@Palio - Sehr guter Beitrag. Ein paar Gedanken dazu (die alle darauf basieren, dass die Sachverhalte sich wie berichtet abgespielt haben):
Palio schrieb:1. Lars ruft Sandra an
Um 23.00 Uhr rief er seine Mutter das erste Mal aus dem Hotel an und bat sie darum sein Handy mit Geld aufzuladen. Sandra Mittank leistete seiner Bitte Folge und lud es auf. Er bat sie außerdem, die Auslandskrankenversicherung anzurufen, denn er wollte mit einem Krankentransport nach Hause geholt werden. SM hat bei der Auslandskrankenversicherung den Fall angemeldet und ein Aktenzeichen bekommen.
Bereits dies ist merkwürdig. Wir haben einen 28-Jährigen, der bereits bei mehreren Ärzten war, von denen keiner ihm in irgendeiner Weise signalisiert hat, dass er eine Notfallerkrankung hätte (wie bereits gesagt, ist ein banaler frischer Trommelfellriss objektiv überhaupt keine Indikation, die einem Flug im Wege steht. Das weiss jeder Arzt.) Trotzdem glaubt LM, dass dies eine (sehr teure) medizinische Notfall-Rückführung rechtfertigen würde (was objektiv völlig unrealistisch ist). Und die Mutter, die dies eigentlich auch wissen müsste, spielt mit, und ruft mitten in der Nacht die Versicherung an (geht dies überhaupt?) und "bekommt ein Aktenzeichen".
Für mich bedeutet dies, dass LM hier entweder schon verwirrt war (und die Mutter dies merkte und aus Sorge mitgespielt hat), oder aber LM (und SM) davon ausgingen, dass eine sehr viel ernsthaftere Erkrankung als ein banaler Trommelfellriss vorlagen.
Palio schrieb:2. Sandra ruft Lars an
Nachdem Sandra mit der Krankenversicherung telefoniert hat, rief sie ihren Sohn erneut an und teilte es ihm mit.
Lars sagte daraufhin, dass irgendetwas mit dem Hotel nicht stimme, dass er weg müsse, dass Sandra seine Kreditkarte sperren soll. Das Hotel habe diese beim Check-In kopiert, was ihm komisch vorkam. Solch ein Prozedere habe er bisher in keinem anderen Hotel erlebt. Wenn er wieder zu Hause ist, könne er sie wieder entsperren, versicherte er seiner Mutter. Um dies genauer abzuklären, rief Sandra bei einer Mitarbeiterin der Bank an. Diese teilte ihr mit, dass man die Karte nicht selbst wieder entsperren kann.
Auch dies klingt etwas merkwürdig. Zunächst ist es in kleineren Hotels im Ausland ohne modernem Buchungssystem recht normal, dass die CC "kopiert" wird (entweder mit einem alten manuellen CC-Lesegerät / "Ratsche" oder mit dem Kopierer) - habe ich selbst schon x-fach erlebt. Aber vielleicht haben LM oder SM dies nicht gewusst, ok. Es ist aber nicht ohne weiteres möglich, für jemand anderen eine CC sperren zu lassen - hierfür müsste LM seiner Mutter die Kontodetails (inklusive Sicherheitsfrage/Telefon-Pin) ebenfalls mitgeteilt haben. Die Frage ist, warum hat LM nicht schnell selber bei der CC-Firma angerufen, um eine Sperrung zu veranlassen? Die Notfall-Sperrnummer ist auf eigentlich jeder CC hinten aufgedruckt - ein "normaler" 28-Jähriger würde dies doch einfach machen, und nicht seine Mutter dafür anrufen/beauftragen.
Palio schrieb:3. Sandra ruft Lars an
Danach rief sie Lars wieder an und sagte ihm das, was die Mitarbeiterin ihr gesagt hat. Dennoch beharrte er darauf und fügte hinzu, dass er noch genug Bargeld habe. Sandra riet Lars schlafen zu gehen um Kraft zu tanken, denn die nächsten Tage werden anstrengend. Sandra Mittank sperrte die Karte. Sie suchte vorsorglich eine Busverbindung heraus, buchte und bezahlte diese. Der Bus wäre am 08.07. um 23.30 Uhr ab dem Busbahnhof Varna gefahren.
Wie oben. Warum diskutiert LM mit seiner Mutter, und sperrt die Karte nicht einfach selber? Dass seine Mutter dann eigenständig und anscheinend unabgesprochen Busverbindungen heraussucht und sogar "ins blaue" kauft (das kostet ja Geld), während sie noch Minuten vorher bei der Krankenversicherung eine Rückführung beantragt hatte, zeigt meiner Meinung dass die Mutter hier das starke Gefühl hatte, dass LM nicht rational handelt (sie ist hier im "Panik-Modus").
Später kauft sie ja sogar noch einen Flug und schickt ihm 500 Euro, beides auch "ins blaue". Was man sich hier vergegenwärtigen sollte ist, dass die Mittags augenscheinlich keine besonders wohlhabende Familie war, für die ca. 1000 Euro nichts bedeuten (Ich kenne Leute, die sich 3 Tickets für einen Tag kaufen, weil sie erst später entscheiden, wann genau sie fliegen wollen - die haben aber auch Millionen auf dem Konto). LM bucht einen Billig-Urlaub, lässt sein Smartphone zu Hause aus Angst vor Diebstahl, aber auf einmal werden hunderte Euro einfach so ohne viel Planung ausgeben und redundante Rückfahrmöglichkeiten ins Blaue hinein gekauft. Dass SM bereit ist, dieses ohne weiteres Nachfragen zu tun (Bus Ticket, Flugticket, 500 Euro), zeigt meiner Meinung nach, dass SM sich in einem "koste es was es wolle, ich muss LM schnellstmöglich nach Hause bekommen" Entscheidungsmodus befand Die Art und Weise wie SM hier handelt, wie sie ohne Absprache für LM plant, zeigt, dass sie zu diesem Zeitpunkt wohl absolut nicht mehr davon ausging, dass sich LM rational/zurechnungsfähig verhält.
Palio schrieb:4. Lars ruft Sandra an
Doch kurze Zeit später ruft er sie wieder an: „Etwas stimmt mit dem Hotel nicht“. Er sagte zwar nicht genau was, aber Sandra glaubt, dass er sich abgehört fühlte und deswegen nicht laut reden konnte.
5. Lars ruft Sandra an (ca. 30 Min später)
Zwischen 2.30 und 3.30 Uhr rief er Sandra ein weiteres Mal an und sagte ihr, er sei aus dem Hotel raus und werde von vier Männern verfolgt. Er sprach leise, weil er sich vor ihnen versteckte und eigenen Aussagen zufolge, Zitat: „höher liegt und runterfallen könnte“. Kurz darauf legt er auf.
Wie bereits mehrfach besprochen, ist es sehr ungewöhnlich, dass keiner in den diversen Telefonaten mal nachfragt, was denn genau los ist - das wäre doch sowohl für die Mutter als auch die Freundin das allererste gewesen, wenn ein zurechnungsfähiger Mann nachts mehrfach anruft, und offenbar in Problemen steckt. Stattdessen wird eine "Rettungsmaschine" in Gang gesetzt. Wieder ein Hinweis darauf, das LM's Gesprächspartner nicht davon ausgingen, dass sich LM in einem rationalen/zurechnungsfähigen Zustand befand.
Palio schrieb:7. Lars ruft Sandra an
Sandra Mittank: „Den nächsten Anruf habe ich gegen ca. 6.00 Uhr erhalten. Und da sagte dann mein Sohn, er ist jetzt froh, dass er am Flughafen angekommen ist. Zu dem Zeitpunkt ist sein Handy schon fast leer und die Gespräche mit seiner Mutter belaufen sich aufs Wesentliche in kurzen, knappen Sätzen. Er sagte ihr, er brauche Geld und dass Sandra ihm Geld per Western Union überweisen soll.
Sandra nannte ihm nach der Erklärung von Western Union die Daten für sein Flug- und Busticket und sagte ihm, dass er diese handschriftlich abschreiben soll, falls der Fall eintritt, dass sein Handy leergehen sollte.
Er sagt, Zitat: „Sie lassen mich weder fliegen noch fahren.“ Außerdem sagte Lars, dass er von dem Versteck verdreckt aussähe. Sandra erwiderte, dass er sich im Badezimmer frisch machen, sich zum Flughafenarzt begeben und melden soll, sobald er Genaueres vom Arzt weiß. Sie wollte zwischenzeitlich die Überweisung tätigen und ihm dann nach seinem Arztbesuch die Nummer von Western Union mitteilen.
Weitere Merkwürdigkeiten. Lars war mit vollem Gepäck am Flughafen - er wird doch wohl ein Ladegerät mit in den Urlaub genommen haben? Falls nicht, gibt es am Flughafen doch genug Möglichkeiten, sich ein solches auszuleihen, wenn es wichtig ist. Es gibt auch öffentliche Telefone am Flughafen, oder man "leiht" sich ein Telefon von jemandem für ein paar Euro. Alles möglich wenn man es möchte.
Dann die WU-Geschichte. LM hatte anscheinend noch seine EC-Karte und Bargeld. Wofür brauchte er mehr, und warum WU? Er hatte sich ja nach eigenen Angaben bereits vor dem Telefonat mit SM mit einem anderen Touristen am FH über WU unterhalten. Man plaudert aber nicht einfach so mit fremden Menschen zufällig über WU ("Schönes Wetter heute...haben Sie heute schon WU benutzt?"). LM scheint also gezielt und geplant Menschen am FH angesprochen haben ( a la "Wissen sie, wie ich schnell Geld aus dem Ausland hierher bekommen kann"). Dass er dafür nur einen Menschen angesprochen hat, und dieser dann zufällig sofort WU kannte und auch aus dem Kopf den genauen Prozess (Registrierung, Authentifizierung, Überweisung) erklären konnte, ist ziemlich unwahrscheinlich. Wenn, dann muss er eigentlich mehrere Menschen darauf angesprochen haben, bis er jemanden fand, der sich damit auskennt. Ist dies auf irgendwelchen Videos zu sehen, bzw. gibt es hierüber Berichte? Dann bleibt noch die Frage, ob es am Flughafen überhaupt eine WU-Auszahlungsstelle gab. Stand heute gibt es keine WU-Auszahlungsstelle am FH Varna (auch an anderen Bulgarischen Flughäfen nicht). War das damals anders?
Falls eine gesperrte oder überzogene EC-Karte das Problem war - wäre es nicht einfacher gewesen, wenn LM SM gefragt hätte, schnell zur Bank zu fahren und Geld auf sein Konto einzuzahlen bzw. mit der Bank zu reden, und die Lage zu beschreiben, um die EC-Karte zeitnah zu entsperren?
Insgesamt passt das alles vorne und hinten nicht zusammen. Ausser man geht davon aus, dass SM genau wusste, dass LM sich in einem irrationalen Zustand befand, und daher alles tat, um ihn nicht zu konfrontieren bzw. seine Wünsche und Anfragen rational abzuändern, und gleichzeitig die Chancen zu maximieren, LM irgendwie nach Hause zu bekommen. Sprich, LM war sich über mindestens 8 Stunden klar, dass LM nicht rational handelt und in Gefahr ist.