Sohn soll bei Mord an seiner Mutter zugesehen haben
Duisburg/Dinslaken. Ein 25-Jähriger soll die Musik lautgedreht haben, als zwei mit ihm befreundete Männer seine 58-jährige Mutter Dagmar E. aus Dinslaken töteten. Vor Gericht steht er nun wegen Totschlags.
Die Haltung der alten Dame ist bewundernswert. Vor einem halben Jahr hat sie ihre Tochter begraben, nun sitzt Frau K. sehr aufrecht im Sitzungssaal 157 des Duisburger Landgerichts ihrem Enkel Alexander E. (25) gegenüber, einem der Angeklagten. Die beiden schauen einander nicht an.
Unmittelbar bevor der erste kurze Verhandlungstag mit vier Angeklagten im Prozess um den Mord an der Dinslakener Kosmetikerin Dagmar E. (58) zu Ende geht, lässt die Nebenklägerin eine Quittung an Richter Ulrich Metzler weiterreichen: über den Verkauf von Altgold für 500 Euro an einen Juwelier Ende Oktober 2014. Den habe sie in der Hosentasche ihres Enkels gefunden, sagt Frau K.. Sie glaube, das sei wichtig. Damals galt Dagmar E. als vermisst.
Darlehen über 6000 Euro
Schrecklich genug ist es, wenn eine Mutter ihre erwachsene Tochter durch ein Verbrechen verliert, schrecklicher noch, den Enkel mitverantwortlich für die Tat zu wissen. Die Anklage sieht das so – neben Alexander E. wirft sie drei mit ihm befreundeten Brüdern, Abenezer (19), Kalab (21) und Israel A. (26) vor, die Dinslakenerin in ihrer eigenen Wohnung ermordet zu haben , weil sie ein Darlehen über 6000 Euro von den Brüdern zurückgefordert hatte.
Dabei soll der Älteste, Israel A., zwar nicht bei der Tat am 30. September 2014 dabei gewesen sein, die Jüngeren aber angestiftet haben. Alexander E. will die Morddrohung nicht ernst genommen haben, aber auch nicht versucht haben, die Mutter zu retten.
Im Gegenteil – während die beiden Brüder am Tatabend die arglose Dagmar E. im Zimmer ihres Sohnes überwältigten und zu Boden warfen, ihr Mund und Nase zuhielten, bis sie tot war, soll Alexander E. auf Zuruf ein Musikvideo auf Youtube laut abgespielt haben – Dean Martin, „Return To Me“. Das bringt ihm den Tatvorwurf des Totschlags durch Unterlassen ein.
Das Verschwinden von Dagmar E. am Abend des 30. September hatte über die Grenzen Dinslakens hinaus für Schlagzeilen gesorgt. Sohn Alexander hatte die Mutter selbst vermisst gemeldet, die angeblich ohne Tasche, Handy und Autoschlüssel aus der Wohnung verschwunden war und in einen geisterhaften schwarzen Sportwagen gestiegen sein sollte.
Stoff für Spekulationen
Das Fahndungsplakat der attraktiven Frau hing wochenlang in der Dinslakener City . Ihr Bekenntnis in ihrem offenen Facebook-Profil, in einer neuen, aber „komplizierten Beziehung“ zu stecken, lieferte Stoff für Spekulationen. Freundinnen gaben in TV-Sendungen Interviews und baten Dagmar, sich doch zu melden. Der Sohn schließlich soll bei den Ermittlern angegeben haben, dass seine verwitwete Mutter zahlreiche Männerbekanntschaften übers Internet unterhielt.
Doch die Nachforschungen der Polizei untermauerten die Behauptungen nicht. Dagmar E. war zwar auf der Suche nach einer festen Beziehung, ließ sich aber nicht leichtsinnig auf Bekanntschaften ein. Nach Tipps einer Freundin rückten der Sohn und seine Freunde ins Blickfeld der Fahnder. Ende April 2015, sieben Monate nach der Tat, wurden sie verhaftet. Alexander E. war es auch, der die Ermittler zum Fundort der Leiche führte, die in einem Bachbett nahe des Hünxer Flughafens Schwarze Heide lag.
Psychiatrisches Gutachten
Am Dienstag kündigte Alexander E.s Anwalt an, sein Mandant werde aussagen, ebenso wollen es zwei der drei angeklagten Brüder halten. Bei Alexander E. wird sicherlich auch ein psychiatrisches Gutachten eine Rolle spielen. Bereits die Polizei hatte den jungen Mann als merkwürdig „emotionslos“ bezeichnet, und auch gestern vor Gericht blieb der jungenhaft und unreif wirkende 25-Jährige wortwörtlich regungslos, spulte die Angaben zu seiner Person mechanisch ab.
Welche Hürden während des Prozesses zu überwinden sein werden, deutete sich an. Die angeklagten Brüder sind in Äthiopien geboren. Nur der Älteste, mittlerweile deutscher Staatsangehöriger, spricht Deutsch. Sein jüngster Bruder versteht und spricht am besten englisch, ihm zur Seite stand aber eine Dolmetscherin für die amharische Sprache, die in Zentraläthiopien gesprochen wird. Für den 21-Jährigen gab es einen Dolmetscher für Amharisch, der aber aus Eritrea stammt. Das, so sein Verteidiger, könne zu Missverständnissen führen. Nun werden zwei weitere Dolmetscher bestellt, für Englisch und Amharisch.
http://www.derwesten.de/staedte/duisburg/sohn-soll-bei-mord-an-der-mutter-zugeguckt-haben-id11384340.html (Archiv-Version vom 19.12.2015)