Mordfall Dagmar E. (58) aus Dinslaken
07.01.2016 um 16:47
3. Prozesstag, Beginn 10:00 Uhr, Ende 15:00 Uhr
Keine Pressevertreter anwesend, Saal brechend voll, da eine Exkursion eines Universitätskurses bis mittags anwesend war, die Leute mussten teilweise stehen.
Heute ging es ausschließlich um den jüngeren Bruder, dem konkret der Mord an Dagmar vorgehalten wird. Auch er nimmt in der Mitte des Saales Platz, neben ihm seine Dolmetscherin.
Die Schilderung des Angeklagten findet in Englisch statt, die Simultanübersetzerin übersetzt parallel zur Aussage ins Deutsche. Es ist extrem anstrengend, dem zu folgen bzw. alles zu verstehen. Ich nenne den Angeklagten jetzt mal A, ist im Verlauf einfacher zu schreiben.
Zunächst sagt A, dass er sehr nervös ist und sich schämt, vor so vielen Leuten über alles zu sprechen. A hatte nach seiner Festnahme bislang jegliche Aussage verweigert. Heute hat er sich zum ersten Mal zur Sache eingelassen.
A beginnt mit seinen Ausführungen mit dem Kennenlernen des Sohnes vor einigen Jahren. Er führt sinngemäß aus, dass der Sohn sich selbst vom Kind zum Mann entwickeln wollte, dazu die Hilfe der Brüder in Anspruch nahm. Er beschrieb zusammenfassend, dass sich das Verhältnis aller sehr gut entwickelt hat, auch mit Dagmar. Er führte aus, dass der Sohn häufig wie eine Klette an den Brüdern hing, sie aufforderte bei ihnen sein zu können, alles gemeinsam zu machen. A sagte beispielsweise, dass der Sohn im in seiner Wohnung auf Schritt und Tritt gefolgt sei, sogar beim Zähneputzen stand er im Bad neben ihm.
Ich komme direkt zum Tattag: Er wurde komplett anders dargestellt, als vom Sohn. Das Vorab-Ausheben des Grabes hat nach Aussage von A nicht stattgefunden und entstammt einer blühenden Fantasie. Das ist für mich auch schlüssig…die 3 wären dann vollkommen vermockt oder dreckig bei Dagmar angekommen und hätten die penibelst saubere Wohnung mit hellen Fliesen/hellen Couchen vollkommen versifft. Zur Tatzeit befanden sich der Sohn und die beiden jüngeren Brüder übereinstimmend in Dagmars Wohnung bzw. im Zimmer des Sohnes.
Dagmar ist von der Arbeit nach Hause gekommen, ins Zimmer des Sohnes und hat die Drei begrüßt. Dann ging Dagmar in die Küche, hat dann den Sohn zu sich gerufen, während die anderen beiden im Zimmer des Sohnes blieben. A sagte, dass es in der Küche eine lautstarke Auseinandersetzung gab. Der Sohn kam wieder zurück in sein Zimmer und schmiss die Tür extrem laut zu. A fragte den Sohn, was passiert sei. Der Sohn wollte aber nicht drüber sprechen.
Irgendwann ging der Sohn dann aus dem Zimmer. Die beiden blieben und waren am PC bzw. mit ihren Handys beschäftigt. Der Sohn war längere Minuten weg, was aber nichts ungewöhnliches war. Dann kam der Sohn in sein Zimmer zurück, nahm A mit ins Wohnzimmer. Auf dem Weg dorthin sagte der Sohn zu A, dass er seine Mutter umgebracht hat, was A nicht glauben konnte. Dagmar lag tot in ihrem Fernsehsessel, ein Arm hing über die Lehne. Der Sohn sagte, dass er ihr zunächst Schlaftabletten gegeben hat.
A prüfte sofort Puls und Atmung, war selbst vor Schock gelähmt. Er wollte auch Rettungsdienste und Polizei anrufen, was der Sohn nicht wollte. Sie seien doch seine Brüder und sollte irgendwas davon auffliegen, so würde der Sohn alle Schuld auf sich nehmen. Der Sohn war nervlich am Ende, habe nur geschrien und geweint. Der andere Bruder kam dazu und konnte das Geschehene ebenfalls nicht begreifen, er ging sofort wieder ins Zimmer zurück, wollte mit allem nichts zu tun haben, hat aber später doch geholfen.
Der Sohn war es auch, der die Verpackungsmaterialien geholt hat. Als erstes habe er Dagmars Kopf komplett mit Paketklebeband umwickelt, weil er ihr nicht ins Gesicht sehen konnte. Arme und Beine wurden dann ebenfalls mit Paketklebeband am Körper fixiert. Dagmar wurde vorher von Alex ausgezogen, damit man bei einem Leichenfund eben von einem Sexualdelikt ausgehen soll. Danach wurde Dagmar in Säcke verpackt und vor der Küche abgestellt, weil es ja noch zu früh war. Das Film gucken kam ebenfalls vom Sohn. Spät abends wurde Dagmar dann mittels Couchdecke zum Auto transportiert und denn zu einem Ablageort gefahren, den die Brüder nicht kannten.
Der Richter hinterfragte, ob A am Tatabend von Dagmars Telefon Anrufe getätigt hat, was dieser verneinte. Ein Anruf ging um 19:00 Uhr, der zweite um 22:59 Uhr von Dagmars Anschluß auf ein Handy und/oder ins Festnetz der Wohnung, in der sich der älteste Bruder befand. Hierzu ließ sich der Richter nicht näher aus. Das wird bei den Kreuzverhören sicher noch Thema. Genau wie die Gartenutensilien von Dagmar (Schaufeln, Rechen etc.) Auch hier wollte der Richter wissen, ob die Brüder in Dagmars Garten mal gearbeitet hätten, was A bejahte. Dagmar hätte ihnen für die Arbeiten wie Rasenmähen etc. 20€ gegeben und die haben sie gern genommen. Der Richter hat explizit hinterfragt, ob die Brüder auch Umgrabe-Arbeiten in Dagmars Garten durchgeführt haben, was A verneinte (m.E. hat weder Übersetzer noch A verstanden, was das ist). Jedenfalls geht es aus meiner Sicht hier um DNA-Spuren, die an den Schaufeln und Spaten gesichert wurden und ich denke, dass da auch noch Thema wird.
Thema Geld:
Der Sohn hat A aufgefordert mit ihm zu Dagmars Bankschließfach zu gehen, nicht umgekehrt. A oder die Brüder hat nie Geld vom Sohn gefordert oder ihn erpresst ihm etwas zu geben. Der Sohn hat immer freiwillig gegeben weil er Angst hatte, dass A wieder zurück nach Äthiopien geht, um dort sein Skateboard-Projekt weiter zu machen (Anmerkung: es gibt seit langem eine umfassende Abhandlung über A und sein Projekt auf WIKIPEDIA), was er nachweislich vor hatte. Der Sohn wollte mit nach Äthiopien auswandern, was A aber nicht wollte. Das gegebene Geld wurde für Gemeinsamkeiten ausgegeben, Sprit, Lebensunterhalt etc. Der Sohn sagte aus, dass er A Dinge kaufen musste. A sagt aus, dass der Sohn ihm die gekauften Dinge aus Verlustangst aufgezwungen hat. A habe mehrfach Dinge abgelehnt, die der Sohn trotzdem umgesetzt hat.
Thema Drogen:
Der Sohn wollte zumeist kiffen/rauchen. A hat gesagt, dass ihm das alles zu viel war und er hat vorgeschlagen, dass man nur noch gemeinsam rauche und höchstens 2x in der Woche. Brisant war, dass zum Ende des Verhandlungstages der Staatsanwalt bekanntgegeben hat, dass gegen den Sohn seit Oktober 2015 ein separates Verfahren wegen Drogenbesitzes/-handels (?) unter einem anderen Az läuft. Wohlgemerkt gegen den Sohn, nicht gegen die Brüder. In deren Wohnung wurden zwar auch einige hundert Gramm Marihuana gefunden, die aber nur zum Eigenbedarf verwendet wurden. Mit Drogenhandel hat A nichts zu tun.
Musik zum Mord:
Im Zimmer des Sohnes lief nicht das „Dean-Martin-Lied“ sondern ein Reggae-Stück mit dem selben Namen. Das haben aber auch nicht die Brüder vorgegeben oder ausgesucht. Der Sohn hat es gestartet.
Beide Brüder hatten ebenfalls unmittelbar nach der Tat und danach Angst/Todesangst. A hätte den Sohn so noch nie erlebt. Da sie nicht gemordet haben gingen sie davon aus, dass der Sohn alle Schuld auf sich nehmen wird, sollte es auffliegen (der Sohn hatte das ja angekündigt).
Im oben geposteten Zeitungsbericht ist von gemeinsamen Bordellbesuchen die Rede. A bestreitet das vehement, jemals mit dem Sohn in ein solches Etablissement gegangen zu sein. Als sie mal gemeinsam in Duisburg waren, ist der Sohn dort hingefahren und hat es den Brüdern gezeigt und erzählt, was man dort alles machen kann.
A berichtet weiter, dass der Sohn vor hatte, seiner Großmutter eine größere Summe Geld zu stehlen. Dies sagte der Sohn ihm, ohne dass er ihn zu einem solchen Diebstahl aufgefordert habe.
A wurde vom Richter zu unterschiedlichen Aussagen des Sohnes von gestern befragt. Er antwortete verzugslos und aus meiner Sicht mehr als schlüssig, warum viele der Aussagen des Sohnes nicht stimmen. Als A vom Anblick der Leiche sprechen musste, fiel es ihm schwer, die Worte kamen dennoch schlüssig und unter Tränen. A bereut letztendlich, dass er nicht selbst zur Polizei gegangen ist. Er habe den Sohn mehrfach aufgefordert, seine Tat zu gestehen, was dieser aber nicht wollte. Mit Blick auf die Schuldübernahme des Sohnes, habe er das dann mitgetragen. Eine sonstige Reue für die Tat hat er nicht gezeigt, da er mit dem Mord nichts zu tun hat.
Habe sicher noch vieles vergessen bzw. nicht erwähnt. Aber auch das würde den Rahmen meines Posts mehr als sprengen.
Ich bin gespannt, wie es weiter- und aus geht. Derzeit halte ich die Aussage von A ehrlich gesagt für glaubwürdiger. Klar, er war dabei, aber ob er und der mittlere Bruder tatsächlich die Mörder sind, dahinter halte ich erstmal ein großes Fragezeichen offen. Ich denke, Richter und Staatsanwaltschaft haben die Trumpf-Fragen noch im Ärmel und ich bin gespannt.
Wie gesagt, ich kann nicht vollumfänglich schreiben, daher bleibt für euch sicher das ein oder andere unklar bzw. offen.
Sorry dafür...
Grüße, fürdiesenfall