Vermisstenfall Lars Mittank
23.09.2020 um 09:35
Guten Morgen, ich bin eher zufällig auf den Fall gestossen wurden, durch eine Kollegin und dann auch hier gelandet. Kurz: Ich bin selbst Lufverkehrskaufmann und arbeite für eine Fluggesellschaft in leitender Position und habe zuvor auch als Reiseleiter im EU-Ausland für einen großen, deutschen Reiseveranstalter gearbeitet. Das heißt, mir sind Abläufe am Flughafen oder auch mit Touristen nicht fremd, sowie Dinge rund um Reise und auch gewisse Örtlichkeiten, auch wenn ich nicht in Bulgarien gearbeitet habe, aber zB die Bulgarian Air Carter kenne, da diese ein Kunde meiner Gesellschaft waren und wir die Abfertigung der Passagiere und Flugzeug als Drittanbieter vorgenommen haben.
Ich halte mich daher nur mit den Dingen auf, die gesichert sind und die mir vom Ablauf her vertraut sind, überwiegend das, was die wenigen Sequenzen am Flughafen sind, aus den Videos von Insolito und Aktenzeichen XY.
Vorab wäre es natürlich (für mich) gut zu wissen, ob es eine Pauschalreise war oder Indivudualreise. Und um welche Fluggesellschaft es sich handelte. Weiß das jemand vielleicht?
Er kommt irgendwann gegen 5 Uhr oder 6 Uhr (jeweil Ortszeit, Bulgarien hat eine Zeitverschiebung von + 1 Stunde) daher ist es mal nicht ungrwöhnlich, wenn die Mutter von einer anderen Uhrzeit spricht, da es nicht jedem unbedingt klar ist oder man auch einfach nicht drüber nachdenkt.
Der Zweifel in dem Video wird ja aufgeführt, dass er die Information "sie lassen mich nicht fliegen und nicht fahren" bevor er den Arzt aufsucht. Hier ist natürlich die Gretchenfrage nach dem Wer?
Wenn es eine Pauschalreise war oder auch Individual, hatten die drei Männer eine zusammenhängende Reise. Es kann daher sein, dass die Gesellschaft (Flug oder Reise) die Information schon hatte, warum aus der Dreierbuchung nur zwei fliegen. Erstmal egal, ob Flug oder Reiseveranstalter. Bei einer Buchung aus mehreren Passagieren, machen wir einen No-Show Vermerk im System, gerade im Krankheitsfall (*NoShow Medical Reason*), falls der Kunde sich später meldet und ein Attest vorlegt, machen wir dann auch, wenn Möglich, eine kostenlose Kulanzumbuchung. Wenn es ein Reiseveranstalter war, wird auch dieser die Info der beiden anderen Männern erhalten haben, die Abflugzahl mit den gemeldeten Reisegästen nicht stimmt. Man geht in der Regel der Sache auf den Grund als Veranstalter, warum ein Gast "verloren" gegangen ist.
Auf den Bezug, "sie lassen mich nicht fahren" kann (muss nicht) auch folgendes gemeint sein, dass er sich am Schalter seiner Fluggesellschaft erkundigt hat und nehmen wir mal an, es ist eine deutsche Fluggesellschaft, sondern eine östeuropäische Gesellschaft, die da stationiert ist und auch Abflüge ab dem nicht so weit entfernte Burgas (Stunden) und es auch Shuttlebusse gibt, sowie Gabelflüge, zum Beispiel mit der BUC oder der Air Via Düsseldorf-Varna-Burgas. Es kann also sein, dass man ihm 2014 keinen kostenlosen Fahrschein für den Shuttlebus gab, weil man Kenntnis von einer Erkrankung hatte, die ärztlich abgekläft werden soll/muss. Ein Bodentransfer nach Burgas könnte den Hintergrund haben, dass er schnell weg wollte und von Burgas aus ein deutlich früherer Flug nach Deutschland rausging, den er faktisch hätte erreichen können.
Eventuell kann aber auch sein Reiseveranstalter bedenken geäußert haben. Das weiß man halt nicht, wer ihn angeblich nicht ließ.
Der Zeitfaktor beim Arzt, finde ich nicht fragwürdig. Verständigungsschwierigkeiten, eventuelle Rückfragen zur Rückbestätigung, damit der Arzt keine falschen Rückschlüsse zieht, sind dann nicht ungewöhnlich, sowie Papierkram bei Bedenklichkeit zum Fliegen, fallen interantionale Dokumente der IATA und ICAO (Internationale Luftfahrtbehörden) an, die auch in der Landessprache und Englisch erstellt werden (sollten, eigentlich müssen) und wovon die Fluggesellschaft einen Durchschlag erhällt.
Bei einer Flugtauglichkeitsprüfung im Krankheitsfall wird auch nicht nur die eigentliche Diagnose (hier Trommelfellriss) bewertet, sondern der Allgemeinzustand. Laut Videos sagte der Arzt aus, wie auch die Sozialarbeiterin aus dem Taxi, er wirkte nervös, rastlos, was natürlich den Arzt entsprechend interessiert, um eine Gefahr für ihn (Lars) auszuschließen und auch keine Gefährdung des internationalen Luftraums, durch zB Passagiere unter Substanzeinfluss wie Medikamente, stark Alkoholisiert, Vermutung von Drogen (nein, ich unterstelle dem Lars gar nicht, ich erkläre lediglich) denn wir lassen dann auch Passagiere stehen, selbst wenn wir den Verdacht haben und das kommt nicht selten vor. Meist ziehen wir, wenn es am Gate ist, den Kapitän und die Purser/ette hinzu, die dann die Entscheidung treffen, ob sie einen zwefelhaften Passagier mitnehmen oder nicht. Fällt uns das am Check In auf, bewegen wir den Passagier, mit Zuhilfenahme der Bundespolizei, sich einem Arzt vorzustellen. Ich nehme mal an, die Aussage des Arzt stimmt. Dann wird er auch den Grund der Nervosität mit in seiner Entscheidungsfindung einfliessen lassen. Wobei uns allen am Flughafen auch Fluganst ein vertrautes Symptom ist, aber auch dann lassen wir Passagiere öfters mal stehen und erstatten den Flugpreis aus Kulanz, weil es einfach nichts bringt.
Doch was mich verwundert, denn es ist zwar Bulgarien, aber es ist ein internationaler Flughafen in der EU. Da kommt ein kränklicher Patieten, sichtlich wohl nervös, deutlich vor der möglichen Abflugzeit der Heimreise und will was und sprintet dann, wie von der Tarantel gestochen, aus dem Flughafen, nimmt auch noch einen absolut untypischen Weg ohne den Zugang, wo er hergekommen ist und lässt sein Gepäck zurück?
Ein Passagier, der nervös ist, abhaut und sein Gepäck zurücklässt und nicht wiederkommt, da hätten wir einen Notalarm ausgelöst, das Terminal geräumt und Bombenräumdienst hätte sich dem Gepäck angenommen, den Wegläufer zwischenzeitlich mit allen Möglichkeiten verfolgt und das, ein international verpflichtender Ablauf, wurde nicht eingehalten? Das macht mich stutzig, denn wenn nur ein Passagier an unserem Schalter sein Koffer, Tasche, Rucksack, Handtasche, stehen lässt, gibt es Ausrufe und nach dem zweiten, fruchtlosen Ausruf, wird gesperrt.