletten nimmt?" Er sucht nach Giften und nach tödlichen Medikamentencocktails - aber auch nach Behandlungsmöglichkeiten von Sehstörungen.
Nach mehr als sechs Stunden Suche bricht er ab.
Tags darauf sucht er nach Tipps gegen Schlafstörungen, aber auch nach Giften, die für einen Suizid taugen. Am 20. März, also vier Tage bevor er so viele Menschen in den Tod reißt, klickt er abends, nach 20 Uhr, auf eine Seite mit Beschreibungen von Cockpit-Türen. Er blättert etliche Beiträge durch und schaut sich gegen 20.25 Uhr eine Reportage zu dem Thema an, die im Fernsehen zu sehen war.
Es ist ein Auf und Ab, die nächsten Tage sucht er nach Tipps bei Schlafstörungen und, wieder, nach guten Behandlungsmöglichkeiten für Sehstörungen - und liest einen Artikel über einen 18-Jährigen, der die Sehkraft verloren hat.

Das ist am Tag vor dem Unglück. Der Tag, an dem er auch die Patientenverfügung googelt. Sein letzter Gang ins Internet ist um 19.41 Uhr: Er navigiert auf die interne Seite seines Arbeitgebers, Germanwings. Am nächsten Tag geht er ja an Bord des Flugs nach Barcelona.
Wenn man all das nebeneinanderlegt, seine Ängste, seine Vorgeschichte, sein stabiles Umfeld, seine Laufbahn und die vielen kleinen Puzzleteile - versteht man dann, weshalb Andreas Lubitz sich zu diesem Wahnsinn entschloss? Wohl kaum.
Vieles wird auch nie aufgeklärt werden. Auf dem Hinflug nach Barcelona etwa hatte Andreas Lubitz schon einmal den Autopiloten auf 100 Fuß gestellt, als der Pilot das Cockpit verlassen hatte. War das die Generalprobe? Oder wollte er das Flugzeug schon da abstürzen lassen, und zuckte dann doch zurück?
Ein Jäger, sagt ein Ermittler, hätte sich vielleicht erschossen. "Aber er war nun mal Pilot."
Wer soll das je sagen? Der Andreas Lubitz, den die Ermittler vor sich sehen, ist ein zutiefst verzweifelter junger Mann, der von einer tiefen Lebenskrise geschüttelt wurde. Der offenbar entschlossen war, sich das Leben zu nehmen, aber noch am Tag vor dem Unglück unsicher war, wie er es versuchen sollte. Ein Ermittler sagt: "Wäre er Jäger gewesen, hätte er sich vielleicht erschossen. Wäre er Fallschirmspringer gewesen, wäre er möglicherweise ohne Fallschirm vom Himmel gesprungen. Aber er war nun mal Pilot."
Ein Pilot, der - warum auch immer - keinen Ausweg mehr sah und eine furchtbare Entscheidung traf.


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15.06.2015 um 14:05
@ alumalu

Lese ich den SZ-Artikel, kommen mir die Tränen. Ein armer, verzweifelter Mann, der bis zuletzt überlegt, sich alleine umzubringen statt gleich noch 150 Menschen mit zu ERMORDEN, denn das war es.
Zitat von AlumaluAlumalu schrieb:"Ein Pilot, der - warum auch immer - keinen Ausweg mehr sah und eine furchtbare Entscheidung traf."
Gutmenschlicher bullshit.

Diese pervertierte Täter-Empathie in unserer Gesellschaft ist Ausdruck dessen, dass uns ein wenig die moralische Orientierung abhanden gekommen ist. Das zeitgeistige Seelchen dreht sich in narzistischer Verkümmerung und Selbstmitleid um sich...bar jeden Restvermögens, Verantwortungsgefühl für andere empfinden zu können.

Ich empfinde gegenüber Lubitz Verachtung...und gegenüber denen, die seine ärmliche Existenz gedeckt haben, ebenso.

Mir tun die Menschen leid, die Lubitz ermordet hat...und noch mehr ihre Angehörigen, die mit der Trauer und dem Verlust weiter leben müssen.


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15.06.2015 um 15:16
@planetzero

Du sprichst mir aus der Seele, auch dieser absolut deplazierte Kommentar "...Ein Jäger, sagt ein Ermittler, hätte sich vielleicht erschossen. "Aber er war nun mal Pilot."

So ein gequirlter Unsinn-- er hätte sich auch alleine ein Kleinflugzeug chartern können und mit diesem absichtlich abstürzen können-- wenn er unbedingt sicher gehen wollte, dass er auch wirklich tot ist und kein Pflegefall wird...

Meiner Meinung nach hat er den Tod der anderen Menschen bewusst billigend in Kauf genommen, die waren ihm schei..egal -- schließlich muss er die verzweifelten Schreie der Passagiere gehört haben. Niemand kann mir glaubhaft machen, dass er das eben mal so "ausgeblendet" hat und dies gar nicht seine Absicht war. Der Typ war narzistisch, me myself and I....


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15.06.2015 um 15:22
@planetzero
Zitat von planetzeroplanetzero schrieb:Ich empfinde gegenüber Lubitz Verachtung...und gegenüber denen, die seine ärmliche Existenz gedeckt haben, ebenso.

Mir tun die Menschen leid, die Lubitz ermordet hat...und noch mehr ihre Angehörigen, die mit der Trauer und dem Verlust weiter leben müssen.
Deine Ansicht kann ich teilen!

So grausam es für die Angehörigen sein wird, die Angehörigen des A.Lubitz möchte ich ebenso nicht ausschließen, ist es in diesem Fall zumindest gelungen, den komplexen Hintergrund und die Psyche des „Massenmörders“ A.D. erfassen zu können.

Das ist zwar kein Trost hinsichtlich des Verlustes eines nahestehenden Menschen, doch ist es zumindest nachvollziehbar, aus welchem Grund diese Tat letztendlich vollzogen wurde.

Ich möchte das hier nicht als Bonus darstellen, doch in etlichen Mordgeschehen läuft es anders ab, ein Täter nicht ermittelbar, etc.

Was die Tat des A.D. betrifft, stellt sich die Frage, aus welchem Grund hat er sich letztendlich dazu entschlossen, sämtliche Passagiere mit in den Tod zu nehmen.

Ich denke, er hatte in den letzten Tagen vor dem Geschehen einen "Tunnelblick" (warum muss mir das alles passieren?). Eine gewisse Agressivität lässt sich daher ableiten und ist nachvollziehbar.

Er war sicher ein ehrgeiziger und absolut von seiner Tätigkeit überzeugter Pilot.

Aufgrund seiner psychischen und damit verbundenen physischen Erkrankungen wurde ihm bewusst, dass er seinen Traumberuf nicht mehr lange wird ausüben können.

Es ist bei derartigen Persönlichkeiten fast unmöglich sich einzugestehen, dass es beruflich radikal bergab geht. Eine mentale Leistung wäre es gewesen, sich in eine Klinik zu begeben. Doch diese Schmach wollte er nicht über sich ergehen lassen. Als Versager weiterzuleben, eine Umschulung in Kauf nehmen, kam für ihn offensichtlich nicht in Frage.
Er hätte jedoch die Möglichkeit gehabt, einen Abschiedsbrief zu schreiben, sodann einen Flug allein zu starten, in der Region seiner Wahl, um damit bewusst abzustürzen...ohne andere Personen mit in den Tod zu reißen.
Das hätte wahre Größe gezeigt...er war dazu nicht in der Lage.
Doch wir haben es hier mit keinem Einzelfall zu tun.


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15.06.2015 um 15:24
@Mauro
wer ist A.D. ?


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15.06.2015 um 15:28
...unstreitig scheint ja wohl zu sein, dass sämtliche Augenärzte ein Augenleiden ausgeschlossen haben--wie kann man sowas mißverstehen ??


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15.06.2015 um 15:46
Für mich sieht das nach wie vor nach einer Angststörung aus. Ich bin auch nicht dafür, Täter zu Opfern zu machen, könnte mir aber vorstellen, dass dieser Artikel Angehörigen helfen kann, die quälende Frage nach dem Warum? zumindest teilweise zu beantworten. Vergebung kann er sicher trotzdem nur von den Wenigsten erfahren... Er hatte bis zum Schluss die Wahl, und selbst wenn er blind geworden wäre, ist das in den Augen der wenigsten Menschen ein Grund, sich zu töten.

Ich könnte mir allerdings vorstellen, dass das mit den Augen Vorzeichen einer anderen Erkrankung waren. Multiple Sklerose äußert sich im Anfangsstadium auch mit Sehproblemen. Darauf hätte aber einer der zig Augenärzte auch kommen müssen und ihn zum Arzt für innere Medizin schicken. Hätte für ihn aber sicher auch nichts gebracht, da von den Zukunftsaussichten gesundheitlich auch nicht gerade rosig.


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15.06.2015 um 15:49
@Sumiri

Ein simpler Schreibfehler. Ich korrigiere A.L.
Zitat von SurimiSurimi schrieb:..unstreitig scheint ja wohl zu sein, dass sämtliche Augenärzte ein Augenleiden ausgeschlossen haben--wie kann man sowas mißverstehen ??
Es ist absolut unstrittig, dass Personen, welche sich Psychopharmaka zuführen (laut Medienberichten hat A. Lubitz die Einnahme, teils in Eigenregie, mit höheren Dosierungen vorgenommen), an "Sehstörungen" leiden können.

Als Pilot auf Dauer nicht tragbar. Den konsultierten Augenärzten wird er eventuell nichts über die Einnahme von Psychopharmaka mitgeteilt haben.


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