Mordfall Dagmar E. (58) aus Dinslaken
09.01.2016 um 17:26
Ich möchte mich kurz in diesem Fall zu Wort melden, da ich ihn schon lange verfolge und auch hier immer wieder mitlese. Ich bin gespannt, was der Prozess noch alles ans Tageslicht bringen wird und möchte mich für die gute und aufs Wesentliche konzentrierte Gerichtsberichterstattung bei „FürdiesenFall“ recht herzlich bedanken.
Man bedenke an dieser Stelle der Diskussion, dass bisher nur zwei der Angeklagten ausgesagt haben. Angeklagte dürfen im Prozess – im Gegensatz zu Zeugen – Lügen, bis sich die Balken biegen. Und genau das passiert hier wohl auch gerade. Ich bin der festen Überzeugung, dass es hier nicht den/die Guten und den/die Bösen geben wird. Gegenseitige Abhängigkeiten und Geldgier werden das Hauptmotiv für diese Tat gewesen sein.
Wenn ich weiß, dass mein Freund seine Mutter umgebracht hat und ich das – was wohl der Normalfall sein dürfte – missbillige, dann zeige ich diesen Freund bei der Polizei an. Kann/will ich das nicht, weil ich vielleicht selbst in die Sache verstrickt bin oder ich einfach Angst habe, hineingezogen zu werden und ich Angst um meinen Aufenthaltsstatus habe, distanziere ich mich doch wenigstens von diesem Freund. Aus Ekel, aus Angst, zu was dieser fähig ist, aus Verachtung, aus Mitgefühl mit dem Opfer, aus welchem Grund auch immer, keinesfalls aber schlage ich selbst noch finanziellen Profit aus dem Tod des Opfers, fahre mit dessen Auto durch die Gegend und verhökere dessen persönliche Gegenstände oder nehme Geld aus diesen Verkäufen, wie man das hier immer wieder lesen konnte.
Man bedenke auch einmal, dass die Staatsanwaltschaft, bevor sie Anklage erhebt, den Fall ausermittelt haben muss. Anklageerhebung bedeutet, die Staatsanwaltschaft ist überzeugt, dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine Verurteilung im Hauptsacheverfahren besteht. Und auch das Gericht lässt die Anklage nur in diesem Fall zu. Es ist also keinesfalls so, wie ich es hier schon gelesen habe, dass mal Anklage erhoben wird und sich die Staatsanwaltschaft lässig zurücklehnt, sich die Aussagen der Angeklagten anhört und dann die Anklage modifiziert. Wenn vorliegend drei Angeklagte des Mordes und einer der Tötung durch Unterlassen angeklagt wurden, dann wird das aus gutem Grund so sein. Ich erwarte jedenfalls vieles von den Abhöraktionen durch Polizei und Staatsanwaltschaft. In diesen Gesprächen wird die Grundlage zu sehen sein, weshalb so angeklagt wurde. Die zentrale Frage ist und bleibt ja auch immer: Cui bono? Da ist das Darlehen sicher ein handfestes Motiv. Klar, weiß das auch der Sohn der Ermordeten und könnte dies zu seinen Gunsten verwenden, ich vertraue da aber in die Kompetenz der Ermittlungsbehörden und ich weiß, dass nie leichtfertig Anklage erhoben wird, schon gar nicht wegen Mordes.
Ich mutmaße, man hatte aus Sicht der drei Brüder in diesem Fall einfach eine „willige Melkkuh“ gefunden und diese wurde ausgesogen, solange es noch ging. Und die „Melkkuh“ hatte eh nichts mehr zu verlieren und sicherte sich so das verbliebene soziale Gefüge, das für sie – aus welchen perfiden Gründen auch immer – offensichtlich überlebenswichtig war. Es ist ein sehr komplexer Fall und die Schwierigkeit beruht meiner Meinung nach darin, dass hier teilweise absolut irrational und nicht nachvollziehbar gehandelt wurde und wir auch eine interkulturelle Komponente haben, die das Ganze nochmals erschweren dürfte.
Und zur aktuellen Diskussion, ob der jüngste der drei Brüder jetzt "verknackt" werden soll, weil ihn vermutlich die geringste Strafe erwartet?! Das glaube ich kaum. Jemand, der sich - soweit es stimmt - Monate, wenn nicht jahrelang vom Sohn der Getöteten ergo von der Getöteten mitfinanzieren ließ, offensichtlich im Haus der Getöteten ein- und ausging und sich dann für eine kleine Gefälligkeit wie Rasenmähen bezahlen lässt, dem traue ich soviel Altruismus, sich für seinen Freund und seine Brüder zu "opfern", nicht zu. Er möchte ja sicherlich auch in Deutschland bleiben und das wird ihm nach Verurteilung sicher nicht mehr möglich sein, sollte er nicht inzwischen die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten haben. Auch solche Aussagen, wie er habe nicht gewusst, wie es um die Rückzahlung des Darlehens stand, sind in meinen Augen vorgeschobene Schutzbehauptungen. Ich gehe jede Wette ein, dass dies immer wieder Thema zwischen den Brüdern gewesen sein dürfte. Wenn selbst Freunde der Getöteten darüber informiert waren und über die Tatsache, dass Frau E. dies aktuell zurückforderte, bin ich mehr als sicher, dass es ein heißes Thema war und der Sohn der Getöteten bearbeitet wurde, seine Mutter von der Rückforderung abzubringen. Der Sohn stand quasi (aus seiner Sicht) zwischen den Stühlen aufgrund seiner Abhängigkeit - seine Mutter, die Geldquelle, die Brüder, sein soziales Leben. Da ließ er die Stärkeren entscheiden, weil er zu keiner Entscheidung fähig war und schloss sich diesen Stärkeren schlussendlich an.